Interkulturelle Literaturwissenschaft und Medizin
Zur Vorstellung einer »Interkulturalität als Projekt« (Heimböckel/Weinberg 2014) gehört auch die Erweiterung ihres Forschungsfeldes. Der vorliegende Beitrag greift diesen Ansatz auf, indem er – erstmals in dieser Form – das Verhältnis von Literatur und Medizin interkulturell zu perspektivieren sucht. Dies geschieht zum einen im Lichte der von den sog. Medical Humanities1 ausgehenden Bemühungen, den interdisziplinären Austausch zwischen Medizin und den Geisteswissenschaften im Allgemeinen sowie den Literaturwissenschaften im Besonderen anzuregen und zu fördern. Zum anderen soll es darum gehen, das spezifisch Komparative dieses Verhältnisses mit dem komparatistischen Lektüremodus der interkulturellen Literaturwissenschaft engzuführen und so für die in ihr liegenden Potenziale, was die Erforschung der Beziehung von Literatur und Medizin betrifft, zu sensibilisieren. Im Folgenden werden daher zunächst die Zusammenhänge von Literaturwissenschaft, Interkulturalität und Medizin erörtert und die unseren Überlegungen zugrundeliegenden Prämissen geklärt, ehe mit dem Entwurf einer literarischen Epidemiologie die Probe aufs Exempel für die analytische Praxis erfolgt.2
1. Literaturwissenschaft und Medizin
Das Verhältnis zwischen Literaturwissenschaft und Medizin wird gemeinhin als ein eher distanziertes betrachtet. Lässt sich eine konjunktionale Verschaltung auf syntaktischer Ebene regelkonform und unbedenklich realisieren, evoziert die außersprachliche Referenz auf die Paarung einige Irritationen, schließlich werden beide Konzepte in der Regel mit unterschiedlichen semantischen Feldern und Wissensbereichen assoziiert, erweisen sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung wie im spezifischen Bereich universitärer Forschungs-, Ausbildungs- und Lehraktivtäten als weitgehend unverbunden. Dass eine Studentin oder ein Student der Literatur- bzw. Kulturwissenschaften Kurse der Anatomie belegt, scheint entsprechend genauso selten, weder vorgesehen noch erwünscht, wie die Teilnahme einer Medizinerin oder eines Mediziners an einem Kafka-Seminar – wobei mitunter bereits die örtliche Separation der beiden Fakultäten an vielen Universitäten eine auch nur zufällige Kontaktaufnahme nahezu ausschließt. Studienprogramme, die eine Kombination der Disziplinen zuließen bzw. in Form einer Anerkennung von Leistungspunkten (den sog. ECTS) unterstützten, sind im europäischen Hochschulraum unseres Wissens die Ausnahme.3
Was sich in vormoderner Zeit noch als ein diachrones Nacheinander darstellte, insofern die Septem Artes liberales und also auch das Erlernen der wortbezogenen Künste des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) allererst die Voraussetzung für den Zugang zur Medizin-Fakultät (bzw. der Theologie oder der Jurisprudenz) bildeten, präsentiert sich heute als ein Nebeneinander, das eine Entweder-oder-Entscheidung fordert. Alte Gräben, keine Brücken zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, so könnte man meinen, zwischen soft und hard science, zwischen Literatur und Medizin, poetisch-fiktionalem Erzählen und Faktenwissen, zwischen Deutungswissenschaft und Handlungsorientierung.
Dabei ließe sich das »Feld der Sprache« durchaus als ein Schnittstellenbereich der Disziplinen ausmachen (Jagow/Steger 2005: 9), als ein Kommunikationsraum, der beidseitig – von Medizin und Literaturwissenschaft – bespielt wird und sich aus dem grundlegenden Bedürfnis der Denomination bzw. in weiterem Sinn der Versprachlichung medizinischer Phänomene begründet: »Ich sehe […] nichts Besseres für mich«, bringt Kant vor bereits 200 Jahren im Versuch über die Krankheit des Kopfes hierfür beispielhaft zum Ausdruck, »als die Methode der Ärzte nachzuahmen, welche glauben, ihrem Patienten sehr viel genutzt zu haben, wenn sie seiner Krankheit einen Namen geben« (Kant 1960: 888). Im Zuge der Denomination kann die physisch-materielle ›Körperwelt‹ in eine abstrakt-symbolische Zeichenwelt übersetzt und damit im ›Ersatzkörper Schrift‹ zum distanzierten Diskursgegenstand erhoben werden. Es scheint dahinter ein vorchristliches, archaisches Verständnis von Wortmagie auf, mit dem sich nicht zuletzt der hoffnungsfrohe Wunsch verbindet, über Name und Benennung (›das Zauberwort‹, wie es in Eichendorffs Gedicht Wünschelrute heißt) einen unangenehmen, vielfach unverständlichen Zustand irgendwie ›in den Griff zu bekommen‹, ihn im besten Fall zu bannen, zu bewältigen – und sei es durch kategorisierende Einordnung – oder doch zumindest zu (s)einem (besseren) Verständnis beizutragen. Im vormodernen medizinischen Zauberspruch, der auf einem Zeichenverständnis basiert, das eine Ähnlichkeitsrelation zwischen signum (Zeichen) und res (Sache) etabliert (vgl. Schulz 2003: 15), begegnet dieses Verständnis in seiner ursprünglichen Form: Das Wort selbst erlangt den Status eines Heilmittels. Noch Jacob Grimm kündet in der Deutschen Mythologie von diesem Sprachpotenzial: »stärkere macht als in kraut und stein liegt in dem wort, und bei allen völkern gehen aus ihm segen oder fluch hervor […]; darum hängt alle kraft der rede, deren sich priester, arzt, zauberer bedienen, mit den formen der poesie zusammen« (Grimm 1876: 1023; CAP. XXXVIII Sprüche und Segen; Hervorh. i.O.).
Die ›Methode‹ der Benennung, der sich mittelalterliche Heilkundige, ÄrztInnen wie LiteratInnen bedienen, unterscheidet sich dabei in ihrer Form freilich grundlegend, ist den jeweiligen Zielsetzungen der Fachdisziplin verpflichtet: Die medizinische Sprache der Wissenschaft verlangt nach Normativität, Wahrheit und Klarheit: Sie ist kondensiert, reduziert, fachterminologisch geprägt und im gegenwärtigen Medizindiskurs von einem Ausmaß an Komplexität, welches das Verständnis der Laiin oder des Laien in jeder Hinsicht transzendiert. Sie erfordert zudem in vielen Fällen semantisch komplementäre Begriffssetzungen wie ›gesund‹ vs. ›krank‹, die eine Dichotomie zwischen gesellschaftlicher Teilnahme und Ausschluss, zwischen Normentsprechung und Normwidrigem postulieren.4
Dass die Literatur sprachlich, ästhetisch wie künstlerisch andere Wege der Vermittlung beschreitet, nach alternativen Möglichkeiten sucht, um die ›medizinische Welt‹ zu ›übersetzen‹, und welche Potenziale damit verbunden sein können, betont Dietrich von Engelhardt im nachstehenden Zitat und gibt zugleich eine Antwort auf die von Bettina von Jagow und Florian Steger (vgl. 2009) aufgeworfene Titelfrage, ›was (denn) die Literatur zur Medizin treibe‹. Dass es die Literatur dorthin treibt, mag ein gedanklicher Gang durch die eigene Bibliothek verdeutlichen, geleitet von der – in den meisten Fällen wohl zu negierenden – Frage, ob sich hier überhaupt Texte finden lassen, in denen es nicht um Medizin, Krankheit oder Gesundheit geht. In Bezug auf medizinische Themen weise die Literatur, so Engelhardt,
auf Gefahren und Risiken der Medizin, auf Technisierung und Anonymisierung, auf den Verlust der Menschlichkeit hin. Mit ihren Ideen, Metaphern und Symbolen erfüllen literarische Werke das Bedürfnis nach Deutungen der Krankheit, die über alle naturwissenschaftlich-medizinischen und sozialpsychologischen Erklärungen hinausgehen. In der Literatur wird die übliche Trennung von ›gesund‹ und ›krank‹, von Norm und Abnormität in Frage gestellt oder relativiert; der Kranke kann als der eigentlich Gesunde erscheinen, Krankheiten können als Signaturen ihrer Zeit, das Krankenhaus als Abbild der Welt verstanden werden. (Engelhardt 2005: 2)
Diese in die Literatur gesetzte Hoffnung ist an sich durchaus zu begrüßen, in vielen Fällen sicher auch begründet, angesichts stets neu aufkeimender Kontroversen um die gesellschaftliche Relevanz der Literatur vielleicht auch noch deutlicher zu vertreten – dies aber wohlweislich in dem Bewusstsein, dass Literatur sich darauf nicht reduzieren lässt, sich als widerspenstiger erweist. Demnach ist sowohl die Vorstellung eines ›literarischen Leistungspakets‹ mit ausbildungspraktischer ›Verwertbarkeit‹ und Ratgeberfunktion wie auch die von Steger formulierte Idee der Etablierung eines ›literarischen Kanons der Medizin‹, wobei »leitendes Moment der Textauswahl […] die lebensweltliche Dichte der Texte« sein sollte, »nicht so sehr die Ästhetik« (Steger 2016: 232), aus literaturwissenschaftlicher Perspektive der kritischen Reflexion und Diskussion bedürftig.5
Aus Sicht der Literatur- und Geisteswissenschaften bietet es sich wiederum an, ›eigene‹ wissenschaftliche Forschungsbemühungen im Bereich der ›medizinischen Literatur‹ anzustrengen, die neben dem didaktischen Potenzial der Literatur für die Medizin vor allem Ansätze einer Ästhetik der Medizin entwickeln, die gleichwohl nach Chancen wie nach Grenzen ästhetischer Darstellungsformen zu fragen hätte (vgl. dazu Bendheim/Pavlik 2019). In den verschiedenen Disziplinen der humanities wäre beispielsweise zu erörtern, was ästhetische Krankheitsdarstellungen leisten, welche Bedeutungsebenen, Ideen, Erkenntnisse, Vorstellungen von Ursachen, Verläufen und Strukturen von kranken bzw. krankhaften Körpern, Körperschaften, Denk- und Lebensweisen generiert werden; wie diese »möglicherweise aber auch dazu beitragen, intendierte oder nichtintendierte misreadings zu produzieren und/oder gewohnte Denkweisen infrage zu stellen« (ebd.: 9).
Krankheit und Gesundheit auf der Ebene ihrer Figurationen, in Form rhetorischer Stilfiguren wie Metaphern oder Allegorien, aber auch in einem weiteren Sinn in narrativen und künstlerischen Verfahren zu reflektieren, erlaubt zu beschreiben und zu verstehen, wie bestimmte Begriffe aus einem Begriffsfeld heraus »in die weltgeschichtliche Lage hineinwachsen« (Auerbach 1967: 92); wie sich aus Figurationen also neue Reflexionsebenen eröffnen, aus denen sich wiederum neue Bedeutungsebenen entwickeln, die daran teilhaben (können), dass sich unser Wissen grundlegend und stillschweigend reorganisiert. Neben der Frage nach dem Mehrwert, der sich aus der figürlichen Rede für eine gesellschaftliche, medizinische Realität ableiten ließe, geht es dann vor allem darum, »das Verhältnis von Phantasie und Logos« als »eine katalysatorische Sphäre« zu begreifen, »an der sich zwar ständig die Begriffswelt bereichert, aber ohne diesen fundierten Bestand dabei umzuwandeln und aufzuzehren«, wie Blumenberg (1998: 11) in den Paradigmen zu einer Metaphorologie treffend formuliert. Die Beschäftigung mit medizinischer Literatur setzt Energien frei und bringt Reflexionen in Gang, die aus einem ›Erkenntnisraum eigenen Rechts‹ erwachsen.
Auch diachrone Wandelphänomene in literarischen und gesellschaftlichen Diskursen über medizinische Themen wären dabei genauer in den Blick zu nehmen. Sie treten etwa in der zeittypischen Verwendung, Bedeutung und Kraft medizinischer Metaphern (wie dem ›gesunden Volkskörper‹, dem ›gesunden Menschenverstand‹, der EU als ›Global Player‹, Corona als ›Chinese Virus‹ usw.) hervor und bewirken, dass die Weise der Schilderung von Lebensschwierigkeiten und Konflikten (Krankheit, Leid, Schmerz, Tod) in je unterschiedlichen Epochen ganz anders klingt. Ihre Analyse kann zu einem erhellenden Verständnis darüber beitragen, welche gesellschaftlichen, politischen, philosophischen, theologischen usw. Norm- und Normalitätsvorstellungen zu welcher Zeit als erstrebenswert galten und welche Normen und Werte eine Gesellschaft zu bestimmten Zeiten prägten. Denn ästhetische Formen von Krankheit werden ganz wesentlich durch die Vorstellungen und Weltanschauungen ihrer Zeit beeinflusst, »zum Teil […] durch herrschende wissenschaftliche Auffassungen, zum Teil durch die allgemeine Sprache des Zeitalters und seiner Interessen« (Jaspers 1973: 715). Vice versa können Begriffe, Metaphern und Erzählungen von Krankheit und Gesundheit selbst stilprägende Qualitäten besitzen, sie können dazu führen, dass sich bestimmte Denkmuster ausbilden und verfestigen, Einfluss auf unsere Vorstellungen von Medizin nehmen und zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. Einsichten beitragen – genauso aber auch bloß modisch wechselnde Sprechweise bleiben. In beiden Fällen wird deutlich, dass Krankheitsgeschichten und -narrative stets mehr sind als die Schilderung singulärer Krankheitsfälle: Das literarische Sprechen über Gesundheit und Krankheit und die darin enthaltene Metaphorik lassen sich lesen als Symptom einer Gesellschaft, einer Kultur, als »Teil eines kollektiven Gedächtnisses der Zeit« (Friedrich 2015: 173), als Zeitdiagnose.
Die hier nur beispielhaft skizzierten Forschungsdimensionen ließen sich in verschiedene Richtungen weiterentwickeln und vertiefen. Sie sind hier lediglich angeführt, um das Potenzial einer medizinischen Literaturwissenschaft anzudeuten und um damit, im wiederholten Bezug auf eine Formulierung Stegers (2016), zu zeigen, dass nicht nur die Literatur zu einer »verstehenden Medizin«, sondern auch die Medizin zu einer verstehenden Literatur(-wissenschaft) beitragen kann.
2. Interkulturalität und Medizin
Unser Vorhaben, über das Verhältnis von interkultureller Literaturwissenschaft und Medizin nachzudenken, entsprang zunächst einem literaturwissenschaftlichen und einem interkulturellen Anliegen. Selbstverständlich hat man sich das Literaturwissenschaftliche und das Interkulturelle nicht als zwei streng voneinander separierbare Entitäten vorzustellen. Ganz im Gegenteil ging und geht es gerade im Rahmen der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik immer wieder darum, beide wechselseitig aufeinander zu beziehen, etwa dadurch, dass Phänomene der Andersheit – ästhetisch hier und kulturell dort – in ihrer Reziprozität reflektiert und analysiert werden, sodass es sich anbietet, poetische und kulturelle Alterität im Anschluss an Norbert Mecklenburg (vgl. 1987) und Herbert Uerlings (vgl. 1997: 8) als Komplementärphänomene zu begreifen. Wir werden auf diese uns wichtige Komplementarität noch einmal zurückkommen.
Wenn hier also nachfolgend von Interkulturalität die Rede sein soll, so geschieht dies unter literaturwissenschaftlichen bzw. literarästhetischen Vorzeichen. Eine solche Selbstverortung folgt keinem Selbstzweck, sondern ist angezeigt in einem Themenfeld, das wie das Verhältnis von Literatur und Medizin historisch schwierig zu fassen ist und sich mit einer verwirrenden Fülle von Fragestellungen konfrontiert sieht.
Je nach fachlichem Herkommen werden Medizinhistoriker womöglich Literatur als Medizin betrachten, Kulturhistoriker den historischen Quellenwert der Literatur für die Medizingeschichte hervorheben und Literaturhistoriker, die sich als Kunst- und nicht als Geschichtswissenschaftler verstehen, den Mehr- oder Eigenwert literarischer Formen für die Produktion, Darstellung und Vermittlung medizinischen Wissens in Literatur und Medizin betonen. (Zelle 2013: 87; Hervorh. i.O.)
Insofern ist es auch nicht unerheblich, dass der ausgesprochen verdienstvolle Beitrag über Gesundheit und Krankheit im Handbuch interkulturelle Germanistik aus dem Jahre 2003 mit Dietrich von Engelhardt (vgl. 2003) von einem Wissenschafts- und Medizinhistoriker und eben nicht von einem Philologen verfasst wurde. Zwar sind Engelhardts Beiträge über Literatur und Medizin inzwischen Legion und aus dem Forschungsfeld nicht wegzudenken, für die literaturwissenschaftliche Interkulturalitätsforschung und auch über sie hinaus ist der Handbuchbeitrag jedoch so gut wie ohne Resonanz geblieben.6
Die Überraschung darüber mag sich in Grenzen halten, wenn man sich vor Augen führt, worin Engelhardt unter anderem die Perspektiven für eine interkulturelle Germanistik in diesem Zusammenhang sieht:
Gesundheit und Krankheit verbinden sich mit Fremdheitserfahrungen und Problemen interkultureller Kommunikation – außerhalb wie innerhalb der Medizin – und führen so stets auch zu Kulturvergleichen. Gesundheit und Krankheit stellen landeskundliche und ethnokulturelle Erscheinungen dar. Der interkulturelle Dialog auf dem Gebiet von Gesundheit und Krankheit kann selbst wieder zur Humanisierung der modernen Medizin beitragen. (Engelhardt 2003: 163)
Den Referenzrahmen dieser Äußerung bildet ein germanistisch lange Zeit etabliertes (Vor-)Verständnis von Interkulturalität, das vorzugsweise Richtung ›Interkulturelle Kommunikation‹, ›DaF‹ und ›Landeskunde‹ gravitierte und im Kernfach dazu (ver-)führte, ihren VerfechterInnen eine Expertise in philologischer Analysekompetenz abzusprechen. Der in dem interkulturellen Dialog verortbare Anspruch auf Humanisierung kommt darüber hinaus einer Auffassung von Interkulturalität entgegen, die sich dem »Prinzip der Partnerschaft« verpflichtet weiß und in der sich zugleich »Ausdruck und Programm eines Verständigungswillens« (Wierlacher 2003: 259) äußert. Das ist aller Ehren wert und ethisch ein hehrer Anspruch, aber keiner, der nachweislich in dem Ruf literaturwissenschaftlicher Dignität stehen würde. In eine ähnliche Richtung gehen die von Engelhardt initiierten und inzwischen Schule machenden Versuche, der Literatur eine wichtige »anthropologische Korrektivfunktion« (Zelle 2013: 89) im Rahmen der medizinischen Ausbildung beizumessen. Sie firmieren unter dem bereits angesprochenen Namen der Medical Humanities und haben zum Ziel, Kunst und im Besonderen Literatur
mit Medizin beziehungsweise medizinischer Ausbildung zu verbinden. Dabei geht es einerseits darum, wie die Beschäftigung mit Literatur dem Behandlungsteam helfen kann, ein tieferes Verständnis für die Personalität des kranken Menschen zu entwickeln. Andererseits geht es um die Kunst als Medium der Kreativität. (Steger 2021: 67)
Angesicht eines mehr und mehr durch biomedizinische Daten definierten Patientenwesens sollen die Medical Humanities mithilfe der Literatur dieser Entindividualisierung entgegenwirken und »zu mehr Menschlichkeit in der Medizin« (ebd.: 78) beitragen.
Dem Forschungsansatz der Medical Humanities soll hier keinesfalls die Berechtigung für ihr Tun abgesprochen werden. Vielmehr verstehen sich die vorliegenden Ausführungen als ein Beitrag, mit dem das Verhältnis zwischen Literatur und Medizin um eine bislang weitgehend vernachlässigte Ausrichtung erweitert werden soll. Dies geschieht aber nicht unter der gedanklichen Voraussetzung, dass Literatur die Welt besser machen würde oder weil am literarischen Wesen die medizinische Welt genesen könnte. Wenn die Medizin, zumal diejenige, die sich Humanmedizin nennt, sich für die Belange des Humanen tendenziell immun zeigt, dann wird sie in der Literatur, die in ihren avanciertesten Zeugnissen wie eine »Axt […] für das gefrorene Meer in uns« (Kafka 1975: 28) wirken soll, erst recht keine Erfüllungsgehilfin für ihr Dilemma finden. Wer mit Franz Kafkas Literaturbestimmung sympathisiert, zeigt zugegebenermaßen ein Interesse für solche Werke, die stören, irritieren, aus der Fassung bringen – was aber nicht gleich heißen muss, dass man als MedizinerIn mit Gottfried Benn durch ›Krebsbaracken‹ ziehen, als PflegerIn Anton Tschechows Krankenstation Nr. 6 erkunden oder als PatientIn sich in Wolfgang Herrndorfs Arbeit und Struktur vertiefen sollte. Oder vielleicht doch? »Wir müssen Dostojewski lesen, wenn wir elend sind, wenn wir bis zur Grenze unserer Leidensfähigkeit gelitten haben«, lautet eine Leseempfehlung Hermann Hesses, erst dann sei man empfänglich »für die armen Teufel seiner Dichtungen, dann leiden wir ihre Leiden, starren mit ihnen gebannt und atemlos in den Strudel des Lebens, in die ewig mahlende Mühle des Todes.« (Hesse 1982: 305) Es bleibe freilich dahingestellt, ob das der Geist ist, von dem sich die Medical Humanities eine Sensibilisierung für »Kranke in Not« (Engelhardt 2021: 113) versprechen. Doch diejenige Literatur, die als Remedium dienen könnte oder in dem Ruf steht, als solches seinen Dienst zu leisten: Möchte man sie – Gesunden präventiv und Kranken kurativ – wirklich empfehlen oder womöglich noch: ans Herz legen?
Literatur geht im besten Fall von Hand zu Hand; zur Handreichung taugt sie weniger. Darum widmete sich der für die vorliegenden Ausführungen einschlägige und jüngst veröffentlichte Sammelband Figurationen von Krankheiten im Wesentlichen auch nicht dem didaktischen Potenzial der Literatur für die Medizin, sondern unter anderem der Frage, wie und inwiefern Literatur »gewohnte Denkweisen« (Bendheim/Pavlik 2019: 10) infrage stellt. Dabei ist gerade die Infragestellung solcher Denkweisen für das Verhältnis von Literatur und Medizin von einiger Bedeutung, insofern sie das Wissen der jeweils anderen Seite unter Vorbehalt stellt. Die Corona-Pandemie hat dazu beachtlichen Anschauungsunterricht geliefert. Vor allem hat sie vor Augen geführt, dass sich bei Phänomenen ihrer Art und angesichts der ausufernden Herkunfts-, Grenz- und Konkurrenznarrative schwerlich von ihrer interkulturellen Bewandtnis absehen lässt. Nicht von ungefähr gehörten Giovanni Boccaccios Decamerone und Albert Camusʼ Die Pest zu den angesagtesten Texten dieser Zeit – als untrügerisches Zeichen der Entgrenztheit sowohl der pandemisch verlaufenden Krankheit als auch der Literatur, die über sie zeitenthoben spricht.7
Deshalb überrascht es am Ende doch und umso mehr, dass es zwar inzwischen zu den Selbstverständlichkeiten gehört, Literatur und Medizin jeweils interkulturell bzw. unter den Bedingungen von Interkulturalität zu reflektieren, dies aber mit Blick auf beider Verhältnis ausgesprochen selten geschieht. Man verwechsle dabei nicht die zur Gewohnheit gewordene Rede über die ›zwei Kulturen‹, die seit Charles Percy Snow unter anderem auch in die Beziehungsgeschichte von Literatur und Medizin Einzug gehalten hat (vgl. Pethes/Richter 2008: 10; Neumeyer 2008), mit Ansätzen der Interkulturalitätsforschung, die sich für das Zwischen von Kulturen interessiert. Bei den einen handelt es sich um wissenschaftliche Disziplin- bzw. Fachkulturen, bei den anderen um Kulturen in einem anthropologischen Sinn. Wenn es einen Berührungspunkt zwischen diesen beiden Sphären gibt, so liegt er im Komparativen. »Der traditionelle literaturwissenschaftliche Ort, über Literatur und Medizin zu forschen, ist die Komparatistik« (Zelle 2013: 87). Das gilt in ähnlicher Weise auch für die literaturwissenschaftliche Interkulturalitätsforschung (vgl. Kretzschmar 2013). Sie hat nur, obwohl mehrfach eingefordert, noch keinen rechten Begriff davon. Ihre Beschäftigung mit dem Themenfeld Literatur und Medizin könnte dazu beitragen, ihn zu stärken. Umgekehrt könnte die Interkulturalitätsforschung das Themenfeld dadurch stützen und bereichern, dass mit ihrer »kulturkomparatistischen Grundeinstellung« (Holdenried 2022: 11) nicht nur kulturell je anders ausagierte Repräsentationsformen und Diskursivierungen von Medizin, Gesundheit und Krankheit in den Blick geraten (vgl. Bölts 2016: 26); ihr wäre es auch möglich, sich in die Beantwortung der Frage einzubringen, wie und mit welcher Wirkung »Literatur die kulturspezifisch geprägte Erfahrung von Krankheit und Tod« darstellt und welche Funktion sie »bei der Etablierung und Transformation von Wertgefügen« einnimmt, »die den gesellschaftlichen Umgang mit dem Pathologischen steuern« (Käser 2014: 15). Schließlich ließen sich ganz allgemein »vermeintliche Gewissheiten über Krankheit und Gesundheit, Norm und Abnormität« (Fischer/Gadebusch Bondio 2016: 9) hinterfragen und dadurch die Relativität von Gesundheit und Krankheit gerade auch aus einer interkulturellen Perspektive diskutieren.
Krankheit wird häufig als sinnwidrig erfahren. Mit dem Mikrobiologen und Wissenschaftstheoretiker Ludwig Fleck könnte man demgegenüber Gesundheit als »eine Metapher für eine besondere Erscheinungsform der Krankheit« (Zittel 2021: 132) verstehen. Wie auch immer: In beiden Fällen richtet sich die Aufmerksamkeit auf einen Zustand, der wiederholt als fremd wahrgenommen bzw. mit Fremdheit assoziiert wird. Dass es sich bei Literatur und Interkulturalität um spezifische Konfigurationen von und Beschäftigungsformen mit Andersheit bzw. Alterität handelt, ist eine Koinzidenz, deren epistemisch hier nur angedeutete und noch weiter zu vertiefende Relevanz für das Verhältnis von Literatur und Medizin im Allgemeinen und für die an Medizin interessierte interkulturelle Literaturwissenschaft im Besonderen produktiv gemacht werden könnte und sollte.
Anhand des Entwurfs zu einer genuin literarischen Epidemiologie soll im Folgenden der zuvor theoretisch erörterte Zusammenhang zwischen Literaturwissenschaft, Interkulturalität und Medizin in der philologischen Praxis exemplifiziert werden.
3. Entwurf zu einer literarischen Epidemiologie
3.1 Giovanni Boccaccio: Il Decamerone (1349-1353)
Giovanni Boccaccio verfasste seine Novellensammlung Il Decamerone, das »Zehn-Tage-Werk« – so die deutsche Übersetzung des gräzisierenden italienischen Titels –, zwischen 1349 und 1353, i.e. an der Schwelle zwischen Mittelalter und Renaissance. Nach dem Proemio, in dem die Dichtung in ihrer Funktion als trostspendendes Linderungsmittel profiliert wird (vgl. Boccaccio 1973: 1-3),8 geht der Erzähler in medias res der Pest, die 1348 in Boccaccios Heimatstadt Florenz wütete. Schon einmal hatte die Pest die damals bekannte Welt pandemisch heimgesucht. Die erste dokumentierte Station der ersten historisch greifbaren Pandemie war im Jahr 541 n. Chr. Pelusium im Nildelta, von dort aus expandierte die Seuche in den gesamten euro-mediterranen Raum. Bis in das 8. Jahrhundert hinein flackerte sie endemisch im Osten wie im Westen auf und verschwand danach aus bislang ungeklärten Gründen. In Ermangelung medialer Voraussetzungen zur effizienten Speicherung und Distribution von Informationen waren die Menschen vollkommen ahnungs- und ratlos, als die Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts erneut über Europa hereinbrach. Im Jahr 1347 verbreitete sie sich von der Krim aus auf dem Seeweg über den ganzen europäischen Kontinent und überzog ihn bis in die ersten Dekaden des 18. Jahrhunderts mit rezidivierenden Ausbruchswellen. Die letzte große Pestepidemie in Westeuropa ereignete sich 1720 in Marseille, im geographisch gesamteuropäischen Rahmen 1771 in Moskau. Danach hatte zumindest Europa die »größt[e] Naturkatastroph[e] der Menschheit« (Hach/Hach-Wunderle 2017: 13) überstanden.9
Bereits der Anfang der Rahmenhandlung des Decamerone erhellt, dass die Pest im symbolischen System und Imaginären der Kultur, folglich auch in der Literatur, immer mehr ist als die medizinische Entität ›Pest‹, z.B. über poetologische Potenziale verfügt. »Questo orrido cominciamento vi fia non altramenti che a’ camminanti una montagna aspra et erta, presso alla quale un bellissimo piano e dilettevole sia riposto, il quale tanto più viene lor piacevole, quanto maggiore è stata del salire e dello smontare la gravezza.« (Boccaccio 1973: 5)10 In Analogie zur Besteigung eines steilen Berges, dessen Gipfel die Wanderin oder den Wanderer für die erlittenen Strapazen mit einem pittoresken Ausblick belohnt, verpflichtet Boccaccio die Epidemie auf ein lustökonomisches Kalkül: Die LeserInnen sollen in die Unlust der Seuche investieren, um eine umso größere Lust an den Geschichten des Decamerone zu erwirtschaften.
Nach der wirkungsästhetischen Apologie des betrüblichen Anfangs werden Herkunft und Ursache der Pest thematisiert. Im Orient, so vermerkt die Erzählinstanz, sei sie zuerst ausgebrochen (vgl. Boccaccio 1973: 6). Es mag der historischen Realität entsprechen, dass Epi-, gar Pandemien vom Morgenland ihren Ausgang nahmen, doch ist diese Lokalisierung oftmals nicht nur rein deskriptiv gemeint. Der Orient als seuchengeographischer Topos besitzt seit jeher eine normativ-diskursive Funktion. In diesem Zusammenhang wird das vermeintlich unhygienische Morgenland in einem xenophoben Reflex als das bedrohliche Andere des Okzidents imaginiert, um das Phantasma eines ›gesunden‹, zivilisierten Europas zu stabilisieren und zu zementieren. Während der Erzähler an dem geographischen Ursprung der Pest im Orient keinen Zweifel lässt, vermeidet er hinsichtlich ihrer Ursache eine Festlegung, lediglich zwei Erklärungsalternativen referiert er, die astromedizinische und die religiöse Ätiologie. Verursacht worden sei die Pest »per operazion de’ corpi superiori o per le nostre inique opere, da giusta ira di Dio a nostra correzione mandata sopra i mortali« (ebd.: 5).11
Auf die Medizin wirkten bis zur Begründung der Bakteriologie nach 1880 die Beharrungskräfte des Hippokratismus. Dieser entstand im 5. Jahrhundert v. Chr. und wurde ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. zu einem Textkorpus zusammengefügt, dem Corpus Hippocraticum. Die im Corpus Hippocraticum entwickelte Epidemiologie sieht den Ursprung von Seuchen in dem sog. Miasma, einer die Luft verunreinigenden pathogenen Substanz (vgl. z.B. Hippokrates 2006: 5,1). Dass bei Seuchenausbrüchen einige erkranken, andere wiederum nicht, obwohl alle dieselbe kontaminierte Luft einatmen, interpretierten die Hippokratiker humoralpathologisch und psychosomatisch, wobei sich beide Erklärungsmodelle überlagern konnten. Die individuelle Krankheitsdisposition, so die Annahme, basiere auf einer Dyskrasie der Körpersäfte oder auf einer Störung des Affekthaushalts, die wiederum von einem Mangel oder Überschuss bestimmter humores herrühren könne.12 Einen Platz zwischen dem endogenen Faktor der Körpersäfte und Emotionen einerseits und dem exogenen der Luftqualität andererseits gab es in diesem Modell für die Ansteckung von Mensch zu Mensch über ein contagium vivum, i.e. einen pathogenen Mikroorganismus, so gut wie nicht. Dass sich der Hippokratismus bis in das 19. Jahrhundert als das vorherrschende medizinische Paradigma etablierten konnte, verdankt sich Galenos von Pergamon, der aus dem Corpus Hippocraticum ein geschlossenes, dogmatisches System ableitete. Theoriebildung betrieb Galen vornehmlich als autoritative Textexegese; Medizin war vor diesem Hintergrund eher angewandte Philologie als eine empiriebasierte Wissenschaft.13 In die hippokratische Seuchenätiologie konnten sich astromedizinische und meteoropathologische Theoreme einfügen. So wurde die Entstehung von Miasmen teils auf exzeptionelle Naturerscheinungen wie Vulkanausbrüche zurückgeführt oder auf ungewöhnliche planetare Konstellationen. Überlegungen zu einer Ansteckung von Mensch zu Mensch über ein contagium vivum finden sich zwar,14 doch blieben diese sporadisch und bis in das 19. Jahrhundert ohne Einfluss auf die akademische Medizin. Der Aufstieg der Bakteriologie um 1900 beendete schließlich den Streit zwischen Miasmatikern und Kontagionisten zugunsten der Letzteren. Mit der Etablierung der Bakteriologie war aber auch das Ringen um die Deutungs- und Kompetenzhoheit zwischen Medizin und Religion beendet.15 In Anlehnung an die Funktion biblischer Seuchennarrative, etwa der Episode vom Auszug aus Ägypten oder der sog. Pest unter den Philistern, sah der religiöse Diskurs in der Pest eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen.16
Nach der vermiedenen Stellungnahme zur Ätiologie der Seuche versammelt Boccaccio präfigurativ die elementaren Erzählmuster und Topoi des plague writing. Dabei handelt es sich um ein zwar heterogenes, dennoch eigenständiges, zudem gattungsübergreifendes Genre, dessen gemeinsamer Nenner die Literarisierung der Pest bzw. von Seuchen im Allgemeinen ist.17 Der Erzähler des Decamerone erwähnt unter anderem die Leitsymptome der Pestbeulen, der sog. Bubonen, und der dunklen Hautflecken, denen die Pest ihre nachträgliche Umschreibung als ›Schwarzer Tod‹ verdankt, ferner die Ohnmacht angesichts der Ineffizienz medizinischer, politischer und religiöser Maßnahmen, das polarisierte Verhalten der Menschen zwischen Mäßigung und Raison einerseits und Katastrophenhedonismus andererseits sowie den Kollaps der gesamten gesellschaftlichen und kulturellen Ordnung.18 Zwar drängen sich die Symptomatik und die gesellschaftlichen Folgen der Pest der sinnlichen Erkenntnis regelrecht auf, die Ursache, das Bakterium Yersinia pestis, und dessen Übertragungswege entziehen sich aber der Sichtbarkeit. Insbesondere in der vormikrobiologischen Ära, in der das menschliche Auge noch nicht in den Kosmos der wimmelnden Einzeller vorgedrungen war, ergab sich daraus eine ästhetische und epistemische Leerstelle. Mit den ihr eigenen Techniken der Visualisierung gelingt es der Literatur dennoch, das Invisible zu plausibilisieren und dadurch einen epistemischen Gewinn zu erzielen.19 Für die indirekte Darstellung der unmittelbar nicht darstellbaren Ausbreitung der Pest greift Boccaccio auf die Feuermetaphorik zurück: »E fu questa pestilenza di maggior forza; per ciò che essa dagl’infermi di quella, per lo comunicare insieme, s’avventava a’ sani, non altramenti che faccia il fuoco alle cose secche o unte, quando molto gli sono avvicinate.« (Boccaccio 1973: 6)20 Mit der Vorstellung eines infektiösen Brandes untergräbt der Text die Hegemonie der hippokratisch-galenischen Miasmadoktrin und nimmt die kontagionistische Position einer Ansteckung von Mensch zu Mensch ein, die bis in das 19. Jahrhundert randständig bleibt. Die kritische Epidemiologie des Decamerone kulminiert schließlich in der folgenden Exklamation des Erzählers: »Quanti valorosi uomini, quante belle donne, quanti leggiadri giovani, li quali non che altri, ma Galieno, Ippocrate, o Esculapio avrìeno giudicati sanissimi, la mattina desinarono co’ loro parenti, compagni et amici, che poi la sera vegnente appresso nell’altro mondo cenarono colli loro passati!« (Boccaccio 1973: 12)21 Indem die Literatur die Krise des menschlichen Wissens und das Scheitern von Medizin, Religion und Politik ausstellt, bewährt sich ihre Autorität als epistemisches Korrektiv.
Nach dem düsteren Panorama des kollektiven Pestalltags verengt Boccaccio den Fokus auf eine Gruppe individueller Figuren: auf sieben junge Frauen und drei junge Galane, die sich in der Kirche Santa Maria Novella begegnen und entscheiden, Florenz temporär zu verlassen. Es handelt sich dabei nicht um eine beliebige Kirche. Santa Maria Novella war das intellektuelle Zentrum von Florenz (vgl. Flasch 1992: 96), darüber hinaus stellt der Beiname der Patronin, novella, eine sakral konnotierte Vorwegnahme dessen dar, was Boccaccio extradiegetisch und die Figuren intrafiktional begründen: ein neuartiges Erzähldispositiv, nämlich die Novelle.22 Die FlorentinerInnen ziehen sich auf ein Landgut zurück, das, mit dem Horror der verseuchten Stadt kontrastierend, die idealisierten Züge eines bukolischen Locus amoenus trägt. Dort angekommen, fassen sie den Beschluss, sich täglich jeweils eine Geschichte, eine »novelletta« (Boccaccio 1973: 21), zu erzählen. Bei Boccaccio stellt die Pest folglich die produktionsästhetische Voraussetzung für Literatur dar und, da die »novellette« der FlorentinerInnen der modernen europäischen Novellistik den Weg ebneten, einen gattungskonstitutiven Faktor.23 Die Literatur ihrerseits ist ein Trost spendendes, ›immunisierendes‹ Mittel gegen die Pest, das andere Diskurse der Zeit schuldig blieben.24 In diesem Zusammenhang ist die Seuche gewiss nicht im bakteriologischen Sinne zu verstehen, sondern in dem eines psychischen Ausnahmezustands, der von dem medizinischen evoziert wird. Die Consolatiofunktion, die der Erzähler im Proemio und in der Conclusione der Literatur emphatisch zuschreibt, erfährt somit eine performative Umsetzung im Haupttext und lässt die Literatur sich als eine Kultur- und Psychotechnik der Seuchenbewältigung behaupten.
Dass der Ausnahmezustand ›Pest‹ auch produktive Energien freizusetzen vermag, dokumentiert nicht allein der narrative Diskurs der FlorentinerInnen, der die Seuche abwehrt, indem er sie aus den Binnenerzählungen verbannt. Der epidemiebedingte Ausnahmezustand begründet überdies eine Gegengesellschaft. Während die Frauen im seuchenfreien Alltag dem Diktat der Familie unterstellt sind, wie der Erzähler im Proemio bedauert (vgl. Boccaccio 1973: 2), besitzen sie, numerisch überlegen, während der Pause von der Epidemie die gleichen Rechte wie ihre männlichen Begleiter, übernehmen die täglich rotierende RegentInnenschaft und partizipieren an der Poiesis von Literatur, die in der Entstehungszeit des Decamerone gemeinhin ein Privileg der Männer war. Die Suspension der sozialen Normen und Konventionen, die die Pest bewirkt, führt mithin nicht nur zu einem gleichsam apokalyptischen Zivilisationsverfall, sondern eröffnet auch Perspektiven auf alternative, bei Boccaccio: emanzipatorische Geschlechter- und künstlerische Lebensordnungen.25
3.2 Mary Shelley: The Last Man (1826)
In struktureller Hinsicht besteht Mary Shelleys 1826 veröffentlichter Pestroman The Last Man wie das Decamerone aus einer Rahmen- und einer Binnenhandlung, verkehrt jedoch den thematischen Akzent der beiden Erzählebenen. Während die historisch reale Pestepidemie bei Boccaccio den Novellenkranz der zehn jungen FlorentinerInnen rahmt und produktionsästhetisch katalysiert, stellt die fiktive Pandemie bei Shelley das Zentrum des in drei Bände unterteilten Binnennarrativs dar. The Last Man beginnt damit, dass eine anonyme Erzählinstanz bei einer Reise nach Neapel im Jahr 1818 in der Höhle der aus Vergils Aeneis bekannten Sibylle von Cumae »leaves, bark, and other substances« (Shelley 1994: 5) entdeckt, die mit polyglotten Weissagungen der antiken Seherin beschriftet sind. Unter dem prophetischen Nachlass befindet sich die Geschichte Lionel Verneys, der als einziger Mensch einen weltweiten Pestausbruch am Ende des 21. Jahrhunderts überlebt und die Katastrophe rückblickend in einem von der Erzählinstanz der Rahmenhandlung rekonstruierten Tagebuch festhält. Der erste Band führt im Modus eines sentimentalen Bildungs- und Liebesromans die HauptakteurInnen ein: Lionel, den homodiegetischen Ich-Erzähler, und seine Schwester Perdita, ferner Adrian, Earl von Windsor, dessen Schwester Idris und Lord Raymond. Der zweite Band schildert die globale Ausbreitung der Pest infolge der Belagerung Konstantinopels, das der ruhmsüchtige Hasardeur Raymond trotz der dort grassierenden Seuche und aller Warnungen im Alleingang erstürmt. Das prävalente Erklärungsmodell für die Ursache und Transmission der Pest ist – gemäß der zur Entstehungszeit von The Last Man vorherrschenden hippokratisch-galenischen Ätiologie – das miasmatische, das belegen Formulierungen wie »pernicious qualities in the air« (ebd.: 246) und »pestilential atmosphere« (ebd.: 393). Dass literarische Repräsentationen von Seuchen ein poetologisches Mittel der Figurenprofilierung sein können, zeigt die Entwicklung Adrians. Zunächst kränklich und abseits der Öffentlichkeit in eine Vita contemplativa zurückgezogen, erfährt er eine Rekonvaleszenz und Heroisierung, nachdem er im pandemiebedingten Chaos das politische Amt des Lordprotektors übernommen hat. Der dritte Band legt den Fokus auf die sozialen Dynamiken der verbleibenden Mikrosozietäten nach dem Zerfall der makrogesellschaftlichen Ordnung und auf die Gruppe um Lionel, die den Entschluss fasst, nach Italien, in eine klimatisch freundlichere Region, zu emigrieren, und auf dem Weg dorthin sukzessiv dezimiert wird. Als einziger Überlebender erreicht Lionel Rom, The Last Man endet folglich mit der Gattungssignatur einer Robinsonade. Lionel vergleicht sich explizit mit Daniel Defoes gestrandetem Protagonisten, der zwar keine pandemische, so doch immerhin eine insulare Einsamkeitserfahrung macht: »For a moment I compared myself to that monarch of the waste – Robinson Crusoe.« (Ebd.: 448) Neben der Zeugenschaft für ein etwaiges postpestilenzialisches Menschengeschlecht gibt Lionel als Motivation für die Abfassung seines Tagebuchs die Consolatiofunktion des Schreibens an, die er in metaphorischer Engführung von Literatur und Pharmakologie mit einem Narkotikum gleichsetzt: »I had used this history as an opiate« (ebd.: 267). Das Opiat des Tagebuchs ermöglicht eine Überwindung der Einsamkeit. Zum einen kommt es im Akt des Erinnerns und Schreibens zu einer autokommunikativen Selbstverdoppelung, zum anderen wird durch die Apostrophierung von womöglich niemals existenten LeserInnen (vgl. z.B. ebd.: 90, 267) das Simulacrum eines Anderen produziert. Und da Lionels Bericht extradiegetisch Shelleys Roman darstellt, lässt sich die gesellschaftliche und kulturelle Rolle des plague writing als Antidot gegen die epi-, gar pandemische Isolationserfahrung bestimmen.
Shelleys Dystopie vom letzten Menschen ist nicht ohne Vorläufer.26 Den Auftakt des ›Last Man‹-Erzähldispositivs bildet Jean-Baptiste Cousin de Grainvilles 1805 auf Französisch, 1806 in der englischen Übersetzung veröffentlichter Roman Le Dernier Homme, Lord Byron steuerte zu diesem Genre sein Gedicht Darkness (1816) bei, Thomas Campbells Gedicht The Last Man erschien im selben Jahr wie Shelleys Roman, und etliche ›letzte Menschen‹ vor und nach Shelley mehr wären zu nennen. Das (post-)apokalyptische Narrativ von der beinahe restlosen Extinktion der Menschheit war in den ersten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts derart inflationär vertreten, dass die Rezensionen zu Shelleys Beitrag die Konventionalität des Themas teils polemisch monierten.27 Doch weit davon entfernt, ein epigonaler Abklatsch zu sein, markiert Shelleys Roman vielmehr die Klimax einer gattungsgeschichtlichen Entwicklung. Neu ist nicht, dass Shelley die originär religiöse Vorstellung von der Apokalypse säkularisiert und naturalisiert. In Grainvilles Le Dernier Homme ist das Aussterben der Menschheit zwar noch in einen religiösen Bedeutungsrahmen gespannt, aber schon Byron suspendiert jeglichen metaphysischen Referenten. Ohne transzendentale Tiefendimension verdunkelt sich in Darkness die Sonne mit dem Ergebnis einer tödlichen Hungersnot. Innovativ hingegen ist Shelleys Verschränkung des ›Last Man‹-Motivs mit dem plague writing und überdies der Umstand, dass ihre Apokalypse nicht die gesamte Schöpfung betrifft: Aus dem Ende aller Zeiten wird bei ihr das Ende lediglich der Menschheit; das eschatologische Ende wird pluralisiert und partialisiert. Shelleys Pest steht somit am Anfang eines neuen, rein anthropozänen Modells der Apokalypse.
Mit der Naturkatastrophe ›Pest‹ figuriert Shelley im Medium der Literatur einen Universalangriff auf ideologische Kernbestände der abendländischen Tradition. An der Pandemie zerschellt das Phantasma der europäischen Kulturhegemonie, das im Roman Lionel und Raymond verkörpern (vgl. Shelley 1994: 175-177, 323f.). Den eurozentrischen antiorientalischen und islamophoben Kolonialismus und im Speziellen das nationalchauvinistische Narrativ der englishness, i.e. die Vorstellung von der Exzeptionalität und Superiorität der englischen Kultur,28 quittiert die Pest mit ihrem eigenen, apokalyptischen Imperialismus. Orient wie Okzident sind ihr gegenüber gleichermaßen hilflos. Zudem verhandelt Shelley im Spiegel der Pandemie das Verhältnis zwischen Kultur und Natur. Mit dem globalen Triumph der Seuche dekonstruiert sie das biblische Postulat der anthropozänen Naturbeherrschung und dessen profanierte Neuauflage im Zuge der Industrialisierung. Die Kapitulation der Menschheit vor der Pest impliziert also eine Neujustierung der hierarchisch arrangierten Binarität von Kultur und Natur zugunsten der Letzteren (vgl. Shelley 1994: 320-322). Und da in The Last Man die beiden Pole dieses Dualismus generisch semantisiert sind, lässt sich darüber hinaus eine Kritik an den zu Shelleys Lebzeiten gültigen Geschlechterbildern ableiten. Kulturleistung ist in Shelleys Roman männlich kodiert, wohingegen die Frauenfiguren überwiegend auf eine passive Rolle in der häuslichen Sphäre festgeschrieben sind. Dass die Pest wiederholt mit »she« und dem possessiven »her« (vgl. ebd.: 276, 316, 464) als Femininum pronominalisiert wird, obwohl das Englische kein grammatisches Geschlecht kennt, und fernerhin den Rang einer »Queen of the World« (ebd.: 346) erhält, lässt sich als Requiem der Androkratie deuten.
3.3 Detlev von Liliencron: Die Pest (1892)
Detlev von Liliencrons Die Pest entstand 1892 und erschien noch im selben Jahr in der Zeitschrift Die Zukunft. Den seuchenhistorischen Kontext für das in epischer Breite entfaltete Gedicht bildet der verheerende Choleraausbruch 1892 in Hamburg, die letzte große Magen-Darm-Infektion in Deutschland. Eine männliche Sprecherinstanz berichtet retrospektiv über einen Aufenthalt in einer »asiatischen Riesenstadt« (Liliencron 1915: 50, V. 1) während einer Pestepidemie und über eine Liebesnacht mit einer Prostituierten. Dass diese als »Hindumädchen« (ebd.: 51, V. 39) bezeichnet, zudem der Ganges erwähnt wird (vgl. ebd.: 54, V. 137), gibt Auskunft über die Verortung der Ereignisse in Indien. Paradigmatisch führt Liliencrons Gedicht die Verschränkung von Orientalismus- und Genderdiskursen sowie religiösen und medizinischen Theorien vor. Die Extraterritorialisierung der Pest reproduziert ein seuchengeographisches Stereotyp. Der Orient wurde, wie schon beschrieben, zum Zwecke der europäischen Identitätsbildung und der Stabilisierung des abendländischen Überlegenheitsphantasmas alterisiert,29 im vorliegenden Fall: als unhygienischer Seuchenherd pathologisiert. Dass zur selben Zeit in Europa die Cholera umging und dies schon seit Jahrzehnten, verursacht durch fäkal verunreinigtes Wasser und kontaminierte Lebensmittel, mithin durch ein eklatantes Defizit an Hygiene, wurde geflissentlich ignoriert.30 Überblendet war der Kulturantagonismus zwischen Morgenland und Okzident in den abendländischen Orientalismusdiskursen mit der binären Opposition von Mann und Frau. Dem generisch als weiblich repräsentierten Morgenland stand in dieser Schematisierung das mit einem männlichen Geschlechterindex versehene Europa gegenüber.31 Dementsprechend ist das Hindumädchen bei Liliencron Trägerin der Pest und stellt für die Identität und Integrität des europäischen Mannes eine infektiöse Bedrohung dar, die am Ende symbolisch überwunden wird, indem das lyrische Ich den Leichnam seiner Geliebten auf einem Scheiterhaufen verbrennt. Die Kremierung ist dabei soteriologisch überschrieben: Ob der mit dem Hindumädchen den Flammen übergebene ungeborene Sohn als Opfer diente, fragt sich die Sprecherinstanz, da nach der Einäscherung die Seuche jäh verschwand (vgl. Liliencron 1915: 54, V. 130-136). Liliencrons Gedicht reflektiert den religiösen Pestdiskurs zudem in Form des »schwarze[n] Engel[s]« (ebd.: 50, V. 5), der »[d]ie Rechte hielt, wie ein gezogen Schwert« (ebd.: V. 9), eines Pestengels also als Exekutive der göttlichen Strafe. Der apokalyptische Emissär Gottes und die messianische Opferlogik sind bei Liliencron indes keine religiösen Authentika, sondern zeugen von einem diskursiven Transformationsprozess, bei dem biblische Bilder und Denkfiguren von der Ästhetik angeeignet, säkularisiert und in das Repertoire der rhetorischen Ausdrucksmittel übernommen wurden.
Interdiskursiv verschaltet ist die Personifikation der Pest als eines schwarzen Engels mit einem medizinischen Theoriesplitter.32 Dass dieser aus »[d]em Urgrund eines breiten braunen Stromes / Aus Schlamm und Schlick« (Liliencron 1915: V. 6f.), i.e. aus dem schwerfällig alliterierenden, toxisch unsauberen Ganges, emporsteigt, zitiert die hippokratisch-galenische Epidemiologie, der zufolge Sümpfe und stehende Gewässer gefährliche Miasmaquellen sind (vgl. Bergdolt 2021: 21). Zwar haben die hippokratisch-galenisch geprägten Spekulationen wissenschaftlich längst ausgedient, sie wurden aber in der Funktion eines poetischen Bildspenders konserviert. Demgegenüber sind die »tausend, abertausend winzige[n] Käfer« (ebd.: V. 12), die den Menschen »durch die Lippen krochen« (Liliencron 1915: V. 15), bakteriologisch inspiriert. Zur Abfassungszeit des Gedichts war das menschliche Auge bereits in das Reich der Mikroben vorgedrungen. So beschrieb z.B. Filippo Pacini – von der Öffentlichkeit jedoch unbeachtet – im Jahr 1854 den Choleraerreger; und Koch gelang es 1883, das Kommabakterium Vibrio cholerae im Darm von an Cholera Verstorbenen nachzuweisen. Die ohne Mikroskop nicht sichtbaren Mikroorganismen plausibilisiert Liliencron, indem er sie entomologisch zu Käfern vergrößert und die Infektion als einen oralen Insektenbefall veranschaulicht.
Liliencrons Die Pest dokumentiert paradigmatisch die Stellvertretung der Cholera durch die Pest. Diese Allegorisierung bot zum einen den Vorzug, dass mit der Pest als einem historisch ferngerückten Phänomen die kontemporäre Leitseuche ›Cholera‹ symbolisch aus dem vermeintlich gesunden Eigenen verdrängt und eine reflexive Distanz eingenommen werden konnte. Zum anderen ermöglichte es die Pest, das Darstellungstabu, mit dem die Magen-Darm-Infektion belegt war, zu umgehen: Vomitus und Diarrhö, die ekelerregenden, ästhetisch zensierten klinischen Insignien der Cholera,33 wurden in die vergleichsweise dezenten Pestbeulen und Hautflecken gehüllt.34
3.4 Fazit: plague writing – ein Plädoyer für die interkulturelle Literaturwissenschaft
Die voraufgegangenen exemplarischen Analysen hatten zum Ziel, die Grundlagen einer genuin literarischen Epidemiologie zu skizzieren, die einerseits die gesellschaftliche und kulturelle Rolle des plague writing und andererseits die literarische Funktion der Pest umfasst, wobei sich beide Aspekte mitunter verschränken. Es sollte deutlich geworden sein, dass die Literatur nicht auf ein Archiv für medizinhistorisch relevantes Beleg- und Anschauungsmaterial reduziert werden darf, die Literaturwissenschaft dementsprechend keine Hilfswissenschaft für die Medizin ist. Die gesellschaftliche und kulturelle Rolle des plague writing besteht unter anderem in der Visualisierung des Invisiblen und des in der vormikroskopischen und vormikrobiologischen Ära Unbekannten: der pathogenen Mikroorganismen und ihrer Übertragungswege. Um das grundsätzliche Repräsentationsdilemma der Pest zu lösen, entwickelte die Literatur diverse Ästhetisierungsstrategien. Eine davon ist Boccaccios Vergleich der Infektion von Mensch zu Mensch mit einem Feuer, das gierig um sich greift. Ein weiterer Modus der Inszenierung der Pest ist der Zoomorphismus. So werden in Liliencrons Gedicht Die Pest die pathogenen Einzeller zu Käfern literarisch mikroskopiert und die Infektion als oraler Insektenbefall imaginiert. Daraus, dass der Literatur Techniken zur Verfügung stehen, die Ursache und Zirkulation der Pest der Anschauung zu vermitteln, resultiert eine weitere Funktion des plague writing, nämlich die Erwirtschaftung eines epistemischen Ertrags. Neben der Möglichkeit, die Pest rhetorisch sicht- und dadurch begreifbar zu machen, besteht die gesellschaftliche und kulturelle Rolle des plague writing zudem darin, das in unterschiedliche, historisch determinierte Spezialdiskurse zersplitterte Wissen über die Pest interdiskursiv zu integrieren. Das plague writing reflektiert unter anderem mit miasmatischen und kontagionistischen Theoriefragmenten die Medizin und spiegelt in Form der Strafätiologie die Religion wider. Der Literatur eignet indes mehr als eine bloß repräsentative oder reproduktive Funktion für die polydisziplinäre Auseinandersetzung mit der Pest. Sie bildet nicht einfach nur verschiedene Spezialdiskurse ab, sondern vermag diese zugleich einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Als Beispiel hierfür sei Boccaccio bemüht, der der hippokratisch-galenisch geprägten Medizin und ÄrztInnenschaft seiner Zeit die bis in das 19. Jahrhundert isoliert bleibende Vorstellung einer Infektion von Mensch zu Mensch entgegenhält, mit der besagten Feuermetaphorik veranschaulicht und plausibilisiert. Als kritischer Interdiskurs und Fundus von Ästhetisierungsverfahren ist das plague writing mithin ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen und kulturellen Wissens über die Pest und ihrer medialen Repräsentation. Mit Boccaccio und Shelley lässt sich die Funktion des plague writing darüber hinaus als eine Kultur- und Psychotechnik der Seuchenbewältigung bestimmen. Dass die Pest semantisch abundant ist und sich im symbolischen System der Kultur, folglich auch in der Literatur, als ein ultimativer Katastrophentopos etablierte, verleiht dem plague writing des Weiteren eine allegorische Funktion. Es ist z.B. eine Referenz oder ein rhetorisches Substitut für andere epi-, gar pandemisch auftretende Krankheiten wie die ästhetisch tabuisierte Cholera. Neben dem Potenzial, übertragene Bedeutung zu generieren, besteht die literarische Funktion der Pest zudem in ihrer poetologischen Wirksamkeit: Sie kann eine rezeptions- und produktionsästhetische Konstituente, ein Mittel der Figurengestaltung sowie gattungsformativ sein und bewährt sich damit als ein poetologischer Einfluss- und Innovationsfaktor.
Es sollte gezeigt werden, dass sich die Pest nicht in einer medizinischen Entität, i.e. der durch Yersinia pestis hervorgerufenen Infektionserkrankung, erschöpft. In Literatur und Kultur ist sie eine semantisch wie funktional vielseitige Operatorin und agiert als solche in relativer Unabhängigkeit von historischen und medizinischen Faktizitäten. So trägt sie unter anderem Spuren ideologischer Ein- und Überschreibungen, die auch das plague writing reflektiert. Zu der diskursiven Polyvalenz der Pest gehören nicht zuletzt antiorientalische und kolonialistisch geprägte Diskurse über ihre Ätiologie und Verbreitung. Vor diesem Hintergrund dient die wohl ikonischste Seuche der Menschheitsgeschichte als Folie für die Auseinandersetzung mit (vermeintlicher) Normalität und Alterität, Eigenem und Fremdem und erweist sich als ein hochgradig interkulturelles Phänomen. Daher kann der Pest in der Literatur nur eine interkulturalitätstheoretisch sensibilisierte Komparatistik gerecht werden, die – analog zu ihrem Untersuchungsgegenstand – vor sprachlichen, nationalen und kulturellen Grenzen nicht zurückschreckt.
Anmerkungen
1 Die Medical Humanities haben ihren Ursprung im angloamerikanischen Raum und wurden als eine Art ›Reformprogramm‹ mit dem Ziel eingeführt, zu einer Verbesserung des Medizinstudiums und -systems beizutragen. Es entstanden in der Folge auch in anderen Ländern (insbes. Frankreich und der Schweiz) Lehrstühle; die erste Professur für Medical Humanities in Deutschland wurde am ›Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin‹ an der Berliner Charité 2015 eingerichtet.
2 Der vorliegende Beitrag knüpft an das von uns ausgerichtete Auftaktkolloquium Medizinische Geisteswissenschaften. Voraussetzungen – Perspektiven – Analysen an, das am 29. März 2023 an der Universität Luxemburg stattfand.
3 Das amerikanische Universitätssystem, das zwischen Major- und Minor-Kursen differenziert, scheint demgegenüber flexibler und offener bezüglich der Integration anderer Wissensgebiete in die humanities.
4 Mit der Problematik der Grenzziehungen als solcher, die keineswegs immer eindeutig und zugleich dem historischen Wandel unterworfen ist, setzt sich Anz (vgl. 1989: 26f.) fundiert auseinander.
5 Einer solch notwendigen kritischen Reflexion widmen sich unter anderem die Ausführungen auf S. 129f. dieses Beitrags.
6 Die Bedeutung Dietrich von Engelhardts für die Be- und Verarbeitung des Forschungsfeldes von Literatur und Medizin und die Erschließung seiner Grundlagen kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden und wird sichtbar dokumentiert durch das mehrbändige, inzwischen in der zweiten und erweiterten Auflage erschienene Kompendium Medizin in der Literatur der Neuzeit (vgl. Engelhardt 2018-2021), dessen Band II (Bibliographie der Forschung) ein Verzeichnis mit annähernd 17.000 Titeln enthält. Allerdings ist erstaunlicherweise nicht einmal in ihm unter den mehr als 150 Einträgen, die für Engelhardt dort nachgewiesen werden, der Artikel aus dem Handbuch interkulturelle Germanistik belegt.
7 Vgl. hierzu ausführlich das nachfolgende Kapitel dieses Beitrags.
8 Vgl. zu der vom Erzähler intendierten tröstenden Wirkung auch die Conclusione (Boccaccio 1973: 677-681).
9 Zu der zweiten Pestpandemie vgl. Benedictow 2004; Bergdolt 2021: 41-49; Cohn 2003; Naphy/Spicer 2007; Reinhardt 2021; Snowden 2019: 36-38; Vasold 2003: 101-123; Winkle 2021: 443-506.
10 »Dieser schreckensreiche Anfang soll euch nicht anders sein wie den Wanderern ein steiler und rauher Berg, jenseits dessen eine schöne und anmutige Ebene liegt, die ihnen um so wohlgefälliger scheint, je größer die Anstrengung des Hinauf- und Hinabsteigens war.« (Boccaccio 1999: 13)
11 »[E]ntweder durch Einwirkung der Himmelskörper entstanden oder im gerechten Zorn über unseren sündlichen Wandel von Gott als Strafe über den Menschen verhängt« (Boccaccio 1999: 14).
12 Zum Hippokratismus vgl. Jouanna 2012: 119-258; Nutton 2004: 53-103; Snowden 2019: 14-22.
13 Zu Galen vgl. Jouanna 2012: 259-359; Nutton 2020; Snowden 2019: 22-24.
14 Zu den kontagionistischen Theorien in der Vormoderne vgl. Wolff 2021: 225-245.
15 Zum Aufstieg der Bakteriologie zu einer Leitwissenschaft der Moderne vgl. Berger 2009; King 2021; Sarasin u.a. 2007.
16 Zum religiösen Seuchendiskurs vgl. Snowden 2019: 64-68; Winkle 2021: 422-428, 457f.
17 Zum plague writing vgl. Gilman 2009.
18 Vgl. Jürgen Grimms gliedernde Zusammenfassung der Motive und narrativen Muster von Boccaccios Pestbeschreibung, die zu Standards des plague writing arrivierten (Grimm 1965: 111-114).
19 Dies trifft gleichermaßen für die Malerei zu, die zusammen mit der Literatur auf ein teils gemeinsames allegorisches, metaphorisches und symbolisches Repertoire zur plastischen Veranschaulichung von Seuchen zurückgreifen konnte. Zum Pestmotiv in der Malerei vgl. z.B. Boeckl 2000.
20 »Die Seuche gewann um so größere Kraft, da sie durch den Verkehr von den Kranken auf die Gesunden überging, wie das Feuer trockene oder brennbare Stoffe ergreift, wenn sie ihm nahe gebracht werden.« (Boccaccio 1999: 15)
21 »Wieviel rüstige Männer, schöne Frauen und blühende Jünglinge, denen, von andern zu schweigen, selbst Galen, Hippokrates und Äskulap das Zeugnis blühender Gesundheit ausgestellt hätten, aßen noch am Morgen mit ihren Verwandten, Gespielen und Freunden, um am Abend des gleichen Tages in einer andern Welt mit ihren Vorfahren das Nachtmahl zu halten!« (Boccaccio 1999: 22)
22 Die sakralisierend-apotheotische Selbstinszenierung der Dichtung durch allusive Engführung oder Analogisierung mit der Religion gibt bereits der Titel ›Decamerone‹ zu erkennen, der sich an das theologische Hexaemeron anlehnt. Vgl. hierzu Flasch 1992: 33f.
23 Zur Gattungstradition der Novelle vgl. Heimböckel 2021; Neuschäfer 1969.
24 Zu der im Decamerone niedergelegten impliziten Theorie der Literatur als eines Psychotherapeutikums vgl. Marafioti 2018: 29-66; Olson 1982: 165-183.
25 Zu den Utopiepotenzialen der Pest im Decamerone vgl. Ferme 2015: 42-46; Flasch 1992: 95-114.
26 Zu den Antezedentinnen vgl. Weninger 2017.
27 Zu dem Echo der kontemporären Literaturkritik auf Shelleys Roman vgl. Paley 1993: 107-109.
28 Zum Konzept der englishness vgl. Dodds 2022: 53-83.
29 Zur Konstruktion des Orients als eines Anderen der europäischen Kultur vgl. Polaschegg 2005; Said 1978.
30 Zur Cholera vgl. Baldwin 2005: 123-243; Snowden 2019: 233-268; Thomas 2020; Winkle 2021: 153-251.
31 Zur Feminisierung des Orients vgl. Lewis 1996.
32 Zur Interdiskurstheorie vgl. Link/Link-Heer 1990.
33 Zur ästhetischen Sanktionierung der Cholera vgl. Höll 2021: 39-59; Snowden 2019: 239f.
34 Dass Liliencrons Gedicht am Vorabend einer dritten Pestpandemie entstand, der Schwarze Tod mithin alles andere als eine atavistische Krankheit war, konnten er und seine ZeitgenossInnen natürlich nicht absehen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich die Pest von den südlichen Provinzen Chinas nach Osten, Indien und Südasien aus. Im Jahr 1894 kam es in Hongkong zu einem schweren Ausbruch, seit 1896 wütete sie in Singapur und in Indien, dort überwiegend in der Präsidentschaft Bombay, und expandierte schließlich auf dem Seeweg rund um den Erdball. Die dritte Pandemie forderte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts an die 15 Millionen Todesopfer, die allermeisten davon hatte Indien zu beklagen, während die Industriegesellschaften Europas und Nordamerikas weitgehend verschont blieben, zusammen registrierten sie ›lediglich‹ an die 8000 Tote. Von besonderer medizinhistorischer Bedeutung ist die dritte Pandemie, da es erst in dieser Zeit gelang, die Ätiologie und Epidemiologie der Pest zu klären. Im Jahr 1894 isolierte der Schweizer Arzt und Bakteriologe Alexandre Yersin, ein Schüler Louis Pasteurs, in Hongkong den Pestbazillus, späterhin als Yersinia pestis terminologisiert, und löste damit das Rätsel der Pest. Zur dritten Pandemie vgl. Snowden 2019: 38f., 332-356; Vasold 2003: 54-78; Winkle 2021: 506-515.
Literatur
Anz, Thomas (1989): Gesund oder krank? Medizin, Moral und Ästhetik in der deutschen Gegenwartsliteratur. München.
Auerbach, Erich (1967): Figura. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie. Bern u.a., S. 55-92.
Baldwin, Peter (2005): Contagion and the State in Europe, 1830-1930. Cambridge u.a.
Bendheim, Amelie/Pavlik, Jennifer (2019): Einleitung. In: Dies. (Hg.): Figurationen von Krankheit. Chance und Grenzen der Ästhetisierung. Heidelberg, S. 7-17.
Benedictow, Ole J. (2004): The Black Death 1346-1353: The Complete History. Woodbridge.
Bergdolt, Klaus (42021): Die Pest. Geschichte des Schwarzen Todes. München.
Berger, Silvia (2009): Bakterien in Krieg und Frieden. Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland: 1890-1933. Göttingen.
Blumenberg, Hans (1998): Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt a.M.
Boccaccio, Giovanni (1973): Il Decamerone. Hg. v. Angelo Ottolini. Mailand.
Ders. (1999): Das Dekameron. Aus dem Ital. v. Karl Witte. Düsseldorf/Zürich.
Boeckl, Christine M. (2000): Images of Plague and Pestilence: Iconography and Iconology. Kirksville.
Bölts, Stephanie (2016): Krankheiten und Textgattungen. Gattungsspezifisches Wissen in Literatur und Medizin um 1800. Berlin/Boston.
Cohn, Samuel K. (2003): The Black Death Transformed: Disease and Culture in Early Renaissance Europe. London/New York.
Dodds, Ben (2022): Myths and Memories of the Black Death. Cham.
Engelhardt, Dietrich von (2003): Gesundheit und Krankheit. In: Alois Wierlacher/Andrea Bogner (Hg.): Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart/Weimar, S. 158-165.
Ders. (2005): Geleitwort. In: Bettina von Jagow/Florian Steger (Hg.): Literatur und Medizin. Ein Lexikon. Göttingen, S. 1-6.
Ders. (2018-2021): Medizin in der Literatur der Neuzeit. Bde. I-V. 2., erw. Aufl. Heidelberg.
Ders. (2021): Der Beitrag der Literatur und Künste für eine moderne und humane Medizin (Medical Humanities). Kontext – Dimensionen – Perspektiven (2017). In: Ders. (Hg.): Medizin in der Literatur der Neuzeit. Bd. IV: Wissenschaftliche Studien. 2., erw. Aufl. Heidelberg, S. 92-116.
Ferme, Valerio (2015): Women, Enjoyment, and the Defense of Virtue in Boccaccio’s »Decameron«. New York/Basingstoke.
Fischer, Pascal/Gadebusch Bondio, Mariacarla (2016): Warum Medical Humanities? Zum komplementären Verhältnis von Literatur und Medizin. In: Dies. (Hg.): Literatur und Medizin – interdisziplinäre Beiträge zu den Medical Humanities. Heidelberg, S. 7-19.
Flasch, Kurt (1992): Poesie nach der Pest. In: Giovanni Boccaccio: Poesie nach der Pest. Der Anfang des »Decameron«. Vorwort, erster Tag: Einleitung, Novelle I – IV. Italienisch-deutsch. Aus dem Ital. neu übers. u. erkl. v. Kurt Flasch. Mainz, S. 11-196.
Friedrich, Udo (2015): Historische Metaphorologie. In: Christiane Ackermann/Michael Egerding (Hg.): Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch. Berlin/Bosten, S. 169-211.
Gilman, Ernest B. (2009): Plague Writing in Early Modern England. Chicago/London.
Grimm, Jacob (1876): Deutsche Mythologie. Bd. 2. Hg. v. Elard Hugo Meyer. Berlin.
Grimm, Jürgen (1965): Die literarische Darstellung der Pest in der Antike und in der Romania. München.
Hach, Wolfgang/Hach-Wunderle, Viola (2017): Von Monstern, Pest und Syphilis. Medizingeschichte in fünf Jahrhunderten. Stuttgart.
Heimböckel, Dieter (2021): Unerhört anders oder »wenn nur der Geist neu ist«. Interkulturalität und Novelle. In: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 12, H. 1, S. 23-40.
Ders./Weinberg, Manfred (2014): Interkulturalität als Projekt. In: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 5, H. 2, S. 119-144.
Hesse, Hermann (31982): Dostojewski 1821-1881 (1925). In: Ders.: Eine Literaturgeschichte in Rezensionen und Aufsätzen. Frankfurt a.M., S. 304-307.
Hippokrates (2006): Ausgewählte Schriften. Hg. u. aus dem Griech. v. Charlotte Schubert u. Wolfgang Leschhorn. Düsseldorf/Zürich.
Höll, Davina (2021): Das Gespenst der Pandemie. Politik und Poetik der Cholera in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Stuttgart/Bad Cannstatt.
Holdenried, Michaela (2022): Interkulturelle Literaturwissenschaft. Eine Einführung. Berlin.
Jagow, Bettina von/Steger, Florian (Hg.; 2005): Literatur und Medizin. Ein Lexikon. Göttingen.
Dies. (2009): Was treibt die Literatur zur Medizin? Ein kulturwissenschaftlicher Dialog. Göttingen.
Jaspers, Karl (1973): Allgemeine Psychopathologie. Berlin u.a.
Jouanna, Jacques (2012): Greek Medicine: From Hippocrates to Galen. Selected Papers. Hg. v. Philip van der Eijk. Aus dem Franz. v. Neil Allies. Leiden/Boston.
Käser, Rudolf (2014): Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft. In: Ders./Beate Schappach (Hg.): Krank geschrieben. Gesundheit und Krankheit im Diskursfeld von Literatur, Geschlecht und Medizin. Bielefeld, S. 15-42.
Kafka, Franz (1975): Briefe 1902-1924. Frankfurt a.M.
Kant, Immanuel (1960): Versuch über die Krankheit des Kopfes. In: Ders.: Werke in zwölf Bänden. Bd. 2: Vorkritische Schriften bis 1768. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Frankfurt a.M., S. 887-901.
King, Martina (2021): Das Mikrobielle in der Literatur und Kultur der Moderne. Zur Wissensgeschichte eines ephemeren Gegenstands (1880-1930). Berlin/Boston.
Kretzschmar, Dirk (2012): Interkulturalität. In: Evi Zemanek/Alexander Nebrig (Hg.): Komparatistik. Berlin, S. 145-158.
Lewis, Reina (1996): Gendering Orientalism: Race, feminity and representation. London/New York.
Liliencron, Detlev von (41915): Die Pest. In: Ders.: Gesammelte Werke. Bd. III: Gedichte. Berlin, S. 50-54.
Link, Jürgen/Link-Heer, Ursula (1990): Diskurs/Interdiskurs und Literaturanalyse. In: LiLi 20, H. 77 (= Philologische Grundbegriffe), S. 88-99.
Marafioti, Martin (2018): Storytelling as Plague Prevention in Medieval and Early Modern Italy: The Decameron Tradition. London/New York.
Mecklenburg, Norbert (1987): Über kulturelle und poetische Alterität. Kultur- und literaturtheoretische Grundprobleme einer interkulturellen Germanistik. In: Alois Wierlacher (Hg.): Perspektiven und Verfahren interkultureller Germanistik. München, S. 563-584.
Naphy, William/Spicer, Andrew (42007): Plague: Black Death and Pestilence in Europe. Stroud.
N[eumeyer], H[arald] (2008): [Art.] »Medizin und Literatur«. In: Ansgar Nünning (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 4., akt. u. erw. Aufl. Stuttgart/Weimar, S. 479.
Neuschäfer, Hans-Jörg (1969): Boccaccio und der Beginn der Novelle. Strukturen der Kurzerzählung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. München.
Nutton, Vivian (2004): Ancient Medicine. London/New York.
Ders. (2020): Galen: A Thinking Doctor in Imperial Rome. London/New York.
Olson, Glending (1982): Literature as Recreation in the Later Middle Ages. Ithaca/London.
Paley, Morton D. (1993): »The Last Man«: Apocalypse without Millennium. In: Audrey A. Fisch/Anne K. Mellor/Esther H. Schor (Hg.): The Other Mary Shelley: Beyond »Frankenstein«. Oxford/New York, S. 107-123.
Pethes, Nicolas/Richter, Sandra (2008): Einleitung. In: Dies. (Hg.): Medizinische Schreibweisen. Ausdifferenzierung und Transfer zwischen Medizin und Literatur (1600-1900). Tübingen, S. 1-11.
Polaschegg, Andrea (2005): Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin/New York.
Reinhardt, Volker (2021): Die Macht der Seuche. Wie die Große Pest die Welt veränderte: 1347-1353. München.
Said, Edward W. (1978): Orientalism. New York.
Sarasin, Philipp u.a. (Hg.; 2007): Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren: 1870-1920. Frankfurt a.M.
Schulz, Monika (2003): Beschwörungen im Mittelalter. Heidelberg.
Shelley, Mary (1994): The Last Man. Hg. v. Morton D. Paley. Oxford/New York.
Snowden, Frank M. (2019): Epidemics and Society: From the Black Death to the Present. New Haven/London.
Steger, Florian (2016): Für mehr Literatur im Sinne einer verstehenden Medizin. In: Jahrbuch Literatur und Medizin 8, S. 213-236.
Ders. (2021): Narrative Medizin. Für eine verstehende Medizin! (2016). In: Dietrich von Engelhardt (Hg.): Medizin in der Literatur der Neuzeit. Bd. IV: Wissenschaftliche Studien. 2., erw. Aufl. Heidelberg, S. 64-80.
Thomas, Amanda J. (2020): Cholera: The Victorian Plague. Barnsley.
Uerlings, Herbert (1997): Poetiken der Interkulturalität. Haiti bei Kleist, Seghers, Müller, Buch und Fichte. Tübingen.
Vasold, Manfred (2003): Die Pest. Ende eines Mythos. Stuttgart.
Weninger, Robert K. (2017): Sublime Conclusions: Last Man Narratives from Apocalypse to Death of God. Cambridge.
Wierlacher, Alois (2003): Interkulturalität. In: Ders./Andrea Bogner (Hg.): Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart/Weimar, S. 257-264.
Winkle, Stefan (2021): Die Geschichte der Seuchen. München.
Wolff, Katharina (2021): Die Theorie der Seuche. Krankheitskonzepte und Pestbewältigung im Mittelalter. Stuttgart.
Zelle, Carsten (2013): Medizin. In: Roland Borgards u.a. (Hg.): Literatur und Wissen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart/Weimar, S. 85-95.
Zittel, Claus (2021): »[D]ie im gegebenen Moment günstigste Krankheit«. Ludwig Fleck und die soziale Konstruktion von Gesundheit. In: Amelie Bendheim/Jennifer Pavlik (Hg.): Gesundheit als Metapher. Heidelberg, S. 119-132.