Anmerkungen
1Wir orientieren uns an der Großen Stuttgarter Ausgabe. Friedrich Hölderlin 1964. Vgl. zu Brod und Wein auch Schmidt 1986 und Groddeck 2012.
2Das Spektrum reicht von der Literaturwissenschaft (Spivak [1999] 2013, Elias/Moraru 2015), der Erdsystemanalyse (Crutzen 2002, Steffen et al. 2020) und Geographie (Clark 2011) über die Kunstwissenschaft (Davis/Turpin 2015, Asendorf 2017) und die Theologie (Bergmann et al. 2017), die Jurisprudenz (Kotzé 2019), die Indigenen Studien (de la Cadena/Blaser 2018), die Geologie (Rossi/van Gasselt 2018) und die Astrophysik (Frank 2018) bis zur Medizin (Deem et al. 2019), Politikwissenschaft (Fremaux 2019), Geschichtswissenschaft (Bonneuil 2020, Chakrabarty 2021) und Soziologie (Clark/Szerszynski 2020, Adloff/Neckel 2020).
3Die philosophische Forschung streitet seit der Entdeckung des Fragments über dessen Autorenschaft statt die wechselseitigen Einflüsse zu betonen, die durch emergente Gedankenführung denjenigen leitet, der sie schließlich niedergeschrieben hat.
4McLuhan/McLuhan [1951]1996, McLuhan [1962]1994a, ders. 1994b, ders. 2011, ders. 1968.
5In einer Vorlesung von 1935 (erst 1953 als »Einführung in die Metaphysik« veröffentlicht) erblickte Heidegger die „Größe“ der NS-»Bewegung« in der Konfrontation mit der planetarisch bestimmten Technik (als »Ge-Stell«), was er in dem nach seinem Tod veröffentlichten »Spiegel«-Interview im Kommunismus wie im »Amerikanismus« wiederentdeckte.
6Dazu Crutzen 2002, Bergthaller/Horn 2019, Anthropocene Working Group 2019, Subramanian 2019.
7 2016 wurde ein Planet des mehr als vier Lichtjahre entfernten Proxima Centauri entdeckt, der nächste Stern außerhalb unseres Sonnensystems und häufiger Schauplatz oder Sehnsuchtsort von Science-Fiction-Autorïnnen. Proxima Centauri b umkreist den Stern einmal alle 11,2 Tage in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern; dass dies innerhalb eines Bereichs liegt, in dem es möglicherweise Bedingungen für die Entstehung von Leben gibt, nährte Spekulationen über die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens. (https://www.mpg.de/10696754/proxima-centauri0,planet).
8Schalansky gibt beim Verlag Matthes & Seitz die hervorragende Buchreihe »Naturkunden« heraus. Dieses ethisch motivierte, inklusive und zuweilen auch schöpfungsgeschichtlich situierte Framing gerät in den Verdacht der Relativierung humaner Existenz (Enxing 2020), wenn beispielsweise die Dokumentation »Earthling« über den Konsum von Fleisch und die Nutzhaltung von Tieren die völlig unpassende Gleichsetzung der Massentierhaltung mit dem Holocaust wagt. Nicht zuletzt findet sich der Begriff in der Pop-Kultur mit einer Band dieses Namens, die sich zwischen Metal und Mittelalter ansiedelt und sich Drastik- und Gothic-Motiven bedient, die auch in rechten Subkulturen eine Rolle spielen, wo der Begriff ein völkisches Verständnis von Blut-und-Boden indiziert. Präsent ist »Erdling« jedenfalls in Esoterik und Spiritualität (musikalisch etwa beim Elektronik-Projekt »Earthling«, u.a. mit dem Album »Radio Gaia«).
9Vitaliano 1973, Gough 1993, Lanza/Negrete 2007, Masse et al. 2007, Mayor 2005 und Ryan/Pitman 2000.
10Tiefenzeit (Deep Time) ist ein aus der Geologie stammendes Konzept und umfasst den Zeitraum der Existenz des Universums und somit auch des Planeten Erde (Farrier 2016, Glikson/Groves 2015). Im Hinblick auf die Entwicklung eines planetaren Denkraums bildet sie eine der bedeutendsten Unterscheidungsmerkmale. Sie ermöglicht die Einbettung menschlichen Handelns in die Geschichte des Planeten und damit das Aufzeigen der (Ent)Kopplung natürlicher und artifiziell geschaffener Rhythmen. Das Einfangen dieser tiefenzeitlichen Planet-Mensch-Beziehungen versucht etwa die Idee der Timefullness, indem sie auslotet was es zu einer zeitbewussteren Gesellschaft und letztlich zu einer poly-temporalen Weltsicht bedarf (Bjornerud 2018).
11Dem Overview-Effekt sind Psychologïnnen auf der Spur, den sie sowohl mithilfe bestehender Konzepte wie jener der Ehrfurcht oder Selbsttranszendenz zu fassen versuchen, als auch unter Zuhilfenahme virtueller Realitäten mit ihm experimentieren (Sample 2019). Virtuell erfahren können Kinder den Overview-Effekt bereits im Rahmen des SpaceBuzz-Projekts, das zu Botschafterïnnen der Erde ausbildet und von der Overview Effect Foundation gestartet sowie von der Europäischen Weltraumorganisation sowie dem niederländischen Raumfahrtbüro gefördert wird.
12Populär ist der Film »Das geheime Leben der Bäume« von Jörg Adolph (2020) nach Arbeiten des Försters Peter Wohlleben.
13Die Epoche der neuen Verwandtschaften zu Mitwesen und Materie bezeichnet Haraway als Chthuluzän (2016).
14Rockström et al. 2009, Steffen et al. 2015b, WBGU 2014, Casazza et al. 2016, Raworth 2018, Biermann/Kim 2020.
15Eindringlich dazu die Marbacher Rede des Virologen Christian Drosten aus Anlass der Verleihung des Schiller-Preises 2020 und die autobiografische Darstellung von Schellnhuber (2015).
16Vor allem im Rückgriff auf Saint-Simon vgl. Die geistesgeschichtliche Bedeutung des Grafen Henri de Saint-Simon. Ein Beitrag zu einer Monographie des Krisenbegriffs. 1950 und Krise und Planung. Studien zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Selbstverständnisses in der globalen Ära. Wien/Frankfurt/Zürich 1965 sowie Pariser Lehrjahre. 1951–1954, leçons de sociologie, Hamburg 1994. Die folgenden Seitenzahlen beziehen sich auf die prägnante Zusammenfassung in Sombart 1964.
17 Sombart knüpft an seine Hauptquelle, den französischen Philosophen und Soziologie-Begründer Henri de Saint-Simon an, der den Plan als »la plus prompte, la plus facile et la plus paisible« qualifiziert hatte.
18 Diese Denkfigur des decoupling wird etwa im Umfeld der OECD spätestens seit den 2000er Jahren ventiliert. Demgegenüber akzentuiert die Gegenposition einer »Postwachstumsökonomie« (Niko Paech) degrowth, denn: »Unendliches Wachstum ist auf einem endlichen Planeten nicht möglich.« (Schmelzer/Vetter 2019: 72).
19Im Original: »The Greening of Mars: A fascinating futurist blueprint for life on the Red Planet« (vgl. Lovelock/Allaby 1984).
20So der deutsche Titel eines Essays, das im Original bereits 2019 im New Yorker (Franzen 2019) erschien.
21Autoren wie Norman MacLeod (2016) problematisieren die Hochrechnung und prognostische Einordnung heutiger Aussterbefälle. Zum IPBES Pereira/Bina 2020.
22Vgl. auch die Zusammenfassung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (2019).
23Weitere, aus der Archäologie kommende Ansätze waren Tainter 1988 und MacAnany 2009.
24Im Original »The Uninhabitable Earth«; so auch der Titel der Buchpublikation im Anschluss daran (Wallace-Wells 2019b).
25 Ausgehend von einer Analyse der Aussagekräftigkeit historischer Klimamodell-Projektionen warnen z.B. Hausfather/Peters 2020 vor einem Framing von worst-case-Szenarien als Ergebnis von business-as-usual-Annahmen bezüglich der Entwicklung von Emissionen und plädieren für flexiblere Kalkulationen.
26 Organisatorisch verankert ist der Diskurs etwa in der Denkfabrik des »Institut Momentum« sowie im Verein »Comité Adrastia«. Darüber hinaus widmen sich diverse Online-Angebote dem Thema (vgl. Cayla 2019) und 2019 erschien die fiktionale TV-Serie »L‘Effondrement«.
27 Für einen Überblick siehe die betreffenden Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Klimaanpassung unter https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/anpassung-an-den-klimawandel.
28 Hier kann keine umfassende Auseinandersetzung mit der 2018 in Großbritannien gegründeten und inzwischen weltweit dezentral in Basisgruppen organisierten unkonventionellen Protestbewegung Extinction Rebellion und ihrer Praktiken erfolgen (Extinction Rebellion 2019, Extinction Rebellion Hannover 2019), die in Deutschland als radikalere Variante von Fridays for Future wahrgenommen wird.
29 Hier beruft sich Extinction Rebellion auf eine empirische Untersuchung über zivilen Widerstand (Chenoweth/Stephan 2011): Im Kontext autoritärer und totalitärer Systeme gelte demnach, dass 3,5 % der Bevölkerung ausreichen, um einen Systemwechsel auszulösen.
30 Barton 1969, Perrow 1987, ders. 2007, Urry 2016, Tierney 2019.
31 Vgl. für »Grundlagen und Elemente einer Soziologie der Katastrophe« Voss 2006.
32 So bereits Arias-Maldonado/Trachtenberg 2019, Biermann/Lövbrand 2019, Burke et al. 2016, Cudworth/Hobden 2018, Dryzek/Pickering 2019, Eroukhmanoff/Harker 2017, Nicholson/Jinnah 2016, Youatt 2014.
33 Das »Earth System Governance Project« hat sich 2008 als Netzwerk mit zentralem Sekretariat konstituiert, anfangs von der Universität Lund und derzeit von der Universität Utrecht finanziert, als globales, sich selbst tragendes Forschungsnetzwerk von hunderten Wissenschaftlerïnnen, unter denen der wissenschaftliche Nachwuchs besonders stark repräsentiert ist. Das Netzwerk tritt mit jährlichen Konferenzen, zahlreichen Taskforces, Forschungszentren, regionalen Treffen von Forschungsstipendiatïnnen, drei Buchreihen, einer Open-Access-Flaggschiffzeitschrift und einer lebendigen Präsenz in den sozialen Medien in Erscheinung.
34 Daten nach dem Global Infectious Diseases and Epidemiology Online Network (GIDEON). Das Netzwerk hat 12.000 Ausbrüche von 215 Infektionskrankheiten erfasst, die im Zeitraum von 1980 bis 2013 in 219 Ländern stattgefunden und rund 44 Millionen Menschen betroffen haben. In den Jahren zwischen 1980 und 1985 fanden knapp 1.000 außergewöhnlich starke Ausbrüche statt. Im Zeitraum 2005 bis 2010 waren es fast dreimal so viele (Gideon Online 2020).
35 Beispiele für Reallabor-Projekte in Deutschland: Bürger schaffen Wissen 2017, Quartier Zukunft 2020, RNM.net 2020.