„Ghetto“-Stolz. Diskurse und Praktiken
In Stolz mündende Formen der Selbstaufwertung werden in der Philosophie als emotionales Pendant zu Erfahrungen sozialer Abwertung betrachtet, wobei die Kriterien für legitime Gründe des Stolzes variabel und entsprechend umstritten sind. Hauptschüler in marginalisierten Stadtvierteln sind häufig eher auf ihre besondere städtische Herkunft als auf ihre Schulkarrieren stolz.1 So lässt sich in Deutschland auch ohne real existierende „Ghettos“ die Entfaltung eines assoziationsreichen und wirksamen „Ghetto“-Diskurses beobachten. Wie dieser für Neuköllner Jugendliche zu einer Quelle des Stolzes wurde, wird in diesem Kapitel anhand widersprüchlicher und zutiefst ambivalenter Diskurse und Praktiken der Selbstermächtigung dargestellt.
Die damit zusammenhängende Frage, wie man die „Ghetto“-Problematik in Deutschland behandeln sollte, lässt sich in einem stadtsoziologischen und in einem diskurstheoretischen Sinn diskutieren. Die historische Bezeichnung „Ghetto“ bezog sich auf die erzwungene stadträumliche Separierung der jüdischen Bevölkerung, die sich während des Mittelalters von Venedig ausgehend in Europa verbreitete. Eine solche sozialräumliche Konfiguration zielte darauf ab, aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft ökonomisch nutzbringende Kontakte mit einer stigmatisierten Bevölkerungsgruppe zu ermöglichen, doch darüber hinaus gehende soziale Kontakte oder ethnische Vermischungen mit dieser Gruppe zu vermeiden.2 Das „Ghetto“ fungierte idealtypisch also nicht als Brücke in die Mehrheitsgesellschaft wie andere Einwanderer-Viertel, sondern war eher eine Art städtische Insel. Neben dem jüdischen „Ghetto“ gilt die Konzentration der afro-amerikanischen Bevölkerung im Harlem des 20. Jahrhunderts als paradigmatisches Beispiel für „Ghetto“-Bildung. Doch die zentralen stadtsoziologischen Kennzeichen von „Ghettos“ passen nicht zu benachteiligten Quartieren in deutschen Großstädten wie den Norden von Berlin-Neukölln: In diesem Stadtteil lassen sich zwar vielfältige Problemlagen beobachten, doch ist er weder ethnisch homogen noch durch staatliche Zwangszuweisungen entstanden, es handelt sich nicht um ein geschlossenes urbanes Gebiet und es lassen sich aus meiner Sicht auch keine eigenständigen institutionalisierten Parallelstrukturen ausmachen.3 Medial stigmatisierte und überdurchschnittlich von Armut und Arbeitslosigkeit betroffene Berliner Stadtbezirke wie Neukölln sind demnach aus stadtsoziologischer Perspektive keine „Ghettos“.
Der „Ghetto“-Begriff etablierte sich ungeachtet solcher Befunde in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren als generelle Chiffre für urbane Problemgebiete, wobei das afro-amerikanische „Ghetto“ in den USA als Vergleichsfolie und Imaginationsraum diente.4 Zuvor war der „Ghetto“-Begriff in Deutschland noch bis in die 1950er Jahre primär auf das jüdische „Ghetto“ bezogen. Christiane Reinecke erklärt die Adaption des amerikanischen „Ghetto“-Begriffs mit Anleihen der westdeutschen Soziologie aus der US-amerikanischen Chicago School of Sociology sowie mit einer engen Verflechtung von Sozialwissenschaft, Politik und Medien hierzulande, die zur Verselbstständigung des „Ghetto“-Diskurses über die Wissenschaft hinaus beitrug.5 Sie interpretiert den Aufschwung von „Ghetto“-Semantiken in den 1970er Jahre als Ausdruck eines neuen Krisenbewusstseins, in dessen Zuge sich ökonomische Unsicherheit und Migrationsfragen in der Diskussion um eine „Krise der Städte“ verdichteten. Daran anschließend kann die Renaissance des „Ghetto“-Diskurses in den 1990er Jahren, in denen Massenarbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit im Zentrum öffentlicher Debatten standen, ebenfalls als Krisenphänomen gelesen werden. Auch gegenwärtig werden hierzulande Stadtgebiete, die mit Migranten oder „Unterschichten“6 assoziiert werden, in politischen, medialen und alltäglichen, teilweise aber auch in wissenschaftlichen Diskursen als „Ghettos“ bezeichnet. Dieses Labeling ist manchmal verbunden mit Prozessen der Kommerzialisierung und der urbanen Selbstvermarktung, bei denen versucht wird, aus der sozialräumlichen Marginalisierung Profit zu machen.7 Es geht hier in diesem zweiten Sinne nicht um reale Geografien, sondern um diskursive Verknüpfungen, durch die städtische Ortsangaben wie Neukölln zum Symbol für übergreifende gesellschaftliche Problemlagen werden.8
Die diskursive Verortung als „Ghetto“ bleibt nicht folgenlos für das Zusammenleben im urbanen Raum, zum einen werden Stadtviertel damit abgewertet und stadträumliche Interventionen legitimiert, zum anderen werden Sprach-, Kleidungs- und Interaktionsmuster derjenigen beeinflusst, die sich mit dem „Ghetto“-Image identifizieren, damit spielen oder sich davon abgrenzen.9 Seit den 2000er Jahren entstanden eine Reihe von ethnografischen Studien zu „Ghetto“-Adaptionen von Berliner Jugendlichen. Ayhan Kaya zeigte wie migrantische Jugendliche in Berlin diasporische Identitäten mittels unterschiedlicher Formen von Hip-Hop konstruierten und dabei „Kreuzberg“ mit einem Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit assoziieren.10 Julia Eksner rekonstruierte anhand einer Gruppe Kreuzberger Jugendlicher wie diese sich sprachlich mittels stilisiertem „Türken-Deutsch“ gegenüber Außenstehenden inszenierten und in solchen Posen „Ghetto-Ideologien“ von der Kriminalität und dem „harten Leben auf der Straße“ reproduzierten, sie schilderte aber auch, wie die Jugendlichen in anderen Kommunikationssituationen das Sprachregister wechselten.11 Moritz Ege diskutierte unter anderem vestimentäre und körperliche „Ghetto-Inszenierungen“ anhand des Tragens von Jeans-Hosen der Marke „Picaldi“, die in den frühen 2000er Jahren vor allem in Berlin mit „Ghetto“-Zuschreibungen assoziiert wurden.12 Miriam Yildiz und Sonja Preissig listeten am Beispiel Kölner Jugendlicher ein breites Spektrum von Umgangsweisen mit sozialräumlicher Stigmatisierung auf, das von Langeweile und Stolz über Rechtfertigungs- und Verteidigungsversuche bis zu Entschuldigungs- und Distanzierungsgesten reichte, wobei eine Nichtpositionierung kaum möglich erschien.13 Ich selbst deutete die Jugendgang „Neukölln Ghetto Boys“ im Anschluss an frühere Forschungen zu Jugendgangs von Herrmann Tertilt als eine nach außen mit aggressiven Gesten der Einschüchterung operierende doch nach innen auf Zusammenhalt und Unterstützung zielende soziale Gruppe, die den Jugendlichen zur Verarbeitung von gesellschaftlicher und familiärer Missachtung diente.14 In diesem Kapitel frage ich nach den diskursiven Regeln des „Ghetto“-Diskurses und den alltäglichen Mustern von „Ghetto“-Praktiken, deute diese als ambivalente Formen der Selbstermächtigung und arbeite die Konturen eines performativen „Ghetto“-Begriffs heraus.
DIE AMBIVALENZ DES „GHETTO“-DISKURSES
Die diskursive Erzeugung von Orten als „Ghetto“ folgt eigenen Spielregeln. Es handelt sich aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft um negativ aufgeladene und defizitär konzipierte Räume, um „panische“ oder „explosive“ Räume, um Räume der „Anomie“ und der „Pathologie“.15 Diese diskursive Grundkonstellation wird mit historisch wandelbaren und lokal spezifischen Gefahrenzuschreibungen verbunden, in Deutschland seit den 1990er Jahren vor allem mit „Parallelgesellschaften“ und „Jugendgangs“ sowie seit den 2000ern zusätzlich mit „Islamisierung“ und „Terrorismus“.16 In Berlin wurden die innerstädtischen Stadtgebiete Neukölln und Wedding medial als migrantische „Ghettos“ bezeichnet, verbunden mit anderen Zuschreibungen wurde die Bezeichnung teilweise auch für die städtischen Randgebiete Spandau, Marzahn und Hohenschönhausen verwendet. Der Berliner Stadtteil Neukölln, der lange Zeit wenig mediales Interesse auf sich gezogen hatte, erhielt gegen Ende der 1990er Jahre das Image eines mit Migration, Kriminalität und Arbeitslosigkeit verbundenen Problembezirks.17 Mit der Debatte um die Neuköllner Rütli-Schule nahm die Problemwahrnehmung vor allem in Bezug auf Schule und Jugend weiter zu und verschob sich gleichzeitig stärker auf Religion und ethnische Herkunft. Neukölln wurde auf diesem Wege zu einer assoziationsreichen, auch überregional bekannten Chiffre des Einwanderungsdiskurses. Doch ab zirka 2010 rückten Diskussionen um Gentrifizierung neben „Ghetto“-Zuschreibungen und drängten diese seitdem allmählich in den Hintergrund.
„Ghetto“-Diskurse sind aus Sicht der Betroffenen von einer auffallenden Ambivalenz gekennzeichnet, bei der das negative Image des „Ghettos“ einerseits als Schreckbild und andererseits als Ressource für Identifikation dient. Die binär strukturierte diskursive Produktion von Orten in Literatur, Film und Musik korrespondiert dabei mit dem „Janus-Gesicht“ historischer „Ghetto“-Formationen. „Ghettos“ galten nicht nur als stigmatisierte Räume, sondern wurden für deren Bewohner gleichzeitig auch zu Orten des Schutzes, der Identifikation und des Stolzes. Mit dem Hinweis auf das „Janus-Gesicht des Ghettos“ verdeutlicht Loïc Wacquant, dass Kontrolle, Ausbeutung und Deprivation sowie Schutz, Zusammenhalt und kulturelle Blüte zwei Seiten der gleichen Medaille sind.18 Bei den im folgenden ausgewählten Künstlern und Werken handelt es sich nicht um Randseiter und Raritäten, sondern um weithin bekannte und bereits vielfach diskutierte US-amerikanische und deutsche Vertreter aus den Bereichen der „Street-Literature“, der „Hood“-Filme und des „Gangsta“-Rap, die gerade aufgrund ihrer Popularität für die Fortschreibung von „Ghetto“-Diskursen von Bedeutung sind.19 Bei der Untersuchung von „Ghetto“-Diskursen beziehe ich mich vor allem auf von Michel Foucault und Ernesto Laclau angeregte diskurstheoretischen Überlegungen. Mit Foucault, der Diskurse als eine geregelte Formation von anonymen Aussagesystemen versteht, die eine „Ordnung der Dinge“ herstellt, frage ich nach den Formationsregeln des Ghettodiskurses, durch die immer wieder ein spezifisches Diskursmuster – die Ambivalenz des Ghettodiskurses – reproduziert wird.20 Mit Laclau und seinen Überlegungen zum „leeren Signifikanten“ gehe ich der politischen Frage nach, wie die Bezeichnung „Ghetto“ zu einem geläufigen Schlagwort in gegenwärtigen deutschsprachigen Debatten um Ausgrenzung und Zugehörigkeit in der Stadt wurde.21
„Street Literature“: „Ghetto“ als Schlüsselsymbol
Da ich eher an der Genese diskursiver Strukturen und den dadurch bedingten Adaptionen des „Ghetto“-Diskurses als an einer konventionellen Analyse der Medienberichterstattung interessiert bin, verlasse ich Berlin-Neukölln für einige Seiten, um mich der transatlantischen Vorgeschichte jugendlicher Raumpraktiken zuzuwenden. Bezeichnungen wie „Street Literature“ oder „Urban Fiction“ verweisen auf ein stark von afro-amerikanischen Autoren geprägtes literarisches Genre, in dem „Ghetto“-Erfahrungen und die Schattenseiten von US-amerikanischen Großstädten eine zentrale Rolle spielen.22 Zwar haben solche Motive eine lange Tradition, sowohl innerhalb als auch außerhalb der USA, doch in seiner spezifischen Mischung aus Crime-Story, Gangsterposen und einer räumlichen Verortung im afro-amerikanischen „Ghetto“ etablierten sich die Konventionen dieser literarische Stilrichtung erst um 1970 in den USA. Der Rekurs auf die afro-amerikanische Kultur dieser Zeit ist deshalb wichtig, da sich damals jene kulturellen Muster von „Ghetto“-Darstellungen etablierten, die seit den 1980er Jahren in der Hip-Hop-Kultur aufgenommen und weiterentwickelt wurden und gegenwärtig über Rezeptionen und Adaptionen von Rapmusik die Selbstpositionierungen von Neuköllner Hauptschülern beeinflussen.
Neben Iceberg Slim gilt Donald Goines als der wichtigste Pionier der „Ghetto“-Literatur in den USA. In den frühen 1970er Jahren schrieb er 16 Romane über das Leben in den „Ghettos“ seiner Heimatstadt Detroit und anderer Großstädte wie New York und Los Angeles. Die mitreißenden Geschichten handeln von coolen Typen, jungen Huren und harten Drogen, sie sind voll von schnellem Sex und roher Gewalt – rasch hintereinander geschriebene Bücher, an deren Ende meist bereits die ersten Kapitel des nachfolgenden Bandes abgedruckt sind. Taschenbücher, von denen allein während seiner Lebenszeit mehr als fünf Millionen Exemplare verkauft wurden, obwohl die Bibliotheken sie zunächst verschmähten. Goines erweiterte das seit den 1940ern und 50ern Jahren in Film und Literatur florierende „Urban-Noir“-Krimigenre um eine afro-amerikanische Perspektive und prägte das sich seit den 1970ern herausbildende Literaturformat der „Street Literature“.23 Goines kurzes Leben hätte selbst einen guten Romanstoff hergegeben und wahrscheinlich sind viele seiner fiktionalen Charaktere diesem mehr oder weniger direkt entsprungen.24 Als Teenager zog er mit gefälschtem Ausweis in den Koreakrieg, aus dem er heroinsüchtig zurückkehrte. Um seine Drogensucht zu finanzieren, beging er Straftaten und schrieb Bücher. Sein erstes Buch entstand folgerichtig im Gefängnis. Anfang der 1970er Jahre folgten dann mehrere Bände pro Jahr, bis Goines 1974 im Alter von 37 Jahren in seinem Apartment in Detroit erschossen wurde.
Inner City Hoodlum – sein letztes, vermutlich erst von Verlagsseite fertiggestelltes, und posthum 1975 veröffentlichtes Buch – veranschaulicht noch einmal die für das literarische Schaffen von Donald Goines charakteristischen Eigenschaften. „Smack, Money and Murder in the Black Cesspool of Los Angeles“ prangt als Ankündigung auf der Titelseite, darüber ein Foto von einem jungen muskulösen Afro-Amerikaner im Bett, mit nackter Frau an seiner Seite und einer Pistole in der Hand. Diese Form der Stilisierung ist exemplarisch für die afro-amerikanische Figur des „Pimp“, die in den späten 1960er und 1970er Jahren in den Romanen von Donald Goines und Iceberg Slim sowie in den Blaxploitation-Filmen, dem cineastischen Äquivalent zur Street Literature, geprägt wurde.25 Versucht man „pimp“ ins Deutsche zu übersetzen, so steht es in der Verbform für „aufmotzen“ und als Substantiv für einen „Zuhälter“. Die Kombination dieser beiden Facetten machen die populärkulturelle Figur des „Pimp“ aus – eine Art „Ghetto“-Dandy, der typischerweise durch das Zuschautragen auffallender Kleidung und teuren Schmucks sowie durch frauenverachtendes Verhalten und kriminelle Machenschaften gekennzeichnet ist. Überzeichneter Egozentrismus und hemmungsloser Hedonismus dieser stolzen und gleichsam prekären Aufstiegsfigur symbolisieren auf „ghettospezifische“ Weise zentrale Widersprüche des Kapitalismus.
Neben der Stilfigur des „Pimp“ wurden durch die „Street Literature“ auch narrative und sprachliche Konventionen von „Ghetto“-Darstellungen etabliert. Am Anfang von Inner City Hoodlum wird der schwarze Teenager Josh bei einem Diebstahl von einem Wachmann erschossen, seine Begleiter Johnny und Buddy bringen daraufhin den Wachmann um und geraten in der Folge in einen Strudel der Gewalt. Die beiden unzertrennlichen Freunde schmeißen die Schule hin, in der sie ohnehin nichts mehr für das Überleben im „Ghetto“ lernen können und arbeiten zunächst erfolgreich für den „Duke“, den lokalen Gangsterboss. Als sie jedoch erfahren, dass dieser Johnnys 15-jährige Schwester Leslie als Prostituierte missbraucht, kommt es zum Zerwürfnis. Der „Duke“ bringt in Folge der Streitigkeiten Leslie um und auch Buddy und Johnny müssen später sterben. Die Polizei ist dem Geschehen auf der Spur, doch kommt sie stets einen Schritt zu spät. Das urbane Umfeld des „Ghettos“ bietet den Rahmen dieser und anderer Geschichten von Donald Goines. Besonders eindrücklich wird es in einer Szene beschrieben, in der Polizei-Offizier Spence Joshs Mutter die Nachricht vom Tod ihres Sohnes übermitteln muss:
Josh Newton’s mother lived in a small house that rested just beneath the Harbor Freeway near Manchester Boulevard. Around hers were other small homes, quickly decaying with age and the inability and desire of the residents to keep them up. Only Mrs. Newton’s home proudly displayed a perfectly green front lawn and a beautiful rose garden on either side of the badly cracked cement sidewalk leading up to the front door. Detective Jim Spencer stood at the end of the walkway and admired the little white frame house. The roar of the freeway rush-hour traffic was deafening, the smell of carbon monoxide and lead from the exhausts of the thousands of automobiles that passed only yards away was sickening. But even with that, thought Spence, the little house seemed to transcend the blight around it. […] The house was clean and orderly, the furnishings were ancient. Nothing in the small house was newer than ten years old, but beyond that, there was a terrific sense of pride in everything about the place. Spence sighed to himself. Someone, he thought, tries to hold their head up and they get this. Damn.26
Der vom nahen Highway kommende Lärm und Abgasgestank, die heruntergekommenen Häuser der Nachbarn und die offensichtlich ärmlichen Verhältnisse der Familie stehen für die miserablen Lebensbedingungen im „Ghetto“. Doch diese können den Stolz der Familie nicht brechen, der sich gerade darauf bezieht, sich trotz widriger Umstände nicht unterkriegen zu lassen und weiterhin ein lebenswertes Leben anzustreben. Die Ambivalenz des „Ghetto“-Diskurses zeigt sich in Inner City Hoodlum im nach außen sichtbaren Stolz, ein aufrechtes Leben im „Ghetto“ zu führen. Um die Ernährung ihrer Eltern und die Schulbildung ihrer Geschwister sicherzustellen, werden die Söhne dieser ehrenvollen afro-amerikanischen Familien jedoch fast unausweichlich in die Kleinkriminalität gedrängt. Und meist endet die Geschichte nicht mit kleinen Diebstählen, sondern wie im Fall von Josh und seinen Freunden mit dem Tod der jungen Protagonisten.
In Deutschland hat die „Ghetto“-Literatur eine kürzere Tradition, „Ghetto“-Motive wurden aber mit einigen Jahren Verzögerung auch hierzulande aufgenommen und vor allem auf die Lebensumstände von Jugendlichen türkischer und arabischer Herkunft in deutschen Großstädten übertragen. „Street Literature“ fand dabei eher indirekt über die deutschsprachige Rezeption von Hip-Hop Verbreitung. Bekannte US-amerikanische Rapper wie Nas und Tupac bezogen sich auf Donald Goines und beeinflussten ihrerseits eine neue Musikergeneration in Deutschland. Der Hip-Hop-Kultur zugeneigte Schriftsteller wie Feridun Zaimoglu griffen dann wiederum „Ghetto“-Motive auf und bezogen sie auf die deutsche Einwanderungsgesellschaft. Vor allem in Zaimoglus Buchveröffentlichungen aus den 1990er Jahren – in Kanak Sprak, Abschaum und Koppstoff – finden sich deutliche Bezüge zum „Ghetto“. „Abschaum“ erzählt „die wahre Geschichte von Ertan Ongun“, einem drogenabhängigen kriminellen Deutschtürken aus Norddeutschland. „Koppstoff“ präsentiert weibliche „Misstöne vom Rande der Gesellschaft“ und kann somit als Pendant zum ersten literarischen Erfolgs Zaimoglus gelesen werden, dem 1995 veröffentlichten „Kanak Sprak“.
„Kanak“ verweist auf das Schimpfwort „Kanaken“, das hier positiv als Quelle des Stolzes umgedeutet wird, und „Sprak“ auf eine Form von „Ghetto“-Talk, eine raue Sprache voller Direktheit und Schimpfwörter, ähnlich dem von mir im Kapitel zu Provokationen beschriebenen „Trash Talk“. Die selbstbewusste Verwendung des Begriffs „Kanake“ bezieht Zaimoglu auf Vorbilder der „Black-consciousness-Bewegung in den USA“ und die verwendeten derben sprachlichen Ausdrucksmittel versteht er als eine literarische Abrechnung mit einer „weinerliche(n), sich anbiedernde(n) und öffentlich geförderte(n) ‚Gastarbeiterliteratur‘.“27 „Kanak Sprak“ besteht aus literarisch verdichteten Protokollen unterschiedlicher Lebensansichten männlicher migrantischer Randfiguren – von Rappern, Arbeitslosen oder Zuhältern, von Junkies, Strichern und Streunern. Diese Gruppe der Exkludierten teilt das Gefühl, in Deutschland als minderwertig zu gelten. Die Adaption der „Ghetto“-Symbolik mitsamt ihrer aggressiven Sprache zeugt in diesem Kontext vom Versuch, sich zu behaupten, sie steht für eine Art „Rauhe schale mit weichem herz“.28 Mit einer aggressiven „Macho“-Pose verweigern sich die Protagonisten dem verhassten Bild des braven integrierten Migranten, positionieren sich damit jedoch zugleich selbst in einer Außenseiterposition und laufen Gefahr, die eigene Marginalisierung zu verfestigen. Das „Ghetto“ wird hier als Metapher für Problemlagen in urbanen Einwanderungsquartieren verwendet. Es verweist auf einen städtischen Raum, der Schutz bietet und deshalb verteidigt werden muss, der aber auch eine Falle sein kann, in der ins Abseits führende Lebenswege vorgezeichnet scheinen. Das „Ghetto“ steht somit sowohl für Empowerment als auch für Exklusion. Die mittlerweile schon etwas angestaubt wirkenden „Ghetto“-Bücher von Feridun Zaimoglu waren in den 1990er Jahren populär und bereicherten die nach der deutschen Wiedervereinigung aufkommenden Diskussionen über Leitkultur und nationales Selbstverständnis um Fragen von Migration und kultureller Hybridität. Zaimoglus Texte wurden für Kino, Theater und Kunst adaptiert, außerdem war Zaimoglu Gründungsmitglied und Namensgeber des vor allem um die Jahrtausendwende politisch, theoretisch und künstlerisch aktiven Netzwerkes „Kanak Attac“, das sich als eine Form der oppositionellen migrantischen Selbstermächtigung verstand.29
Um die Wucht dieses Gegenangriffs der Exkludierten zu verstehen, muss das politische Klima seit der deutschen Wiedervereinigung berücksichtigt werden. In den 1990er Jahren ging in Deutschland die Konjunktur der Verwendung von „Ghetto“-Bezeichnungen einher mit der Stigmatisierung von migrantischen Wohnquartieren und einer nationalistisch gefärbten Angst vor Überfremdung. Die Migrationsforscherin Ayse Çaglar arbeitete heraus, wie das „Ghetto“ in diesem Kontext zu einem Schlüsselsymbol für die Ordnung von Diskursen über ethnische Zugehörigkeit und kulturelle Diversität geworden ist.30 Die Bezeichnung „Ghetto“ wurde sowohl von Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern als auch von Teilen der Bewohnerschaft der damit markierten Stadtgebiete selbst verwendet. Die Symbolik des „Ghettos“ verbreitete sich im politischen, medialen, alltäglichen und wissenschaftlichen Diskursen und ermöglichte Anschlüsse für in ähnliche Richtung zielende stadträumliche Bezeichnungen, wie etwa „soziale Brennpunkte“, „Problembezirke“ oder „Parallelgesellschaften“. Den Begriff des „Schlüsselsymbols“ übernimmt Çaglar von der bekannten US-amerikanischen Ethnologin Sherry Ortner, die zwischen zusammenfassenden (häufig sakralen) und elaborierenden kulturellen Schlüsselsymbolen unterscheidet und letztere wiederum in die eher handlungsanleitenden „key scenarios“ und eher Orientierung vermittelnden „root metaphors“ unterteilt.31 „Ghettos“ fallen nach Çaglar in diese letzte Kategorie der „Wurzel-“ oder Schlüsselmetaphern. Diese bieten die Möglichkeit, diffuse alltägliche Erfahrungen zu ordnen und kommunizierbar zu machen. Schlüsselmetaphern illuminieren einerseits und limitieren andererseits, sie ermöglichen Verbindungen zwischen disparaten Elementen, doch die damit produzierten Einsichten werden von der Logik der Schlüsselsymbole diskursiv vorgezeichnet. So wird von Kritikern des „Ghetto“-Diskurses konstatiert, dass die Dominanz der „Ghetto“-Symbolik einen Negativblick fördere, der die unspektakulären „Niederungen des Alltags“32 ebenso ausblende, wie interne Differenzierungen und die vielfältigen, häufig transnationalen Lebensweisen in Einwanderervierteln.
Film: Von South Central Los Angeles nach Berlin Neukölln
Während sowohl „Street Literature“ als auch „Blaxploitation“-Filme eher an den Rändern der etablierten Kulturindustrie verortet blieben, entwickelte sich in den 1990er Jahren im Bereich des Mainstream-Hollywood-Kinos ein kommerziell erfolgreiches Genre des „Ghetto“-Films. Die häufigen Auftritte von Rap-Musikern in diesen Filmen sowie die filmischen Bezugnahmen auf Erzählmuster der „Street Literature“ verweisen auf die Verflechtungen zwischen literarischen, musikalischen und filmischen „Ghetto“-Repräsentationen. Cineastisch wegweisend waren vor allem die US-Amerikanischen Coming-of-Age-Filme Boyz’n the Hood und Menace II Society vom Anfang der 1990er Jahre, deren Handlungen jeweils im als heruntergekommen inszenierten Stadtteil South Central Los Angeles spielten. Beide Filme drehten sich um die als milieutypisch dargestellte Konflikte eines im „Ghetto“ aufwachsenden afro-amerikanischen Teenagers, mit tragischem Ende in Menace II Society und einem glücklicheren Schluss in Boyz’n the Hood.
Die Filmgeschichten bieten auch eine Reflektion über die Bedeutung von Liebe, Fürsorge und Freundschaft im „Ghetto“. Caine, die Hauptfigur von Menace II Society, wächst, nachdem seine Eltern früh aufgrund von Drogenmissbrauch verstorben waren, bei seinen Großeltern auf. Zu Beginn des Films besucht er mit seinem Freund O Dog einen koreanischen Spirituosenladen, dabei kommt es zu einem Streit und O Dog erschießt die Familie des Ladenbesitzers. Caine gerät daraufhin in einen Kreislauf der Gewalt und ist in Morde, Drogenhandel und Diebstähle verwickelt. Die Liebesbeziehung zu Ronnie verspricht einen möglichen Ausweg, doch Caines gewaltsame Vergangenheit holt ihn schließlich genau in dem Moment wieder ein, als er mit ihr gemeinsam aus dem „Ghetto“ ausbrechen möchte. In Boyz’n The Hood wird die Hauptfigur Tré nach einer Schlägerei in der Schule zu seinem Vater nach Los Angeles geschickt, wo er das gewaltsame Leben auf der Straße kennenlernt und ebenfalls in Gewalthandlungen verstrickt wird. Als sein Freund Ricky stirbt, entscheidet sich Tré in der entscheidenden Filmszene letztlich gegen die Teilnahme an der von den Gesetzen des „Ghettos“ vorgeschriebenen Racheaktion, die sowohl Gegnern als auch Freunden später das Leben kosten wird. Vor allem die Fürsorge seines verantwortungsvollen Vaters und die Liebesbeziehung zu seiner Freundin Brandi helfen Tré im „Ghetto“ zu überleben.
Diesen und anderen „Ghetto“-Filmen wurde von Filmwissenschaftlern eine besondere Intensität zugesprochen.33 Die darin entfaltete Ambivalenz des Lebens im „Ghetto“ wurde demnach nicht nur auf der narrativen Ebene entfaltet, sondern von den Kinozuschauern auf eine direktere, körperlich-sinnliche Weise erfahren. Im Gegensatz zu klassischen Gangster-Filmen oder Film-Noir-Dramen wirkten weiße Filmkritiker und Zuschauer weniger geneigt, zwischen realer und filmisch imaginierter Gewalt von männlichen afro-amerikanischen Jugendlichen zu unterscheiden. In der „weißen kulturellen Imagination“ schien diese Verbindung so wirkmächtig zu sein, dass der fiktive Charakter der filmischen Handlung in den Hintergrund rückte und die dargestellte Gewalt somit in einer intensiveren Form erfahren wurde. Kulturtheoretiker wie Brian Massumi bezeichnen solche unterhalb des Bewusstseins quasi automatisch ablaufenden körperlichen Regungen als Affekte.34 Bei dieser Konzeption von Affekten, verstanden als eine Art pure Sozialität jenseits kultureller Kategorisierungen, geraten jedoch Prozesse der kulturellen Formierung von Affekten aus dem Blick.35 Es ist vielmehr die diskurshistorisch nachzuvollziehende Assoziierung von marginalisierten männlichen Jugendlichen aus ethnischen Minderheiten mit Gewalt und Kriminalität in den USA und Westeuropa, die im „Ghetto“-Diskurs fortgeschrieben wird. Die damit verbundenen Gefühlszustände der Angst und des Misstrauens gegenüber „Ghetto“-Bewohnern auf der einen Seite sowie deren trotzige Gegenreaktionen wie Stolz und mit „Ghetto“-Symboliken spielende Formen der Selbstermächtigung auf der anderen Seite, werden jedoch zumeist nicht in einem reflexiven Modus als Folge von Subjektivierungsprozessen wahrgenommen, sondern jeweils auf unmittelbare Weise erfahren. Eine politische Lesart der mit dem „Ghetto“ verbundenen negativen wie positiven räumlichen Intensitätsgefühle muss die Produktionsweisen von Affekten und deren Effekte ins Zentrum einer Kulturanalyse von stigmatisierten urbanen Räumen stellen.36
In Deutschland werden in unterschiedlichsten Film- und TV-Formaten „Ghetto“-Symboliken verwendet – vom „Tatort“ in Köln über Reportagen zu „Hartz IV“ in Berlin bis zu Dokumentarfilmen über „soziale Brennpunkte“ im Ruhrgebiet und Rechtsradikalismus in Ostdeutschland. Auch mangels in einem stadtsoziologischen Sinne „real“ existierender „Ghettos“, fungiert die Bezeichnung „Ghetto“ hierzulande in erster Linie als eine Art „leerer Signifikant“, der eine Kette disparater Elemente verknüpft und somit in einen diskursiven Zusammenhang bringt.37 Die Bezeichnung „Ghetto“ kann gerade dadurch zu einem diskursiven Knotenpunkt werden, indem sie ihre spezifische, an konkrete stadträumliche Prozesse gebundene Bedeutung weitgehend verliert und letztlich als Chiffre für eine Äquivalenzbeziehung zwischen verschiedensten Problemkonstellationen steht, wodurch deren Differenzen und unterschiedlichen sozialstrukturellen Ursachen aus dem Blick geraten. Mit „leeren Signifikanten“ operierende „Ghetto“-Diskurse sind Formen der Entpolitisierung und Vehikel der Verschiebung von Verantwortungszuschreibungen, da die urbanen Segregationsprozessen zugrunde liegenden soziale Strukturen, politischen Verantwortlichkeiten und ökonomischen Verhältnisse aus dem Blick geraten und stattdessen die angeblich destruktiven Verhaltensmuster der Bewohner in den Mittelpunkt der Problemdiagnose gerückt werden.
Der Berliner Bezirk Neukölln zählt zu jenen symbolisch verdichteten Räumen, die als Inbegriff des „Ghettos“ vielfach medial inszeniert wurden. Die Ambivalenz des Ghettodiskurses artikuliert sich dabei in konträren Sichtweisen, für welche die beiden Kinofilme „Knallhart“ und „Neukölln Unlimited“ mitsamt ihren programmatischen Filmtiteln symptomatisch stehen. „Knallhart“ von Detlef Buck aus dem Jahr 2006 beschreibt die Geschichte eines milchbübigen blonden Jungen, den es aus dem bürgerlich geprägten Stadtteil Zehlendorf ins Neuköllner „Ghetto“ verschlägt, wo er in eine Negativ-Spirale aus Kriminalität und Gewalt gerät. Neukölln wird dabei als das tristere und gefährlichere, aber gleichzeitig auch als das faszinierendere und aufregendere Stadtviertel vorgestellt. In „Knallhart“ sind es vor allem die unverputzten grauen Häuser und die überfüllten Straßen, die eine räumliche Atmosphäre der Tristesse und Beklemmung hervorrufen sollen. Im Gegensatz dazu könnte man den Film „Neukölln Unlimited“ aus dem Jahr 2010 als einen „bunten“ oder „farbenfrohen“ Film charakterisieren. Visuelle Elemente wie Sprachbilder oder Farben spielen in der Kollektivsymbolik des „Ghettos“ eine entscheidende Rolle. Einer einprägsamen Politik der Farben folgend lässt sich ein kulturell tradierter visueller Zusammenhang erkennen, bei dem die Farbe Grau symbolisch für städtische Tristesse und Armut – und somit letztlich für das „Ghetto“ steht. Das Gegenstück dazu wäre das als „bunt“ geltende multikulturelle Einwandererviertel. Als „soziale Brennpunkte“ geltende Stadtgebiete werden im Übrigen gleichzeitig in kartografischen Darstellungen, wie dem von der Berliner Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit Stadtsoziologen herausgegebenen „Sozialatlas Berlin“, mit einem alarmierenden Rot gekennzeichnet.38 Ob Stadtbezirke wie Neukölln als deprimierend grau, fröhlich bunt oder gefährlich rot gelten, hängt demnach wesentlich von der Aussageposition innerhalb des „Ghetto“-Diskurses ab.
Der Dokumentarfilm „Neukölln Unlimited“ erzählt die Geschichte der Familie Akkouch, die in Berlin lebend von Abschiebung in den Libanon bedroht ist, in dem die drei Geschwister Hassan, Lial und Maradona interviewt und ein Jahr lang mit der Kamera begleitet werden. Wie die Werbeankündigung des Filmes verdeutlicht, wird im Kontrast zum als dominierend wahrgenommenen Negativblick eine positive Sichtweise auf Neukölln und seine Bewohner propagiert.
Neukölln. Eine Stadt in der Stadt mit 300.000 Einwohnern. Menschen aus mehr als 160 Nationen leben hier. Der Berliner Bezirk ist berühmt für seine multikulturelle Gemeinschaft – und dafür ebenso berüchtigt, spätestens seit „Knallhart“ und „Rütli“. Das Neukölln der Medien, das bedeutet Unsicherheit, Jugendgangs, Drogenhandel. Doch ist das wirklich so? Die Familie Akkouch ist eine „typische“ Neuköllner Familie: sie ist jung, kreativ und findet in jeder Krise einen Ausweg. Der älteste Sohn Hassan ist deutscher Meister im Breakdance, die Tochter Lial arbeitet als Promoterin eines Boxstalls, und der Jüngste, der den schönen Namen Maradona trägt, will unbedingt Deutschlands Supertalent werden – und könnte dies auch schaffen. Doch ein Problem scheint unlösbar: Die Akkouchs kommen aus dem Libanon, sind dort vor dem Bürgerkrieg geflüchtet und werden in Deutschland lediglich geduldet. Die Abschiebung kann ganz plötzlich erfolgen. „Neukölln Unlimited“ zeigt ein Jahr im Leben der Akkouchs. Die Kamera begleitet sie in ihrem Alltag, beim alltäglichen Kampf um behördliche Anerkennung und zeigt ihren unbedingten Willen, in dem Land leben zu können, das sie lieben. „Neukölln Unlimited“ ist ein leidenschaftliches, aufbauendes und ermutigendes Signal aus einer Gegend, die für viele als die deutsche Bronx gilt. „Neukölln Unlimited“ – ein Film, der Spaß am Leben macht!
In diesem Ankündigungstext wird „Neukölln Unlimited“ explizit als Gegenmodell zu negativen Darstellungen des Stadtbezirkes positioniert, unter anderem in Abgrenzung zum zuvor veröffentlichten Film „Knallhart“. Im Film selber wird Neukölln von Lial Akkrouch als Normalität wahrgenommen: „Ich finde Neukölln gar nicht schlimm. Also Neukölln ist eigentlich ziemlich in Ordnung, wie jeder andere Bezirk.“ Die Auswahl der jeweils auch als Künstler und Performer tätigen drei Protagonisten sowie die Titelgebung und Vermarktung des Filmes lassen Neukölln jedoch als einen außergewöhnlich kreativen und lebensfrohen Stadtteil erscheinen, so als würde der dominante Negativ-Diskurs nach einem ebenso kräftig konturierten positiven Gegendiskurs verlangen. Die Gegensätzlichkeit der beiden filmischen Perspektiven auf Neukölln zeigt sich beispielhaft in der Darstellung der Polizei. In „Knallhart“ wird die Polizei als „Freund und Helfer“ inszeniert, hier erscheint der freundliche Polizeioffizier Gerber schließlich als der Einzige, der Michael und seine Mutter noch aus den Abgründen des Lebens im fremden Neuköllner „Ghetto“ befreien kann. In „Neukölln Unlimited“ dagegen tritt die Polizei gleich zu Beginn als feindliches Organ eines willkürlichen, rassistischen und unbarmherzigen deutschen Staatsapparates auf, als düstere anonyme Gestalten dringen Polizisten vor Sonnenaufgang in die Wohnung der Familie Akkouch ein, demütigen diese und setzen auf brutal anmutende Weise deren temporäre Abschiebung in den Libanon durch. Auf diesen Filmstrang werde ich im Kapitel zu sozialen Ängsten noch einmal separat eingehen.
Auffallend an den Werbetexten zu beiden Filmen ist die für den „Ghetto“-Diskurs bedeutsame kollektivsymbolische Wirkung von Analogien. Während in der zitierten „Neukölln Unlimited“-Ankündigung auf die häufigen Vergleiche von Neukölln mit dem New Yorker Stadtteil Bronx verwiesen wird, findet sich auf der DVD-Umschlaggestaltung von „Knallhart“ ein Bezug zu den „Pariser Banlieus“. Die Bezeichnungen „New Yorker Bronx“ und „Pariser Banlieus“ werden im Zuge solcher Analogiekonstruktionen zu von ihrem ursprünglichen Verweisungskontext losgelösten Signifikanten für „Ghettos“ im Allgemeinen, sie fungieren als eine Art „floating signifier“39 – als willkürlich anmutende Vergleichslabel für andere Stadtgebiete. „Floating Signifiers“ sind, vergleichbar mit „empty signifiers“, Signifikanten die ihr Referenzobjekt weitgehend verloren haben und meist nur noch für etwas Vages und kaum Spezifizierbares stehen, weshalb sie auch zur Bezeichnung von unterschiedlichen Objekten verwendet werden können. Neukölln kann der schwammigen Bezeichnungspraxis des „Ghetto“-Diskurses nach einmal als die deutsche „Bronx“ und ein anderes Mal als die deutsche „Banlieue“ gelten – aus einer stadtsoziologischen Perspektive im Übrigen eine doppelt verkürzte Sichtweise, bei der die New Yorker Bronx und die Pariser Banlieus als gegenwärtige „Ghettos“ fehlgedeutet und gleichzeitig die markanten sozialräumlichen Unterschiede zur Situation in Deutschland und Neukölln verkannt werden.40 Hinzu kommen ebenfalls analogisch konstruierte Abgrenzungen zu als wohlhabend geltenden Berliner Stadtgebieten, so wird in „Knallhart“ die Besonderheit von Neukölln erst im Unterschied zum ebenso einseitig verkürzt dargestellten Zehlendorf konturiert. Solche häufig zur Veranschaulichung eines größeren Zusammenhanges verwendeten Analogien zwischen verschiedenen Stadtgebieten prägen und reproduzieren die plakative und eingängige Form des „Ghetto“-Diskurses.
Die dargestellten Neukölln-Filme wurden von den Schülern der Galilei-Schule nicht nur rezipiert, sie waren in deren Produktion teilweise selbst involviert. Maradona, eine der Hauptfiguren von „Neukölln Unlimited“, war damals noch Galilei-Schüler, auch für „Knallhart“ wurden Schüler und Lehrer der Galilei-Schule rekrutiert, um die Zustände in einer Neuköllner „Ghetto-Schule“ vorzuspielen, wobei die Dreharbeiten allerdings an zwei anderen Schulen in Neukölln und Wedding stattfanden. Als ich den beteiligten Lehrer, Herrn Busch, auf seine zeitweilige Doppelrolle als Schauspieler und Lehrer ansprach, meinte dieser lakonisch, der Film sei „zu eng an der Realität“, doch für die beteiligten Schüler dennoch erhellend gewesen, da sie ihre von der Teilnahme an einem Kinofilm motivierten Träume vom „großen Geld als Filmstar“ schnell wieder zu begraben lernten.
„Gangsta“-Rap: Leitmotive des „Ghetto“-Diskurses
In besonders prägnanter und kommerziell stilisierter Form lässt sich die Ambivalenz des „Ghetto“-Diskurses in der zeitgenössischen Rap-Musik beobachten. Das „Ghetto“ gilt als Leitmotiv des in den USA entstandenen „Gangsta“-Rap, einem Hip-Hop-Genre, in dem die Erfahrungen des Lebens im „Ghetto“ vor allem von afro-amerikanischen Musikern immer wieder auf grundsätzliche Spannungen und Widersprüche hin zugespitzt werden. Im Zuge der Verbreitung und Etablierung von Hip-Hop in der deutschen Jugend- und Musikkultur seit den 1980er Jahren wurde auch die „Ghetto“-Metaphorik des US-amerikanischen „Gansta“-Rap auf deutsche Verhältnisse übertragen. Marc Dietrich und Martin Seeliger führen den Boom dieses Genres in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre auf ein durch diesen Musikstil vermitteltes „gemeinsames und verbindendes Lebensgefühl“ zurück, das bestimmt wird vom „Kampf um Anerkennung, Selbstbehauptung und Selbstbestimmung von zumeist jüngeren Generationen“.41 Die Notwendigkeit zur Selbstbehauptung in einer feindlichen Umwelt steht dabei im Zentrum des Gangsta-Rap, wobei die Bewältigung der schwierigen Lebensumstände häufig als Heldengeschichte inszeniert und als Quelle von Stolz der Stigmatisierung von außen entgegengesetzt wird.42
Jay Z und Tupac, beide um 1970 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, haben wegweisende Formen der musikalischen Darstellung des „Ghetto“ hervorgebracht, in denen dieses auf ambivalente Weise sowohl symbolisch überhöht als auch politisch verdammt wird. Jay Z zelebriert, ästhetisiert und kritisiert in seiner „Ghetto-Anthem“ das von Gefängnis, Drogen und Rassismus geprägte Aufwachsen im „Ghetto“: „Instead of treated, we get tricked / Instead of kisses, we get kicked / It’s the hard knock life!“43 Auch Tupac, die legendäre Überfigur des US-amerikanischen „Gangsta“-Rap, verarbeitete und vermarktete seine „Ghetto“-Herkunft und seine „Unterwelt“-Verbindungen, die 1996 zu seinem gewaltsamen Tod führten, in zahlreichen Songs sowie als Darsteller in mehreren „Ghetto“-Filmen.44 Tupacs „Ghetto-Gospel“, eine posthum erschiene und vom Rapper Eminem bearbeitete Single, die in mehreren Ländern auf Platz Eins der Charts landete, ist eine Art Gebet oder Meditation „to end the war on the street“, die gleichsam noch einmal auf eindringliche Weise das populärkulturelle „Ghetto“-Arsenal von Crack-Sucht über Jugend-Gewalt und Straßen-Morde bis zu „Black-Power“-Widerstand aufruft.45
Die Hip-Hop-Kultur ist seit ihrem Beginn im New York der 1970er Jahre von einer markanten sozialräumlichen Orientierung und häufig detaillierten Verweisen auf die unmittelbare städtische Umgebung gekennzeichnet. Vor allem im US-amerikanischen Kontext wurde dabei das Schlüsselsymbol des „Ghettos“ teilweise durch das der „Hood“ – einer umgangssprachlichen Abkürzung für „Neighborhood“ – abgelöst und somit das mit Gewalt und Drogen assoziierte „Ghetto“-Motiv durch eine Anspielung auf heimisches und vertrautes nachbarschaftliches Terrain ergänzt.46 Kristina Graaff plädiert dafür, auch im wissenschaftlichen Diskurs die „Ghetto“-Bezeichnung aufgrund seiner negativen Aufladung durch den alltagsnäheren Begriff der „Straße“ zu ersetzen.47 Ich operiere dagegen weiterhin mit dem „Ghetto“-Begriff, zum einen, da auch die „Straße“ eine Reihe von ähnlich problematischen Assoziationen mit sich trägt48 und da zum anderen in den von mir untersuchten Diskursen und Praktiken immer wieder auf das „Ghetto“ Bezug genommen wird. Allerdings setze ich den Begriff in Anführungszeichen, um zu markieren, dass es sich um mediale, alltägliche oder wissenschaftliche Konstruktionsweisen von Räumen und nicht um ein simples Abbild der Wirklichkeit handelt.
Eine starke sozialräumliche Orientierung, etwa durch die Einblendung von Straßennamen, U-Bahnstationen oder Stadtansichten, findet sich auch in deutschsprachigen Adaptionen des „Gangsta“-Rap. US-amerikanische Rap-Musik etablierte sich auf vielfältig miteinander verflochtenen Wegen in Deutschland, vor allem über hierzulande stationierte US-Soldaten, subkulturelle Aneignungen, sozialpädagogische Förderung und kulturindustrielles Marketing.49 Für deutsche Rap-Musiker bot die rassistisch und moralisch aufgeladene Konjunktur des „Ghetto“-Diskurses in Deutschland seit den 1990er Jahren eine Spielwiese für kreative Aneignungen, die manchmal ironisch verspielt, häufig romantisch verklärt und meist provozierend aggressiv waren und sich dabei als mehr oder weniger „authentische“ Zeugnisse einer deutschen „Ghetto“-Kultur verkauften. Zahlreiche deutschsprachige „Ghetto“-Songs und Musikvideos entstanden seitdem, etwa „Geddo“ von Eko Fresh oder „Ghettolied“ von Massiv. Das Ghetto fungiert im deutschen „Gangsta“-Rap in einem metaphorischen Sinne als eindringliches Symbol für Ausgrenzung, Armut und Arbeitslosigkeit und weist als rhetorische Figur auf eine gewisse Beziehung der Ähnlichkeit mit US-amerikanischen „Ghettos“ hin. Die Verknüpfung von Berlin mit der „Ghetto“-Symbolik des „Gangsta“-Rap wurde zu Beginn der 2000 Jahre vor allem vom damals einflussreichen Label „Aggro Berlin“ gefördert.
Einer der berühmtesten deutschsprachigen „Ghetto“-Songs trägt den Titel „Mein Block“ und stammt von dem zu dieser Zeit noch stets eine Maske tragenden „Aggro“-Berlin Rapper Sido. US-Vorbildern folgend illustriert das dazugehörige Musikvideo eine Art geführten Rundgang durch ein vermeintliches Berliner „Ghetto“, das in diesem Fall durch einen im Winter gefilmten grauen Hochhausblock im „Märkischen Viertel“ symbolisiert wird. Diese Tour zeigt ein urbanes Milieu, das von Drogen, Gewalt und Prostitution gekennzeichnet ist und gleichzeitig ein städtisches Leben, dem der Protagonist sich von ganzem Herzen verbunden zeigt. Das auf urbanen Mythen gründende Charisma der Stadt korrespondiert dabei mit der Hervorhebung charismatischer urbaner Figuren.50 Den ausführlichen Schilderungen von sozialen Problemen in den Strophen des Songs folgt im Refrain jeweils die demonstrative Liebeserklärung an ein städtisches Umfeld, das zwar nicht direkt als „Ghetto“ bezeichnet, doch offensichtlich als ein solches beschrieben wird.
Sido: Mein Block
Hohe Häuser, dicke Luft, ein paar Bäume. Menschen auf Drogen. Hier platzen Träume. Wir hier im Viertel kommen klar mit diesem Leben. Ich hab alle meine Freunde aus dieser Gegend. Hab doch keine Angst vor dem Typen mit dem Schlagring. Er ist zwar ’n bisschen verrückt, doch ich mag ihn. […] Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block, meine Gedanken, mein Herz, mein Leben, meine Welt reicht vom ersten bis zum 16. Stock.51
Der betonierte Hochhausblock fungiert in „Mein Block“ als visueller Ausdruck für das deutsche Ghetto oder diskurstheoretisch formuliert: als ein mit dem ordnungsstiftenden Schlüsselsymbol „Ghetto“ bildlich assoziiertes „Kollektivsymbol“, dass über den spezifischen Verwendungszusammenhang hinaus zum kulturell geteilten Bildrepertoire einer Gesellschaft zählt. Unter Kollektivsymbolik versteht der deutsche Literaturwissenschaftler Jürgen Link die Gesamtheit der Bildlichkeit einer Kultur im Sinne der am weitesten verbreiteten visuellen Vorstellungen.52 Geht man davon aus, dass Diskurse von einem System kollektiver Symbole zusammengehalten werden, dann haben Kollektivsymbole für jede Form der Welterzeugung eine enorme Bedeutung. Diese wirken wie „Trichter“53, durch die Wissen fließt, das dabei gleichzeitig reduziert und affektiv gefärbt wird. Doch erst diese Komplexitätsreduktion und emotionale Bewertung macht Wissen greifbar und für Subjektivierungsprozesse anschlussfähig. Wie die Diskurse selbst sind auch Kollektivsymbole nicht statisch, sondern kulturell verschieden und historisch wandelbar. Hochhausblöcke im Plattenbaustil stehen demnach traditionell weder für das jüdische noch das afro-amerikanische Ghetto, sondern verweisen auf einen davon abweichenden deutschen Kontext.54 Im symbolischen Bezug auf den Berliner Stadtraum sowie mit Blick auf die Wohnlagen der von mir begleiteten Jugendlichen lassen sich Bezüge zu randstädtischen wie auch zu innerstädtischen „Ghettos“ herstellen – in Neukölln wird ersteres vom „unterschichtig“ konnotierten Hochhausviertel Gropiusstadt und letzteres vom als migrantisch geltenden Nord-Neukölln repräsentiert.
Kommerzieller US-amerikanischer und deutscher „Gangsta“-Rap gehörten – noch vor zeitgenössischem R’n’B, Techno sowie türkischem und arabischem Pop – zur Lieblingsmusik der Neuköllner Schüler. Die Jugendlichen wurden obendrein im Rahmen von Musik-Workshops, die an vielen Berliner Hauptschulen den regulären Musikunterricht ersetzt hatten, von Sozialarbeitern dazu animiert, sich selbst als Rapper auszuprobieren. Neben Themen wie Alltagschaos und Liebesschmerz, Schicksal und Weltuntergang, tauchten dabei auch Motive des „Ghetto“-Diskurses auf.
Dieser Spongebob im Fernseher, wie er die Burger macht. Dann bin ich zu McDonalds und hab die Burger ausgelacht. Dann sah ich Massiv, der sich mit Plankton tankte und danach rankten sie sich, bis Massiv K.O. ging […] In Neukölln gibt es sehr viele schlimme Sachen. Hört zu Leute, wir müssen etwas anders machen. In unserer Gegend laufen viele Kriminelle rum. Hey, was ihr tut, ist nicht cool, sondern dumm. Jeder von euch will schnelles Geld machen und immer anziehen die besten Sachen. Ich sag Euch, ihr müsst langsam aufwachen. Hört auf, auf den Schwachen rumzuhacken, denn hinterher werdet ihr über euch selber lachen. Hey Leute hört auf mit den kriminellen Sachen. Sagt mir, was wollt ihr denn davon erwarten. […] Ich sehe es jeden Tag, wie die Unglücklichen untergehen. Wenn es zu Gewalt kommt, will keiner runtergehen. Ich kann es nicht mehr ansehen, wie die Eltern Gott anflehen, anflehen. Viele werden noch in den Knast reingehen und keiner wird es einsehen. Die Zukunft wird wegen den untergehen. Keiner blickt auf, keiner denkt an den anderen. Selbst die kleinen Kinder fangen an mit Haschisch zu handeln.
Der von den von mir begleiteten Schülern der zehnten Klasse im Jahr zuvor aufgenommene und in wechselnden Gesangsrollen vorgetragene Rap-Song beginnt mit einem fiktiven, surreal ausgeschmückten Treffen eines Schülers mit Massiv, einem bekannten deutschen „Gangsta“-Rapper. Anschließend wird das negative, von Gewalt- und Kriminalitätsszenarien bestimmte „Ghetto“-Image von Neukölln anhand von Schlagwörtern wie „schnelle(m) Geld“, „Knast“ und „Haschisch“ evoziert. Der sozialpädagogische Impetus ist dem musikalischen Resultat des schulischen Rap-Workshops deutlich anzuhören, die bei anderen Gelegenheiten aufgeführten spontanen Freestyle-Raps der Schüler waren dagegen politisch deutlich weniger korrekt. Es lässt sich darüber streiten, ob solche auf sozial marginalisierte Jugendliche ausgerichteten Workshop-Programme diese erst zu „Ghetto“-Kids machen oder ob sie bei ihren vorhandenen Interessen ansetzen – „sie da abholen, wo sie sind“, wie es im sozialpädagogischen Jargon heißt. In beiden Fällen werden die Schüler im Sprechen über „Ghettos“ trainiert und lernen Bezüge vom „Gangsta“-Rap zur eigenen Lebenssituation herzustellen.
QUELLEN DES STOLZES: „GHETTO“-ADAPTIONEN VON NEUKÖLLNER HAUPTSCHÜLERN
„Ghetto“-Diskurse sind von einer grundlegenden Spannung zwischen Fremdabwertung und Selbstermächtigung bestimmt. Zu den skizzierten transatlantischen „Ghetto-Textscapes“, „Ghetto-Filmscapes“ und „Ghetto-Soundscapes“55 ließen sich noch Analysen „traditioneller“ Medien wie Zeitungen und Magazine oder auch „neuer“ Medien wie Blogs und Computerspiele hinzufügen. So operieren beispielsweise auch als seriös geltende Printpublikationen wie die Süddeutsche Zeitung bei der Darstellung von Neuköllner Schulen mit „Ghetto“-Zuschreibungen56 und im bei den Schülern populären Computerspiel Grand Theft Auto wird eine teilweise in urbanen „Ghetto“-Settings verortete Karriere als Krimineller nachgespielt. Die ausgewählten Beispiele genügen jedoch, um die grundlegenden Diskursmuster des „Ghetto“-Diskurses herauszuarbeiten: Dieser beruht auf moralisch aufgeladenen Schlüssel- und Kollektivsymbolen, einprägsamen Metaphern, leeren Signifikanten und eingängigen Analogien, die jeweils gleichzeitig bestimmte Blickweisen eröffnen und andere versperren. „Ghetto“-Diskurse sind keine Abbilder der Realität, sie gehören als Fantasien und Fiktionen zum „Imaginären der Stadt“.57
Michel Foucault lehnt die Vorstellung einer Rückführung von Texten auf die Intentionen ihrer Verfasser oder auf eine von diesen abgebildete vorhergehende Wirklichkeit ab.58 Diskurse stellen nicht die Wirklichkeit dar, sondern produzieren die Gegenstände, von denen sie handeln. Folgt man diesem Hinweis mit Blick auf die Adaptionen der „Ghetto“-Symbolik durch Berliner Jugendliche lässt sich die Ambivalenz des Ghettodiskurses noch weiter ausbuchstabieren. Neuköllner Hauptschüler nahmen Diskursfragmente des „Ghetto“-Diskurses auf vielfältige Weise in ihre Selbstzuschreibungen und ihr Alltagshandeln auf. Die Selbstverortung in einem diskursiv als „Ghetto“ markierten Stadtgebiet ist von Ambivalenzen geprägt, da das eigene Verhalten stets auch durch die negative Schablone des hegemonialen Diskurses gesehen wird und gleichzeitig zu einem gewissen Grad ein affirmativer Bezug zum eigenen Lebensumfeld für den Aufbau eines positiven Selbstbildes unerlässlich erscheint. Widersprüchliche Bewertungen des von ihnen bewohnten Stadtgebiets und ambivalente Selbstpositionierungen zum „Ghetto“-Diskurs verdeutlichten dieses Dilemma. Aneignungsweisen des „Ghetto“-Diskurses überschneiden sich häufig dahingehend, dass sie durch die aktive Umdeutung stigmatisierender Diskurselemente auf Effekte der Selbstermächtigung zielen. Formen des „Ghetto“-Stolzes untersuche ich anhand von Identifikationen mit dem urbanen Raum, das Tragen von auffälligem Schmuck sowie Aneignungen des Hip-Hop-Genres Krump durch Neuköllner Hauptschüler. Mit Bezug auf Charles Taylors wegweisende Studie zur Herausbildung neuzeitlicher Identität mit dem Titel „Quellen des Selbst“ bezeichne ich solche prekären zeitgenössischen Selbstpositionierungen in Bezug auf den Raum, auf Dinge und den Körper als „Quellen des Stolzes“.59
Dabei gehe ich, einem Vorschlag des Kultursoziologen Andreas Reckwitz folgend, von Konvergenzen zwischen Diskursen und Praktiken aus, die sich in Praxis-/Diskursformationen wie der des „Ghettos“ bündeln.60 Dadurch wird eine blockierende Frontstellung zwischen Diskurs- und Praxisanalyse vermieden und die Blickweise stattdessen auf unterschiedlichen Dimensionen, Facetten und Ausprägungen des Praxis-/Diskurs-Komplexes „Ghetto“ sowie auf dessen Instabilitäten, Widersprüche und Ambivalenzen gerichtet. Zudem vermeide ich dadurch, von einer umfassenden Neuköllner „Ghetto“-Kultur zu sprechen, vielmehr treten Unterschiede und Spannungen zu anderen Praxis-/Diskursformationen, wie denen der „Schule“, der „Familie“ oder der „Religion“, hervor.
Urban Pride: Reden über Orte
Hauptschüler äußerten sich zu manchen Zeitpunkten extrem negativ über ihr Wohnumfeld im Berliner Stadtteil Neukölln, indem sie diesen als dreckig und heruntergekommen bezeichneten, während sie zu anderen Gelegenheiten Heimatgefühle betonten und ihre grenzenlose Zuneigung zu Neukölln beteuerten. Die Bezüge der Jugendlichen zum urbanen Raum waren je nach Kommunikationssituation durch unterschiedliche räumliche Maßstäbe gekennzeichnet: „Berlin“ diente als Kontrastfolie zum eher skeptisch betrachteten restlichen Deutschland, „Neukölln“ verwies auf biografische Selbstverortungen innerhalb Berlins und Bezeichnungen wie „Sonnenallee“ oder „Hermannplatz“ auf soziale Orte im unmittelbaren Wohnumfeld. Vor allem migrantischen Jugendlichen ermöglichten solche urbanen Identifikationen eine positive kollektive Selbstverortung jenseits der Bekenntnis- und Eindeutigkeitszwänge des nationalstaatlich dominierten Zugehörigkeitsdiskurses.61 Besonders bei Bezugnahmen auf die bezirkliche und die lokale Ebene wurden durchaus Zuschreibungen des medial dominanten Negativdiskurses aufgenommen, diesen aber auch idealisierende Sichtweisen auf Neukölln sowie Gefühle der Zugehörigkeit in Bezug auf Straßen, Plätze oder Wohnumgebungen entgegengesetzt – ein schwieriger Spagat, für den der janusköpfige „Ghetto“-Diskurs Rollenvorbilder und narrative Skripte zur Verfügung stellte. Die Hip-Hop-Kultur bot sich hierbei als Referenzrahmen an, da sie durch ihre Fokussierung auf den urbanen Raum eine Art kulturelle Spezialisierung für Formen der territorialen Aneignung entwickelt hat.62
In Gruppendiskussionen, die ich mit den Schülern über „Gangsta“-Rap führte, traten widersprüchliche und miteinander konkurrierende Aneignungsweisen des „Ghetto“-Diskurses hervor. Im Rahmen eines Projekttages hatte ich die Möglichkeit, im einzigen technisch dafür ausgestatten Schulraum mit den beiden zehnten Klassen eine YouTube-Session durchzuführen, bei der wir zunächst vorausgewählte Musik anschauten und diskutierten und die Schüler anschließend spontan Clips auswählen konnten. Zur Vorbereitung ließ ich Zettel kursieren, auf denen die Schüler ihre Lieblingsmusik auflisten sollten, wobei sie auch mehrfach Tupac und Sido notierten. Nachdem ich mit der 10b die Musikvideos zu Tupacs „Ghetto-Gospel“ und Sidos „Mein Block“ gemeinsam angeschaut hatte, zogen die Schüler vor allem Verbindungen zu ihrem eigenen Lebensumfeld.
Elton: „Sido steht positiv zu seinem Wohnviertel. Es ist alles da, was er braucht. Er ist stolz, was da abgeht.“
Ali: „Neukölln hat vielleicht auch so ein Gewaltproblem. Aber ganz früher, vor 10 Jahren oder so, war es noch schlimmer. Jetzt ist es anders. Es gibt noch viele Arbeitslose, Hartz IV und Gewalt, aber nicht mehr ganz so schlimm wie früher. Drogen sind jetzt am Kottbusser Tor und Wedding wird das neue Neukölln.“
Samantha: „Bei uns im Hinterhaus ist ein Deutscher, der dealt immer Leinestraße und ich muss ja da immer einkaufen gehen. Und manchmal macht er die Tür auf und spuckt einen voll an. Und im Keller bei uns sind voll viele Junkies, ich musste da mal wegen dem Fahrrad von meiner Schwester runter. Ich hatte richtig Angst! Wir wohnen ja erste Etage. So sieht es in den meisten Kiezen hier aus. Aber wenn die Polizei kommt, dann weiß keiner was.“
Ali: „Das ist einfach Musik-Business. Er ist ein Geschäftsmann. Alle aus dem Video verdienen ja daran, das sind keine Prostituierten, sondern Models oder Leute aus dem Kiez. Sido ist jetzt keine große Mafia, er macht seine Arbeit – so wie Sie hier sitzen. Nur seine Arbeit ist ein bisschen dreckiger, beleidigender, sexistischer. Die Jugendlichen bekommen ein schlechtes Vorbild – ‚Oh, so will ich jetzt auch werden‘ – aber das ist seine Arbeit, so wie es auch Actionfilme gibt.“
Thomas: „Er zeigt, was hinter der Fassade der Plattenbauten abgeht.“
Ali: „Ich kenne Leute, die immer noch mit Drogen dealen, aber wir sind zusammen aufgewachsen und wir sind wie Brüder. Ich kann jetzt nicht sagen, verpisst euch, ich will mit euch nichts mehr zu tun haben. Ich kann denen vielleicht als guter Freund sagen ‚Hör auf damit!‘ Sido ist auch so. Er ist da aufgewachsen, mit seinen Freunden, Cousins und allem drum und dran. Er sagt jetzt aber nicht ‚Ihr seid zu schlecht für mich. Tschüss!‘ Sowas geht nicht! Ich bin auch so einer. Wenn ich jemand sehe, es geht ihm schlechter und gerät auf die schiefe Bahn, dann versuche ich ihm zu helfen. Bei Tupac war es das Gleiche. Er wollte das Gute, dann ist er auf die schiefe Bahn geraten und dann ist er immer hin und her. Er war ja auch so. Und dann wurde er erschossen.“
Samantha: „Bei VIVA habe ich gehört, das war sein Abschiedslied. Er wurde ja auch erschossen, wie in dem Lied.“
Elton: „Tupac lebt noch!“
In den hin und her schwankenden Bewertungen zeigen sich die Ambivalenzen und Spannungen des „Ghetto“-Diskurses. Positiv wurde der künstlerische Bezug und die Solidarität der Rap-Musiker mit dem als eigen inszenierten Wohnviertel hervorgehoben, auch der professionelle Ethos als Geschäftemacher im Musikbusiness wird respektiert und mit meiner Arbeit als universitärer Sozialforscher verglichen. Es wurde auf die schlechte Vorbildwirkung von „Gangsta“-Rap hingewiesen – Sidos Song „Schlechtes Vorbild“ schauten wir uns auf Wunsch der Schüler ebenfalls noch an – aber auch auf Möglichkeiten, über eine moralische Orientierung am Guten positiv auf Andere einzuwirken. Im abstrakten Bezug auf den Neuköllner Stadtraum dominierten in dieser Gesprächssituation eher positivere Einschätzungen einer allmählichen Verbesserung der sozialräumlichen Lage, während in den konkreten Schilderungen aus den Lebenswelten der Schüler eher Negativbeispiele, vor allem von Drogenkriminalität, überwogen. In der Diskussion wurden noch einige weitere Diskursfragmente aufgenommen und mitunter auf eigensinnige Weise neu kombiniert, so wird Wedding hier nicht den damals üblichen Deutungen folgend als kommendes Hip-Viertel, sondern als neuer Problembezirk betrachtet. Die abschließende Infragestellung von Tupacs Tod lässt sich auch in einem übertragenen Sinne deuten: Tupac lebt für die Schüler noch, da die von ihm ausgetragenen Konflikte und die im Genre des „Gangsta“-Rap vorgestellten Lebensentwürfe für sie weiterhin relevant und anschlussfähig erscheinen.
In historisierenden Reflektionen wie „nicht mehr ganz so schlimm wie früher“ werden Verschiebungen des Neukölln-Diskurses aufgegriffen. Für Berlin-Neukölln ließ sich während meiner Feldforschung im Jahr 2012/13, wie bereits erwähnt, ein widersprüchliches Nebeneinander von „Ghetto-“ und Gentrifizierungs-Diskurs beobachten, zudem spielte hier das Thema Schule aufgrund des „Rütli-Skandals“ im Jahr 2006 eine besondere Rolle.63 Während meiner vorhergehenden Forschung zu Berliner Hauptschülern im Jahr 2008/09 war der „Ghetto“-Diskurs in Neukölln noch dominanter, doch verhielten sich die Schüler damals ebenfalls ambivalent dazu, indem sie zwar mediale Negativdeutungen übernahmen, doch gleichzeitig das Alltägliche und Normale ihres eigenen Lebens als Gegensatz betonten. Zwei Schüler zogen damals während meiner Feldforschung mit ihren Familien aus Neukölln weg, was sie als Flucht vor Schmutz und Verwahrlosung interpretierten. Während meiner Feldforschung im Jahr 2012/13 hatte sich die Wahrnehmung Neuköllns bereits verändert, die Schüler sahen mittlerweile deutlicher die Veränderungen in ihrer Wohnumgebung und in Medienberichten war nun immer öfter von einem „ehemaliger Problembezirk“64 die Rede. Dadurch entstanden mitunter Widersprüche in den sozialräumlichen Deutungen, es ergaben sich aber auch neue Optionen der Distanzierung und Relativierung.
Auch in der 10a, in der die Diskussion der gleichen Songs zu einer Reflektion des medialen Bildes von Neukölln führte, deutete sich bereits ein allmählicher Abschied oder ein zunehmendes Retrospektivwerden des Neuköllner „Ghetto“-Diskurses an.
Mustafa: „Diese Journalisten machen mich verrückt. Ich gucke mir andauern Fernsehen an, ich schalte auf Stern TV, die reden über Neukölln, die machen Neukölln zur schlimmsten Gegend der Welt. Die sagen Neukölln ist kriminell und keine Ahnung.“
Zwischenruf: „Ist es doch auch!“
Kai: „Jede Woche Schießerei!“
Jamil: „Schicherei!“
Mustafa: „Eine Reaktion ist dann zu sagen ‚Ich bin cool, mein Bezirk ist cool.‘ Eine Kamera steht vor mir und ist grad live, dann tut der Schüler richtig einen auf cool: ‚Ja, ich wohne Neukölln, ist Ghetto und so.‘ Er will aber nur Aufmerksamkeit. Es gibt aber auch Leute, die wirklich die Wahrheit sagen.“
Kai (rappt): „Wir sind die Ghettoboys. Hier kommen die Neuköllner, wir sind die KHB-Boys.“
Mohamad: „Vor ein paar Jahren gab es hier noch alle Gangs: NGB und KHB und Spinne und so. Da war die Gegend schlimm, weil es so viel Gangs gab, die einfach besser sein wollten als die anderen, und dann Überfälle gemacht haben, um zu zeigen, wir haben mehr Geld, wir haben mehr Macht, wir sind stärker und so. Die haben Überfälle gemacht und Jungs verprügelt. Damit ihr Name groß und anerkannt wird.“
S.W.: „Ich hatte bei meiner letzten Forschung einen von den Neukölln Ghetto Boys begleitet.“
Mustafa: „Ja, aber die gibt es nicht mehr, die haben sie sich aufgelöst.“
Mohamad: „Spinne gibt es glaube ich noch.“
Kai: „Die Hells Angels und Bandidos gibt es. Das sind richtige Gangs!“
Theo: „Gangbang!“
Angestoßen von der Entrüstung eines Schülers über aus seiner Sicht übertrieben negative Mediendarstellungen entspannte sich eine, von den üblichen ironischen Zwischenbemerkungen und spontanen Rap-Einlagen animierte, Diskussion darüber, ob Neukölln ein „Ghetto“ sei. Das „Ghetto“-Bild rahmte zwar auf grundlegende Weise die Wahrnehmung des urbanen Raums, doch wurde auf reflektierte und spielerische Weisen mit den entsprechenden Zuschreibungen umgegangen. Das Verschwinden oder Fortbestehen von lokalen Jugendgangs – in diesem Fall von „Spinne“, den „Neukölln Ghetto Boys“ (NGB) und den „Köllnische Heide Boys“ (KHB) – wurde als Gradmesser für das Ausmaß der „Ghettoisierung“ gelesen. Im Verlauf der Diskussion ergaben sich Reibungen und Spannungen zwischen miteinander schwer zu vereinbarenden realistischen und konstruktivistischen Deutungsmustern: Einem impliziten Realitätsbezug, bei dem wiederum einerseits tatsächliche Kriminalität attestiert und andererseits ein unspektakuläre städtische Normalität reklamiert wurde, stand ein Verweis auf den Inszenierungscharakter des „Ghetto“-Diskurses gegenüber, der wiederum von Kritik an medialer Hysterie und journalistischer Unwissenheit auf der einen Seite und Missbilligung von davon angestachelten jugendlichen Selbst-Inszenierungs-Wiesen vor der Kamera auf der anderen Seite begleitet wurde.
Doreen Massey hat bei ihren Untersuchungen der Transformationen von urbanen Räumen zu sozialen Orten betont, dass Orte keine eindeutigen und statischen Identitätsangebote machen, sondern durch historisch wandelbare, konkurrierende und konfliktgeladene Aneignungsformen gekennzeichnet sind.65 Die von „Gangsta“-Rap motivierten „Berichte von Räumen“66 haben assoziationsreiche, sprunghafte und fragmentarische Narrative mit ambivalenten, widersprüchlichen und inkompatiblen Deutungen hervorgebracht. Diese Erzählungen mit ihren Abschweifungen und Improvisationen affirmierten, relativierten oder kritisierten die diskursive Ordnung des „Ghetto“-Diskurses. Die Narrative der Neuköllner Schüler brachten einen Ort voller Widersprüche hervor, der zugleich als Heimat und als Brutstätte von Gewalt und Kriminalität betrachtet wurde.
Black Pride: Materielle Kultur
Als ich nach den Osterferien einigen Schülern von meiner Reise nach Brasilien erzählte, seufzte einer von ihnen: „Manchmal träume ich davon, mal so richtig ins Ghetto zu gehen. Nach Rio de Janeiro oder New York und dann da mit den Negern rumhängen. Aber für die sind wir bestimmt voll die Pussies, die knallen sich gleich richtig ab.“ Neben der Sehnsucht nach Reisen in ferne Länder wird eine Art kulturelle Wahlverwandtschaft mit der ebenfalls von sozialer Ausgrenzung betroffenen afro-amerikanischen Bevölkerung artikuliert, aber auch eine Verunsicherung über den eigenen „Ghetto“-Status als Berliner Hauptschüler angedeutet. Ich verfolge diese Wahlverwandtschaft mitsamt ihren Irritationen anhand der kulturellen Biografie von Gold- und Silberketten im Bereich der Hip-Hop-Mode.67
Im kommerziellen Mainstream-Rap werden Erfahrungen sozialer Marginalisierung nicht mit einem schamvollen Gestus der Unterwerfung, sondern mit protzigen Gesten der Distinktion beantwortet. Mit Blick auf Bourdieus klassische Studie über „Die feinen Unterschiede“ ließe sich argumentieren, dass mittlerweile auch die unterbürgerlichen Schichten zu einer über den Notwendigkeitsgeschmack hinausgehenden ästhetischen Einstellung in der Lage sind, das ihre Versionen des Luxuskonsums aber mit neuen bürgerlichen Formen der sozialmoralischen Abgrenzung gegenüber unterschichtigen Prunkgesten einhergehen.68 Die Bezeichnung „Bling Bling“ steht für solche Inszenierungen von Protz und Promiskuität im globalen Hip Hop, bei denen glitzernde Autos, pralle Busen und teurer Schmuck eine entscheidende Rolle spielen. Tricia Rose spricht in diesem Zusammenhang von „a style nobody can deal with“, von einem lustvoll-parodistischen Stil, dessen Egozentrismus, Misogynie und Profitorientierung selbst gutmeinende Beobachter irritiert.69 Die kapitalistisch-patriarchale Klassen- und Konsumgesellschaft wird hier auf groteske Art überhöht und ihre Widersprüche in lustvoll-lasziven Selbstinszenierungen ausgestellt. Solche performativen Anverwandlungen haben eine lange Tradition in der Geschichte afro-amerikanischer Selbstverortungen, besonders auffällig ist die Verwandtschaft zum „Pimp“, der bereits in der „Street Literature“ von Bedeutung war, bevor er in den 1990er Jahren zu einem stilistischen Vorbild vor allem im US-amerikanischen West-Coast-Rap wurde.
Gold- und Silberketten spielen neben anderen Schmuckvarianten wie Uhren, Ringen und Goldzähnen eine zentrale Rolle in der „Bling-Bling“-Welt des Hip-Hops. Der Rap-Pionier Kurtis Blow trug im Jahr 1980 auf dem Cover seines Debütalbums erstmals nichts außer ein einprägsames Ketten-Gehänge, das Hip-Hop-Trio Run-D.M.C. machte in den 1980er Jahren überdimensionierte Ketten zu einem Markenzeichen der Hip-Hop-Mode. Seit den 1990er Jahren entwickelte sich dann im Rap eine ausufernde Kettenkultur. Diese umfasst parodistische Varianten, wie die um einen schwarzen Panther gebundene Kettenleine auf dem 1989er Cover von LL Cool Js Album „Walking with a Panther“, statusorientierte Varianten wie die unter anderem von Tupac getragene Kette mit dem Logo von Death-Row-Records, die eine Assoziierung mit dem führenden Hip-Hop-Label der 1990er Jahre signalisierte, sowie diverse andere überstilisierte Varianten, wie beispielsweise die an einen ägyptischen Gott erinnernde, gigantische, 300.000 Euro schwere Horus-Kette, die Kanye West im Video zu seiner Single „Power“ aus dem Jahr 2010 trug. Der Hinweis auf Macht ist in diesem Zusammenhang entscheidend, denn der von afro-amerikanischen Musikern getragene Halsschmuck erinnert an Sklavenketten, ihre symbolische Aneignung verweist als selbstermächtigende „Black Power“-Geste auf den fortwährenden Kampf gegen rassistische Unterdrückung.
Über die transatlantische Verbreitung von „Ghetto“-Literatur, -Film und -Musik wurden Gold- und Silberketten auch hierzulande im jugendkulturellen Bereich populär. Zu einem popkulturellen Politikum avancierten sie während der Auseinandersetzung zwischen Kollegah und Kool Savas um die Vorherrschaft im deutschen „Gangsta“-Rap. Kollegah hatte sich im Jahr 2007 in seinem Song „Kuck auf die Goldkette“ die männliche Selbstermächtigungsgeste von Hip-Hop-Ketten auf eine besonders dreiste Weise zu eigen gemacht: „Kuck auf die Goldkette, sie ist immer frisch poliert / Kuck auf die Goldkette, da gibt es nichts zu diskutieren / […] sie zeigt dem Betrachter an, Kollegah ist wie Adam – ein gemachter Mann […] da gibt es nichts zu diskutieren, kuck auf die Goldkette“. Kool Savas persiflierte den Geltungsanspruch seines Kollegen mit dem Rap „Guck auf die Holzkette / sie ist leider nicht poliert / ich bin gerade frisch rasiert […]“70 und vermarktete später sogar eine Holzkette mit seinen Initialen.
Auf den Straßen von Berlin-Neukölln stehen von jungen Männern getragene Gold- und Silberketten vorwiegend im Kontext einer modischen Orientierung am Hip-Hop, sie werden häufig kombiniert mit Sneakers, weiten T-Shirts und Basecaps und mit einem raumgreifenden, körperbetonten Gestus der Lässigkeit getragen. Solche Statusgebärden auf dem „Bürgersteig“ zielen nicht auf eine Verbürgerlichung, der Gestus der Macht, des Erfolgs und des Geldes ist weiterhin mit einer „Outlaw“-Attitüde der Coolness und Härte verbunden. In Berliner Migrantenvierteln entwickelte sich ein diesen Modegeschmack bedienendes Segment des Schmuckhandels, Billig-Juweliere finden sich in Neukölln vor allem entlang der Karl-Marx-Straße und im Wedding in der Müller- und der Badstraße. Einige Schmuckläden waren unter den Schülern bekannt dafür, unechtes Gold und Silber zu besonders niedrigen Preisen zu verkaufen, manche arabische Läden verkauften zusätzlich auch religiöse und politische Embleme, etwa Allah-Symbole oder Palästina-Anhänger. Neben einem eher auf eine weibliche Kundschaft ausgerichteten traditionellen Schmuckangebot, boten diese Geschäfte vor allem für junge Männer auch Gold- und Silberketten im Hip-Hop-Stil an, zur Zeit meiner Forschung meist „Königsketten“, „Figaro“-Ketten und „Panzer“-Ketten. Diese unterschieden sich durch unterschiedliche Arten der Musterung sowie der Aufreihung von Kettengliedern, konvergierten aber dahingehend, dass sie tendenziell größer und dicker als „klassischer“ Frauen- und Herrenschmuck waren. Die Preisspanne reichte von 20 bis etwa 100 Euro, die dazu angebotenen Anhänger kosteten meist zwischen 20 und 30 Euro.
Die kettentragenden Galilei-Schüler orientierten sich an Mitschülern und darüber hinaus an generalisierten, medial kursierenden kulturellen Figuren, wie jenen des „Gangsta“- und des „Bling-Bling“-Rappers, mit deren Hilfe sie aus ihrer sozialen Lage resultierende Problemlagen symbolisch bearbeiten können.71 Wenn es ein „Bling-Bling“-Wettbewerb unter den Schülern gegeben hätte, wäre wohl niemand an Kai vorbeigekommen, der sich selbst als die ultimative Verkörperung des kettentragenden „Jugo-Machos“ und des angehenden „Neukölln-Pimps“ inszenierte. Kai gab gerne mit seiner teuren Designerkleidung und seinen angeblich zahlreichen Freundinnen an. Während der gemeinsamen YouTube-Session sang er zum Song „Cooler than me“ von Mike Posner, das Szenen aus dem Leben eines reichen Lebemanns zeigt, laut mit und rappte anschließend animiert weiter:
Kai: „Der ist nicht cool, weil er nicht cooler ist als ich. Nicht mal ein bisschen. Arrogant wie ein Diamant, trage eine Kette von brilliant. Ich bin arrogant, kann schon sein. Der Bosnier aus dem Süden, können meine Augen lügen. Ich habe Spaß mit den Frauen, wache nachmittags auf, wie Charlie Harper, trage einen Gürtel aus der Haut von Alice Schwarzer. Ihr müsst euch in den Volkswagen quetschen und ich zeige mein Colgate-Lächeln.“
Kai bezog den selbstanmaßenden Songtitel auf sich selbst, betonte auf provokante Weise seine coole Arroganz und assoziierte diese wiederum mit funkelndem Kettenschmuck. Anschließend folgten spontan hinzugefügte Verszeilen aus dem Song „Badboyz 4 Life“ des deutschen Rappers Key One, wobei er die Textzeile „Grieche aus dem Süden“ mit Bezug auf seine eigene Herkunft zu „Bosnier aus dem Süden“ abwandelte. „Von Key One geklaut“, rief ihm ein Schüler deshalb zu, doch Kai behauptete zunächst, er habe sich die Textzeile selbst ausgedacht. Auf meine Nachfrage hin, konnte er zwar von Charlie Harper berichten, eine von Charlie Sheen gespielte Playboy-Hauptfigur in der Serie „Two and a Half Men“, wusste jedoch nicht, wer Alice Schwarzer war.
Der Grad der Rollenidentifizierung, die reflexive Distanz zur modischen Selbstinszenierung und die Fähigkeit zum Code-Switching unterschieden sich stark zwischen den Schülern, wobei modische Inkongruenzen und performative Irritationen eher die Regel waren als stilistisch vollständig überzeugende „Ghetto“-Posen. Spannungen ergaben sich zwischen einer ausgestellten „Ghetto“-Amoralität und der demonstrativen Religiosität vor allem einiger arabischer Schüler, zwischen der Betonung körperlicher Dominanz und dem tatsächlich sichtbar werdenden Grad an körperlicher Fitness, sowie zwischen der „High-Five“-Lässigkeit und der postpubertären Verunsicherung vieler Schüler. Hinzu kamen unpassendes Timing sowie Konflikte mit der Praxis-/Diskursformation „Schule“, wie ich sie im vorigen Kapitel zu Coolness am Beispiel von Sven – der sich gerne mit Hals- oder Armketten schmückte, manchmal Hip-Hop-Fanshirts von Rappern wie Rum-D.M.C. trug und sein Basecap nur sehr ungern abnahm – und einer an seiner „Ghetto“-Coolness verzweifelnden Lehrerin geschildert habe.
In dem wegweisenden Sammelband „The Social Life of Things“ wurde eine Blickverschiebung von eindimensionalen ökonomischen Denkmodellen hin zum soziale Leben der Dinge und den kulturellen Biografien von Objekten vorgeschlagen.72 Zwar wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Metapher der Biografie in Bezug auf Objekte irreführend sei, da sie Anfänge und Enden, sowie Ganzheit und Eigenständigkeit von Dingen suggeriere und somit deren fragmentarischen und mehrdeutigen Charakter ausblende.73 Doch mit Blick auf den Umgang von Berliner Hauptschülern mit Gold- und Silberketten lässt sich durch objektbiografische und dingsoziologische Ansätze dennoch die kulturelle Verstrickung und die soziale Einbettung von Dingen hervorheben.74 Von spezialisierten lokalen Geschäften vertriebene Luxusgüter wie Gold- und Silberketten fungierten für die Neuköllner Jugendlichen in erster Linie als soziale Zeichen, mit deren Hilfe sie Selbstbehauptung, Coolness und Stilbewusstsein signalisierten und auf diese Weise sozialen Status reklamierten. Diese sozialen Funktionen werden erst durch Sichtbarkeit unterstützende materielle Eigenschaften sowie durch kulturelle Markierungen als Schmuck ermöglicht. Die Selbstermächtigungsgesten können jedoch auch scheitern und zur weiteren gesellschaftlichen Abwertung der „Goldkettenträger“ beitragen. Dies passiert vor allem dann, wenn die stilistischen Eigenheiten und politischen Stoßrichtungen der Hip-Hop-Kultur unverstanden bleiben, wenn die kulturelle Biografie von Gold- und Silberkette in der Rap-Musik nicht beachtet wird und wenn modische „Bling-Bling“-Inszenierungen missbilligend als Ausweis von defizitären Charaktereigenschaften gelesen werden.
Body Pride: Krump
Neben Identifikationen mit dem urbanen Raum und dem Umgang mit Dingen, kann auch der Körper für Neuköllner Jugendliche zu einer Quelle des Stolzes werden. Körperkapital spielte, wie bereits erwähnt, für Hauptschüler vor allem deshalb eine zentrale Rolle, da ihnen der Zugang zu anderen Kapitalsorten weitgehend verwehrt blieb.75 Zwar waren unter den Galilei-Schülern verschiedene Formen des Hip-Hop-Tanzes populär, wie Breakdance, Locking und Popping, doch vermittelt über lokale Jugendclubs wurde Neukölln zum Berliner Zentrum einer besonders aggressiv wirkenden Form des Hip-Hop: Krump.
„Krump“ ist eine Anfang der 2000er Jahre in der afro-amerikanischen Community von South Central Los Angeles aus dem Clowning hervorgegangene Tanzform.76 Clowning wiederum entstand zu Beginn der 1990er Jahre in Zeiten der Rodney-King-Riots, als Thomas Johnson, ein aus dem Gefängnis entlassener Drogendealer, als ein Hip-Hop tanzender Komiker mit dem Namen „Tommy the Clown“ unter Kindern und Jugendlichen populär wurde. Johnson verstand Clowning als eine Möglichkeit, die Heranwachsenden in Los Angeles von der Gewalt und Kriminalität des „Ghettos“ fernzuhalten. Aus der von ihm gegründeten Clown-Dancing-Academy gingen mit Tight Eyez und Lil’C Tänzer hervor, die Anfang der 2000er Jahre mit Krump eine emotionalere, weniger auf Party-Unterhaltung ausgerichtete Tanzrichtung etablierten. Parallel dazu entwickelte sich mit Krump-Musik eine besonders tanzbare Variante des West-Coast-Rap.
Krump lässt sich als eine ästhetische Verarbeitung von Exklusionserfahrungen verstehen. Mit Hilfe einiger tänzerischen Grundbewegungen – Füße-Stampfen (foot-stomps), Armschwüngen (arm-swings), ruckartigen Brustbewegungen (chest-pops) und dem Boxen ähnliche Armbewegungen (jabs) – werden auf körperliche Weise persönliche Geschichten erzählt, meist wütende Geschichten von Armut und Ausgrenzung, Gewalt und Rassismus. Zum einen werden dabei individuelle Flow- und Transzendenzerfahrungen gesucht, zum anderen wird Krump oft als spontaner oder organisierter Wettkampf (Battle) zwischen Krump-Crews unter starker Beteiligung des Publikums aufgeführt. Diese verstehen sich selbst als „Fams“, also als eine Art (Ersatz-)Familie, was besonders für Jugendliche aus prekären familiären Verhältnissen attraktiv erscheint und ihnen zudem eine Alternative zur Gang-Mitgliedschaft bietet. Der Gewalt auf den Straßen setzt Krump eine christlich-pädagogische Orientierung entgegen: Indem Krumping als eine Art Gebet begriffen wird, soll den Jugendlichen spirituelle Erfahrung vermittelt und durch die Betonung moralischer Grundwerte ihre Entwicklung in eine positive Richtung gelenkt werden. Mit dieser demonstrativen Ernsthaftigkeit und Tugendhaftigkeit grenzt sich Krump radikal von der „Bling-Bling“-Welt des kommerziellen West-Coast-Rap ab.
Krump etablierte sich in den 2000er Jahren als fester Bestandteil des Hip-Hops und inspirierte darüber hinaus Pop-Musikerinnen wie Madonna, Missy Elliot und Christina Aguilera. Für die Verbreitung in Deutschland waren neben dem Musikfernsehen von VIVA und MTV vor allem ein Dokumentarfilm und Initiativen lokaler Jugendclubs entscheidend. Der Dokumentarfilm „Rize“ des bekannten Regisseurs David LaChapelle kam im Jahr 2005 in die Kinos und wurde von vielen Berliner Hauptschülern begeistert aufgenommen. Der Film erzählt die Entstehungsgeschichte von Clowning und Krumping in Los Angeles und stellt deren Protagonisten Tommy the Clown, Tight Eyez, Lil’C vor. Anfang 2007 kam Tommy the Clown zu einer Tanztournee nach Deutschland, während der er unter anderem bei der Sat1-Tanzshow „Let’s Dance“ und in der Berliner Columbia-Halle auftrat. Sein Weg führte ihn aber auch nach Berlin-Neukölln, wo er vom gegenüber der Rütli-Schule gelegenen Jugendclub „Manege“ eingeladen worden war. Über Tanzkurse und regelmäßig stattfindende Battles war die „Manege“ unter der damaligen Leitung für einige Jahre zu einem Berliner Hotspot der Krump-Kultur avanciert.
In umfangreichen Feldforschungen zur Berliner Krumpszene um das Jahr 2008, die im Rahmen meiner Seminare zu marginalisierten Jugendlichen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder stattfanden, arbeiteten Jasna Ibach, Jacob Methner und Juscha Anderegg heraus, das wesentliche Elemente der US-amerikanischen Krump-Kultur, wie die Organisation in „Fams“ und die christliche inspirierte Wertorientierung, zunächst auch in Berlin übernommen wurden.77 Vor allem aus prekären sozialen Verhältnissen stammende Jugendliche im Alter zwischen 14 und 20 Jahren fühlten sich vom neuen, aus den USA kommenden Tanzstil angezogen. Krump ermöglichte ihnen ihre Lebensgeschichten körperlich zu artikulieren und emotional zu verarbeiten sowie Anerkennung in der Gruppe und Respekt von Mitschülern zu erlangen. Mit Ben-Joel und Prince waren zwei Tänzer afrikanischer Herkunft als Lehrer und Vorbilder für die Verbreitung von Krump in Berlin von besonderer Bedeutung. Ben-Joel wurde in Kamerun und Prince in Ghana geboren, beide verloren früh ihre Mutter und fanden über den Tanz wieder Halt im Leben. Krump wird heute von ihnen und anderen Tanzlehrern an Berliner Jugendclubs und Tanzschulen angeboten.
Einige Galilei-Schüler, überwiegend junge Männer, partizipierten an dieser transatlantisch vernetzten lokalen Krumpkultur. Sie hatten Tommy the Clown schon als kleine Teenies in der „Manege“ und später Tight Eyez bei seinen Auftritten in Berlin bewundert. Sie nahmen als Zuschauer oder Teilnehmer an lokalen „Battles“ teil und lernten auf diese Weise die Protagonisten der Berliner Krump-Szene kennen. Manche von ihnen ließen sich von Prince in einem nahegelegenen Jugendclub im Krump unterrichten oder gründeten wie Moe ihre eigene „Fam“:
Moe: „Ich habe mit Hip-Hop angefangen: Popping, House, Locking – habe alles Mögliche ausprobiert. Manchmal auch bei meinem Bruder beim Training zugeschaut und ein bisschen mitgemacht. Dann habe ich gesehen, wie andere Krumpen. Erst habe ich das gar nicht verstanden und dachte ‚Hey, was machen die, dass die so ausrasten?“. Dann hat es mir mein Bruder ein bisschen erklärt und ich habe bei Big B Unterricht genommen – einem sehr krassen Tänzer! Und als ich dann Tight Eyez gesehen habe, bin ich fast ausgeflippt. Er ist so krass! Bei einem Video haben die anderen sogar geweint. Man muss es verstehen können und ausdrücken, was man fühlt. Krump ist dann eigentlich auch nicht aggressiv. Es geht darum, dass man eine Geschichte erzählt. Ich stampfe auf den Boden, ich reiße mir den Hals aus, mein Arm wird weggeschossen – solche Geschichten halt. Die fangen langsam an und am Ende rasten sie richtig aus. Das sind keine Geschichten, die im Buch stehen, sondern die entstehen von alleine, wenn man gechillt ist oder wenn man wütend ist. Es müssen auch nicht immer richtige Geschichten sein, manchmal nur kleine Szenen, zum Beispiel ‚ich schlage eine Faust ins Gesicht‘, oder ‚ich fange etwas, schmeiße es auf den Boden und zerstampf es‘ – so etwas. Man fragt natürlich nicht direkt, „Was erzählt er jetzt?‘, aber man merkt es. Wenn man was erzählen will, muss man es wirklich empfinden aber auch gut erzählen können, die meisten machen ja immer nur die gleichen Basics, stampfen und so. Aber das ist auch nicht schlimm und keiner lacht einen aus. Es gibt ja auch extra Newcomer-Battles, da habe ich am Anfang auch mitgemacht. Da konnte ich eigentlich fast gar nichts, aber es war eine wichtige Erfahrung für mich. Mein Trainer wollte dann aber nur noch Choreographie machen und keine Battles mehr, weil er selber viele Auftritte hatte. Da haben wir gesagt ‚OK, wir machen unsere eigene Gruppe!‘. Eigentlich waren wir vier, aber einer kommt kaum noch, jetzt sind es nur noch Samir, Tom und ich. Wir haben uns beim Tanzen kennengelernt, jeder hat seinen eigenen Tanzstil. Wir haben keinen Lehrer, nur einen Raum im Jugendclub, dienstags und donnerstags, da battlen wir untereinander. Wir machen einfach in einem Kreis Musik an. Wenn ich gestresst bin von der Schule oder kaputt, dann lasse ich da einfach alles raus. Wenn ich tanze, kann ich alles freilassen, was in meinem Kopf ist. Ich denke einfach an gar nichts. Tanze einfach drauf los, egal was. Beim Krump kann man am meisten die Wut rauslassen. Eigentlich bei jeder Tanzart, aber beim Krump kann man es am besten sehen. Wenn man halt sauer ist, dann stampft man auf den Boden und lässt es mit dem Fuß raus. Ich kann es gar nicht erklären, man muss es erleben.“
Moe, der eigentlich einen arabischen Namen trug, bevorzugte als Krumper eine amerikanisch klingende Selbstbezeichnung. Sein Bruder war professioneller Hip-Hop-Tänzer bei einer international agierenden Tanzkompanie. Beim Tanztraining lernte Moe neue Freunde kennen, er bezeichnete sie im Hip-Hop-Slang als „Bros“ – Brüder, mit denen er eine eigene Newcomer-Crew gründet. Sie hatten übermütige jugendliche Träume, vielleicht einmal „groß herauszukommen“ und produzierten einige noch etwas ungelenk wirkende Versuche der medialen Selbstinszenierung auf YouTube. Die Jugendlichen mischten undogmatisch verschiedene Hip-Hop-Tanzstile, sie tanzten Krump, wenn es ihnen „gerade krumpy kommt“, wie Moe an einer anderen Stelle des Interviews formulierte. Von ihrem Tanzlehrer hatten sie die Grundbewegungen von verschiedenen Stilrichtungen des Hip-Hop kennengelernt und konnten auf dieser Basis nun frei improvisieren, wobei den Jugendlichen der spontane individuelle Ausdruck wichtiger erschien als für Auftritte einstudierte Gruppen-Choreographien. Neben Hip-Hop probierte Moe auch andere Jugendkulturen aus, beispielsweise Parcours, auf das er durch den Film „Ghettogangz – Die Hölle von Paris“ aufmerksam geworden war.
Moe beschreibt den tänzerischen Modus des Erzählens von Geschichten und hebt die damit ermöglichte Kanalisation von Emotionen hervor, vor allem die Ableitung von negativen Gefühlszuständen wie Wut und Stress. Die hier angedeutete Verarbeitung von sozialen, schulischen und familiären Problemen erfolgt nicht über sprachliche Artikulation und rationale Reflektion, sondern auf eine körperlich-sinnliche Weise. Alltagserfahrungen verdichten sich auf theatrale Weise in Snapshot-Szenen und in sprunghaften Bildern – dialektische Bilder im Sinne Walter Benjamin, bei denen „das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt“.78 Überwunden wird der Problemdruck in tranceartigen Flow-Momenten, befreiend und beglückend erlebte Momente des Selbstverlusts, die im Sport, der Musik oder dem Tanz auf der Grundlage von Fokussierung, Könnerschaft und Gespür für den Augenblick entstehen können.79 Diese Momente werden von Tänzern und Zuschauern als besonders authentisch wahrgenommen. „Realness“, das zentrale Qualitätsmerkmal des Hip-Hop, entsteht performativ gerade in solchen Inszenierungen, die sich nicht als direkte Abbilder der Wirklichkeit verstehen, sondern reale Erfahrungen auf symbolische Weise überhöhen und künstlerisch verdichten.80 Dabei geht es um die Verinnerlichung eines über Hip-Hop vermittelten ästhetischen Lebensgefühls, also nicht um besonders detailgetreue Nachahmungen der US-amerikanischen „Ghetto“-Kultur durch sozial Benachteiligte in Deutschland, sondern vielmehr um eigenwilligen Aneignungen und dadurch ermöglichte emotionale Erfahrungen.
SCHLUSS: EIN PERFORMATIVER „GHETTO“-BEGRIFF
Die Praxis-/Diskursformation „Ghetto“ ist von inhärenten Spannungen und Widersprüchen geprägt. Die ambivalente Bewertung des „Ghettos“ als Schreckbild und Quelle des Stolzes, als Gefahrenzone und Schutzraum, als Ort der Tristesse und als Abenteuergebiet bestimmt die Struktur von literarischen, filmischen und musikalischen „Ghetto“-Darstellungen. Eine binär strukturierte emotionale Kartierung von Räumen ist, wie sich in Raymond Williams Studie „The Country and the City“ nachlesen lässt, kein Spezifikum des „Ghetto“-Diskurses. Meine Ausführungen deuten jedoch darauf hin, dass die Ambivalenz zwischen Stolz und Verachtung im „Ghetto“-Diskurs besonders ausgeprägt ist, da die medial dominanten Negativbeschreibungen ebenso heftige emotionale Solidaritätsbekenntnissen hervorrufen. Die auf das „Ghetto“ rekurrierenden Formen des Empowerments – die im Rahmen der Hip-Hop-Kultur ermöglichte Identifizierung mit urbanen Orten, mit Gold- und Silberketten und mit Krump – sind ebenfalls ambivalent, da sie Stigmata zwar trotzig umdeuten oder kreativ verarbeiten, diese aber nicht aus der Welt schaffen können. Im Gegenteil, der Grad der Selbstermächtigung korreliert mit einem beträchtlichen Ausmaß an sozialer Abwertung: Der Neukölln-Stolz gewinnt erst vor dem Hintergrund des negativen „Ghetto“-Images dieses Stadtbezirks seine eigentliche Stoßkraft, die überdimensionalen Gold- und Silberketten verweisen symbolisch auf fortwährenden Rassismus und Krump-Aneignungen rekurrieren auf die prekären Lebensumstände von marginalisierten Jugendlichen.
Die kombinierte Analyse von „Ghetto“-Diskursen und -Praktiken verlangt nach einer Neuausrichtung des „Ghetto“-Begriffs. Das heute in den Sozialwissenschaften gängige „Ghetto“-Konzept wurde vor allem in der US-amerikanischen Chicago School geprägt, wobei ein in den 1920er und 30er Jahren dominierender human-ökologischer Ansatz der Erforschung von „Ghettos“ in den 1960er und 70er Jahren von kulturalistischen Perspektiven verdrängt wurde, die ihrerseits wiederum in den 1980er und 90er Jahren eine vehemente soziologische Kritik auf sich zogen.81 In der frühen Jahren der Chicago-School of Sociology dominierte eine human-ökologische Perspektive auf die Stadt, welche diese als eine Art lebendigen Organismus begriff.82 „Ghettos“ entstanden in einer naturanalogen Sichtweise durch die Distribution von Bevölkerungsgruppen in Folge von Migrationsbewegungen, sie waren ein temporärer Aufenthaltsort auf dem Weg der Integration, in dem sich die Ankommenden vermehren und an die neue Umgebung anpassen konnten.83 Diese Sichtweise auf die Stadt war verbunden mit einer Vorstellung von kultureller Andersheit des „Ghettos“. Dieser latente Exotismus motivierte in den 1960er und 70er Jahren ethnografische Forschungen zu einer als eigenständig verstandenen „Ghetto“-Kultur. Diese hatten politisch unterschiedliche Schlagseiten: Während Oscar Lewis durch die Behauptung einer generationelle Übergabe von problematischen Denk- und Lebensmustern durch die „Ghetto“-Bewohner die fatalistische Lesart einer sich selbst perpetuierenden „Kultur der Armut“ beförderte, suchte Ulf Hannerz in „Soulside“ nach der afro-amerikanische Seele des „Ghettos“, die er mit dem Folkkonzept des „Soul“ auf emphatische Weise erfasste.84 Kulturalistische Lesarten wurden in den 1980er und 90er Jahren vehement kritisiert und durch soziologische Erklärungsmodelle ersetzt. William Julius Wilson verstand die sich in dieser Zeit verschärfenden „Ghetto“-Probleme aus einer sozio-ökonomischen Perspektive, der zufolge dem „Ghetto“ eine stabilisierende afro-amerikanische Mittelschicht fehle, da diese durch die Deindustrialisierung ihre Arbeitsplätze verloren habe oder in Folge von Labeling-Effekten fortgezogen sei.85 Loic Wacquant attackierte sowohl die akademische Romantisierung der „Ghetto“-Bewohner als auch die publizistische Verwässerung des „Ghetto“-Begriffs und entwarf auf der Grundlage seiner Forschungen zu Chicago eine engere, vergleichende Studien anregende „Ghetto“-Konzeption, bei der die erzwungene ethnische Segregation einer stigmatisierten Bevölkerungsgruppe in ein geschlossenes Gebiet mit der Formierung von institutionellen Parallelstrukturen einhergeht.86 Dadurch wurde der Blick von den Problemen und Eigenschaften der Bewohner auf sozialstrukturelle Prozesse der Ausschließung gelenkt, eine Perspektivenverschiebung die auch hierzulande im Übergang von der Armuts- und Arbeitslosenforschung zur Exklusions- und Prekaritätsforschung vollzogen wurde.87
Im Kontext der skizzierten Forschungslinie zum US-amerikanischen „Ghetto“ sind im Laufe der Chicago-School-Generationen zahlreiche eindrucksvolle Studien entstanden, von „The Ghetto“ (Louis Wirth) zur „Street Corner Society“ (William Foote Whyte) über „Slims Table“ (Mitchell Duneier) bis zu „On the Run“ (Alice Goffman). Dabei wurde immer wieder auf Effekte von sozialräumlicher Stigmatisierung hingewiesen und die Umgangsweisen der „Ghetto“-Bevölkerung mit gesellschaftlicher Abwertung herausgearbeitet.88 Doch die empirisch-ethnografische Orientierung, eigentlich die Stärke der beschriebenen Ansätze, erweist sich als tückisch, wenn man wie im Fall von Berlin in einem stadtsoziologischen Sinne nicht von „Ghettos“ sprechen kann. Gleichzeitig lässt sich der „Ghetto“-Begriff nicht einfach ignorieren, schließlich spielt dieser in öffentlichen Diskursen und Narrativen der Selbstverortung eine entscheidende Rolle. „Ghetto“-Talk und „Ghetto“-Posen ernst zu nehmen, bedeutet ein diskursives und performatives „Ghetto“-Verständnis zu entwickeln. „Ghettos“ sollten in Deutschland folglich nicht mehr als ein urbanes Territorium verstanden werden, in das man als Forscher hineingeht, sondern als ein diskursiv produziertes, räumlich markiertes Artikulationsverhältnis von Exklusion und Inklusion ohne direktes Korrespondenzverhältnis zur urbanen „Wirklichkeit“.89 Diese Konstellation verlangt nach modifizierten Forschungsansätzen, bei denen sowohl die Muster und Wirkungen von Diskursen, inklusive ihrer Effekte für die betroffenen Stadtgebiete und deren Bewohner, als auch Praktiken der „Ghetto“-Aneignung mitsamt ihren widersprüchlichen Politiken in ihrem gegenseitigen Wechselverhältnis analysiert werden.
Den diskursiven und performativen Charakter des „Ghettos“ hervorzuheben, bedeutet in letzter Konsequenz auch, die wissenschaftlicher Autorität in der Definition des „Ghettos“ infrage zu stellen, sie als eine spezifische „Weise der Welterzeugung“90 neben anderen zu perspektiveren. Hier lässt sich an den englischen Stadtsoziologen Michael Keith anschließen, der den „Ghetto“-Begriff der Chicago School ethnografisch-kulturwissenschaftlich umdeutete. Auf der Basis empirischer Studien zu mit dem „Ghetto“-Label assoziierten Stadtteilen im Südosten Londons, in denen sich vor allem männliche Jugendliche mithilfe von „Ghetto“-Adaptionen sozialräumlich verorten, wendete er sich gegen eine Gegenüberstellung von „eigentlicher“ Realität und „verfälschenden“ Metaphern und somit auch gegen eine strikte Trennung von „objektiven“ Wissenschafts- und „subjektiven“ Folkkonzepten.91 Diese performativen Formen der Raumproduktion unterscheiden sich zwar graduell aber nicht grundsätzlich. Ethnologen sollen natürlich weiterhin interessante Sichtweisen auf die „Ghetto“-Problematik formulieren und ihre Perspektiven zur Diskussion stellen. Doch Sozialforscher, die zwar „Ghetto“-Posen der „Realness“ kritisch dekonstruieren, aber die ungebrochene Authentizität der eigenen Geschichten von „sozialen Brennpunkten“ und „Parallelgesellschaften“ bis zu „hybriden Kulturen“ und „dritten Räumen“ reklamieren, machen sich selbst unglaubwürdig.
1Vgl. Demmerling/Landweer: Philosophie der Gefühle, S. 245-258; Hume: Traktat über die menschliche Natur.
2Vgl. Wacquant: Ghetto.
3Vgl. Eksner: Revisiting the Ghetto in the New Berlin Republic; Veith/Sambale: Wer drinnen ist, ist draußen; Wacquant: Urban Outcasts.
4Vgl. Jaffe: Talkin’ ’bout the Ghetto.
5Vgl. Reinecke: Auf dem Weg zu einer neuen sozialen Frage?
6Vgl. Lindner/Musner (Hg.): Unterschicht.
7Vgl. Zukin: The Spike Lee Effect.
8Für eine ähnliche Perspektive auf ein anderes Feld vgl. Sonntag: Illness as Metaphor and Aids and its Metaphors.
9Vgl. Balzer: „Wenn die Autobahn kommt, dann gibt’s da auch keine Armut mehr.“
10Vgl. Kaya: „Sicher in Kreuzberg“.
11Vgl. Eksner: Ghetto Ideologies, Youth Identities and Stylized Turkish German.
12Vgl. Ege: „Ein Proll mit Klasse“, S. 168-266.
13Vgl. Yildiz/Preissing: „Ghetto im Kopf?“.
14Vgl. Wellgraf: Hauptschüler, S. 61-68; Tertilt: Turkish Power Boys.
15Vgl. Ronneberger/Tsianos: Panische Räume; Yildiz: Was heißt Parallelgesellschaft?
16Vgl. Eksner: Revisiting the Ghetto in the New Berlin Republic.
17Vgl. Friedrich: Geballtes Neukölln.
18Vgl. Wacquant: A Janus-Faced Institution of Ethnoracial Closure.
19Vgl. Stehle: Ghetto Voices in Contemporary German Culture.
20Vgl. Foucault: Die Ordnung der Dinge; Foucault: Archäologie des Wissens; Foucault: Die Ordnung des Diskurses.
21Vgl. Laclau/Mouffe: Hegemony and Socialist Strategy; Laclau: Was haben leere Signifikanten mit Politik zu tun?
22Vgl. Norris/Tyree (Hg.): Street Lit; Graaff: Street Literature.
23Vgl. Andryeyev: Whose Mean Streets?
24Vgl. Allen: Low Road.
25Vgl. Slim: Pimp.
26Vgl. Goines: Inner City Hoodlum, S. 51-53.
27Zaimoglu: Kanak Sprak, S. 17, 11; Vgl. Stehle: Ghetto Voices in Contemporary German Culture, S. 20-63.
28Zaimoglu: Kanak Sprak, S. 33.
29Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
30Vgl. Çaglar: Constraining metaphors and the transnationalization of spaces in Berlin.
31Vgl. Ortner: On Key Symbols. Zur Metaphorik der Alltagssprache vgl. Lakoff /Johnson: Metaphors We Live By.
32Vgl. Yildiz: Was heißt Parallelgesellschaft?
33Vgl. Gormley: The Affective City.
34Vgl. Massumi: Parables for the Virtual.
35Vgl. Leys: The Turn to Affect.
36Vgl. Lyotard: Intensitäten; Thrift: Intensities of feeling.
37Vgl. Laclau: Was haben leere Signifikanten mit Politik zu tun?
38Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Hg.): Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2010. Für eine kritische Diskussion vgl. Lanz: Berlin aufgemischt, S. 146-163.
39Vgl. Mehlmann: The ,Floating Signifier‘; Nightingale: A Tale of Three Global Ghettos.
40Für eine differenzierte vergleichende Betrachtung nationalstaatlicher Unterschiede im Umgang mit Migration im urbanen Raum sowie unterschiedlicher städtischer Leitbilder vgl. Schiffauer: Fremde in der Stadt.
41Vgl. Straub: South Bronx, Berlin und Adornos Wien, S. 8; Dietrich/Seeliger (Hg.): Deutscher Gangsta-Rap.
42Vgl. Friedrich/Klein: Is this real?; Janitzki: Sozialraumkonzeptionen im Berliner Gangsta-Rap.
43Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
44Vgl. Dyson: Holler if you hear me.
45Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
46Vgl. Forman: The Hood Comes First.
47Vgl. Graaff: Street Literature.
48Vgl. Lindner: Straße – Straßenjunge – Straßenbande.
49Vgl. Ege/Hurley: Periodizing and Historicizing German Afro-Americanophilia.
50Vgl. Blom Hansen/Verkaaik: Introduction – Urban Charisma.
51Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
52Vgl. Link/Beucker/Gerhard: Moderne Kollektivsymbolik.
53Ebd., S. 73.
54Vgl. Reinecke: Auf dem Weg zu einer neuen sozialen Frage?
55Vgl. Stehle: Ghetto Voices in Contemporary German Culture.
56Vgl. Wellgraf: Migration und Medien, S. 74-87.
57Vgl. Lindner: The Imaginary of the City.
58Vgl. Foucault: Was ist ein Autor?
59Vgl. Taylor: Quellen des Selbst.
60Vgl. Reckwitz: Praktiken und Diskurse.
61Vgl. Schiffauer: Parallelgesellschaften, S. 91-107.
62Vgl. Forman: The Hood Comes First.
63Vgl. Friedrich: Geballtes Neukölln.
64Ebd., S. 118.
65Vgl. Massey: Space, Place and Gender.
66Vgl. de Certeau: Kunst des Handelns, S. 215-238.
67Vgl. Appadurai (Hg.): The Social Life of Things.
68Vgl. Bourdieu: Die feinen Unterschiede.
69Vgl. Rose: A Style Nobody Can Deal With; Rose: The Hip Hop Wars.
70Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
71Zur kulturellen Figur vgl. Hartigan: Odd Tribes; Ege: „Ein Proll mit Klasse“.
72Vgl. Kopytoff: The Cultural Biography of Things.
73Vgl. Hahn: Dinge sind Fragmente und Assemblagen.
74Vgl. Hofmann: In Geschichten verstrickt … Menschen, Dinge, Identitäten.
75Vgl. Bourdieu: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital.
76Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
77Vgl. Ibach: „Krump war meine Rettung“.
78Benjamin: Das Passagen-Werk, Band I, S. 576.
79Vgl. Csikszentmihalyi: Flow.
80Vgl. Friedrich/Klein: Is this real?
81Vgl. Lindner: Walks on the Wild Side.
82Vgl. Lindner: Die Entdeckung der Stadtkultur.
83Vgl. Wirth: The Ghetto.
84Vgl. Hannerz: Soulside; Lewis: The Culture of Poverty; Lindner: Was ist „Kultur der Armut“?
85Vgl. Wilson: The truly disadvantaged; Wilson: When work disappears.
86Vgl. Wacquant: Leben für den Ring; Wacquant: Ghetto.
87Vgl. Knecht: Von der „Kultur der Armut“ zu einer „Ethnologie der Ausgrenzung“.
88Vgl. Wacquant: Urban Desolation and Symbolic Denigration in the Hyperghetto; Goffman: Stigma.
89Vgl. Veith/Sambale: Wer drinnen ist, ist draußen.
90Vgl. Goodman: Weisen der Welterzeugung.
91Vgl. Keith: After the Cosmopolitan?, S. 61-80.