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Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 15. Jahrgang, 2024: Carolus Magnus/Charlemagne/Karl der Große im interkulturellen Wechselblick. Ein deutsch-französisches Forschungsatelier in Idee, Umsetzung, Resultaten und bleibenden Fragen (Amelie Bendheim/Mathias Herweg/Rainer Leng/Marie-Sophie Masse)

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 15. Jahrgang, 2024

Carolus Magnus/Charlemagne/Karl der Große im interkulturellen Wechselblick. Ein deutsch-französisches Forschungsatelier in Idee, Umsetzung, Resultaten und bleibenden Fragen (Amelie Bendheim/Mathias Herweg/Rainer Leng/Marie-Sophie Masse)

Carolus Magnus/Charlemagne/Karl der Große im interkulturellen Wechselblick

Ein deutsch-französisches Forschungsatelier in Idee, Umsetzung, Resultaten und bleibenden Fragen

Amelie Bendheim/Mathias Herweg/Rainer Leng/Marie-Sophie Masse

1. Inhaltliches Projektanliegen

Interkulturelle Perspektiven auf Karl den Großen

Karl der Große (Carolus Magnus, Charlemagne) gilt als eine der wirkmächtigsten Figuren des europäischen Mittelalters, die tief ins kollektive kulturelle Gedächtnis Deutschlands, Frankreichs und der Benelux-Länder eingegangen ist. »Denk ich an [Karl den Großen] in der Nacht, / bin ich um den Schlaf gebracht«, ließe sich in assoziativem Bezug auf Heinrich Heine im Reim konstatieren – Heine selbst denkt in einprägsamer Weise an ihn, zu Beginn von Caput 3 seines Wintermärchens, wenn er durch ein seit Karls Zeiten eigentlich wenig verändertes Aachen schlendert:

Zu Aachen, im alten Dome, liegt

Carolus Magnus begraben.

(Man muß ihn nicht verwechseln mit Karl

Mayer, der lebt in Schwaben.)

Ich möchte nicht tot und begraben sein

Als Kaiser zu Aachen im Dome;

[...]

Ich bin in diesem langweil’gen Nest

Ein Stündchen herumgeschlendert.

Sah wieder preußisches Militär,

Hat sich nicht sehr verändert. (Heine 1974)

Das erinnernde Nachleben der mittelalterlichen Herrscherfigur ruft indes, damals wie heute, eine ganze Fülle an – je nach historischem und kulturellem Kontext – unterschiedlichen Karlsbildern auf: Nicht ein spezifischer Karl, sondern, wie Klaus Oschema treffend formuliert, »[e]in Karl für alle Fälle« (Oschema 2014) tritt hier in Erscheinung, einer, der je nach Perspektive als Krieger und Verteidiger des christlichen Westens, als Gesetzgeber und Verwalter, als Förderer von Bildung und Kultur, als national-imperiale Symbolfigur für Deutschland und Frankreich, als Bezugspunkt historischer und literarischer Quellentexte und für manche als all das zugleich verstanden werden kann.

In der Rezeption ergeht es der Figur Karls des Großen damit nicht anders als Artus, Attila, Theoderich-Dietrich, Caesar und anderen großen Helden- und Herrscherfiguren. Sie bilden ›kulturgeschichtliche Versatzstücke‹, die mit verschiedenen Intentionen und Interessen für ein gegenwärtiges Erzählen genutzt werden.1 Als quasi zeitloses kulturelles Narrativ wird so auch der literarische Karl verfügbar, um vom Spätmittelalter bis in die Moderne neue Geschichten und Geschichte zu machen: Während deutsche und französische Historiker:innen im langen 19. Jahrhundert versuchten Karl für ›ihre Sache‹ und gegen die je andere Seite zu vereinnahmen und nachhaltige ›Karlsmythen‹ zu erfinden, begriff das von Weltkriegen und ideologischen Exzessen traumatisierte Europa nach 1945 Karl als europäische Integrationsfigur und suchte ihn als ›Vater Europas‹ aufzubauen. Beide Interpretationstendenzen sind modern, beruhen aber auf Missverständnissen und produktiven Umdeutungen, die oft weit in die Vormoderne zurückreichen. Sie haben eine lange Vorgeschichte von regionalen, konfessionellen und hagiographischen Aneignungen, die schon im 9. Jahrhundert einsetzt – mit bekannten Gewährstexten wie Einhards Karlsvita (um 840) und der französischen Chanson de Roland (um 1100).

Ein ›nachhaltiges Karlsbild‹, das die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Figur fördert, hat all diese Facetten einzubeziehen, die sich sans frontières, transnational vom Mittelalter bis in die Gegenwart und im (deutsch-französischen) Wirkraum – diesseits und jenseits von Rhein, Maas und Mosel – etabliert haben. Die Beschäftigung mit Karl dem Großen setzt eine Perspektive voraus, die – im theoretischen Anschluss an die Histoire croisée2 – die Verflochtenheit von Ereignissen und Prozessen zur Grundlage eines tieferen Verständnisses der europäischen Geschichte erhebt. Sie erfordert auch die Bereitschaft, Vielfältiges, Gegensätzliches und Staunenswertes um die Figur zuzulassen und stehen zu lassen, Karl den Großen, bildlich gesprochen, nicht als aus einem Guss geschaffene historische Figur, sondern in der mosaikhaften Zusammensetzung verschiedener Einzelbilder kritisch zu rezipieren. Durch diesen Zugang erweist sich Karl gleichfalls als interkulturelles Projekt, an dem sich die Entwicklungen der deutsch-französischen wie der europäischen Geschichte nachzeichnen lassen; als interkulturelles Projekt, das nicht nur zu einem fundierten Verständnis der Genese und Transformation nationaler Stereotype beiträgt, sondern auch die Ausbildung eines »Staunen[s] über den Anderen« (Heimböckel 2013: 19)3 befördert, das letztlich die basale Grundlage von Errungenschaften wie der deutsch-französischen Freundschaft oder der europäischen Einigung bildet und diese zugleich stets neu befruchtet. Am Beispiel des historischen Umgangs mit Karl dem Großen stand somit eine höchst gegenwartsrelevante postnationale Perspektive auf ein pränationales Thema im Fokus des Forschungsateliers.

2. Idee und Rahmen: Regards croisés

Im Rahmen des Antragsformats der Deutsch-Französischen Hochschule/Université franco-allemande (DFH/UFA) zur »Förderung von wissenschaftlichen Veranstaltungen für Nachwuchswissenschaftler:innen« ließ sich das skizzierte Projektanliegen unter dem Titel »Karl der Große. Deutsch-französische Blicke auf eine europäische Figur«4 umsetzen. Das zum Thema veranstaltete Forschungsatelier fand vom 13. bis 17. Mai 2024 in der Maison Interuniversitaire des Sciences de l’Homme – Alsace (MISHA) an der Universität Straßburg5 statt. 15 junge Wissenschaftler:innen (Doktorand:innen, Postdocs und fortgeschrittene Masterstudierende) aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz6 waren eingeladen, ›am runden Tisch‹ – im namensträchtigen salle de la table ronde – mit Fachexpert:innen der mediävistischen Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaften ins Gespräch zu kommen. Die Wahl des Tagungsorts gründete auf der besonderen Rolle der Stadt Straßburg, die, wie kaum eine andere, zugleich für das Trennende wie für das Einende in den deutsch-französischen Beziehungen steht; als prominentes Zeugnis dafür gilt ein dreisprachig (latein, deutsch und französisch) verfasster Text aus der Karolingerzeit: Die Straßburger Eide (842), im Vorfeld des Vertrags von Verdun (843) entstanden, besiegelten einst das Bündnis zwischen den Enkeln Karls des Großen, Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen, gegen deren älteren Bruder Lothar. Die Eide gelten als symbolhaft für den Zerfall des Karlsreichs und für die politische und sprachliche Auseinanderentwicklung seiner Erben. Heute repräsentiert Straßburg mit dem Sitz des Europäischen Parlaments den stets fragilen Übergang von der Teilung zur Gemeinschaft – und das längst über Deutschland und Frankreich (und die westeuropäischen Grenzen des Karlsreichs) hinaus.

Dem Forschungsatelier ging eine erste Begegnung aller Beteiligten voraus, die sieben Wochen vor der Zusammenkunft in Präsenz im zeittypisch gewordenen Onlinemodus stattfand. Das digitale Treffen ermöglichte ein initiales Kennenlernen der Teilnehmenden untereinander und machte diese mit dem Programm und dem wissenschaftlichen Konzept des Ateliers vertraut, das vorsah, verschiedene Gesprächs- und Arbeitsformen (d.h. Plenarvorträge von Expert:innen, Poster- und Kurzpräsentationen der Textquellen von Teilnehmenden, dichte Lektüre in Teilgruppen sowie Plenumsdiskussionen) alternierend miteinander zu verbinden. Zudem wurde hier die fachliche Vorbereitung abgestimmt.

2.1 Pre-Work: Textpatenschaft, Pitches und Poster

Die Bereitschaft der Nachwuchswissenschaftler:innen, die Patenschaft für einen Quellentext zu Karl dem Großen zu übernehmen,7 bildete ein Kernelement der Vorbereitung auf das Atelier. Sie erfolgte mit fachprofessioneller Unterstützung durch ein erweitertes wissenschaftliches Gremium8 und verlangte die Übernahme dreier Teilaufgaben:

  1. eine intensive Quellenlektüre und Auswahl repräsentativer Textstellen im Umfang von 200 bis 300 Versen: Die Textstellenauswahl aller Textpat:innen wurde über ein digitales Repositorium geteilt; sie war verpflichtende vorbereitende Lektüre für alle Teilnehmenden und bildete die Basis der engagierten dichten Lektürediskussion in den Teilgruppen;
  2. den Text-Pitch, d.h. die Vorstellung der selbst gewählten Karlsquelle im Plenum: In Form eines fünfminütigen Referats sollte die Quelle präsentiert und literarhistorisch verortet werden (Autor, Gattung, Überlieferung, Funktion des Textes) sowie eine knappe Kontextualisierung der gewählten Textstelle im Gesamtwerk erfolgen. Der Pitch vermittelte einen ersten Eindruck des jeweiligen Werks und leitete die Gruppenarbeit ein;
  3. das Poster, d.h. die text-graphische bzw. künstlerische Aufbereitung des Pitches (etwa zentraler Fakten zu Werk und Inhalt sowie Bildeindrücke der Handschrift): Die Poster wurden im Seminarraum in der Vortragsreihenfolge aufgehängt und zum jeweiligen Pitch zudem als slide großformatig projiziert. Sie boten während der gesamten Atelierwoche einen ›Blickfang‹, thematische Orientierung und fachliche Stimulation.

Die Erarbeitung der Teilaufgaben erfolgte im angeleiteten Austausch in der Peer-Gruppe aus zwei bis vier Textpat:innen, deren Texte einem von sechs thematischen Bereichen zugeordnet waren (I-VI).

I. Erinnerungsorte der Historiographie des frühen Mittelalters

II. romanische Chansons de geste – germanophone Karlsepik

III. Karlsbild(er) in den Anfängen volkssprachlicher Chronistik (12./13. Jh.)

IV. späte Chansons de geste und deutsche Prosaepen aus dem Umkreis der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (um 1435)

V. Karl der Große in Karlskompendien des späten Mittelalters

VI. Karl der Große in der nationalen Historiographie des 19. Jahrhunderts und im Nachkriegseuropa

2.2 Umsetzung und Struktur des Ateliers in Straßburg

Die einzelnen Tage im Forschungsatelier sahen einen strukturierten und stets ähnlichen Ablauf vor, der für einen produktiven Arbeitsrhythmus sorgte und durch ein vielfältiges kulturelles Rahmenprogramm ergänzt wurde.9 Den morgendlichen Auftakt bildete (1) jeweils ein Keynote- bzw. Impulsvortrag , der in zentrale Schwerpunktbereiche der Karlsforschung einführte. Thematisiert wurden die interkulturelle Rezeption Karls des Großen vom Mittelalter bis in die Gegenwart (Heinz Sieburg, Luxemburg), die Funktionalisierung der Karlsfigur im französischen und deutschen Floirestoff (Christine Putzo, Lausanne), Karl und seine zweite Gemahlin Fastrada (Kirsten Wallenwein, Heidelberg/Paris) sowie interkulturelle Transformationen der Karlstradition von der Chanson de Roland bis zur brasilianischen literatura de cordel des 20. bis 21. Jahrhunderts (Beate Langenbruch, Lyon). Nach kurzer Diskussion und einer ›Frischluftpause‹ folgten (2) mehrere Text-Pitches der Nachwuchsforscher:innen, denen sich (3) die (durch die Textpat:innen geleitete) dichte Lektüre der vorgestellten Texte in zwei Teilgruppen anschloss. Im wissenschaftlichen Austausch wurden die jeweiligen literarischen bzw. historiographischen Karlsbilder fokussiert, diese dabei u.a. in Bezug zum kulturellen und religiösen Zeitkontext gesetzt, nach spezifischen Darstellungsinhalten sowie ästhetischen Darstellungsstrategien befragt, Rezeptionsabsichten und Wertungen sowie deren Konnex zur literarischen Form ermittelt. Die Ergebnisse der beiden Gruppenarbeitsphasen wurden (4) in einer abschließenden Gesprächsrunde im Plenum zusammengetragen, hier nun auch programmatisch die Texte und Blicke gekreuzt, zentrale Befunde ausgetauscht, kritisch zur Diskussion gestellt und vertieft.

Das im Atelier erstmals erprobte, methodische Kernanliegen und innovative Projektformat der ›gekreuzten Blicke‹ (regards croisés) erwies sich als konzeptuell äußerst produktiver und tragfähiger Ansatz: Er schloss an den unterschiedlichen, von den Teilnehmer:innen der Partnerländer eingebrachten, ›nationalen‹ Blicken auf Karl an, wobei die Beteiligung der Luxemburger:innen Anlässe für Zwischenblicke aus der Perspektive der jahrhundertelang von den großen Nachbarn umkämpften Regionen um Rhein, Maas und Mosel bot. Mit dem Anspruch, diese je spezifischen Sichtweisen komparatistisch zu verschalten, gelang es zu reflektieren, wie die Karlsbilder der Quellen zueinanderstehen und wie gerade Widersprüchliches und Inkonsistentes dazu beitragen kann, ein umfassendes Verständnis von Karl dem Großen zu entwickeln. Auch die kulturwissenschaftlichen Konzepte ›Erinnerungsfigur‹ und ›Identität‹ wurden Teil einer kritischen und konstruktiven Betrachtung.

2.3 Evaluation und Follow-up

Das Feedback der Teilnehmenden zur Organisation und Planung, zum wissenschaftlichen Konzept, zur Dauer und zum Format der Veranstaltung fiel durchweg positiv aus. Als herausfordernd wurde, insbesondere zu Beginn des Ateliers, das Einlassen auf das bilinguale Prinzip (jede und jeder sollte sich in der jeweils präferierten Sprache äußern können) wahrgenommen, das wiederum gerade in der Textdiskussion für fachlichen Tiefgang sorgte. Der Erfolg des DFH-Ateliers hat zwei konkrete Follow-up-Initiativen angeregt: Ins Auge gefasst wurde zunächst eine (bereits im Forschungsantrag beabsichtigte) ›doppelperspektivierte‹, deutsch-französische Textanthologie, die eine repräsentative Auswahl pränationaler bzw. präeuropäischer Karlsbilder aus der Literatur und Geschichtsschreibung bieten und mit moderner Übersetzung und knappem Kommentar versehen werden soll. Die vergleichende und mehrsprachige Anlage der Quellenpublikation (latein, deutsch, französisch) stellt dabei ein Novum und eine besondere Herausforderung dar. Sie wird aus dem Teilnehmendenkreis des Ateliers getragen und von den Veranstalter:innen unterstützt. Außerdem ist die Bewerbung um die Ausrichtung eines weiteren deutsch-französischen Forschungsateliers im Bereich der Mediävistik geplant, das sich in Anlehnung an das Konzept ›HerStory‹ und begünstigt durch das zunehmende Interesse an Mäzeninnen im Mittelalter mit der Rolle von Frauen im Literaturbetrieb der Epoche befassen möchte.10 Die Initiativen der Forschungsateliers und ihrer Folgeprojekte sollen längerfristig dazu beitragen, ein trinationales (deutsch-französisch-luxemburgisches) Forschungsnetzwerk im Bereich der Mittelalterstudien zu etablieren und in diesem interkulturellen Rahmen entstehende Dissertations- und Forschungsarbeiten zu unterstützen.

3. Texte, Perspektiven, Fragen

Wer transnationale Perspektiven in den facettenreichen ›Bildern‹ Karls des Großen vergleichen will, gemeinsame Wurzeln und vielgestaltige, ja widersprüchliche Abzweigungen offenlegen möchte, wird in Anbetracht der Fülle an möglichen Texten und der Notwendigkeit der Auswahl nicht wenige Kompromisse eingehen müssen.11 Von selbst versteht sich dabei, dass ein Format mit beschränkter Zahl an Teilnehmenden heterogener fachlicher Ausrichtung von der Vielfalt möglicher Perspektiven profitieren musste, ohne Vollständigkeit auch nur anstreben zu können. So traten etwa gattungsspezifische Beschränkungen in den Hintergrund, schon weil sich im ›gekreuzten Blick‹ gattungsgenerische oder formale Parallelen nicht immer einstellen wollen. Hier sei nur angedeutet, dass z.B. die ersten Karlsviten im Osten des (einstigen) karolingischen Großreichs entstehen, wo auch die Annalistik dichter auftritt, während im Westen vergleichende Texte zunächst fehlen. Im zeitlichen Fortgang bringt der Westen formal die heroisch-epische Chanson de geste hervor, während im Osten romanhafte Adaptionen entstehen und bis ins Spätmittelalter hinein dominieren. Auch ließ sich die diachrone Perspektive nicht konsequent verfolgen. Zwischen den Schwerpunkten im Früh-, Hoch- und Spätmittelalter und dem Ausblick ins lange 19. Jahrhundert klafft eine Lücke, in der Renaissance und Humanismus, Territorialisierung und Absolutismus, barocke Historiographie und politisch-militärische Ideologie (bis hin zur nicht seltenen kriegerischen Konfrontation) ihr meist gespaltenes Karlsbild kultivierten und dieses auf je eigene Weise in die Universal-, National-, Dynastie-, Landes-, Stadt- oder Institutionengeschichte integrierten.

Ohne systematisch strenge Rahmung und unter Verzicht auf Vollständigkeit der Genera und Epochen traten die Dimensionen und Dynamiken von Karlsbildern dafür umso deutlicher hervor. Sie wurden in einzelnen Sektionen untersucht, die anhand chronologisch oder typologisch kohärenter Corpora die je geläufigen und polyfunktional disponiblen Karlsbilder von den jeweiligen Texten her einzufärben und zu schärfen suchten. Sind dabei die erzählenden bzw. literarischen Quellen aus Karls Lebenszeit noch eher dürftig – hier einzig durch das Paderborner Karlsepos Karolus magnus et Leo papa (vgl. [De Karolo rege] 1999) vertreten –, so erlaubt das Anschwellen der Überlieferung im Zuge der noch früh-, dann vor allem hoch- sowie spätmittelalterlichen Rezeption, die historische Figur in ihrer Entwicklung zu einem nahezu beliebig formbaren und den unterschiedlichsten Strömungen und Bedürfnissen unterwerfbaren ›geteilten‹ Erinnerungsort12 nachzuzeichnen. Fragen nach historischer und exemplarischer Wahrheit, Fiktion und (geglaubter) Wirklichkeit erübrigen sich dabei oft: Karl ›ist‹, was man in ihn hineinprojizierte, aus ihm herauslas – und das gilt streckenweise bis zum Paten des Karlspreises und Vater Europas von heute.

4. Vornationale und vormoderne Karlsbilder im Wechselblick

Modellierungen einer Gründer- und Leitfigur13

4.1 Die Anfänge der Karlstradition

Am Beginn stehen drei Karlsbiographien, ›Vitae‹ in der historiographischen Terminologie der Zeit, von höchst unterschiedlicher Nähe zum Gegenstand, Intention und ›Authentizität‹: Die Vita Karoli Magni Einhards,14 die Gesta Karoli des Notker Balbulus von St. Gallen15 und die Aachener Karlsvita (vgl. [Aachener Vita] 2002). Einhards erste nachantike Kaiservita, die dem Vorbild Suetons verpflichtet ist, entstand zur Zeit von Karls Sohn und Nachfolger Ludwig dem Frommen (814-840), in der sich tiefe Krisen für den Erhalt des Gesamtreiches abzeichneten. Ihr Verfasser ist ein von der karolingischen Bildungsreform geprägter Franke, dessen Karlsbild durch die enge, eigenem Bekunden nach freundschaftliche Beziehung zum väterlichen Herrscher geprägt ist, dem er auch seine Ausbildung und seinen Aufstieg am Hof verdankte. Einhards Blick auf Karl ist indes auch durchdrungen von Entfremdung und Distanz zur Herrschaft des Nachfolgers. Auch dieser fand ihm nahestehende Biographen, die auf einen neuen Stil, neue Ziele und Maximen seiner Herrschaft hindeuten: Kirchen- und Klosterreform sowie der Kampf um die von Karl geschaffene Reichseinheit rückten schon bald nach Karls Tod unter dem einzigen überlebenden Erben ins Zentrum; viele einstige Getreue Karls verließen den Hof, unter ihnen bald auch Einhard. Das aufgeschlossen-höfische Klima, das Einhard so (scheinbar) authentisch schildert, änderte sich unter Ludwig markant, insoweit die überlieferten Stimmen repräsentativ sind. Einhard steht deutlich für die ›alte Zeit‹, in der Kriege noch expansiv nach außen zielten und Hof und Familie unter dem großen Patriarchen in bisweilen übermäßiger Fürsorge gediehen, während sie seit den 830er Jahren zum Schauplatz von blutigen Familien- und Adelsfehden wurden. Man darf nicht vergessen: Die für die deutsche und französische Sprach- und Kulturgeschichte so wichtigen Straßburger Eide sind kein Dokument des Friedens und der Eintracht, sondern ein Pakt zweier Söhne Ludwigs gegen den dritten, ihren eigenen Bruder!

Der St. Galler Mönch Notker (Balbulus) schrieb schon ganz in dieser längst nicht mehr neuen Realität: Drei Generationen nach dem ›großen‹ Karl, und zwei nach seinem Sohn Ludwig, war die Desintegration des Reiches weit fortgeschritten. Normannen, Sarazenen und bald auch die Ungarn bedrohten die Grenzmarken, und ein Urenkel des ›Großen‹, der dritte mit Namen Karl (und dem Beinamen ›der Dicke‹, 876-888) erbte durch biologischen Zufall noch einmal das Gesamtreich (verlor es aber bald wieder). Für diesen Karl und auf ihn hin schrieb Notker die Gesta – nicht mehr also fokussiert auf das Leben, sondern auf die ›Taten Karls‹, die durchaus vorbildlich-exemplarisch konzipiert sind.

Der Text ist voll von (in moderner Wahrnehmung) phantasievoller Fiktion, die der pädagogischen Absicht entsprach. Nach dem Tod des Adressaten gab es endgültig einen Reichsteil im Westen und einen im Osten, die sich bald zu Teilreichen verfestigten, auch wenn beide für einige Jahrzehnte noch von Karolingern, d.h. direkten Nachfahren Karls, regiert wurden. Der Blick auf den großen Karl duplizierte sich fortan: Der romanisierte Westen, aus dem in den folgenden Epochen Frankreich werden sollte, sah bald nicht mehr den fränkisch gekleideten, die germanische Sprache kultivierenden Karl des Rechtsrheiners Einhard, sondern den Ahnvater seiner Könige; der Osten sah zunehmend den Eroberer und Reichsgründer, Vogt der römischen Kirche und ersten Kaiser.

Die Aachener Karlsvita blickt bereits nach Abschluss dieser Teilreichsbildungen auf Karl, und aus der verglichen mit Einhard so ganz anderen ›Biographie‹ Notkers lässt sich wie in einem Brennglas nur drei Generationen nach Karls Tod das Einsetzen der Legendenbildung beobachten. Für das westliche Frankenreich stehen für das Frühmittelalter keine vergleichbaren Vitae zur Verfügung, doch vervollständigt sich der ›gekreuzte Blick‹ anhand der karolingischen Annalistik, die überdies grenzüberschreitend erkennen lässt, bis zu welchem Ausmaß in den Klöstern des westlichen und östlichen Frankenreiches überhaupt noch Ereignisse aus dem je anderen Reichsteil für relevant gehalten und registriert werden.16 Insgesamt geben die noch recht lebenszeitnahen biographischen Texte Anlass zur Frage, inwieweit die Perspektive des Gesamtreichs auf Karl den Großen noch trägt, inwieweit umgekehrt bereits Einschränkungen im sprachgeographischen Horizont und Partikularinteressen des Adels der Reichsteile den Blick ›verengen‹.

4.2 Der Weg in die ›postkarolingisch‹-volkssprachige Epik

Mit den ersten volkssprachigen Vertretern der romanischen Karlsepik beginnt eine neue, ungemein nachhaltige, vitale und polyfunktionale Linie der Karlsrezeption – wiewohl Karl selbst nur einer, und oft nicht der wichtigste, ihrer Protagonisten ist. Wie Artus im Artusroman so steht auch der Karl der Karlsepik als Garant der feudalen Ordnung (die er freilich mitunter auch selbst bedroht), Schutzherr des Reichs und des Friedens im Hintergrund der Taten anderer; wie der Artus der Tafelrunde hält er mit seinen Paladinen Hof, doch anders als Artus und die Artusritter nicht in einem imaginären Irgendwo, sondern im ›Hier und Jetzt‹ eines von Glaubenskrieg und feudaler Disruption bedrohten mediterranen Europa, in dem die Volkssprachen sich kulturell vom dominanten Latein emanzipieren. Mit der Chanson de Roland (um 1100; vgl. [Altfranzösisches Rolandslied] 1999; [Pfaffe Konrad] 1993) beginnt nicht allein die nachlateinische, altfranzösische Epik, sie ist auch der programmatische Beginn einer westfränkischen Karlsrezeption jenseits der von Einhard vorgezeichneten historiographischen Linien. Der anonyme Verfasser spricht von der douce France und meint damit nicht mehr das Frankenreich Karls, sondern das Frankreich seiner Zeit. Den Français de France weist er dementsprechend die herausragende Rolle im ansonsten multiethnischen Heer Karls des Großen zu. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Chanson de Roland zum französischen Nationalepos schlechthin stilisiert – nicht von ungefähr parallel zu analogen Aufstiegen König Arthurs/Artus’ im zugleich angelsächsischen und britisch-keltischen England und Wales oder der Nibelungen und Dietrichs von Bern im politisch noch lange ungeeinten Deutschland.

Gerade diese Entwicklung macht den Vergleich mit der mittelhochdeutschen Bearbeitung der Chanson durch den Pfaffen Konrad im Rolandslied (um 1170) besonders spannend: Wie lässt sich ein dergestalt ›protonational-französisch‹ profilierter Karl einem deutschsprachigen Laienpublikum nahebringen und vermitteln? Es gelingt nur – und ebenfalls erfolgreich –, indem der wohl für den Welfenhof Heinrichs des Löwen wirkende Autor die Perspektiven auf Karl verändert, den Blick des französischen Anonymus (und seiner mündlichen Vorläufer) kreuzt und seine Akzente verschiebt. Kurz resümiert, wird aus der Chanson ein Buchepos, aus deren douce France das roemische rîche, aus dem Verteidiger der Heimat gegen sarazenische Invasoren der Schutzherr von Kirche und Papst sowie der rex Christianus in heilsgeschichtlicher Mission. Seine Paladine, hier vor allem der Titelheld Roland und sein loyaler Gefährte Olivier, werden zu Idealvertretern des miles Christianus und Kreuzritters, hier noch in defensiver Aktion, doch zur Entstehungszeit des deutschsprachigen Rolandslieds auch schon offensiv als Kreuzfahrer in der Levante. Ergänzend tritt um 1225 das formale wie inhaltliche ›Update‹ des Rolandslieds durch den auch sonst sehr produktiven Dichter mit dem Kunstnamen ›der Stricker‹ hinzu (vgl. [Strickers Karl] 2016), in dem die ›Rolandsgeste‹ durch Erweiterungen und Reakzentuierungen wieder stärker zur Lebensbeschreibung Karls umgestaltet wird.

Der vergleichende Blick auf die drei Texte – denen in allen germanischen und romanischen Sprachen, in Vers und in Prosa, Dutzende weitere Karls-, Rolands- und ›Kreuzzugsepen‹ gleicher Stoffprovenienz folgen werden17 – wirft angesichts der frühen ›protonationalen‹ Verengung des Blicks einige intrikate Fragen auf, die sich nur in der konsequent parallelen, letztlich transnationalen Lektüre ansatzweise klären lassen: Wie eigentlich, und in welchem kulturellen Bezugskontext, verändern sich im Zuge der heroischen Episierung die Perspektiven auf den originär gesamteuropäischen Stoff? Welche Identifikationsangebote sprechen die jeweilige Rezipientenseite an, welche werden (bewusst?) ignoriert, überschrieben, umgeschrieben? Inwieweit sind die sich differenzierenden Karlsprofile noch von den frühen Quellen, gar vom realen Leben Karls (das wir indes auch nur über Literarisierungen kennen!) gedeckt? Inwieweit trägt gerade die die Germania mit der Romania verbindende Karlsfigur dazu bei, dass sich die Erinnerungskulturen beider Sprachräume und werdenden Nationen sukzessive auseinanderentwickeln, und ist der Karl ›der Franzosen‹ am Ende nurmehr eine Figur gleichen Namens, aber völlig anderer Erinnerungsreflexe und Funktionen wie jener der ›Deutschen‹?

4.3 Der Karl früher volkssprachiger Chronisten

Im 12. Jahrhundert hatten sich in den ehemals west- und ostfränkischen Reichsteilen nationale Königsdynastien herausgebildet, die versuchten, Karl den Großen in ihre Tradition einzubinden und so zum Teil ihrer dynastischen Legitimation zu machen. Für den deutschen Sprachraum erschließt zu dieser Zeit – um die Mitte des 12. Jahrhunderts, also kurz vor Konrads Bearbeitung der Chanson de Roland – die frühmittelhochdeutsche Kaiserchronik (vgl. [Deutsche Kaiserchronik] 1892; [Kaiserchronik] 2014) erstmals die Geschichte von 36 römischen sowie 18 fränkisch-deutschen Kaisern einem volkssprachlichen Publikum, wobei Karl der Große einen der längsten der als Gesta organisierten über 50 Einzelabschnitte erhält. Er bildet auch das narratologische und konzeptionelle Scharnier zwischen den meist längeren, mit reichem Sagen- und Legendenmaterial unterfütterten Antikenabschnitten und den (eben mit Ausnahme Karls) meist chronistisch-dürren, auf Kriege und Rebellionen konzentrierten fränkisch-deutschen Geschichten. Mit Karl verbindet sich in der Kaiserchronik vor allem die Idee der ›Translatio imperii‹, die das Kaisertum von Rom über die Alpen ›trägt‹ und das westliche, später ›deutsche‹ Kaisertum begründet, das zur Zeit des Verfassers vom ersten Stauferkönig Konrad III. beansprucht wird – er ist auch der letzte in die Chronik aufgenommene Herrscher, der beim fragmentarischen Ende noch lebt und sich eben daran macht, zum zweiten Kreuzzug nach Palästina aufzubrechen.

Ein Vergleich der Kaiserchronik mit zeitgenössischen altfranzösischen Geschichtsdichtungen steht noch aus. Die Einordnung Karls in die sich entwickelnde französische Nationalgeschichte ließe sich an den (etwas späteren) französischen Fassungen der Grandes Chroniques de France (ab Mitte des 13. Jh.s) oder an der universalhistorisch angelegten Chronique de Baudouin d’Avesne (um 1280) studieren (vgl. [Grandes Chroniques] 1920-1953; [Chronique de Baudouin d’Avesnes] 1880). Der Wechselblick auf die Karlsfigur in beiden beginnenden chronistischen Traditionen (vgl. Jans von Wien 1891/1900) könnte mehrere spannende Fragenkomplexe aufklären: Wie binden volkssprachige Geschichtsschreiber diesseits und jenseits des Rheins, die den innerklerikalen Diskurs verlassen und mit der Wahl ihrer Sprache für ein laikales, adliges Publikum schreiben, wohl auch als dessen Sprachrohr auftreten, die bislang so dominant klerikal geformte Karlsfigur in den Gang der Universal-, Volks- und Reichsgeschichte ein? Wie taxieren sie sein ideologisches und politisches Erbe, welche Leistungen betonen, welche übergehen sie? Wie gestalten sie schließlich die Konkurrenz um Wirkorte und Memoria zwischen Aachen, Paris, St. Denis, Rom, Paderborn, Frankfurt, auch Wien (von punktuelleren Anknüpfungen wie dem Regensburger Schottenkloster ganz zu schweigen)? Und welche Rolle spielen ›Stakeholder‹ der Memoria wie das französische Königtum, das staufische und poststaufische römisch-deutsche Kaisertum, der Hoch- und der Niederadel (Ansippungen an Karl sind hier Legion!), die Kirche (viele Bistümer und Klöster führen sich, nur teilweise zu Recht, auf Karl zurück, Wahl- und Krönungsorte erheben auf ihn Anspruch), ja selbst Städte (man denke nur an die Rolandsfiguren) und Bauern, die sich Karls als Rechtsetzer erinnern? Für die letztere Seite ist im Deutschen die Weltchronik des Wiener Stadtbürgers Jans einschlägig, die ein recht frühes Zeugnis städtischer Meinungs- und Interessenbildung zu Karl darstellt: betont un-offiziös, anekdotisch, aufgeschlossen auch für die ›dunklen‹ Seiten des Kaisers.

Alle genannten Institutionen und Milieus sind als Auftraggeber und Verfasser, Rezipienten und Verbreiter eines funktional immer mehr ausfransenden ›Karlsmythos‹ anzusprechen, die das Wissens- und Erinnerungsfeld Karl seit dem Hochmittelalter schier inflationär ausweiteten – man möchte von einem ›Erinnerungsraum‹, gar ›-kosmos‹ sprechen. Ihnen ist es zu verdanken, dass Karl bis heute ein tief verwurzelter europäischer ›Mythos‹ blieb.

4.4 Zyklisch-enzyklopädisches Erzählen von Karl: spätmittelalterliche Impulse

Das literarische Spätmittelalter ist in vieler Hinsicht, und dies auch mit Blick auf die Karlsliteratur, eine Epoche zunehmender Verschriftlichung; man sprach geradezu, noch vor dem Buchdruck, von einer ›Literaturexplosion‹. Zugleich tendiert es zur stofflichen Summenbildung und Enzyklopädisierung.18 Der Artusstoff findet im monumentalen französischen Lancelot en prose (13. Jh.) und in Malorys englischer Morte d’Arthur (15. Jh.) seine quasitotale Vollendung, die germanische Heldenepik wird in populären frühnhd. ›Heldenbüchern‹ (14. bis 16. Jh.) zusammengeführt, riesige Chronikkompilationen und Enzyklopädien vereinigen das Geschichts- und Weltwissen der Epoche sprachübergreifend zwischen zwei Buchdeckeln, und auch die romanische Karlsepik findet im Deutschen wie Französischen summenartige An- und nachgerade auch Abschlüsse. Allerdings unterscheiden sich die Methoden und entsprechend auch die Resultate: Während die romanischen Epen zu großen Prosazyklen kompiliert werden, erlebt der Stoff im Deutschen zunächst noch eine umfangreiche Verssynthese: den Karlmeinet (= Karl Magnus; 14. Jh.). Diese ›Karlsbiographie‹ in 36.000 Versen montiert unterschiedliche literarische Quellen, die über Karl im Umlauf waren, zur umfangreichsten Sammlung von Karlsgesten und -legenden im Deutschen. Zahlreiche, auch schwer vereinbare Genre- und Stofftraditionen sind zusammengeführt: Das anonyme Werk ist auch darin summarisch, dass es unterschiedlichste, nicht nur positiv besetzte Karlsbilder integriert oder nebeneinanderstellt.

In Frankreich hatte sich zu dieser Zeit längst die Prosa durchgesetzt. Ältere Epen der ›Karlsbranche‹ werden in dieser, der Historiographie näherstehenden Form neu erzählt, neue entstehen, um stoffliche Lücken zu schließen, und die Überlieferung reiht sie zu Zyklen. Einige dieser Texte wiederum werden, freilich selektiv und ohne Rücksicht auf die zyklische Form, im 15./16. Jahrhundert dann wiederum in deutsche Prosa übertragen, so namentlich in den vier Prosaromanen (oder ›Historien‹; die Begrifflichkeit ist in diesem Übergangsfeld von Geschichte und Fiktion so schwierig wie strittig) aus dem Umkreis der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (um 1395-1456). Gleichzeitig lebt, über niederländische Vorstufen, auch die Versform fort, so in drei Bearbeitungen sogenannter Empörerepen für den Heidelberger Hof. Der Held und seine Sippe lehnen sich in diesem Zweig der epischen Karlsüberlieferung gegen den König und Gefolgsherrn auf, der als übler Despot erscheint: auch dies eine ›dunkle‹ Seite des Karlsbildes, die sich in anderer Form in der deutschsprachigen Chronistik fand (s.o., Jans von Wien).

Das Nebeneinander der Sprachen Französisch, Niederländisch, Deutsch, der Formen Vers und Prosa, der Formate Einzel- und Zyklusüberlieferung und der Medien Handschrift und Frühdruck provoziert erneut mehrfach gekreuzte Blicke und Fragen von hoher literarischer und kulturhistorischer Relevanz. Welche im 12./13. Jahrhundert etablierten Karlstraditionen bleiben prägend, welche meist höchst ambivalenten Sichtweisen auf Karl treten neu hinzu? In welchem kulturellen und politischen Kontext steht die neue Welle des Transfers, welche Rolle spielen dabei die Nachfolgeregionen des einstigen karolingischen Mittelreiches – Lotharingien – von den Niederlanden über ›SarLorLux‹ und die Schweiz bis Oberitalien? Was bedeutet die neue Form der Prosa für die Gattung (Epos/Roman?), die Rezeptionsweise (Vortrag/stille Lektüre?), die Rezeptionsmilieus (auf die kurze wie anachronistische Formel gebracht: ›Ritterrenaissance‹ oder ›Volksbuch‹?), den Geltungsanspruch (historia/Fiktion)? Und: Wie ist es stofflich und zeithistorisch einzuordnen, wenn im Spätmittelalter der Sünder, Schwächling und Tyrann Karl immer häufiger den idealen rex Christianus überlagert, dass sich der Fokus auf redliche Gegner Karls als Sympathieträger verschiebt, die sich mit Recht gegen ihn auflehnen und verschwören?

4.5 Themen und Aspekte des vormodernen Karl: ein Querschnitt

Die bis hierher im selektiven Längsschnitt resümierten, vornationalen Modellierungen der Karlsfigur fördern Dimensionen und Dynamiken des Karlsbilds zu Tage, die sich auch systematisch perspektivieren lassen.

Dies beginnt mit den Aussagen zu Karls Herkommen und Gestalt, die literarischen Mustern folgen und von einer unverfänglich legitimen Geburt, von Körpergröße und Ebenmaß nach antikem Ideal bei Einhard bis zu dubiosen Herkunftsgeschichten und einer geradezu monströsen Körperlichkeit nach dem Vorbild heldenepischer Riesengestalten in der späteren Epentradition reichen (vgl. [Pseudo-Turpin] 1986: 90).

Einen tieferen Blick auf Reichs-, Teilreichs- oder protonationale Perspektiven (mithin stärker ›gekreuzte‹ Perspektiven) gestattet die Frage nach dem vom Rex Francorum beherrschten Raum, nach Völkern und Völkernamen. Hier treten wechselnd (die) Franken schlechthin, ›alte‹ oder ›neue‹ Franken, gallisch oder theodisk sprechende Ethnien, ›Kerlinge‹ oder ›Franzoise‹ bzw. ›Français‹ hervor. Schon im späten 9. Jahrhundert zeigt Notker Balbulus erste, aus frühen Teilreichsperspektiven stammende terminologische Verunsicherungen (vgl. [Notker] 1960: 323f., 334, 336, 350 u. 354), während die für das französische Königtum vereinnahmten Franken der Chanson de Roland die beginnende Nationenbildung reflektieren. Solche Entwicklungen können jedoch, einmal erkannt, bei der Vorlagenwanderung über Sprach- (und nun auch Nationengrenzen) wieder zurückgedrängt werden, wie Konrads Rolandslied bezeugt, das den ›französischen‹ Anstrich Karls zugunsten einer supranational-christlichen Kreuzzugsideologie revidiert.

Das Gebiet selbst, über das Karl herrschte, erweist sich in weitem Maße als formbar: Ist die Geographie bei Einhard noch recht konkret durch Länder- und Regionennamen abgesteckt, die sich historisch in etwa mit Karls Itinerar decken, so begegnet im 12. Jahrhundert in der in Frankreich entstandenen und Turpin, Bischof von Reims, zugeschriebenen Historia Karoli Magni et Rotholandi eine geradezu hypertrophe Fülle von Schauplätzen und Wirkensorten zwischen Spanien und Byzanz, ja Jerusalem (vgl. [Pseudo-Turpin] 1986: 37f. u. 40). Die Kaiserchronik springt von ›Kerlingen‹ über Rom und Italien, Sachsen, Navarra und Arles bis Galizien, manches wundersame Ereignis bleibt örtlich dabei auch unbestimmt. Alle vom christlichen Universalherrscher Karl unterworfenen Völker werden hier letztlich zu Heiden erklärt, die erst Karl seinem Gott unterwirft, die Römer irritierenderweise miteingeschlossen (vgl. [Kaiserchronik] 2014: 342f., v. 14824f.). Einhards nur dezent bemühte imperiale Züge wiederum steigert die zwischen dem Ende des 11. und dem Ende des 12. Jahrhunderts entstandene episch-komische Voyage de Charlemagne à Jérusalem et à Constantinople (vgl. [Voyage de Charlemagne] 2017) derart, dass vor dem Angesicht eines zum französischen Superhelden stilisierten Karl dem ehrwürdigen oströmischen Kaiser nur noch der Titel eines ›roi‹ zugestanden wird: immerhin noch ein ferner Reflex des tatsächlich bis in die Lebenszeit Karls zurückreichenden ›Zweikaiserproblems‹.

Die Anreicherung mit jeweils zeittypischen Elementen zeigt sich vor allem in sich wandelnden sozialen Strukturen wie dem Lehnswesen. In den frühen Texten, die noch unter dem Eindruck eines Königtums als Zentralgewalt entstanden, unterhalb dessen alle Adelsschichten weitgehend nivelliert waren und sich bestenfalls durch zeitlich begrenzte Amtsgewalt abhoben, fehlt es noch als Substrat, doch seit dem 12. Jahrhundert tritt die Umgebung Karls immer deutlicher als Feudalverband hervor, der bei zentralen Entscheidungen zu beteiligen war. Weniger konsequent sind die seit dem 12. Jahrhundert allenthalben sich verstärkenden höfisierenden Tendenzen – dies durchaus auch im Unterschied zum Artusstoff und -roman. Im Rolandslied immerhin ist Karl auch als vollkommenster aller höfischen Herrscher gezeichnet (vgl. [Pfaffe Konrad] 1993: v. 641-708), während er in der Kaiserchronik noch als Gotteskrieger ohne genuin höfische Züge agiert. Aber er kämpft eben auch in den Epen und Romanen selbst, wohingegen ein Artus seine Ritter aussendet und selbst nurmehr Wahrer der höfischen Bräuche ist.

Nahezu alle Texte beschäftigen sich mit den Aspekten Krieg und Kirche. Als machtvoller Kriegsherr tritt Karl in schlechterdings allen Karlstexten, historiographisch wie episch, aus relativer Nähe wie großer Distanz in Erscheinung. Während Einhard jedoch lediglich die während seiner Herrschaft geführten Kriege summiert, ohne den aktiv-persönlichen Anteil des Kriegsherrn hervorzuheben, wird diese Rolle in den folgenden Jahrhunderten unter dem Eindruck von Kreuzzügen und Feudalkriegen immer stärker individualisiert, bis hin zum geradezu heldenepischen Topos und Typus des exorbitanten Kämpfers (vgl. [Pseudo-Turpin] 1986: 50). Sehr früh, so im Paderborner Epos (vgl. [De Karolo rege] 1999: 44-46) und bei Einhard, erscheint Karl in dieser Funktion zugleich auch als Schutzherr der Kirche. Das anfangs noch relativ unspezifische Bild, das Karl als christlichen Herrscher inszeniert, der Kirche aber keine zentrale reichspolitische Stellung zugesteht (so bei Einhard), kann auf verschiedene Weise adaptiert werden. Bereits Notker idealisiert Karl als Kämpfer gegen innerkirchliche Verfallserscheinungen wie Bestechlichkeit, Macht- und Gewinnstreben. Bei Pseudo-Turpin treten deutlich Aspekte der Herrschersakralisierung in Verbindung mit Legendenmotiven hervor (vgl. [Pseudo-Turpin] 1986: 50 u. 102). Unter dem Eindruck der auch im Westfrankenreich gestiegenen Bedeutung der Kirche für das Königtum rühmt Pseudo-Turpin indes gerade das, was Notker noch als Verfallserscheinung brandmarkt: Karl macht die Kirche reich und mächtig (vgl. ebd.: 118f.). Ähnliche Vereinnahmungsstrategien für die lokale Kirchentradition mit frühnationalem Impetus zeigen sich in der Aufwertung der Abtei St. Denis, in der man es offenbar nie verwunden hatte, dass Karl in der Reihe der Königsgräber fehlt. Der Autor des Pseudo-Turpin beruft sich auf Karl, um St. Denis zum Haupt der gesamten französischen Kirche zu erheben, es mit bedeutenden Reliquien aus einem grandios übertriebenen Spanienfeldzug auszustatten und zu erklären, dass nur ein ›freier Mann des Heiligen Dionysius‹ sei, wer für den Kirchenbau von St. Denis spende. Das in unmittelbarer Folge ausführlich geschilderte Aachen wird dagegen zu einem unpolitischen Bildungsort herabgewürdigt (vgl. ebd.: 119-123). Die Aachener Karlsvita zahlt im gekreuzten Blick, doch mit gleicher Münze zurück: Karl habe Aachen zum Haupt der Kirche bestimmt, dort seine Begräbnisstätte gewählt und die Reliquien aus dem Spanienfeldzug zur Verehrung hinterlegt.19 Diese Rechtsbestände versuchten beide Seiten mittels Urkundenfälschungen auf Karl den Großen abzusichern.20

Auch Karls besonderes, für einen frühmittelalterlichen Herrscher geradezu eklatantes Verhältnis zur Bildung tritt früh in den Texten hervor und bleibt ein vielberufener Topos. Der reale Hintergrund liegt in der epochalen, der Wirkung nach weit über die militärischen Taten und (Augenblicks)Erfolge hinausgehenden Schrift-, Sprach- und Bildungsreform, die lange unter der Kennung ›karolingische Renaissance‹ firmierte, heute zurückhaltender als ›Renovatio‹ bezeichnet wird – ganz Westeuropa verdankt ihr u.a. die noch heute gültige ›lateinische‹ Schrift.

Noch zu Lebzeiten wird Karls persönlicher Einsatz für die Bildung, der auch in Kapitularien und Sendbriefen anklingt, im Paderborner Epos (vgl. [De Karolo rege] 1999: 15-17) gerühmt. Die Vita Karoli Magni Einhards perpetuierte ihn geradezu und machte aus dem politisch-ideologischen Programm einen auch persönlichen Zug, der noch durchwachte Nächte mit Fibel und Griffel verband: Karl, der stets Bildungshungrige, als Lernender lehrend (vgl. [Einhard] 2018/1996: 49, Kap. 35). In Notkers Vita erscheint er bereits als der Fundator einer vor allem für das Klosterleben zentralen Bildungstradition (vgl. [Notker] 1960: 334). In späteren Texten kann Karls Bildungseifer zugunsten anderer literarischer Traditionen zurücktreten, aber völlig fehlen wird er nur selten, und er mündet bekanntlich im Frankreich des 19. Jahrhunderts in der (als Kehrseite des Nationalhelden und Kriegers nur allzu schönen) Mär von Karl als dem Ahnherrn der Volksschule. Nicht selten überlagern indes die Ideale höfischer Lebensart, heldenhaften Kampfes oder vorbildlicher Gefolgschafts- und Lehenstreue die intellektuellen Ambitionen und Bezüge des literarisierten Karl.

Ein anderes, von der Vielfalt der Texte ebenfalls unterschiedlich berührtes und eingefärbtes Thema ist das Verhältnis Karls zu den Frauen. Während in der zeitgenössischen Chronistik und (mit Einschränkungen immerhin, was Frauen und Konkubinen angeht) noch bei Einhard die Frauen in der Umgebung Karls und das Verhältnis des Herrschers zum anderen Geschlecht weitgehend ignoriert werden, verwendet das Paderborner Epos schon erheblichen Raum für teilweise sehr individuelle Aussagen über Karls Ehefrauen und Töchter (vgl. [De Karolo rege] 1999: 25-29). Weniger von nationalen als von milieubedingten Positionen der Verfasser späterer Texte kann das Frauenbild zwischen Misogynie und höfischer Überhöhung fast stufenlos schwanken,21 wobei der apokryphen Anekdote von Karls Nekrophilie und, folgerichtig, unaussprechbarer Sünde (im Deutschen erstmals in der Kaiserchronik) ein besonderer Stellenwert zukommt.

Alle genannten topics und Themen – Karls Herkunft und Aussehen, die territoriale und ethnische Ein- und Entgrenzung seines Reiches (mit durchaus post-kolonialen Impacts!), die gattungstypologische Setzung bestimmter Themenakzente wie Hofkultur, Kriegertum, Glaubensschutz, Bildungspflege, der Genderaspekt – konnten und sollten nur einen Ausschnitt aus dem Tableau möglicher Facetten des Wechselblicks geben. Allein sie zeigen aber schon den vielversprechenden Horizont der Indienstnahmen, die im Rahmen des Workshops schließlich noch in die Historiographie des 19. Jahrhunderts ›verlängert‹ wurden.

5. Karl auf dem Weg in die Moderne

Nationale und postnationale Karlsbilder

5.1 Nationale Aneignungen

Das lange 19. Jahrhundert ordnete Karl den Großen zu beiden Seiten des Rheins mit je unterschiedlichen, aber stets von nationalen Perspektiven geprägten Tendenzen in die eigene Geschichtsschreibung ein. In der öffentlichen Wahrnehmung Frankreichs galt Karl stets als französischer König, wie schon seit dem 13. Jahrhundert seine Integration in die Königsportale französischer Kathedralen belegt. Im Reiterstandbild Charlemagne et ses Leudes (1878) von Louis und Charles Rochet zeigt sich Karl der Große neben St. Denis als Vorbild für nationale Einheit (eine seiner Begleitfiguren wurde übrigens zum Vorbild für den präkarolingischen, gleichwohl nationale Stereotypen befördernden Asterix). In der öffentlichen Ikonographie Frankreichs dominieren mit Blick auf Karls Kapitularientätigkeit das Bild Karls des Großen als Gesetzgeber sowie die Krönungsbilder, die an die imperiale Tradition Frankreichs seit Napoleon anschlussfähig waren. Napoleon I. krönte sich 1804 in Notre-Dame mit einer Krone, die er als Krone Karls des Großen bezeichnete. Das Ringen um die Integration Karls in die Nationalgeschichte wurde mitunter physisch ausgetragen. 1794 bauten französische Revolutionstruppen die Marmorsäulen des Aachener Doms (die ihrerseits römische Spolien Karls waren) aus, um sie im Apollo-Salon des Musée Napoléon zu verbauen. Nach der Niederlage Napoleons 1815 wurden sie ebenso demonstrativ wieder nach Aachen zurückgebracht. Genau dort verherrlichte 1849/50 Alfred Rethel Karl den Großen bei der Ausmalung des Aachener Rathauses als den großen Heidenkämpfer – unter einer schwarz-rot-goldenen Fahne. Nach der Reichsgründung beförderten die Hohenzollern einen national eingefärbten Karlskult. Das skurrilste Beispiel dürfte das 1902 fertiggestellte Linienschiff der kaiserlichen Marine Karl der Große sein, das programmatisch unter dem Flaggschiff Kaiser Wilhelm II. fuhr.

Derartige Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Eine etwas differenziertere Perspektive erlauben jedoch Einblicke in die im selben Zeitraum im Entstehen begriffene wissenschaftliche Geschichtsschreibung.22 Den noch vorrevolutionären, aber dezidiert aufklärerischen Blick auf Karl liefert Voltaire (1694-1778). Er billigt Karl zwar zivilisatorische Fortschritte in Militärwesen, Recht, Verwaltung und Wissenschaft zum Ruhme Frankreichs zu, skizzierte dabei aber auch eine feudal-machiavellistische Kühle und zeichnet seine Eroberungen im Osten als Vorläufer eines französischen Kolonialismus, der unattraktiven, heidnischen, rückständigen und wirtschaftlich ertraglosen Gebieten ein französisches Zivilisationsgerüst verlieh (vgl. Voltaire 1829: 401-475). François Guizot (1787-1874) betont ebenfalls zivilisatorische Errungenschaften in Krieg, Recht und Wissenschaft, kritisiert jedoch, dass Karls Anstrengungen lediglich auf den Nutzen seiner persönliche Herrschaft gerichtet waren, ohne dass dies zur dauerhaften Stabilisierung eines die Zeiten überdauernden Staatswesens beigetragen habe (vgl. Guizot 1840: 113-151). Jules Michelet (1798-1874) blickt mit Ernüchterung auf Karl. Schon für die Fortschritte in Literatur und Wissenschaft habe er Fremde gebraucht (Alkuin, Theodulf etc.), seine Kriege seien in Italien nur Episode gewesen, bei den Sachsen aus purer Antipathie erwachsen und hätten bei aller äußeren Größe seinem Sohn Ludwig doch nur ein unfertiges und im Inneren schwaches Reich hinterlassen (vgl. Michelet 1869: 222-273).

Auch unter den Geschichtsschreibern auf der anderen Seite des Rheins hat der Urvater der deutschen Historikertradition, Leopold von Ranke (1795-1886), gewisse Probleme, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen, wenn er Karl als Vollstrecker der Weltgeschichte bezeichnet, dessen brutales Vorgehen zur Integration der Sachsen in den Reichsverband nur mit christlich-zivilisatorischen Motiven zu rechtfertigen war. Rühmenswert ist ihm Karls christliche Herrschaft ohne Unterwerfung unter die Kirche, ein zwiespältiges Bild hinterlässt Karls Versuch der Schaffung einer einheitlichen Völkergenossenschaft, die nur auf der Grundlage der Zerstörung des germanischen Stammeswesens gelingen konnte – immerhin habe er aber die deutsche Sprache geliebt! (Vgl. Ranke 1921/1885: 215-262)

Der Rankeschüler Georg Waitz (1813-1886), einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Nationalgeschichtsschreibung, sieht Karl als Neugestalter einer europäischen Ordnung, insbesondere aber der deutschen Verhältnisse, bei denen Karl zwar gewaltsam, aber letztlich doch zukunftsweisend für eine deutsche Nationenbildung eine Vereinigung der Sachsen mit den übrigen deutschen Stämmen herbeigeführt habe; in charakteristischer Engführung der Perspektive betont Waitz, dass Karl selbst im Kaiserornat seinen deutschen Ursprung nie vergessen habe (vgl. Waitz 1862: 9-15). Wilhelm von Giesebrecht (1814-1889) sieht in Karl einen der größten Gesetzgeber aller Zeiten, der sein Kaisertum (wobei kirchliche Aspekte eine nachrangige und die romanischen Teile des Reiches gar keine Rolle zu spielen scheinen) auf fränkischen, näherhin deutschen Wurzeln errichtet habe (vgl. Giesebrecht 1929/1860: 110-116). Eben diese imperiale Perspektive bereitet jedoch dem preußisch-kleindeutsch denkenden Heinrich von Sybel (1817-1895) massives Unbehagen. Wie auch bei anderen deutschen Königen und Kaisern kritisierte er an Karl supranationale und imperiale Politik auf das schärfste als verhängnisvollen Irrtum, der von der eigentlichen Bestimmung des deutschen Volkes, seine autochthonen Wurzeln Richtung Osten auszustrecken, abgelenkt habe (vgl. Sybel 1862: 14). Als Sybel-Ficker-Kontroverse ist dieser Streit zwischen groß- und kleindeutschen Perspektiven auf der Suche nach der Nationenbildung in die Geschichte der Geschichtswissenschaft eingegangen.

In der Bilanz zeigt sich, dass die deutsche und französische Nationalgeschichtsschreibung des langen 19. Jahrhunderts massive Anstrengungen unternahm, Karl den Großen als nationalen Ursprungsmythos zu reklamieren. Allerdings war dies auf beiden Seiten nicht ohne Brüche und Irritationen möglich. Allgemeine Anerkennung fanden lediglich Karls Bemühungen um die Bildung. Nationale Perspektiven sind überdeutlich, wenn die französische Geschichtsschreibung Karl als Urfranzosen sieht, der den kolonisierten Deutschen ein Mindestmaß an Recht und Verwaltung beigebracht habe, während für die deutsche Geschichtsschreibung Karl zum Urdeutschen wird, dessen gesamtes Staatsgebilde bei allen supranationalen Tendenzen und imperialer Breite aus fränkisch-germanischen Wurzeln ersproß. Ließ sich auf französischer Seite aus dem Stolz auf die nationale Verfassungs- und Verwaltungstradition Karls Gesetzgebungstätigkeit als leuchtendes Vorbild herausstellen, stieß universal-christliche autokratische Königsherrschaft ohne überzeitlich staatliche Perspektiven bei rational aufgeklärt republikanischen Historiker:innen auf wenig Gegenliebe. Die deutsche Geschichtsschreibung bemühte vor allem die bei Einhard überlieferte Hinwendung Karls zur deutschen Sprache als integratives Element, das alle romanischen Elemente im Vielvölkerstaat zurücktreten ließ, während Karls blutiger Sachsenkrieg durchgehend einen erheblichen Rechtfertigungsdruck erzeugte. Jedenfalls lässt der ›gekreuzte Blick‹ überdeutlich das Motiv hervortreten, Karl den Großen postum zum ›Vater der Nationen‹ zu machen.

5.2 Europäische Verklärung und plus ultra

Dass Karl der Große selbst nach den noch viel weitergehenden Pervertierungen des Karlsbildes im Nationalsozialismus (man denke an die aus französischen Freiwilligen bestehende Panzergrenadierdivision der SS Charlemagne) nicht im Staub der Bibliotheken verschwand, sondern nach 1945 einen erstaunlichen Wandel erlebte, zeigt, dass die historische Figur Karl bis in die Gegenwart offenbar einerseits zu ›groß‹ ist, um auf sie verzichten zu können, andererseits auch variabel genug, um sie mit völlig gegensätzlichen Bildern zu überlagern.

Als nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs eigentlich Karl der Große als Projektionsfläche nationaler Größe hätte desavouiert sein müssen, erwiesen sich gerade die supranationalen Grundlagen seines Herrschaftsverbandes und seiner Gesetzgebung sowie die zufällige weitgehende Übereinstimmung der äußeren Grenzen seines Reiches mit denen der Unterzeichnerstaaten der Römischen Verträge von 1957 als umdeutbare Integrationsperspektive. Der überzeugte Paneuropäer Graf Richard Coudenhove-Kalergi (1894-1972) trat 1950 gar mit dem Vorschlag hervor, das neu zu schaffende Staatengebilde Union Charlemagne zu nennen. Daraus wurde glücklicherweise nichts, geblieben ist lediglich das 1967 errichtete Charlemagne-Gebäude im Europäischen Viertel in Brüssel als Sitz der Generaldirektionen zweier Europäischer Kommissionen. Karl darf sich ganz offiziell zu den #EUnarrative zählen (vgl. o.A. o.J.). So wurde Karl vom umkämpften ›Vater der Nationen‹ zum einheitsstiftenden ›Vater Europas‹. Seit 1950 wird für Verdienste um die europäische Integration der Aachener Karlspreis vergeben. Die Rhythmisierung und Ritualisierung der medienwirksamen Preisverleihung an durchweg hochrangige Preisträger:innen sowie die spezifische Ikonographie der Karlsmedaille und der gesamten öffentlichen Kommunikation tun ihr Übriges. Blickfokus ist ein Karlsporträt umgeben von den europäischen Sternen. Allein diese eingängige Ikonographie dürfte nicht wenig zur Verstetigung jener neuen Facette im Karlsbild beigetragen haben.

Dass dieses Karlsbild zwar sympathischer ist als das vergangener Epochen, dabei aber eben nur ein weiteres Beispiel für eine je nach literarischer, historischer oder politischer Interessenlage nahezu beliebige Füllbarkeit einer in ferner Vergangenheit liegenden Figur, zeigt sich rasch bei der hypothetischen Frage, was denn der historische Karl mit den Grundwerten der Europäischen Union anzufangen gewusst hätte: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Vertragsgedanke, Menschenrechte … Dabei deuten sich schon die nächsten Perspektiven an, bei denen drängende Fragen der Gegenwart historische Begründung in Karl dem Großen suchen: Karl als Vater der Globalisierung.23

Anmerkungen

1 Zu den unterschiedlichen Modi der Mittelalterrezeption (z.B. produktiv, reproduktiv, politisch-ideologisch) vgl. Müller 1986: 508.

2 Zum Ansatz s. Werner/Zimmermann 2002.

3 Im Beitrag führt Heimböckel das der deutsch-französischen Beziehung (bes. im Zuge der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Élysée-Vertrags) mitunter unterstellte gegenseitige Desinteresse und die nachbarschaftliche »Nahfremde« (Heimböckel 2013: 19) auf den Verlust dieses Staunens am Anderen zurück, das wiederum die Grundidee von Interkulturalität ausmacht.

4 Frz. Titel: »Charlemagne. Regards croisés franco-allemands sur une figure européenne«. PIs des Projekts waren Marie-Sophie Winter (geb. Masse), MCF hdr (Département d’allemand/Université de Picardie Jules Verne, Amiens), Prof. Dr. Mathias Herweg (Department für germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung/Karlsruher Institut für Technologie, KIT) sowie Prof. Dr. Amelie Bendheim (Institut für deutsche Sprache, Literatur und für Interkulturalität/Université du Luxembourg). Das Projekt wurde von der DFH finanziell mit einer Fördersumme von 14.970 € unterstützt, die zur Finanzierung der Reise- und Aufenthaltskosten (inkl. Begleitprogramm) der Teilnehmenden aufgewendet wurde. Die Ausarbeitung des Antragskonzepts erfolgte in einem ebenfalls von der DFH unterstützten Vorbereitungstreffen (am 6. Februar 2022 in Straßburg). Der Projektbewilligung (im November 2023) folgte die Phase der Bewerbung – Zirkulation digitaler und gedruckter Werbematerialien (Flyer/Poster) und Auswahl der Kandidat:innen (im Januar 2024) – sowie die Phase der wissenschaftlichen Vorbereitung (die hier insbesondere der Erstellung einer kommentierten Textauswahl diente). Informationen zum Antragsformat finden sich online unter: https://www.dfh-ufa.org/en/information-for/phd-students-researchers- post-docs/scientific-events-for-junior-researchers [Stand: 1.8.2024].

5 Für die Stellung der Räumlichkeiten bedanken wir uns bei der Universität Straßburg, insbesondere bei der MISHA.

6 Die Teilnehmenden kamen von den Universitäten in Aix-en-Provence, Bochum, Bordeaux, Erlangen, Karlsruhe, Lausanne, Luxemburg und Lyon (ENS). Die Annahme ihrer Bewerbung erfolgte über ein Auswahlverfahren auf Grundlage eines aussagekräftigen Motivationsschreibens, unter bes. Berücksichtigung der interkulturellen und mediävistischen Qualifikationen und unter der Voraussetzung einer (mindestens passiven) Sprachkompetenz im Deutschen und Französischen.

7 Eine kommentierte Textauswahl mit deutschen, französischen und lateinischen Quellentexten wurde den Nachwuchswissenschaftler:innen im shared folder zur Verfügung gestellt (zur Textauswahl s. unter 3). Die Auswahl eines Textes, mit dem sie sich im Zuge des Ateliers auseinandersetzen wollten, blieb (nach dem »First come, first serve«-Prinzip) dem Interesse der Teilnehmenden überlassen.

8 Dem Gremium gehörten folgende Wissenschaftler:innen an, die für bestimmte Textgruppen als Ansprechpartner:innen fungierten: Amelie Bendheim (Luxemburg), Mathias Herweg (Karlsruhe) und Heinz Sieburg (Luxemburg) für die deutschsprachigen literarischen Karls-Texte, Peter Andersen (Straßburg), Rainer Leng (Karlsruhe) und Kirsten Wallenwein (Heidelberg/Paris) für die historiographischen und chronikalen, Beate Langenbruch (Lyon), Vanessa Obry (Mulhouse), Christine Putzo (Lausanne) und Marie-Sophie Winter (geb. Masse; Amiens) für die französischsprachigen literarischen Texte.

9 Das gemeinsame Kulturprogramm beinhaltete den Besuch des Europäischen Parlaments (im Zuge dessen die Organisator:innen die Straßburger Eide auf Latein, Althochdeutsch und Altfranzösisch verlesen haben), die Besichtigung des Musée de l’Œuvre Notre-Dame sowie des Straßburger Münsters und eine Handschriftenpräsentation in der Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg (für welche Herrn Daniel Bornemann und Frau Madeleine Zeller ein besonderer Dank gilt). Ein gemeinsames Festessen aller Teilnehmenden rundete die Veranstaltung ab.

10 Das für 2026 beabsichtigte Folgeprojekt soll bei der DFH unter der Leitung von Beate Langenbruch (Frankreich/Lyon), Mathias Herweg (Deutschland/Karlsruhe) und als Drittlandvertretung Amelie Bendheim (Luxemburg/Belval) beantragt werden.

11 Unter der Vielzahl an Publikationen, die sich mit Karls (literarischem) Nachleben beschäftigen, sei lediglich hingewiesen auf Stuckey (vgl. 2022), eine Zusammenführung der Ergebnisse eines Forschungsclusters der Bristol University zum Mythos Karls des Großen in den europäischen Nationalliteraturen, dessen Ergebnisse inzwischen in sieben Bänden publiziert sind (siehe die näheren Angaben online unter: https://www.charlemagne-icon.ac.uk/research-groups/ [Stand: 1.8.2024]).

12 Im Sinne von Nora 1984-1992.

13 Vgl. zum Gesamtabschnitt ›Karlsrezeption im Wechselblick‹: Braunfels/Schramm 1967; Werner 1995; Morrissey 1997; Ehlers 2000; Nora/François 2005.

14 Vgl. [Einhard] 1911: 1-41; mit Übersetzung: Einhard 2018/1996.

15 Vgl. [Notker] 1959: 1-93; mit Übersetzung: [Notker] 1960: 322-426.

16 Vgl. u.a. [Annales] 1826: 3-56; [Notker] 1960: 322-426; Guizot 1824: 173-268; Tessier 1967: 245-272, 406-407 u. 417-418.

17 Vgl. im Überblick (und weiterführend bibliographiert) Schaller u.a. 1999.

18 Vgl. zur Epochensignatur Janota 2004, zum Phänomen der Enzyklopädisierung und (Re)Historisierung in spätmittelalterlicher Epik Herweg 2012 und Herweg/Kipf/Werle 2019.

19 Vgl. zusammenfassend zu den Reliquien und der Förderung Aachens [Aachener Vita] (2002: 36).

20 Vgl. [Diplomata Kar I] 1906: Nr. 286, S. 428-430 (für St. Denis) u. Nr. 295, S. 439-443 (für Aachen); dort jeweils auch zu Umfeld, Quellen und Entstehungszeit der Fälschungen. Dieselben Erzählmotive zugunsten von St. Denis bemüht die [Voyage de Charlemagne] (vgl. 2017).

21 Vgl. etwa [Pseudo-Turpin] 1986: 94; ganz anders dagegen trotz intertextueller Bezüge die [Voyage de Charlemagne] 2017.

22 Generell zu schwankenden Karlsbildern, Umdeutungen, Instrumentalisierungen und der ständigen Neuerfindung Karls ist noch immer höchst lesenswert Borst (vgl. 1967).

23 Vgl. Fried (2013: 740) noch mit Zurückhaltung, seitdem aber in zahlreichen Globalgeschichten des Mittelalters aufgegriffen.

Literatur

[Aachener Vita] (2002): Die Aachener »Vita Karoli Magni« des 12. Jahrhunderts. Auf der Textgrundlage der Edition v. Gerard Rauschen unter Beifügung der Karlsliturgie in Aachen neu hg., übersetzt u. eingeleitet v. Helmut und Ilse Deutz. Siegburg.

[Altfranzösisches Rolandslied] (1999): Das altfranzösische Rolandslied. Zweisprachige Ausgabe. Übersetzt u. kommentiert v. Wolf Steinsieck. Mit einem Nachwort v. Egbert Kaiser. Stuttgart.

[Annales] (1826): Annales Sancti Amandi, Tiliani, Laubacenses et Petaviani, u.a. In: MGH Scriptores [in Folio], Bd. 1. Hg. v. Georg Heinrich Pertz. Hannover, S. 3-18; online unter: https://www.dmgh.de/mgh_ss_1/index.htm#page/3/mode/1up [Stand: 1.8.2024].

Borst, Arno (1967): Das Karlsbild in der Geschichtswissenschaft bis heute. In: Wolfgang Braunfels/Percy Ernst Schramm (Hg.): Karl der Große. Bd. 4: Das Nachleben. Düsseldorf, S. 364-402.

Braunfels, Wolfgang/Schramm, Percy Ernst (Hg.; 1967): Karl der Große. Bd. 4: Das Nachleben. Düsseldorf.

[Chronique de Baudouin d’Avesnes] (1880): Chronique de Baudouin d’Avesnes. In: Istore et croniques de Flandres, d’après les textes de divers manuscrits. Hg. v. Joseph Marie Bruno Constantin Kervyn de Bruxelles. Bd. 2. Brüssel, S. 555-696.

[De Karolo rege] (1999): De Karolo rege et Leone papa: Der Bericht über die Zusammenkunft Karls des Großen mit Papst Leo III. in Paderborn 799 nach einem Epos für Karl den Kaiser. Mit vollständiger Farbreproduktion nach der Handschrift der Zentralbibliothek Zürich, Ms. C78. 2: Text und Übersetzung. Paderborn.

[Deutsche Kaiserchronik] (1892): Deutsche Kaiserchronik (= MGH Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters. Bd. 1, 1). Hg. v. Edward Schröder. Hannover; online unter: https://www.dmgh.de/mgh_dt_chron_1_1/index.htm#page/(III)/mode/1up [Stand: 1.8.2024].

[Diplomata Kar I] (1906): Diplomatum Karolinorum, Bd. 1 (= MGH DD Kar I). Bearb. v. Engelbert Mühlbacher unter Mitwirkung v. Alfons Dopsch, Johann Lechner u. Michael Tangl. Hannover; online unter: https://www.dmgh.de/mgh_dd_karol_i/index.htm#page/(III)/mode/1up [Stand: 1.8.2024].

[Einhard] (1911): Einhardi Vita Karoli Magni (= MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, Bd. 25). Hg. v. Oswald Holder-Eggert. Hannover; online unter: https://www.dmgh.de/mgh_ss_rer_germ_25/index.htm#page/(III)/mode/1up [Stand: 1.8.2024].

Einhard (2018/1996): Vita Karoli Magni. Das Leben Karls des Großen. Lateinisch/Deutsch. Übers. u. mit Anm. u. einem Nachwort v. Evelyn Scherabon Firchow. Stuttgart.

Ehlers, Joachim (2000): Charlemagne – Karl der Große. In: Etienne François/Pierre Nora (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 1. München, S. 41-55.

Fried, Johannes (2013): Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biografie. München.

Giesebrecht, Wilhelm von (21929): Geschichte der deutschen Kaiserzeit [1860]. Meersburg.

[Grandes Chroniques] (1920-1953): Les Grandes Chroniques de France. Publiées pour la Société de l’Histoire de France par Jules Viard. 10 Bde. Paris.

Guizot, François (1824): Collection des mémoires relatifs à l’histoire de France, 3 Bde. Paris.

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