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Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 14. Jahrgang, 2023, Heft 2: GiG im Gespräch 2023/2

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 14. Jahrgang, 2023, Heft 2

GiG im Gespräch 2023/2

GiG im Gespräch 2023/2

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitglieder der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik,
sehr geehrte Leserinnen und Leser der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik,

diejenigen unter Ihnen, die im Juni an der GiG-Tagung in Utrecht teilgenommen haben, werden sich sicherlich überaus gerne an das Wiedersehen, an wegweisende Vorträge, ein eindrucksvolles Rahmenprogramm – und an keinerlei Sturmböen oder gar Sturmfrisuren, wie auf dem Tagungsplakat zu sehen – erinnern, sondern an strahlenden Sonnenschein und milde Abende. Unserem Kollegen Ewout van der Knaap und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich im Namen der GiG an dieser Stelle nochmals für den so herzlichen Empfang.

Zu danken ist wie immer auch dem DAAD für die unverändert großzügige Förderung der GiG-Tagungen. Dies ist angesichts der aktuellen internationalen politischen Lage keine Selbstverständlichkeit, denn wie Ihnen vermutlich bekannt sein wird, war der DAAD 2022 mit enormen Mittelkürzungen konfrontiert. Darüber hinaus werden derzeit auch Neujustierungen der wissenschaftspolitischen Entwicklungen vorgenommen.

Wie Sie ja wissen, spielt der DAAD für die Wissenschaft weltweit und insbesondere alle internationalen Germanistiken eine wichtige Rolle. Dazu gehören unter anderem die Lektorinnen und Lektoren vor Ort, Stipendienprogramme für Studium und Forschung und Programme wie das der Germanistischen Institutspartnerschaften, das seit drei Dekaden besteht und dessen ›runder Geburtstag‹ vor wenigen Wochen mit einer großen Festveranstaltung in Berlin begangen wurde.

Da der DAAD seinerseits bekanntlich zwar ein unabhängiger Verein ist, unter anderem finanziell jedoch mit dem Auswärtigen Amt Deutschlands eng verbunden ist, hat er eine wichtige Stellung in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, die – wie der Präsident des DAAD, Joybrato Mukherjee, jüngst in der Zeitung des Deutschen Kulturrates betonte – um »ein ›W‹ für Wissenschaft erweitert werden« müsse. Wissenschaft und das, was als »Wissenschaftsdiplomatie« bezeichnet wird, seien – so Mukherjee – »sicherheitsrelevant« (Mukherjee/Brüheim 2023).

Diesem Gespräch mit Joybrato Mukherjee möchte ich an dieser Stelle etwas mehr Aufmerksamkeit widmen. Dabei kann und möchte ich nicht das Für und Wider möglicher Verkopplungen von Wissenschaft und Politik abwägen, sondern zunächst fällt mir vor allem auf, dass politische Dimensionen überhaupt stark hervorgehoben werden. Ein Hintergrund hierfür ist, dass der DAAD im vergangenen Jahr wie oben erwähnt mit erheblichen Einsparungen konfrontiert wurde, was für Mukherjee die Möglichkeit, aber auch Herausforderung schuf, die Relevanz der Arbeit des DAAD in dieser besonderen Situation zu unterstreichen. Er betont:

Es ist wichtig, dass die politisch Verantwortlichen verstehen und es auch in ihrem Handeln berücksichtigen, dass das, was die auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik leistet, sicherheitsrelevant ist. Sicherheit entsteht nicht nur durch Kampfpanzerlieferungen und Spitzentreffen zwischen Ministerinnen und Ministern. Vielmehr entsteht Sicherheit auch durch internationalen akademischen Austausch, wissenschaftliche Kooperation und Forschungsprojekte, die man gemeinsam betreibt. (Ebd.)

Dabei ist es in gewisser Weise durchaus wohl zu begrüßen, dass die Dinge beim Namen genannt werden, und zwar indem meiner Wahrnehmung nach deutlicher als in der Vergangenheit artikuliert wird, dass auch die Wissenschaft von politischen Interessenlagen nicht unabhängig ist. Gleichzeitig sucht Mukherjee jedoch die Autonomie von Wissenschaft und DAAD zu betonen:

Wir haben in Deutschland keine Kommandowissenschaft. Es wird nicht in einem Ministerium etwas entschieden und dann von uns im Nachgang einfach vollzogen. Sondern es ist immer ein partnerschaftlicher Aushandlungsprozess zwischen dem Parlament bzw. der Regierung und uns, bei dem es um konkrete Programme und Positionierungen geht. (Ebd.)

Wie zu erwarten, kommen in diesem Gespräch Fragen der Haltung Russland und der Ukraine gegenüber zur Sprache, besonders ausführlich werden aber die Wissenschaftsbeziehungen zu China thematisiert. Auch hier äußert Joybrato Mukherjee sich sehr vorsichtig und meiner Einschätzung nach darauf bedacht, das Erreichte bezüglich der Fortführung einer auskömmlichen Finanzierung der Arbeit des DAAD und des DAAD selbst nicht zu gefährden. Mit Nachdruck hebt er aber hervor, dass die Zusammenarbeit mit möglichst vielen Ländern auf der Welt stark sein solle, sofern dies vertretbar sei – und dies unter anderem, wie er sagt, deswegen, weil zum Beispiel China inzwischen eines der stärksten Wissenschaftssysteme der Welt sei und die EU nicht versäumen sollte, im Austausch auf der Höhe zu bleiben.

Beziehe ich nun – die hier in aller Kürze zusammengefasste Stellungnahme des Präsidenten des DAAD – auf die Arbeit in der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik, dann meine ich, und schließe dabei an meine Begrüßung zur Online-GiG-Tagung 2022 an, die unser Kollege Tomislav Zelić in Zadar (Kroatien) organisiert hat, dass unsere Fachrichtung in hohem Maß dafür steht, theoretisch fundiert über Erträge, Herausforderungen und Konfliktpotentiale auch in internationalen Wissenschaftsbeziehungen nachzudenken, ohne die wissenschaftliche Unabhängigkeit aufzugeben und ohne einer Vereinnahmung anheimzufallen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle deswegen eine Positionierung: Angesichts zunehmender politischer und gesellschaftlicher Fragmentierung innerhalb der EU werden die in der wissenschaftlichen Arbeit der Gesellschaft gewonnenen Erkenntnisse mit Bezug auf Europa ebenso zunehmende Bedeutung erhalten wie weltweit.

Ankündigen kann ich heute, dass die Jahrestagung im kommenden Jahr vom Department of German Language and Literature der renommierten Seoul National University in Korea veranstaltet wird. Eine Rundmail mit dem Call und allen Informationen zu den Daten und der Einreichung von Beitragsvorschlägen wurde bereits verschickt.

Ich habe Ihnen heute leider noch zwei traurige Nachrichten mitzuteilen. In diesem Jahr ist Professor Dr. Willy Michel verstorben. Der Kollege Willy Michel gehörte zu den Fachvertretern der ersten Stunde einer interkulturell ausgerichteten Germanistik und war langjähriges Mitglied der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik. Vor wenigen Tagen erreichte mich die Mitteilung eines zweiten Todesfalls. Am 11. Oktober ist Professor Dr. Anil Bhatti in Delhi gestorben, wie mir unser Vorstandsmitglied Professor Dr. Vibha Surana und die Kollegin Swati Achary gleichzeitig schrieben. Anil Bhatti war emeritierter Professor am Centre of German Studies der School of Language, Literature and Culture Studies an der Jawaharlal Nehru University in New Delhi. Er gehörte zu den Begründern der indischen Germanistik und ohne Zweifel zu ihren weltweit bekanntesten Vertreterinnen und Vertretern. Unter anderem war er von 1998 bis 2012 Präsident der indischen Goethe-Gesellschaft. Er wurde für seine Arbeiten zu Goethe, zur Romantik, zur Wiener Moderne und zur Kulturtheorie mit vielen hochrangigen Preisen geehrt, darunter 2005 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, 2011 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, ebenfalls 2011 den Humboldt-Forschungspreis und 2021 die Ehrendokorwürde der Universität Zürich. Den Angehörigen von Professor Dr. Willy Michel und von Professor Dr. Anil Bhatti möchte ich im Namen der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik mein tiefes Mitempfinden ausdrücken.

Ich verbleibe
mit herzlichen Grüßen und meinen besten Wünschen
Ihre Gesine Lenore Schiewer

Literatur

Mukherjee, Joybrato/Brüheim, Theresa (2023): »Sicherheit entsteht auch durch internationalen akademischen Austausch und Kooperation«. Joybrato Mukherjee im Gespräch. In: Politik & Kultur. Zeitung des Deutschen Kulturrates 21, H. 6, S. 9; online unter: https://politikkultur.de/inland/austausch-und-kooperation/ [Stand: 1.9.2023].

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