Planetar denken

Ein Einstieg

by Frederic HanuschClaus LeggewieErik Meyer

Planetar denken heißt, die Erde als Planeten ernst nehmen: vom Erdkern bis in den interplanetaren Raum, von der Nanosekunde bis zur Tiefenzeit, vom Elementarteilchen bis zur Erdmasse. Stehen Wechselwirkungen zwischen unserem Heimatplaneten und uns im Zentrum, nimmt ein planetares Wissensparadigma Gestalt an. Es geht einher mit der Relationierung menschlicher Existenz im Universum und der Relativierung der anthropozentrischen Sichtweise. So rücken Fragen der Bewohnbarkeit und Gastfreundschaft in den Vordergrund – und die Schaffung neuen Wissens bedeutet stets auch die Schaffung neuer Welten. Dieses Buch spricht alle mit dem Universum und dem Menschen befassten Wissenschaften an.

Interview mit den Autoren

1. Warum ein Studienbuch zu diesem Thema?

In Zeiten galoppierenden Artensterbens, beschleunigten Klimawandels und akuter Pandemie ist alles Leben auf unserem Planeten in Gefahr. Dass etwas anders werden muss, radikal anders, liegt auf der Hand, doch lassen die erhofften Durchbrüche auf sich warten. Kann es sein, dass wir immer noch nicht weit genug denken? Das ›Planetare Denken‹ versucht darauf Antworten zu finden, indem es die erd- und menschenfixierte Leitidee der Globalisierung hinter sich lässt.

2. Welche Bedeutung kommt diesem Thema innerhalb des Fachgebiets und der wissenschaftlichen Ausbildung zu?

Wir schlagen ein interdisziplinäres Forschungs- und Bildungsprogramm ›Planetarities‹ vor, das sich der Planetarisierung des Sozialen genau wie der Sozialisierung des Planetaren widmet. Es reicht von der Astrobiologie über die Big History, die Geoanthropologie bis zur Erdsystemgovernance. Erste Studiengänge wie ›Planetary Future Studies‹ an der Universität Amsterdam oder die ›Anthropocene Studies‹ an der Universität Cambridge zielen in diese Richtung.

3. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?

Humboldts Dictum ›Alles ist Wechselwirkung‹ gilt weiterhin. Aber eine planetare Perspektive, weiter inspiriert durch den ›Overview‹ aus dem Weltall auf die Erde und ergänzt durch das ›Ultraview‹ in das weitere Universum, verbindet anthropozentrische mit planetozentrischen Sichtweisen über unseren Heimatplaneten hinaus. Planetar denken erfordert daher eine verfassungsgestützte Ausweitung des normativen Kosmopolitismus zu einer umfassenderen Kosmo-Politik.

4. Ihr Tipp zur weiterführenden Lektüre?

Die Grundlage für eine planetare Sozialtheorie des 21. Jahrhunderts entwickeln Nigel Clark und Bronislaw Szerszynski in ihrem Buch »Planetary Social Thought: The Anthropocene Challenge to the Social Sciences«, das dieses Jahr bei der Polity Press in Cambridge erschienen ist. Ebenso erhellend ist aus geisteswissenschaftlicher Perspektive »The Climate of History in a Planetary Age« von Dipesh Chakrabarty, welches ebenfalls dieses Jahr in Chicago bei der University of Chicago Press erschien.

Ressourcen

Metadata

  • isbn
    978-3-7328-5383-0
  • publisher
    transcript Verlag
  • publisher place
    Bielefeld, Germany
  • rights
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    © 2021 transcript Verlag, Bielefeld
  • doi