Phosphoros oder: Die Morgenröte des Kalevala. Die Turkuer Romantik aus einer internationalen Perspektive betrachtet
AbstractRomanticism reached Northern Europe at the beginning of the 19th century, where it first ushered in a new guldalder in Denmark and soon the dawn of a ›New School‹ in Sweden. The Finn Carl Axel Gottlund (1796-1875), who belonged to the circle of the so-called Turku Romantic Movement, collected a significant amount of Finnish folk poetry during his Turku study period (1814-1816). Influenced by the Swedish Romantics, he continued his studies in Uppsala. In his review of Friedrich Rühs’ Finland und seine Bewohner in 1817, Gottlund formulated the famous idea of creating an epic from the Finnish songs as a »new Homeros, Oßian, or Niebelungen Lied«. In the same year, he finds the first record of the Sampo among a group of Finnish emigrants living in Sweden. Elias Lönnrot (1802-1884) later placed the object at the dramaturgical center of the Kalevala.
The article illustrates the influence of Johann Gottfried Herder and the Phosphorists on the creation of the Kalevala through the work of Gottlund, who is now largely forgotten. In doing so, the Edda reception of the 19th century as the »backbone of Nordic Romanticism« is also taken into account. The Turku Romantic movement is thus viewed from an international perspective.
TitlePhosphoros or: The Dawn of the Kalevala. The Turku Romantic Movement Seen from an International Perspective
KeywordsCarl Axel Gottlund (1796-1875); Elias Lönnrot (1802-1884); Johann Gottfried Herder (1744-1803); Turku Romantic Movement; Kalevala
1. Einleitung
Als Elias Lönnrot 1822 sein Studium an der Akademie zu Turku aufnahm, befand sich die sogenannte Turkuer Romantik in ihrer kurzen Blüte; schon 1827 fand die Bewegung durch den Stadtbrand und die folgende Verlegung der Universität nach Helsinki ein jähes Ende. Dem Brand fiel auch der zweite Teil von Lönnrots akademischer Abschlussarbeit (pro exercitio) zum Opfer, die er im selben Jahr fertig gestellt hatte. In De Väinämöine. Priscorum Fennorum Numine1 (Lönnrot 1827) hatte Lönnrot die verfügbaren Gesänge und Informationen über Väinämöinen, eine mythologische Hauptgestalt der fenno-karelischen Dichtung, ausgewertet (vgl. Anttila 1985: 64). Die Arbeit diente gleichzeitig als Nachweis, dass er die Forschungstradition zum Thema überblickt (vgl. Karkama 2001: 62).
In der ersten Fußnote verweist Lönnrot auf Rudolf von Schröters Finnische Runen sowie u.a. auf die Zeitschrift Swensk Literatur-Tidning2 von 1817 und damit auf Carl Axel Gottlunds3 Rezension der schwedischen Übersetzung von Friedrich Rühs’ Finnland und seine Bewohner, deren bekanntester Teil die visionäre Ahnung Gottlunds ist:
Der Rezensent geht so weit zu behaupten, dass, sammelte man die alten Nationalgesänge und bildete daraus ein systematisches Ganzes, es mag im übrigen Epos, Drama oder etwas völlig Anderes werden, so entstünde daraus ein neuer Homer, Ossian oder ein neues Nibelungenlied; und die Finnische Nationalität würde in verherrlichter Form das Staunen der Gegenwart und der Nachwelt erwecken […]. Der Rezensent gesteht, dass er seiner Ansicht nach niemals einen Teil seiner Zeit besser genutzt hat als jene Zeit, die er dem Sammeln dieser unschätzbaren Überreste der Lieder und Gesänge der Vorväter geopfert hat. (Gottlund, zit. n. Schröder 2011: 246)
Die von Gottlund entworfene Idee eines auf finnischer Volksdichtung basierenden Epos verwirklichte Elias Lönnrot. De Väinämöine war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum finnischen Epos Kalevala.4 Der vorliegende Beitrag möchte die Bedeutung der sogenannten Turkuer Romantik und die Einflüsse Herders, Porthans und der schwedischen Romantik für und auf den Entstehungsprozess des Kalevala aufzeigen. Es geht dabei um die Hintergründe, die Gottlund zur Sammlung und Ordnung der finnischen Nationalgesänge – sprich: Volksdichtung – mit den Vorbildern Homer, Ossian und dem Nibelungenlied inspirierten und die Lönnrot knapp zwei Jahrzehnte später kongenial zur Kompilation des (Alten) Kalevala führten. Die zu behandelnde Frage ist im Folgenden, unter welchen Einflüssen sich der Wandel von Gottlunds Dreiklang aus Homer, Ossian und dem Nibelungenlied hin zu Homer und den Eddas mit Abgrenzung von James Macpherson bei Elias Lönnrot vollzog.
2. Die Einflüsse Herders und Porthans in Finnland
Henrik Gabriel Porthan (1739-1804), seit 1777 Professor für Rhetorik und Poesie an der Turkuer Akademie, gilt als bedeutendster finnischer Geisteswissenschaftler des 18. Jahrhunderts (vgl. Riikonen 2020: 401f.). Er wird sowohl als ›Vater der kritischen Geschichtsforschung‹ in Finnland wie auch der finnischen Volksdichtungsforschung (vgl. Manninen u.a. 2021: 19) betrachtet. Porthan war Vertreter des Neohumanismus und Polyhistor (vgl. Forssell 2013: 462); in kritischer Kenntnisnahme der Schriften Johann Gottfried Herders widmete er sich der Forschung und Sammlung finnischer Volksdichtung (vgl. Pulkkinen 2003: 37; Riikonen 2020: 401-405; Anttonen 2022: 454).
Porthan traf auf seiner ausgedehnten Deutschlandreise 1779 in Göttingen5 den für seine quellenkritische Methode bekannten Herder-Kontrahenten August Ludwig Schlözer,6 »Vater der Finnlandkunde« (Nikula 2005: 27; zum Einfluss Schlözers auf Porthan siehe auch Lehtinen 2017: 96) und im Übrigen auch Lehrer Friedrich Rühs’ (vgl. Anttonen 2022: 458).
Das im Wirken Porthans greifbare Interesse an Sprache, Geschichte und Dichtung des Volkes (z.B. in De Poësi Fennica7, Porthan 1766-1778), das sich u.a. auch in Christfrid Gananders Mythologia Fennica8 (Ganander 1789) zeigt, ist Ausdruck einer gesamteuropäischen Erscheinung des 18. und 19. Jahrhunderts (vgl. Saarelainen 2015: 110f.). Ebenfalls in Göttingen war etwa der Freund Herders, Christian Gottlob Heyne, so an der Poësi Fennica interessiert, dass er sie »noch im gleichen Jahr in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen besprach« (Mrozewiecz 2009: 102).9 Die entscheidende Inspiration für das Sammeln von Volksdichtung als national bedeutsame Tätigkeit in Finnland kam vor allen Dingen aus Deutschland und Schweden (vgl. Anttonen 2022: 452, 461). Rantala verweist darauf, dass Homer vor den Vorlesungen Porthans in Finnland kaum bekannt gewesen sei und dass in diesem Kontext auch die Theorie Friedrich August Wolfs (s.u.) ziemlich bald in Turku zur Kenntnis genommen wurde (vgl. Rantala 2019: 50).
Herders Volkslied-Projekt spiegelte die europäische Bewegung einer Betonung nationaler Identität wider (vgl. Heinz 2014: 125f.), die sich gegen eine fehlgeleitete klassizistische Antike-Rezeption richtete. Nach dieser Auffassung wurden nationale Eigenheiten zugunsten einer allgemeinen Idealform missachtet. Für Herder erwächst nationale Dichtung aus einer spezifischen kulturellen Überlieferung und unterschiedlichen Lebensräumen (vgl. ebd.: 131f.).
Neben Herder sorgten auch Veröffentlichungen Thomas Percys und insbesondere die Ossian-Schriften James Macphersons für europaweites Aufsehen. Im Falle von Ossian folgte eine jahrzehntelange Authentizitätsdebatte, die für den Entstehungsprozess des Kalevala von besonderer Bedeutung ist (vgl. Anttonen 2015). Herder sorgte auch dafür, dass sich eine Verbindung zwischen »den beiden Mustern für Naturdichter schlechthin« (Heinz 2014: 135; siehe auch Dehrmann 2019: 284f.), Homer und Ossian, verstetigte.10 In diesem Zusammenhang ist auf Friedrich August Wolfs wirkmächtige Prolegomena ad Homerum von 1795 hinzuweisen: »Das Homerische Epos, so lehrte Wolf, sei ein heterogenes Gebilde, eine sekundäre Verbindung traditioneller, ehedem mündlich tradierter Lieder verschiedener Verfasser, die einzelne Episoden des erzählten Geschehens behandelten.« (Heinzle 2014: 125).11 Anthony Grafton vertritt die Auffassung: »Herder und Heyne feierten Wolfs Leistung, indem sie behaupteten, immer schon die gleichen Auffassungen vertreten zu haben.« (Grafton 1999: 20)12
Bei Lönnrot lassen sich etwa direkte Verweise auf Herders Stimmen der Völker im Briefwechsel und im Vorwort seiner Sammlung lyrischer Volksdichtung Kanteletar zeigen (vgl. Saarelainen 2015: 127). Besonders greifbar wird Herders Einfluss in Finnland in Form seiner Adrastea bei Anders Sjögren (vgl. Anttonen 2022: 255f.). In beiden Werken beschäftigt sich Herder mit eddischen Dichtungen. Bei der Herder-Rezeption zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Finnland ist dabei zu berücksichtigen, dass sich statt direkter Bezüge überwiegend mittelbare Einflüsse zeigen lassen:
It is no exaggeration to say that all the writers, scholars and politicians who played a major role in the intellectual and cultural life of 19th-century Finland were aware of Herder, or were influenced, one way or another, by his writings. Although Herder has occasionally been mentioned in the biographies of such major national figures as Henrik Gabriel Porthan, Frans Michael Franzén, J.G. Linsén, Adolf Ivar Arwidsson, Alexander Blomqvist, Anders Johan Sjögren, Matias Alexander Castrén, Elias Lönnrot, Johan Ludvig Runeberg, Fredrik Cygnäus, Johan Vilhelm Snellman and Zacharias Topelius, there is a lack of detailed studies of their reading of Herder’s works and of the availability of Herder’s works in Finland, from the end of the 18th century onwards. (Riikonen 2020: 399f.)
3. Die Turkuer Romantik
Die Phase der 10er und 20er Jahre des 19. Jahrhunderts wird als ›Turkuer Romantik‹ bezeichnet, da ihr Einfluss hauptsächlich von der Akademie in Turku ausging.13 Diese kurze, aber ertragreiche Blütezeit erhielt nach dem Umzug der Universität nach Helsinki 1828 eine Fortsetzung mit einer deutlich anderen Ausrichtung als ›Helsinkier Romantik‹ (vgl. Pulkkinen 2003: 50-53).
Die Abtrennung Finnlands von Schweden 1809 und seine neue staatliche Autonomie im Zarenreich evozierte das Bedürfnis einer nationalen Identität, für die die Beschäftigung mit Volksdichtung in der Tradition Porthans inklusive der Auseinandersetzung mit Herder eine hervorragende Grundlage bot (vgl. Anttonen 2022: 453). Neben Porthan wurden die Turkuer Romantiker u.a. von James Macphersons Ossian (1765), Christfrid Gananders enzyklopädischem Werk Mythologia Fennica (1789) und Herders Schriften beeinflusst (vgl. ebd.).
Carl Axel Gottlund, dessen Vater Matthias Student Porthans in Turku gewesen war, besuchte ab 1810 wie nahezu alle anderen Protagonisten der Turkuer Romantik das Gymnasium in Porvoo – dem zu dieser Zeit einzigen in Finnland. Dort war als Lehrer der Porthan-Schüler Per Johan Alopaeus tätig; er propagierte laut Anttonen die Porthan’sche Begeisterung für Volksdichtung unter den Schülern (vgl. ebd.: 455). Zu diesen zählten u.a. der spätere Betreuer von Lönnrots erwähnter Abschlussarbeit, Reinhold von Becker,14 Abraham Poppius und Anders Johan Sjögren. Sjögren15 beeinflusste Gottlund mit seiner Lektüre von u.a. Herder sowie den Publikationen der schwedischen Romantiker Phosphoros (s.u.), Polyfem und Poetisk Kalender16 (vgl. Heikinheimo 1933: 62-79).
Im Herbst 1814 – dem Erscheinungsjahr des ersten Bandes von Erik Gustaf Geijers und Arvid August Afzelius’ Svenska Folk-Visor från forntiden17 (1814-1817) – nahmen Gottlund, Poppius und Sjögren ihre Studien an der Universität in Turku auf. Sjögren und Poppius hatten zuvor bereits unter expliziter Berufung auf Herder den Vorsatz gefasst, finnische Volksdichtung zu sammeln:
Wir trafen eine Vereinbarung und versprachen einander, dem Gedanken Herders zu folgen, so gut wir es vermögen, Monumente des Geistes unserer Vorväter zu sammeln, das möge dann in Dichtung oder was auch immer Niederschlag finden, mit einem Wort, dass wir alles aufspüren und sammeln, Volkssagen und dergleichen, das in irgendeiner Weise der Erforschung unserer Vorväter dienen kann.18
Gottlund wurde zum ertragreichsten Sammler von Volksdichtung dieser Jahre. Insbesondere in seiner Heimatregion Juva trug er verschiedene Textsorten zusammen. Laut Sarjala (vgl. 2020: 159) brachte Gottlund etwa 150 Beschwörungen (loitsu), 100 alte und 90 neue Runen (runo), 30 Lieder (laulu) und 50 Kinderreime (lora) nach Uppsala, wo er sein Studium fortsetzte.
Auch Reinhold von Becker, der Elias Lönnrots Arbeit De Väinämöine betreute, dokumentierte zu dieser Zeit Volksdichtung (vgl. Anttonen 2022: 457). Gottlund setzte seine Suche (in Unterbrechung seiner in acht Teilen erschienenen Rezension von Rühs’ Buch)19 auch in Schweden unter ausgewanderten Finnen fort und fand dort 1817 den ersten Beleg des mythischen Wohlstandsbringers Sampo (Sammas).20 Elias Lönnrot erwähnt den Sampo zehn Jahre später im erhaltenen Teil seiner Arbeit noch nicht – im Kalevala stehen Schmieden, Raub und Verteidigung dieses mythischen Gegenstandes dann im Zentrum des Epos.
4. Die Bedeutung der schwedischen Romantik
Zur »Wiederentdeckung des norrönen Erbes«
In den skandinavischen Ländern ist die Zeit der Romantik von der Sammlung und Veröffentlichung von Volksdichtung geprägt:
Die Wiederentdeckung des norrönen Erbes geht mit Sammlungen von skandinavischen Volksliedern und Balladen einher. Im Anschluss an die Folkeviser (Volkslieder), die Rahbek 1812-14 in Dänemark veröffentlicht, folgen Svenska folkvisor (1814-17; Volkssagen und Volkslieder aus Schwedens älterer und neuerer Zeit, 1842) von Geijer und Arvid August Afzelius und die Svenska fornsångar (Alte schwedische Lieder, 1834-42) von Adolph Ivar Arwidsson. (Glauser 2016: 178)
Die romantische Bewegung Schwedens setzte etwas später als in Dänemark ein und manifestierte sich insbesondere in zwei Gruppierungen: Aus dem Auroraförbundet21 um Per Daniel Amadeus Atterbom entwickelte sich in Uppsala der nach ihrer Monatsschrift Phosphoros (1810-1813) benannte Kreis der ›Phosphoristen‹, dem auch Lorenzo Hammarsköld und Vilhelm Fredrik Palmblad angehörten (vgl. ebd.: 134). Die Phosphoristen bzw. ›Die neue Schule‹ waren der Jenaer Romantik bzw. der Naturphilosophie Schellings zugewandt (vgl. Pulkkinen 2003: 52; Brylla 2003: 30, 32). Andere Zeitschriften der Gruppe sind Hammarskölds Polyfem (1809-1812), Poetisk Kalender (1811-1821) und die Swensk Literatur-Tidning (1813-1824) als Nachfolgerin des Phosphoros.
Der andere Kreis, Götiska förbundet,22 etablierte sich unter Studierenden der Universität Stockholm und war von Altertumsbegeisterung und historisch-volkskundlichen Interessen geprägt (vgl. Bisztray 2002: 232). Bedeutende Vertreter waren Erik Gustav Geijer, Arvid August Afzelius und Esaias Tegnér. Das Publikationsorgan war die von Geijer herausgegebene Iduna (1811-1824; vgl. Brylla 2003: 32, und Glauser 2016: 177).
In seiner Rezension der übersetzten Literaturgeschichte von Friedrich Ast, Öfversigt af Poesiens Historia (vgl. Atterbom 1810), erwähnt Atterbom Homers Heldengesänge (»Homeriska Hjeltesångerna«, ebd.: 123), das »Lied der Niebelungen« (ebd.: 124, als Beispiel einer rein epischen, modernen Heldendichtung)23 sowie »Ossians elegisch[e] Romanzen«24 (ebd.: 126). Der seit seiner Schul- und Studienzeit in Porvoo und Turku mit den Schriften der schwedischen Romantiker vertraute Gottlund fand seinen Dreiklang für 1817 also bereits sehr früh – in der ersten Ausgabe des Phosphoros.25
In Iduna V erschien der Beitrag Till Utgifwarne af Iduna, om den af Hr Friedrich Rühs sednast kungjorda Skrift angåande Isländska Skaldekonstens Ursprung26 von Lorenzo Hammarsköld (1814). Der Autor wendet sich darin vehement gegen die Darstellung Friedrich Rühs’ und dessen Werk Über den Ursprung der Isländischen Poesie aus der Angelsächsischen (1813), die Roling als »gezielte Abwertung der nordischen Überlieferungen« darstellt:
Keine der hanebüchenen englischen Mythologien des vormaligen Greifswalders [Rühs; C.N.] beruhten, wie der spätere Literaturhistoriker und königliche Bibliothekar [Hammarsköld; C.N.] betont, auf einer wirklichen Grundlage; die Vorwürfe des archaischen Barbarismus und die Indianervergleiche waren schlicht eine Frechheit. […] Für Eric Gustaf Geijer schließlich hatten Müller und Hammarsköld alle Anwürfe, die sich gegen die Autorität der Edda gerichtet hatten, damit entkräftet. (Roling 2020: 821)
Gottlund nahm sein Studium in Uppsala im August 1816 auf.27 An der Universität hörte er Vorlesungen Geijers und begegnete bald nach seiner Ankunft Palmblad und Atterbom (vgl. Pulkkinen 2003: 63; Sarjala 2020: 132). Durch die persönliche Verbindung zu den führenden Phosphoristen erhielt er den Rezensionsauftrag für die schwedische Ausgabe von Rühs’ Finnland-Buch (vgl. Pulkkinen 2003: 64-66; Sarjala 2020: 134).
Die umfängliche Besprechung von Rühs’ »Finland och Deß Inwånare«28 mit der Proposition eines finnischen Epos (vgl. Gottlund 1817) erschien zeitgleich mit Lorenzo Hammarskölds Rezension des Turkuer Aura-Albums (vgl. Hammarsköld 1817) in Swensk Literatur-Tidning. Das nur in zwei Nummern 1817/18 erschienene Aura-Album war ein Produkt der Aura- oder Selma-Gesellschaft in Turku, in dem studentische Mitglieder eigene literarische Versuche publizierten und das Essays über finnische Kultur und Literatur enthielt (vgl. Sarjala 2022: 64). Hammarsköld kritisierte in der Besprechung das Fehlen finnischer »Mythen« und der »so originellen urfinnischen Nationalliteratur« (Hammarsköld 1817: 316, 336), worunter er Volksdichtung verstand (vgl. Sarjala 2020: 63-70).
Gottlund besorgte 1818 die Veröffentlichung einer ersten Kostprobe finnischer Dichtung unter dem Titel Pieniä Runoja Suomen Poijille Ratoxi29 (Gottlund 1818). Es war jedoch dem 1818 in Uppsala eintreffenden deutschen Rühs-Schüler (vgl. Anttonen 2022: 458) Hans Rudolf von Schröter vorbehalten, finnische Dichtung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach Übersetzung der Svenska Folk-Visor Geijers und Afzelius’ widmete er sich finnischer Volksdichtung und dank der Unterstützung eines ›finnischen Dichtungskomitees‹ um von Becker, Arwidsson, Poppius, Gottlund und anderen konnte von Schröters zweisprachige Sammlung (finnisch/deutsch) schnell herausgegeben werden. Auch Gottlund trug offenbar mit unveröffentlichtem Material bei, das er mutmaßlich für von Schröter ins Schwedische übersetzte (vgl. Sarjala 2020: 164f.).
Von Schröters Finnische Runen (Schröter 1819) fanden positive Aufnahme sowohl in Schweden (etwa durch eine Besprechung Hammarskölds in Swensk Literatur-Tidning) und Finnland (Besprechung durch Arwidsson in Mnemosyne) als auch in Deutschland30 (vgl. Häntsch 2010). Die finno-karelische Volksdichtung gelangte als Konsequenz in ihrer deutschen Übersetzung ins Bewusstsein Europas, »but the fact that von Schröter failed to mention those who had assisted him meant that the Turku Romanticists lost a valuable chance to make themselves internationally known« (Anttonen 2022: 459). Sarjala verweist darauf, dass eine Ereigniskette von von Schröters verdeutschter Gedichtsammlung der Turkuer Romantiker in Uppsala zur Zusammenstellung des Kalevala führte (vgl. Sarjala 2020: 168).
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Zu Homer, dem Klassischen, und zu der seit Herder bestehenden Verbindung zu Ossian, dem Nordisch-Keltischen, trat in Skandinavien nun noch das Norröne hinzu, das sich für Gottlund wohl aufgrund seiner frühen Lektüre der Phosphoristen im Nibelungenlied, allgemein jedoch in der Edda-Tradition manifestiert: »Die Eddas […] wurden zum Rückgrat der nordischen Romantik.« (Bisztray 2002: 229)
In den Debatten um den Ursprung der nordischen Mythologie insbesondere ab 1818 (also unmittelbar nach Gottlunds Rezension) und in Bezug auf die damit verbundene Frage, ob sie nordisch oder national sei (vgl. Gerven 2019), spielten die Eddas die entscheidende Rolle. Zwar gab es in Skandinavien seit dem Mittelalter die Kontinuität eines antiquarischen Interesses an altnordischer Dichtung, doch das verstärkte Interesse am nordischem Mythos – neben dem Gälisch/Keltischen und befeuert von Herder – erhielt seit dem 18. Jahrhundert kraftvolle Impulse (vgl. Bisztray 2002: 228-230; Gerven 2019: 49-55).
Dies lässt sich exemplarisch an den Editionen und Übersetzungen der Eddas während der romantischen Bewegung verdeutlichen: Rasmus Rask und Rasmus Nyerup besorgten 1808 eine dänische Übersetzung der Snorra-Edda, welche die Vorlage der 1811 von Jakob Adlerbeth veröffentlichten schwedischen Übersetzung bildete. 1818 erschienen Rasks Edition der Gesamtausgabe der Snorra-Edda und Afzelius’ schwedische Fassung der Lieder-Edda, im Jahr darauf eine schwedische Übersetzung der Snorra-Edda von Anders Jacob Cnattingius. Großen Einfluss erlangten schließlich Finnur Magnússons Arbeiten zu den Eddas; auch seine Publikationen über nordische Mythologie und Archäologie wurden aus dem Dänischen ins Schwedische übersetzt (vgl. ebd.: 63-66).
In der schwedischen Schulordnung von 1820, an der Geijer beteiligt war, spiegelt sich die Wertschätzung der Eddas wider. In dem bislang parochial geprägten Bildungssystem, das sich stark an Latein, Griechisch und Hebräisch orientierte, ist die Neuerung bemerkenswert, dass Unterrichtung der nordischen Mythologie am Gymnasium zur Pflicht wird:
Das Fach Geschichte soll den Schülern eine umfassende Kenntnis der nordischen Mythologie vermitteln, heißt es in den neuen Anweisungen. Selbst die unteren Klassenstufen könnten in ›kleinen ausgewählten Stücken‹ etwas über die nordische Welt erfahren. Das empfohlene Lehrbuch ist ›die schwedische Übersetzung von Professor Nyerups Edda oder die heidnische Götterlehre der Skandinavier, erschienen 1811‹.31
In der eingangs erwähnten Abhandlung De Väinämöine von 1827 zitiert Lönnrot übrigens – darauf wurde nach Kenntnisstand des Autors bisher nicht hingewiesen – auch Erik Gustaf Geijers Svea Rikes Häfder32 von 1825 (vgl. Lönnrot 1827: 6),33 ein Fachbuch über nordische Geschichte und Mythologie, in dessen Zentrum natürlich die Eddas stehen.
5. Elias Lönnrot als Kompilator des finnischen Epos
Während Gottlund – neben anderen – einen Grundstein für die Sammlung von Volksdichtung legte, konnte Lönnrot die Vision eines Volksepos umsetzen. Lönnrot selbst wurde zum weitaus bedeutendsten Sammler – laut Karkama nahm er auf seinen eigenen Sammelreisen auch die Ausgaben von Schröters und Gottlunds mit (vgl. Karkama 2001: 62).34 Darüber hinaus kannte er noch andere Werke Gottlunds (vgl. Apo 2009: 4).
Das bei Gottlund noch prominente Nibelungenlied spielte in Finnland letztlich keine bedeutende Rolle – in den über 5000 Seiten von Sjögrens Ephemerider etwa taucht es nur ein einziges Mal auf; das Epos lässt sich als Reflexion des Wegs der Romantik nach Schweden auffassen. Auch Lönnrot mag davon gehört haben – in Geijers Svea Rikes Häfder erscheint es noch an einer Stelle. Sehr viel mehr beeinflusst wurde er jedoch durch die Edda-Rezeption.
An Stelle von Gottlunds Dreiklang aus Homer, Nibelungenlied und Ossian treten bei Lönnrot Homer, die Edda und die Haltung eines Anti-Macpherson: Die Ossian-Debatte, d.h. die Frage nach der Authentizität der Gesänge, war Lönnrot seit seiner Turkuer Studienzeit bekannt (vgl. Hämäläinen 2012: 66; Anttonen 2015: 62) und maßgeblicher Grund dafür, dass er alle Quellen öffentlich zugänglich machte (vgl. Haapoja-Mäkelä/Stepanova/Tarkka 2018: 20). Diese bewusste Transparenz sorgte dafür, dass der Entstehungsprozess des Kalevala lückenlos nachvollziehbar ist. Lönnrots Methode lässt sich vor diesem Hintergrund kurz mit Saarelainen verdeutlichen:
All the verses in the Kalevala were recorded from original singers but […] Lönnrot shaped and transformed them into a literary epic which had never before existed, […] Lönnrot was open about his method; already in the first edition of the Kalevala (1835), he states that the original oral folk poems were sung separately and not in the form of such epic he has compiled. (Saarelainen 2020: 422)
Nach der Veröffentlichung der zweiten – heute gebräuchlichen – Fassung des (Neuen) Kalevala 1849 nahm Lönnrot in einem Brief vom 30. März 1851 an den späteren französischen Übersetzer des Kalevala, Louis Léouzon Le Duc, explizit Stellung zur Echtheit der Kalevala-Gesänge und Bezügen zu »Macphersons ossianischen Gesängen«.35
Im Dezember 1833 schrieb Lönnrot, dass er nun allein von Väinämöinen schon 5000 bis 6000 Verse gesammelt habe, jedoch fortfahren wolle, bis er etwa ›einen halben Homer‹ (»en samling, som svarar emot ½ Homerus«), zusammenhabe.36
Nur wenige Wochen später, im Februar 1834, schrieb Lönnrot an seinen ehemaligen Turkuer Professor, nun Vorsitzender der Finnischen Literaturgesellschaft, Henrik Gabriel Linsén über sein erwachtes Verlangen, die Gesänge zu einem
zusammenhängenden Ganzen zu ordnen, […] aus der finnischen Mythologie etwas der isländischen Edda entsprechendes zu bekommen [,] […] eine solche Sammlung, die unsere Nachkommen so hoch schätzen wie die gotischen Völker die Edda oder die Griechen und Römer, wenn nicht Homer, so zumindest Hesiod.37
Die Eddas als Inspiration lassen sich auch in der Gestaltung des (Alten) Kalevala nachweisen: »The similarity between the first songs of the Edda and the first songs of the Kalevala is particularly remarkable« (Lönnroth 1990: 88).
Wie gezeigt wurde, nennt Elias Lönnrot am Beginn seiner Abhandlung De Väinämöine 1827 die Swensk Literatur-Tidning 1817, in der Gottlund seinen heute vielzitierten Eposgedanken entwickelte. Diese Idee proklamiert Elias Lönnrot acht Jahre später jedoch für sich: In der Vorrede zum (Alten) Kalevala (Lönnrot 1835: III) betont er, die Anordnung der Volksdichtung zum Epos sei seine Idee und seines Wissens nach habe dies keiner zuvor versucht oder darauf hingewiesen (vgl. Anttonen 2015: 58; Nivala 2019: 27). Nach von Schröters Finnischen Runen wurde Gottlunds Einfluss einmal mehr verschwiegen. Gottlund wurde seinerseits einer der vehementesten Kritiker des Kalevala u.a. mit dem Einwand, es sei eher ein literarisches Produkt Lönnrots als ein Volksepos (vgl. Anttonen 2015: 66).
6. Zusammenfassung
Elias Lönnrot und das heute sogenannte Alte Kalevala – dem bekanntlich in den kommenden Jahrzehnten weitere Versionen folgen – werden in der Regel aus der Perspektive eines kraftvollen Neubeginns und eines nationalen Aufbruchs betrachtet. Man braucht nur zum Jahr 1822, dem Studienbeginn Lönnrots, zurückzukehren: Im selben Jahr nahmen auch J.L. Runeberg, der spätere Nationaldichter, und J.V. Snellman, der spätere Nationalphilosoph Finnlands, ihre Studien in Turku auf (vgl. Manninen u.a. 2021: 66).
Dieser Beitrag hat Elias Lönnrots Kalevala als Resultat, als vorläufige Vollendung eines Prozesses gezeigt, der auf finnischer Volksdichtung fußt, deren Sammlung durch Porthan und Herder sowie die schwedischen Phosphoristen und Götiska förbundet befeuert wurde.
Carl Axel Gottlund hatte bedeutenden Anteil sowohl an von Schröters Finnischen Runen und damit wie gezeigt an der Bekanntheit finnischer Volksdichtung in ganz Europa als auch an der Initiierung des Kalevala-Prozesses. Beide Leistungen gelangten nicht ins Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit. Sein Name fehlt zwar wegen seines Zitats von 1817 zu Recht in kaum einer Kalevala-Darstellung – und doch steht er völlig im Schatten des Epos, das Lönnrot schuf. Der Beitrag zeigt auf, welche Einflüsse in dem Zitat Gottlunds fassbar werden und welche Entwicklungen zwei Jahrzehnte später auf Lönnrot wirkten. Gottlund lieferte Lönnrot nicht nur die Vision, sondern baute auch an der Brücke zwischen schwedischer und Turkuer Romantik, zwischen Dichtung des Volkes und Unabhängigkeit der Nation. Der den frühen schwedischen Romantikern den Namen gebende Phosphoros, der ›Morgenstern‹ oder die ›personifizierte Morgenröte‹, steht am Beginn des Kalevala-Prozesses und erhellt auch die Bedeutung des zu Unrecht vergessenen Carl Axel Gottlund.
Anmerkungen
1 ›Über Väinämöinen. Eine Gottheit der alten Finnen‹. Die Übersetzungen sind, wenn nicht anders ausgewiesen, die des Autors.
2 ›Schwedische Literaturzeitung‹.
3 Lönnrot erwähnt den Rezensenten allerdings nicht namentlich in dieser Arbeit.
4 Die Entstehungsgeschichte des Kalevala ist durch ihren prozessualen Charakter gekennzeichnet (siehe dazu Järvinen 2017: 66-74). Von besonderer Bedeutung sind die oft als Altes Kalevala bezeichnete Version von 1835 und die erweiterte Form des Neuen Kalevala von 1849 (vgl. ebd.: 72f.). Zur Bedeutung von De Väinämöine (Lönnrot 1827) als Vorarbeit des finnischen Epos vgl. auch die Darstellung unter https://matkallakalevalaan.finlit.fi/kalevala-monta/viisi-kalevalaa [Stand: 1.3.2023].
5 Zum Aufenthalt Porthans in Göttingen vgl. Schmeidler (1968).
6 Vgl. zur persönlichen Auseinandersetzung zwischen Herder und Schlözer sowie zu deren »grundverschiedene[n] Geschichtsauffassungen« Lauer (2014: 139).
7 ›Über die finnische Dichtung‹.
8 ›Finnische Mythologie‹.
9 Eine deutsche Übersetzung dieser Besprechung sowie der Brief Friedrich Rühs’ an Porthan, in dem er um Unterstützung bei der Vorbereitung seines Finnland-Buches bat, finden sich in Häkli (vgl. 1988: 117f. u. 76f.).
10 Laut Apo (vgl. 2004: 273-276) wusste Lönnrot zumindest über Herder von Ossian; vgl. zur Ossian-Rezeption in Schweden und Finnland auch den Beitrag von Graves 2004. Tatsächlich erfolgt die früheste Verbindung des Ossian mit nordischer Dichtung 1774-75 über Johan Henrik Kellgren in Zusammenhang mit finnischer Volksdichtung – laut Graves (vgl. 2004: 200f.) von Porthan inspiriert.
11 Zur Auseinandersetzung Wolfs mit Heyne (bei dem Wolf in Göttingen studierte) und zur Originalität der Ansichten in den Prolegomena vgl. Nesselrath (2014).
12 Tatsächlich ist Herders Homer-Konzept sehr ambivalent, wie Wohlleben zeigen kann (vgl. Wohlleben 1990: 15-26; siehe auch Osinski 2002: 206f.).
13 Pulkkinen grenzt die Phase klarer ein: »Die Turkuer Romantik dauerte nur etwa zehn Jahre (1817-1827); sie begann mit dem ersten Aura-Heft und endete mit dem Turkuer Stadtbrand.« (Pulkkinen 2003: 52)
14 Der Historiker und Sprachforscher war von 1820 bis 1822 auch Herausgeber der Turun Wiikko-Sanomat (›Turkuer Wochenzeitung‹), einer der ersten finnischsprachigen Zeitungen, in der er den dreiteiligen Aufsatz Väinämöisestä (›Über Väinämöinen‹) veröffentlichte. Von Becker hatte zuvor Lieder über Väinämöinen in verschiedenen Regionen Finnlands gesammelt.
15 Seit 2020 steht eine digitale Edition der Tagebücher Sjögrens zur Verfügung (vgl. Branch/Häkli/Leinonen 2020). Ein entsprechender digitaler Zugang zu den Gottlundiana ist derzeit bis auf den Briefwechsel mit den sogenannten Metsäsuomalaiset (›Waldfinnen‹, eine finnische Auswanderergruppe nach Schweden; vgl. https://gottlund.finlit.fi [Stand: 1.3.2023]) noch ein Desiderat.
16 ›Poetischer Kalender‹.
17 ›Schwedische Volkslieder aus alten Zeiten‹.
18 »Vi kommo öfverens och låfvade hvarandara med hand och mun att deruti följa Herders idee att vi, så mycket vi åtkomma, samla och uppsöka monumenter af våra förfäders esprit öfverhufvud, detta må då ingå i poesi eller hvad som hälst, med ett ord, att vi uppsöke och samla allt, som vi kunna överkomma, folksagor och dylikt, som kan tjena till att på något sätt användas vid forskningen om våra förfäder.« (Branch/Häkli/Leinonen 2020: 1478) Laut Laine (vgl. 2020: 13) ist der Text auf den 20. April 1814 datiert. Zur Stellung der schwedischen Sprache als offizieller Landes- und Gebildetensprache im Finnland des 19. Jahrhunderts vgl. Niedling (2021) und Riikonen (2020: 400).
19 Gottlunds Rezension in der Swensk Literatur-Tidning erschien in den Heften 19, 22, 24 bis 26 sowie 49 bis 51 des Jahres 1817.
20 Vgl. SKVR VII5 Metsäs. 10 (online unter: https://skvr.fi).
21 ›Aurora-Bund‹.
22 ›Götischer Bund‹.
23 »Rent episka, enligt det enkla begreppet af Epos, äro af moderna hjeltedikter endast das Tyska Lied der Niebelungen, Ariostos Orlando furioso, Goethes Hermann und Dorothea, och Fr. Schlegels Roland.« (Ebd.)
24 ›Ossians elegiska romanzer‹.
25 Die Frage, warum Gottlund das Nibelungenlied als Referenz im gegebenen Zitat wählte, wird bei Niedling (vgl. 2022) eingehender behandelt. Der vorliegende Beitrag stellt eine Bearbeitung und perspektivische Neuausrichtung des Themas dar.
26 Etwa: ›An den Herausgeber der Iduna, die von Herrn Friedrich Rühs letztens angekündigte Schrift über den Ursprung der isländischen Skaldenkunst betreffend‹.
27 Vgl. den Eintrag in der Studentenmatrikel online unter: https://ylioppilasmatrikkeli.helsinki.fi/henkilo.php?id=12703 [Stand: 1.3.2023].
28 ›Finnland und seine Bewohner‹.
29 ›Kleine Gedichte zum Vergnügen der Söhne Finnlands‹.
30 Jacob Grimm erhielt vermutlich im Dezember 1819 eine Ausgabe der Finnischen Runen von Schröters, was sein Interesse an finnischer Dichtung und Mythologie entfesselte; vgl. die Angaben bei Anttonen (2022: 460).
31 »Historieämnet skulle ge sina elever en fullständig kunskap om den nordiska mytologin, heter det i anvisningarna. Redan de lägre klasserna skulle kunna ta del av den fornnordiska världen i ›smärre valda stycken‹. Som kursbok rekommenderas den år 1811 utgivna svenska översättningen av professor Nyerups Edda eller Skandinavernas hedniska gudalära.« (Stenroth 2019: 523; vgl. auch van Gerven 2019: 60)
32 Etwa: ›Traditionen des Svea-Reiches‹.
33 Wörtlich ist zu lesen: »E. G. Geyer, Swea Rikes Häfder, p. I. Ups. 1825 p. 401.« Auch auf der angegebenen Seite verweist Geijer auf die Edda.
34 Vgl. auch den Briefwechsel Lönnrots und Gottlunds vom Januar, online unter: http://lonnrot.finlit.fi/omeka/items/show/6261, und September 1829, online unter: http://lonnrot.finlit.fi/omeka/items/show/1628 [beide Stand: 1.3.2023].
35 ›Macphersons ossianska sånger‹; online unter: http://lonnrot.finlit.fi/omeka/items/show/7805 [Stand: 1.3.2023].
36 Online unter: http://lonnrot.finlit.fi/omeka/items/show/2287 [Stand: 1.3.2023].
37 »[U]ppsteg hos mig begäret att ordna dem (efter) till ett helt sammanhängande för att derigenom uti Finska Mythologien få något motsvarande den Isländska Eddan […] en sådan samling (framd) hos våra efterkommande möjligtvis kommer att värderas lika högt som hos de Göthiska folkslagen Eddan eller om hos Greker och Romare, om ej Homerus så åtminstone Hesiodus.« Online unter: http://lonnrot.finlit.fi/omeka/items/show/1139 [Stand: 1.3.2023].
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