Aggressivität. Der Boxerstil
Boxgesten sind an Berliner Haupt- und Sekundarschulen omnipräsent. Vor allem männliche Jugendliche deuteten an der Galilei-Schule im Rahmen spielerischer Scheingefechte immer wieder Box- oder Karateschläge an, brachen diese aber meist kurz vor dem Körper des Gegenübers ab. Mitunter wurde auch wirklich, allerdings mit verminderter Kraft, zugeschlagen. Solche kurzen, spielerischen Schlagabtausche dienten häufig als eine Art von Begrüßungs- oder Pausenritual, mit dem auch ich während meiner Forschungszeit gelegentlich willkommen geheißen wurde. Die sich zunächst auf einen Sportkontext beziehende Bezeichnung Boxerstil dient mir als Chiffre für einen mit spezifischen Konsum- und Körperpraktiken verbundenen populärkulturellen Stil, der von tradierten Vorstellungen männlicher Härte und dem Motiv des Kämpfens als zentralem Referenzpunkt von Lebenseinstellungen und Weltsichten geprägt ist.
Der damit einhergehende Gestus der Konfrontation kann einen Einschüchterungseffekt haben. Die Verbreitung solcher Box- und Kampfposen sollte aber nicht als Beleg für das Ausmaß tatsächlicher Gewalt an Berliner Schulen oder die Brutalität der Schüler verstanden werden, sondern als eine alltagsästhetische Art und Weise der Transformation von Wut und Aggressivität sowie als eine spielerische Form von männlicher Selbstverständigung. Die mit Kampfgesten interagierenden Schüler waren in der Regel einander wohlgesonnen, oft sogar miteinander befreundet, ihre aufeinander abgestimmten Kampf-Performances gingen häufig in ein gemeinsames Lachen und Scherzen über. Physische Gewalt kam an der Galilei-Schule bei anderen Gelegenheiten durchaus vor, sowohl in boxähnlichen Kämpfen als auch in sonstigen Formen. Der Boxerstil tendiert jedoch in die entgegengesetzte Richtung, die markiert wird von der sportlichen Kanalisation von feindseligen Impulsen, der spielerischen Streitlust und der Stilisierung agonalen Verhaltens. Gleichsam ist der Boxerstil durch seine proletarisch-migrantische Prägung sowie die Prämierung von aggressiver Männlichkeit und physischer Stärke in einem übertragenen Sinne in gesellschaftliche Herrschafts- und Gewaltverhältnisse eingebettet.
In meinem Buch „Hauptschüler. Zur gesellschaftlichen Produktion von Verachtung“ habe ich in einer kurzen Textpassage Boxerposen als eine spezifisch männlich konnotierte Reaktionsweise auf die gesellschaftlich produzierte Verachtung von Hauptschülern vorgestellt und sie als eine widerspruchsvolle Form der Selbstbehauptung im Kontext der Counter-School Culture, der rebellischen und widerständigen Haltung gegenüber der Schule, gedeutet.1 Der Boxerstil ist in dieser Lesart gleichzeitig Provokation und Körpererfahrung, eine symbolische Sprache des Protests im Kontext von verweigerter Anerkennung sowie eine durch soziale Stigmatisierung evozierte Körperpraxis. Hier werde ich in ausführlicherer und differenzierterer Form der Frage nachgehen, wie es zu dieser auffälligen Verbreitung von Boxgesten kommt und wie sich diese politisch deuten lässt. Während ich im vorigen Kapitel zu Wut die moralische Seite von Gefühlen betonte, steht im folgenden Kapitel zum Boxerstil eher die Verkörperung von Wut durch aggressive Gesten im Mittelpunkt. Dabei trenne ich die moralische, rationale und reflexive Dimension von Gefühlen nicht von deren körperlichen, leiblichen und sinnlichen Qualitäten, sondern begreife diese Aspekte als vielfach miteinander verflochten. Diese Dimensionen des Gefühlshandelns wurden im Verlauf der Moderne häufig zu Unrecht kategorisch voneinander getrennt und gegeneinander ausgespielt, durch die damit verbundenen einseitigen Betrachtungsweisen geriet aus dem Blick, dass es sich um zwei Seiten der gleichen Medaille handelt.2
ZUR GENESE UND ÄSTHETIK AGONALER STILISIERUNGEN
Der Begriff des Stils wird in verschiedenen akademischen Disziplinen verwendet, in denen man beispielsweise von Kunststilen, von Denkstilen oder von Lebensstilen spricht. Meine Zugangsweise orientiert sich am Stilbegriff der britischen Cultural Studies, in deren Rahmen besonders einflussreiche Forschungen zu jugend- und subkulturellen Stilen entstanden sind. Im Rahmen dieses neo-marxistischen Forschungsansatzes wird davon ausgegangen, dass in subkulturellen Stilbildungen gesellschaftliche Konstellationen und soziale Spannungen, wie sie etwa aus hierarchischen Klassen- und patriarchalen Familienverhältnisse resultieren, symbolisch verhandelt werden.3 Solche jugendkulturellen Stile operieren nicht in einem fortschrittsorientierten Konsens-Modus, vielmehr wirken sie häufig konfrontativ und überheblich oder zelebrieren dichotome und nostalgische Gesellschaftsbilder. Die Selbst-Stilisierung als Boxer und Kämpfer begreife ich in einem solchen Sinne als eine ästhetische Praxis, durch die Exklusionserfahrungen auf eine körperlich-sinnliche Weise unter Rekurs auf traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit verarbeitet werden.
Der Boxerstil ist eine Assemblage von Körpern, Dingen und Weltbildern. Für den Prozess der Stilschöpfung sind Homologien und Bricolagen von entscheidender Bedeutung. Unter Homologien verstehen Subkulturforscher wie Paul Willis strukturelle Resonanzen zwischen körperlichen und materiellen Stilangeboten auf der einen Seite sowie den sozialen Erfahrungen und kulturellen Verortungen der Jugendlichen auf der anderen Seite.4 Hier steht die Frage im Zentrum, warum bestimmte Stilelemente ausgewählt und mit Bedeutung aufgeladen werden. Studien zu Prozessen der Bricolage lenken den Blick darauf, wie dies geschieht – meist in Form des Zusammenbastelns und des Neuarrangierens von unterschiedlichen Praktiken, Objekten und Verweisen.5 Diese Stilelemente – wie Körperhaltungen und Frisuren – stehen bereits in einem bestimmten, teilweise kommerziellen Verweiszusammenhang, werden von den Jugendlichen aber auf eigenwillige Weise kombiniert. Stilbildung ist ein relativ offener, aber auch kein völlig beliebiger Vorgang, da kulturelle Ausdrucksformen und Welthaltungen miteinander korrespondieren müssen und sich zu einem stimmigen Gebilde zusammenfügen lassen müssen.
In den Cultural Studies wurde die Ganzheitlichkeit und Widerständigkeit von subkulturellen Stilen etwas überbetont. Statt von einem einheitlichen Stil auszugehen, untersuche ich erstens Prozesse der Stilbildung, indem ich zunächst die Affinität vieler männlicher Schüler zum Boxsport sowie zu anderen Kampfsportarten und verwandten Körperpraktiken schildere, anschließend verfolge wie die Orientierung am Boxen über den Sportkontext hinaus im Alltag an Bedeutung gewinnt und schließlich rekonstruiere wie es zu einer Bündelung von auf das Boxen verweisenden Elementen und Verweisen unter männlichen Hauptschülern kam. Und statt die Stilbildungen marginalisierter Jugendlicher von vornherein als politisch widerständig zu betrachten, gehe ich zweitens der Frage nach, wie im Boxerstil unterschiedliche Machtverhältnisse sowohl herausgefordert als auch reproduziert werden.
Sport: Wettkampf und Training
Boxen war bereits in der griechischen Antike ein anerkannter olympischer Sport, geriet danach als Sportart jedoch weitgehend in Vergessenheit. Die Ursprünge des modernen Boxsports liegen im englischen Prizefighting des 17. und 18. Jahrhunderts. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich dort das heute noch gültige Regelwerk und die seitdem stärker reglementierte Wettkampfform verbreitete sich international, wobei die USA im 20. Jahrhundert zur führenden Boxnation aufstiegen.6 Auch aufgrund der medialen Verbreitung des Erfolges afro-amerikanischer Boxer zeichnete sich das Bild des Boxens als Sport der Unterdrückten und Diskriminierten ab, als Weg zu Ruhm und möglichen Ausweg aus der Armut des „Ghettos“. Dieses Bild trägt heute wesentlich zur Attraktivität des Boxens bei Berliner Hauptschülern bei. Neben Fußball war Kampfsport bei den von mir begleiteten männlichen Jugendlichen die populärste Sportart. Die Mehrzahl von ihnen beherrschte Karate-Schläge und die körperlichen Grundhaltungen des Boxers. Viele von ihnen hatten selbst Erfahrungen mit diversen Formen des Kampftrainings und manche auch Ambitionen im Bereich des organisierten Wettkampfsports, von dem die folgende Szene einen Eindruck vermittelt:
Feldtagebuch: Sonnabendnachmittag, eine Turnhalle irgendwo in Berlin-Spandau. An der Wand hängen eine südkoreanische und eine japanische Flagge. Ich gehe erst einmal zu der kleinen Zuschauertribüne, um mir einen Überblick zu verschaffen. Dort sitzen, stehen und schreien etwa 50 Personen, weshalb es in der Halle ziemlich laut ist. Mütter mit Babys auf dem Arm und Väter, die am liebsten mitkämpfen würden. „Na, Zähne noch drin“, wird ein Junge begrüßt, der gerade von einem Kampf zurückkehrt. Neben der Mehrzahl männlicher Kämpfer fallen mir auch einige junge Frauen auf. Ich bin bei einem Vergleichswettkampf zwischen zwei Kampfschulen gelandet. Im Moment steht Kickboxen auf dem Programm. Dabei kann sowohl mit den Fäusten als auch mit den Füßen zugeschlagen werden, wobei die Kämpfer ohne Gesichtsschutz antreten. Die Schiedsrichter entscheiden nicht nur nach Treffern, sondern bewerten auch den Kampfstil, vor allem Zielstrebigkeit und Härte. Das Publikum geht begeistert mit, besonders bei harten Fußtritten wird ekstatisch aufgeschrien: „Hau ihn um!“. Nach jedem Kampf gibt es eine Geste des gegenseitigen Respekts. Die Kämpfe und Kämpfer sind sehr unterschiedlich, einer tänzelt wie Muhammad Ali aufreizend cool mit herabhängender Deckung durch die Halle, ein anderer scheint eher vom Angriffsboxer Mike Tyson inspiriert zu sein. Nach einer Weile treffe ich Ali, seinen Vater und zwei Mitschüler, die ihn begleitet haben. Ali ist schwer enttäuscht, da er heute nicht kämpfen wird. Sein Gegner hat kurzfristig abgesagt – „aus Angst“ wie er meint – und es findet sich kein anderer, der gegen ihn kämpfen will.
Kampfsportveranstaltungen wie diese galten unter den Schülern als besondere soziale Ereignisse, die sich häufig schon Tage vorher auf dem Schulhof herumsprachen und auch anschließend noch Gesprächsmotive lieferten. Ali gehörte zu einer Gruppe arabischer Jugendlicher, die ihre Nachmittage häufig bei solchen Wettkämpfen oder dem dafür notwendigen Training verbrachten. Mit sechs Jahren begann er zunächst mit Karate und probierte seitdem verschiedene Kampfformen aus; am Ende der Schulzeit trainierte er dreimal in der Woche Kickboxen. Im Kickboxen präferierte er die Vollkontakt-Variante, bei der – im Gegensatz zum Semi- und Leichtkontaktmodus – bei Erwachsenen bis zum Knockout eines der Kontrahenten gekämpft werden kann. „Ich mag es besonders hart. Ich mag es, an meine Grenzen zu gehen. Bei jedem Schlag lasse ich irgendeinen Stress raus. Schulstress, Familienstress – bah, bah …“ In der Schule galt Ali lange als der Schrecken der Lehrer, avancierte zuletzt jedoch zum respektierten Schulsprecher. Trotz seiner schulinternen Ausbildung als Mediator blieb Ali lange auch ein Straßenkämpfer und geriet noch immer in so manche Schlägerei. Gleiches galt für Khaled, dem seine „Kämpferkarriere“ auf den Straßen Neuköllns bereits eine beträchtliche Anzahl an Gerichtsverfahren eingebracht hatte, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung. Khaled trainierte zwischendurch in der gleichen Boxschule wie Ali. Schon sein älterer Bruder Mohamad, den ich bei meiner ersten Forschung zu Hauptschülern im Jahr 2008 kennen gelernt hatte, war kampfsportfixiert und gewann mehrere prestigeträchtige Wettkämpfe.
Dass Kampfsport als eine wichtige Form der Selbstverortung gilt, zeigte sich unter anderem daran, dass Kahleds Bruder Mohamad einen Wettkampfkontext wählte, als ich ihm und seinen damaligen Weddinger Mitschülern eine Kamera gab und sie bat, Bilder von ihrem Alltag aufzunehmen (Abb. 9). Mohamad posierte mit ernstem Gesichtsausdruck in der typischen Grundkampfhaltung des Boxers mit zwei erhobenen Fäusten, die zugleich eine Verteidigungs- und eine Angriffshaltung ist. Die Pose des Boxers steht hier noch in einem Sportkontext wird aber bereits von am Wettkampf nicht direkt Beteiligten übernommen. Auch scheint es keine größere Rolle zu spielen, dass es sich in diesem Fall um einen Karate- statt um einen Boxwettkampf handelte. Die Boxergeste steht als Sinnbild für eine kämpferische Grundhaltung, die nicht auf eine konkrete Wettkampfsituation beschränkt ist. Mohamad hat übrigen seine Sportkarriere später am Vorabend seiner Hochzeit abrupt beendet – mittlerweile ist er zweifacher Vater und kümmert sich in seiner Freizeit vor allem um seine Familie.
Abbildung 9: Boxposen
Quelle: Anonym
Die komplexen Wechselverhältnisse von Lebenslaufphasen und Kampfsportengagement, vor allem die ambivalente Rolle von familiären Bindungen, die einerseits die für ein erfolgreiches Training notwendige Stabilität bieten, andererseits aber auch Prioritäten neben dem Boxsport entstehen lassen, sind ein klassischer Topos in literarischen und filmischen Boxergeschichten, wie etwa John Hustons melancholischem Drama „Fat City“. Sie werden auch vom Sozialwissenschaftler Loïc Wacquant behandelt, der in seiner mittlerweile zum Klassiker avancierten ethnografischen Studie „Leben im Ring“ die Ergebnisse seiner dreijährigen teilnehmenden Beobachtung in einem Boxclub im Chicagoer „Ghetto“ der späten 1980er Jahre auswertet.7 Auch viele seiner Kampfgenossen waren ehemalige Straßenkämpfer, die im Boxsport Stresserfahrungen gerade dadurch verarbeiteten, indem sie diese an der Eingangstür zum Boxclub vorübergehend hinter sich ließen. Wacquant beschreibt detailliert die Mechanismen der Disziplinierung des Körpers durch die im Training eingeübten und beständig wiederholten körperlichen Bewegungsabläufe und interpretiert die Boxing Gym als das Zentrum des boxerischen Universums. Die Grundhaltung der Boxer umschreibt er als „eine Mischung aus Solidarität mit der eigenen Gruppe und individualisiertem Misstrauen, Härte und physischem Mut, einem unerschütterlichen Sinn für die männliche Ehre und eine starke Betonung der persönlichen Leistung und des eigenen Lebensstils.“8
Indem Wacquant sich dem alltäglichen Trainingsbetrieb mit seinen beständigen, ermüdenden Wiederholungen, aber auch seinen kleinen Momenten der Belohnung widmet, entwickelt er eine entmystifizierende Perspektive auf den Boxsport jenseits des Rampenlichts der großen Kämpfe. Andere Interpreten arbeiten sich dagegen gerade an der schillernden Oberfläche des Boxens mit seinen zahlreichen Helden und Mythen ab. Kasia Boddy schreibt ihre umfassende Kulturgeschichte des Boxens vor allem entlang von künstlerischen Repräsentationen und verweist an vielen Stellen auf Verflechtungen mit den jeweils vorherrschenden Regimen von Klasse, Ethnizität, Geschlecht und Körper.9 Joyce Carol Oates und Kath Woodward betonen die Verbindung des Boxsports mit tradierten Vorstellungen von starker, heroischer Männlichkeit und stellen die Wechselwirkung von Fiktion und Realität anhand von Boxlegenden wie Mike Tyson und Muhammad Ali sowie einflussreichen Kino-Blockbustern wie der „Rocky“-Reihe heraus.10 Boxen weist auch hier über den eigentlichen sportlichen Wettkampf hinaus und steht als Schlüsselsymbol für den Kampf um Selbstbehauptung in deprivilegierten Lebenslagen.
Alltagspraktiken und Imaginationen sind im Boxsport eng miteinander verbunden und mit anderen Wissensformen verflochten, weshalb Handlungs- und Repräsentationsebenen auch nicht strikt analytisch voneinander getrennt, sondern praxeologisch integriert werden sollten.11 Auf diese Weise lassen sich die eben vorgestellten ethnografischen und kulturwissenschaftlichen Forschungsperspektiven miteinander verbinden. So ist einerseits die von Wacquant bis ins Detail beschriebene Boxing-Gym mit Postern berühmter Boxer geschmückt, wodurch eine imaginative Verbindung vom alltäglichen Training zum Glamour des Boxerruhms hergestellt wird. Andererseits würden die Boxmythen an Glaubwürdigkeit und Resonanz verlieren, sobald sie sich nicht mehr auf eine gelebte Praxis beziehen. Darüber hinaus ergaben sich auch in meinem Untersuchungsfeld Verbindungen zwischen kulturellen Repräsentationen und Alltagspraktiken. So kursierten beispielsweise unter den Hauptschülern immer wieder Gerüchte und Erzählungen von eigenen und fremden Kämpfen im „Fight Club“ von Neukölln, ein dem gleichnamigen berühmten Film von David Fincher nachempfundenes illegales Kampfspektakel der Neuköllner Unterwelt, bei dem bei hohen Wetteinsätzen ohne die im organisierten Boxsport üblichen Schutzmaßnahmen gekämpft wurde. Das moderne Boxen ist selbst aus solchen eher unreglementierten wettorientierten Kampfformen, dem bereits erwähnten Prizefighting, hervorgegangen. Boxen hat seitdem nie ganz die Verbindung zur Unterwelt verloren, was bis heute zum zwiespältigen Ruf, aber auch zur Faszination dieser Sportart beiträgt.
Spiel: Unverbindlichkeit, Offenheit, Flüchtigkeit
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinger deutete die Etablierung moderner professioneller Wettkampfsportarten wie dem Boxen im späten 19. Jahrhundert als Verdrängung von traditionalen kulturellen Spielformen und gleichzeitig als Kompensation für die damit ins Abseits gedrängten Erfahrungsmöglichkeiten.12 Georges Bataille hat sich an ihn anschließend gegen den weithin angenommenen Widerspruch von Spiel und Ernst gewendet und in diesem Zusammenhang den Wettstreit als eine elementare Form des Spiels herausgestellt.13 Für die Postmoderne wurden zuletzt neue Arten der Grenzauflösung zwischen Sport, Spiel und Alltag im Rahmen einer kulturindustriellen Populär- und kapitalistischen Konsumkultur diagnostiziert. Sportliche und körperbetonte Freizeitpraktiken beschränken sich demnach immer weniger auf den organisierten Vereinssport, sondern vermischen sich mit anderen kulturellen Elementen wie Kleidung, Sprache, Alltagsmythen, Körperbildern und Bewegungsweisen zu neuen Sinnes- oder Stilgemeinschaften.14 Motive und Praktiken aus der Welt des Sports verbinden sich dabei mit Praktikenbündeln und Diskursfragmenten aus anderen Bereichen und tragen sowohl zur kulturellen Aufwertung von Fitness, physischer Stärke und Wettkampforientierung als auch zum vermehrt spielerischen, expressiven und performativen Charakter von Selbstverhältnissen bei.15 Diese spielerische und darstellerische Komponente des Boxerstils zeigt sich besonders deutlich in den eingangs erwähnten alltäglichen Scheingefechten, welche männliche Hauptschüler regelmäßig aufführten. Das Wechselverhältnis von Sport und Spiel möchte ich an zwei komplementären Episoden veranschaulichen – einer sportlichen Szene auf einem Volksfest einerseits und einer spielerischen Episode im Sportunterricht andererseits.
Auf den „Neuköllner Maientagen“, dem bei Neuköllner Hauptschülern beliebten Parkfest im Volkspark Hasenheide, gehörte ein Box-Stand bei den von mir begleiteten jungen Männer zu den größten Attraktionen. Auf Boxelemente rekurrierende Freizeitangebote waren hier in einem sozialräumlich als Vergnügungsstätte markierten Raum integriert und erhielten dadurch einen offeneren, flüchtigeren und unverbindlicheren Charakter als im organisierten Wettkampfsport.16 Auf diesem Maienfest kehrte das Boxen also in gewisser Weise zu seinen Ursprüngen als Unterhaltungsangebot auf dem „Rummel“ zurück.
Feldtagebuch: Am Box-Stand kann man für einen Euro fünf Mal auf einen Punching-Ball einschlagen. Die Stärke des Schlages wird mit einer elektronischen Punktzahl bemessen. Am Rand der Neuköllner Maientage platziert, blinkt dieser unscheinbare Ort dennoch kraftvoll auf dem kulturellen und sozialen Radar einiger männlicher Festbesucher. Eine lose Gruppe von etwa zehn Jugendlichen, Schüler der Neuköllner Galilei-Schule und deren Freunde, steht etwa 20 Minuten lang um den Box-Sack herum. Es geht natürlich ums kraftvolle Zuschlagen, aber auch ums vergnügte Zuschauen und humorvolle Kommentieren. Viele „Wallah“-Ausrufe, im Hintergrund Mädchengekreische von der Achterbahn. Gelegentliches Gerangel, wer vor wem seine Boxkünste vorführen darf. Immer wieder findet jemand eine Ausrede, warum sein Schlag nicht noch härter war – bin weggerutscht, bin verletzt, nicht voll getroffen usw. – oder schwärmt stattdessen von früheren Rekordschlägen. Die Jungen unterhalten sich auch, welches der Boxgeräte dieser Art das Beste sei, und fragen sich, wo und wie genau man zuschlagen muss, um endlich jene magischen 1000 Punkte zu erreichen, die noch niemand von ihnen geschafft hat. Plötzlich schlägt ein Junge so unkontrolliert zu, dass er einen neben dem Gerät stehenden Jugendlichen beim Ausschwingen im Magen trifft. Amüsiertes Gelächter und ein schmerzverzerrtes Gesicht. Zufällig habe ich die Szene mit meiner Kamera aufgenommen. Die Schüler lachen sich beim Anschauen des Videos kaputt und empfehlen mir den Clip auf YouTube hochzuladen. Wenig später zieht die Gruppe zur nächsten Attraktion weiter.
Das Spiel ist bestimmt durch einen basalen Formalisierungsgrad, eine Wettkampfausrichtung und ein Ethos der Stärke. Sportliche Elemente fließen zum einen durch die Rahmung als „Boxer“-Stand und zum anderen durch die Diskussion sportfachmännischer Details, wie der optimalen Fuß- und Handstellungen beim Schlag, in das Geschehen ein, ohne diesem seine spielerische Eigenart zu nehmen. Den affektiven Charakter von spielerischen Box-Szenen dieser Art könnte man mit Kathleen Stewart als „ordinary affect“ begreifen.17 Die Jugendlichen sind für eine gewisse Zeit affiziert vom Geschehen, sie sind abwechselnd körperlich angespannt und entspannt sowie visuell auf den jeweils Schlagenden und das Display der Punktanzeige fokussiert. Die Episode ist markiert durch eine räumliche Ausrichtung auf das Spielgerät und die Körperlichkeit der abwechselnden Schlagfolgen. Als das Spiel allmählich eintönig zu werden droht, gewinnt es durch den Fehlschlag und den Videomitschnitt noch einmal überraschend an Intensität. Die Szene löst sich schließlich wieder im Gewimmel des Volksfestes auf, nachdem das Interesse der Jugendlichen erlahmt ist und sich deren Aufmerksamkeit auf Neues fokussiert.
Während auf dem Volksfest die Mischung von spielerischen mit sportlichen Betätigungen durch die Organisatoren erwünscht war, wurde ein durch Unernst und Disziplinlosigkeit gekennzeichnetes spielerisches Verhalten im Sportunterricht der Galilei-Schule vom Lehrpersonal als problematisch oder zumindest als pädagogische Herausforderung betrachtet:
Feldtagebuch: Sportunterricht für die Jungen. Es steht Geräteturnen auf dem Programm, doch die aufgebauten Turngeräte sind eher Staffage. Die Schüler haben sich während der Stunde bereits eigenmächtig im Armdrücken und einer Art Ringkampf gemessen. Jetzt stehen sich gerade jeweils zwei Schüler in der Mitte gegenüber und deuten in einer Art Sparringkampf Karateschläge mit den dazugehörigen Angriffs- und Abwehrbewegungen an. Dazwischen machen zwei andere eine Art Verfolgungsjagd. Khaled scheint sich bei einem Schlag leicht verletzt zu haben. Der Sportlehrer, der von einer Chaossituation zur nächsten läuft, ohne die Contenance zu verlieren, kommt zu ihm. In der Zwischenzeit rennt Kai zu mir und zeigt mir seine muskulösen Oberarme, danach rennt er zurück zu den am Boden sitzenden Khaled und deutet einen Tritt von hinten aus vollem Lauf an. Ein weiterer Schüler fühlt sich davon inspiriert. Khaled springt, wie von einem Wunder geheilt, auf und nutzt den Arm des bei ihm stehenden Lehrers als Stütze für einen gesprungenen Karatetritt in Richtung von Kais Gesicht. Alles bleibt im Rahmen einer spielerischen Kampfsimulation, die den Beteiligten offensichtlich großen Spaß macht. Auch Yussuf und Nevin führen parallel dazu für ein paar Sekunden eine Art akrobatischen Showkampf auf, mit hohen Sprüngen und spektakulären Schlägen aus der Drehung heraus. Theo ist der einzige, der derweil am Barren Geräteturnen macht. Vorher hatten lediglich zwei Schüler versucht den schweren Barren anzuheben und wieder auf das Parkett fallen zu lassen, was schön laut geknallt hat. Als Theo vom Barren herunterhängt, kommt Zeinab angerannt und tritt ihm leicht in den Po. Später wird Theo noch die Matte unter dem Barren weggezogen. Allein hängt er schließlich mit dem Gesicht nach unten an den Stangen und blickt in das Chaos der Turnhalle.
Für viele der hier erwähnten männlichen Hauptschüler war die Sportstunde ein Highlight im Schulalltag, in der sie ihren Bewegungsdrang ausleben konnten. Doch bevorzugen sie offensichtlich spielerische Kampfsportübungen statt des eigentlich auf dem Lehrplan stehenden Geräteturnens. Der Sportlehrer zeigte dafür implizit Verständnis und ließ sie weitgehend gewähren. Zwischendurch wurde auch tatsächlich für einige Minuten geturnt, es handelt sich also – so absurd dies auch klingt – um eine gemischte Turn- und Kampfspiel-Sportstunde. Bereits vor der hier geschilderten Szene hatten die Jungen ihre physischen Kräfte auf verschiedene Weise gemessen, etwa in einer spontanen Rangelei, die vom Sportlehrer angeleitet, zu einem kontrollierten Ringkampf wurde. Daneben ließen sich noch Kampf- und Körperbewegungen aus verschiedenen Sportarten beobachten, neben Boxen auch Taekwandoo und Karate. In der Regel simulierten die Schüler die Schläge lediglich. In den immer wieder neu gesuchten Sparringsituationen ging es vor allem um Geschicklichkeit und Beweglichkeit, darum den sich verteidigenden Gegner treffen zu können, Schlägen geschickt auszuweichen oder mit einer spektakulären Kampfbewegung zu beeindrucken.
Das in diesen Episoden angedeutete Verhältnis zwischen Spiel, Sport und Alltag ist durch wechselseitige Überschneidungen und Bezugnahmen gekennzeichnet. Spiele stellen eine Art „unwirkliche Wirklichkeit“ her, sie haben ihre eigene Sinn- und Regelhaftigkeit, beziehen sich aber auch auf die Wirklichkeit, allerdings verlieren sie ihren spielerischen Charakter, wenn sie diese nicht auch überschreiten und zu sehr dem Realitätsprinzip verhaftet bleiben.18 Gleichzeitig hat die hier geschilderte Alltagsszene aus dem Sportunterricht einen eher „unwirklichen“ Charakter, da das mit „normalem“ Schulunterricht assoziierte Mindestmaß an Ernsthaftigkeit und Disziplin weitgehend fehlt. Auch der Sport ist keine vollkommen eigenständige Sphäre der Gesellschaft, der Boxkämpfer ist vielmehr ein prägnantes Beispiel dafür wie Sport- und Alltagsrollen ineinander übergehen.19 Kampfsport, vor allem seine Wettkampf- und Körperorientierung, korrespondiert mit Selbst- und Gesellschaftsentwürfen. Durch diesen Verweiszusammenhang wird deutlich, dass sich die Bedeutung des Boxens für Hauptschüler nicht erschließt, wenn man es lediglich auf einen Sport- und Spielkontext reduziert.
Alltag: Diffusion von Boxgesten und Kampfnarrativen
Da Boxermotive und Boxergesten häufig mit anderen Stilelementen, Körperpraktiken und Narrativen verknüpft sind, lassen sie sich auch außerhalb der Arenen von Kampfsport oder wettkampfähnlicher Spiele beobachten. Anhand von Beobachtungen zu am Bodybuilding orientierten Selbstpräsentationen, der Diffusion von Boxergesten in Alltagsgesten und semantischen Verweisen auf das „Sichdurchboxen“ lässt sich die alltagskulturelle Bedeutung des Boxens nachvollziehen. Die diversen Bezugnahmen sind wiederum verbunden mit einer Alltagsmoral, mit ethisch kodierten Selbstentwürfen und Welthaltungen. Beim Boxerstil geht es also auch um eine spezifische Art des In-der-Welt-Seins.
Das sportliche und spielerische Kräftemessen verlangt unterschiedliche Maße an Körperkontrolle und physische Stärke und steht deshalb auch im Kontext von gezielten Praktiken des Muskelaufbaus.20 Kais enorm muskulöse Oberarme (Abb. 10), die er immer wieder stolz herumzeigte, zeugten von seinen regelmäßigen Besuchen im Fitness-Studio. Während Kai zu den eifrigsten Kämpfern der Klasse zählte und mit seiner physischen Stärke prahlte, fanden sich Bezüge zum Boxen auch bei jenen Schülern, die als weniger sportaffin gelten. Roberto und Ahmed wurden von sportlicheren Jungen manchmal wegen ihres leichten Übergewichts gehänselt und wirkten neben ihren häufig aggressiv auftretenden Klassenkameraden eher gemütlich und sanftmütig. Doch wenn sie wie hier für ein Fotoportrait posierten, ballten auch sie die Fäuste (Abb. 11), denn Boxergesten waren ein quasi selbstverständlicher Bestandteil des Repertoires an Alltagsgesten männlicher Hauptschüler. Der im Hintergrund zu sehende Schüler trug übrigens eine Handgelenksbandage, da er sich zuvor beim außerschulischen Boxtraining eine Verletzung zugezogen hatte.
Abbildung 10: Muskelpose
Quelle: Stefan Wellgraf
Abbildung 11: Geballte Fäuste
Quelle: Stefan Wellgraf
Nicht nur von den Jugendlichen selbst, sondern auch von Lehrern und Sozialarbeitern wurde das Boxermotiv häufig aufgegriffen, sie ermahnten die Jugendlichen beispielsweise immer wieder, sie müssten sich im späteren Leben „durchschlagen“ oder „durchboxen“ und selbst im von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen Ausbildungsmagazin Planet Beruf heißt es an die Adresse der Schüler: „Jeder kann sich durchboxen.“ Was in diesen scheinbar beiläufigen Bemerkungen und Redewendungen zum Ausdruck kommt, ist eine soziale Situation, in denen einfache und gerade Karrierewege den Schülern weitgehend verweigert werden und in denen soziale Achtung nicht geschenkt, sondern erkämpft werden muss. „Sich durchboxen“ bedeutet auch, „sich nichts gefallen lassen“ und somit letztlich den Versuch, sich in einer als feindlich wahrgenommenen Umgebung zu behaupten.21
Das Motiv des Boxers beschränkt sich nicht auf ein Set an isolierten Körperposen, seine über den Sport hinausgehende kulturelle Bedeutung erhält Boxen dadurch, dass es als Metapher für das Leben dient, wobei das Leben im Kontext von Exklusion und Prekarität wiederum als ständiger Kampf begriffen wird. Durch die nur schwer reversiblen Selektionsmechanismen des dreigliedrigen deutschen Schulsystems verfestigen sich schulische Negativerlebnisse zu dauerhaften Exklusionserfahrungen, die wiederum weitreichende Folgeprobleme für den späteren Lebensweg mitsichbringen. Mit dieser Lebenssituation korrespondiert wiederum eine Weltsicht, nach der die Natur als schicksalhaft und unkontrollierbar und das Leben als ständiger Kampf oder als unbarmherzige Lotterie wahrgenommen werden. Angesichts des Gefühls, kaum Gestaltungsspielraum in Bezug auf die eigene Berufs- und Lebenssituation zu haben, konzentrierten sich viele Hauptschüler darauf, sich gegen eine feindlich wahrgenommene Umwelt „durchzuboxen“, um auf diese Weise „irgendwie über die Runden“ zu kommen.22
In den von den Schülern in Online-Communitys gepostete Bildern, Videos, Sinnsprüchen und Alltagsfloskeln, fielen mir ebenfalls zahlreiche Box- und Kampfverweise auf. So hatte ein Weddinger Schüler während meiner Forschung im Jahr 2008/09 auf seinem damaligen Online-Profil bei jappy.de die Lebenseinstellung kundgetan: „Wenn das Leben noch so hart ist, muss man um so härter kämpfen, nur so kann man was im Leben erreichen!!!“ Auch im Jahr 2012/13, die meisten Schüler waren mittlerweile bei Facebook, wurde Boxer-Legenden wie Muhammad Ali und Mike Tyson von den Schülern gehuldigt. Während bei Ali seine religiöse Konvertierung zum Islam von den selbst meist muslimischen Jungen hervorgehoben wurde, identifizierten sie sich bei Tyson vor allem mit seiner Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen. Ein von den Schülern vielfach geteiltes moralisches Meme, mit der Abbildung des einschüchternd und gleichsam in sich gekehrt wirkenden Boxers trägt die Unterschrift: „Mike Tyson. Egal wie hoch Du fliegst, vergiss nie, mit wem Du am Boden gekrochen bist.“ Auch Moritz Ege hat in einem ähnlichen Kontext, am Beispiel von gemeinhin als „Unterschicht“ kategorisierten und ihrerseits stilistisch am „Prolligen“ orientierten Berliner Jugendlichen auf die Persistenz agonistischer Weltbilder und Wirklichkeitsdefinitionen und auf deren vielfältige Ausdrucksformen in der populären Kultur der Gegenwart hingewiesen. Eines seiner Beispiele sind Tattoo-Motive mit der Aufschrift „Live to Fight – Fight to Live“.23
An solchen Alltagsfloskeln offenbart sich die normative Dimension von Selbststilisierungen, hier zeigt sich, dass der Boxerstil trotz seiner Aggressivität keineswegs amoralisch ist.24 Ethische Positionen werden allerdings nicht abstrakt formuliert und begründet, sondern im Boxerstil selbst artikuliert. Die Moral des Boxerstils basiert auf generalisierten Bezügen aus der Welt des Kampfsports, etwa der Überzeugung, dass der Weg nach oben „steinig“ ist, dass man seine Gegner respektieren muss oder dass man ohne Kampfgeist gnadenlose untergeht. Hinzu kommen Adaptionen von allgemeinen Konzeptionen des Guten, wie die im Tyson-Zitat zum Ausdruck kommende Forderung, auch im Falle des Aufstiegs die eigene Herkunft und die alten Weggenossen niemals zu verleugnen. Viele dieser moralischen Forderungen wirken auf Jugendliche in unterprivilegierten sozialen Lagen besonders überzeugend, doch sie sind auch darüber hinaus gesellschaftlich anschlussfähig. Vor allem der Ethos der Arbeit am Selbst zeugt davon, dass die Schüler prinzipiell disziplin- und bildungsbereit sind. Dies wiederum lässt vermuten, dass die Gründe für ihre Disziplinlosigkeit und Bildungsverweigerung eher mit der Institution Schule als mit den Dispositionen der Schüler zu tun haben.
Stil: Abgestimmtheit und Ästhetisierung
Nachdem bisher die Attraktivität von Kampfsport für männliche Hauptschüler und die Verbreitung von Boxergesten und -semantiken über den Sport hinaus beschrieben wurde, gilt es nun die Bündelung dieser Elemente zu einem alltagskulturellen Stil nachzuvollziehen. Boxen ist aus diesem Blickwinkel tatsächlich mehr als nur ein Sport. Im Sinne eines vom Habitus geprägten „praktischen Sinn“ ist der Boxerstil nicht nur an Körperpraktiken gebunden, sondern korrespondiert mit homologen Denkstilen und Weltsichten.25 Unterschiede in den Lebensformen basieren für Bourdieu auf der Inkorporation ungleicher Lebensbedingungen in entsprechende Habitusformen, die wiederum die Grundlage für verschiedene Lebensstile bilden. Den im jeweiligen Habitus gründenden Geschmack, verstanden als eine alltägliche Form des Einordnens, Wertens und Beurteilens, bezeichnet Bourdieu als die „Erzeugungsformel“, die einem bestimmten Lebensstil zugrunde liegt.26 Im Sportkontext entstandene und antrainierte Boxergesten werden vermittelt über milieuspezifische Exklusionserfahrungen zur alltäglichen Ausdrucksform von am Motiv des Kampfes orientierten Selbst- und Weltverhältnissen. Gerade wenn einem Erfolg nicht geschenkt, sondern nur gegen schwere Widerstände errungen werden kann, wenn Wege versperrt und Türen verschlossen sind, wenn man mit Missachtung und Abwertung konfrontiert wird – dann kann der Kampf oder das Kämpfen zum stilbildenden Leitmotiv für das eigene Leben werden. Dies geht einher mit einer Verselbstständigung von Boxer- und Kämpfergesten, bei der spielerisch angedeutete Boxerschläge zu einer alltäglichen Form der Begrüßung oder zu regelmäßigen Begleiterscheinungen von anderen verbalen und nonverbalen Kommunikationsakten werden.
Fügt man die verschiedenen Motive und Körperpraktiken, die ich mit dem Boxen assoziiert habe, zusammen, können sie als Bestandteile eines jugendkulturellen Stils verstanden werden – dem Boxerstil. Im Stil, einem System von Zeichen, Symbolen und Verweisungen für soziale Orientierung, einer Form von nach außen gewendetem Selbstbild, manifestiert sich die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer Gruppe oder einer Lebensform.27 Stile haben die doppelte Funktion der Distinktion und der Markierung von Zugehörigkeit. Um dies zu ermöglichen, müssen sie sich auf Interaktionen beziehen und sichtbar inszeniert werden. Stilisierung beschreibt die Bündelung von Stilelementen, um eine abgestimmte Selbstpräsentation zu erreichen, wobei ästhetische Komponenten von herausgehobener Bedeutung sind. Die ästhetische Dimension deutet auf die über pragmatische Notwendigkeitserwägungen hinausgehenden, eher auf Genuss oder ein angenehmes Körpergefühl gerichteten Facetten solcher Praktiken. Dies geht häufig einher mit Übertreibungen und Überhöhungen und wird in der Regel verbunden mit spezifischen Mode- und Konsumpraktiken, wobei im jugendkulturellen Bereich die Frisurengestaltung und die Bekleidung eine besondere Signalwirkung haben.
Ästhetisierung und Konsumorientierung greifen ineinander, denn zum einen nutzen Jugendliche vorhandene Angebote der Konsumindustrie und deuten diese im Rahmen ihrer jeweiligen materiellen und symbolischen Möglichkeiten aktiv um, zum anderen werden jugendkulturelle Stile vermarktet, indem gezielte Konsumangebote für diese geschaffen werden. In Bezug auf den Boxerstil reicht diese Konsumschleife von Boxerschuhen, über Boxershorts bis hin zum Boxerschnitt. Boxerschuhe sind Turnschuhe die über das Fußgelenk hinausreichen. Ursprünglich konzipiert um die Gefahr von Fußgelenksverletzungen während des Boxwettkampfs zu vermindern, werden Boxerstiefel im Zuge der Verbreitung von Sportschuhen mittlerweile auch außerhalb des Boxrings getragen. Boxerschuhe stehen dabei symbolisch nicht nur für Sportlichkeit, sondern aufgrund ihrer stilistischen Eigenheiten auch für Standhaftigkeit und somit im übertragenen Sinne für eine feste Haltung und Geradlinigkeit. Boxershorts sind längere und locker am Körper sitzende Unterhosen, die den Boxern eine größere Beinbeweglichkeit ermöglichen sollen. Inzwischen werden sie in diversen Varianten als gewöhnliche Unterhose getragen. Im Kontrast zum knappen, eng anliegenden Slip stehen sie symbolisch gleichsam für das Prinzip der „dicken“ und weiten Hose mitsamt seinen Konnotationen von proletarischer Männlichkeit.28 Der Boxerschnitt bezeichnet einen zur Zeit meiner Forschung bei männlichen Berliner Hauptschülern weitverbreiteten Frisurenytp, der gekennzeichnet ist durch rasierte Schläfen und Hinterkopf, markante Übergänge und kurzes Haupthaar. Diese als besonders männlich geltende Kurzhaarfrisur wurde etwa vom bekannten Berliner Rapper Bushido getragen, dessen aus dem Japanischen entlehnter Künstlername übrigens – passend zum Boxerstil – „Weg des Kriegers“ bedeutet. Die von mir begleiteten Jugendlichen kopierten nicht nur den Boxerstil, sondern variierten und adaptierten ihn auf verschiedene Weisen, etwa indem sie Verzierungen hinzufügten oder ihn mit anderen Stilen kombinierten – bis hin zur in Berlin-Neukölln zeitweilig sowohl bei Hauptschülern als auch bei Hipstern verbreiteten „Undercut“-Frisur.
Kulturwissenschaftliche Stilanalysen betrachten einzelne Stilelemente wie Schuhmoden, Unterhosenstile und Frisurengestaltung nicht als zufällige Alltagsphänomene, sie fügen sie zu einem bedeutungsvollen Ganzen zusammen und erkennen dabei kulturelle Muster. Rolf Lindner hat die Faszination und das analytische Potenzial dieses Ansatzes betont, durch den nachvollzogen werden kann, wie Handlungsmuster, kulturelle Orientierungen und soziale Erfahrungen vermittelt über alltagsästhetische Praktiken zu kulturellen Formen gerinnen.29 Er hat aber auch vor der damit einhergehenden Gefahr der Überinterpretation gewarnt, bei der Puzzlestücke als Beweise gesucht und anschließend zu einem scheinbar perfekt passenden Ganzen zusammengesetzt werden. In eine ähnliche Richtung zielen die Überlegungen von Kaspar Maase, der davor warnt Stile lediglich als „Ausdruck von …“ und somit analog zu Kunstwerken oder Texten zu deuten, da damit die Vorstellung einer schließbaren Gestalt einhergehe und somit situative und mehrdeutige Praktiken stillgelegt und essentialisiert würden.30 Daran anschließend hat Moritz Ege mit Blick auf sich als aggressiv inszenierende junge Männer in Berlin auf die komplementären Logiken der Eskalation und De-Eskalation von Stil verwiesen.31 Die Eskalation liegt im expressiven Zurschaustellen von Härte in Situationen der Konfrontation oder Provokation, die De-Eskalation besteht im Verweis auf die Genre-Konventionen der Inszenierungen, also der spielerischen Komponente und populärkulturellen Rahmung von solchen Darbietungen aggressiver Männlichkeit. Die Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten von jugendlichen Selbststilierungen als Boxer und Kämpfer entstehen vor allem durch dieses irritierende Schwanken zwischen bedrohlicher Ernsthaftigkeit und lustvollem Spiel.
Diese Warnungen berücksichtigend gilt es sowohl kulturelle Muster und historische Tradierungen als auch die Prozesshaftigkeit und Brüchigkeit von Stilpraktiken aufzuzeigen. Der Boxerstil hat eine gewisse Kohärenz und Logik, denn er bündelt Elemente, die im Kontext der Berliner Hauptschule stark verbreitet sind: die Affinität zum Boxsport und anderen Wettkampfsportarten, am Ideal starker Männlichkeit orientierte Körperpraktiken, aggressives und agonistisches Verhalten, die Wahrnehmung der Welt und des Lebens als (meist ungerechter und aussichtsloser) Kampf sowie an Sportlichkeit, Standhaftigkeit und Männlichkeit ausgerichtete alltagsästhetische Praktiken und Formen des Konsums. Trotz der Betonung kultureller Elemente sollte der Boxerstil jedoch nicht als eine zeitgenössische Version der These einer „Kultur der Armut“32 missverstanden werden, der zufolge kulturellen Orientierungen als primäre Ursache für Tendenzen der Selbstausschließung betrachtet werden. Die wissenschaftliche Rekonstruktion des Boxerstils bietet umgekehrt vielmehr aufschlussreiche Perspektiven auf schichtspezifische Formen der Verarbeitung von Exklusionserfahrungen. Mit der Betonung ausgesuchter männlich konnotierter Verhaltensweisen und den damit einhergehenden Verkürzungen und Ausblendungen, geraten allerdings andere, weniger konfrontative alltagsästhetische Antworten auf ähnliche Problemlagen aus dem Blick. Zudem bilden auch die hier beschriebenen hypermaskulinen männlichen Kämpfer keine einheitliche und widerspruchslose Partial-Kultur. Neben Aggression und körperlicher Einschüchterung lassen sich bei den gleichen Jugendlichen in anderen Situationen auch Formen der Empathie und Zuneigung beobachten, sie liefen dann etwa händchenhaltend mit ihren männlichen Freunden herum oder posierten für Fotografien lächelnd mit den Babys ihrer Geschwister auf dem Arm. Und schließlich veränderten sich die jugendlichen Kämpfer, was ich am Beispiel von Khaleds älterem Bruder Mohamad angedeutet habe, der sich im Verlauf des Erwachsenwerdens stärker am Idealbild des Familienvaters statt des Kämpfers orientierte.
WIDERSTÄNDIGKEIT UND ANPASSUNG:
ZUR POLITIK DES BOXERSTILS
Nachdem auf der Grundlage von am Boxen orientierten Sport-, Spiel-, Alltags- und Stil-Praktiken die Konturen des Boxerstils skizziert wurden, soll nun die politische Dimension dieser Alltagspraxis herausgearbeitet werden. Dabei ergibt sich ein widersprüchliches und ambivalentes Bild: der Boxerstil kann zugleich als eine Geste der Rebellion wie als eine Form der Anpassung gelesen werden. Das Bild des Kämpfers ist auf der einen Seite ein eindrucksvoller Ausdruck der Wut über die herrschenden Verhältnisse sowie dafür, dass sich die Schüler nichts gefallen lassen werden, ohne sich – wenn nötig mit Gewalt – zu wehren. Andererseits liest sich das mit dem Boxerstil verbundene Subjektivierungsprogramm der Selbstdisziplinierung, der körperlichen Selbstoptimierung, der ästhetisierenden Selbstpräsentation, der ständigen Wettkampforientierung und der individualistischen Zuschreibung von Erfolg und Misserfolg wie die Bauanleitung zu einem neoliberalen Idealtypus. In den Boxerstil sind darüber hinaus komplexe Geschichten von sozialer Diskriminierung, rassistischer Unterdrückung, männlicher Herrschaft und körperlicher Dominanz eingeschrieben. Alltagsästhetische Boxerposen sind folglich auf vielschichtige Weise mit den Machtstrukturen von Klasse, „Rasse“, Geschlecht und Körper verknüpft. Modernes Boxen und damit korrespondierende alltagsästhetische Praktiken sind von Beginn an immer auch eine Form von kombiniertem doing class, doing race, doing gender und doing body. Beides – die Widerständigkeit gegen als ungerecht wahrgenommene Verhältnisse sowie die Reproduktion von vorherrschenden Ungleichheitsstrukturen und Ordnungsvorstellungen – gilt es im Blick zu behalten, um nicht bei einem vorschnellen, verkürzten Bild des Boxerstils stehen zu bleiben.
Der Boxerstil bildet somit eine komplexe Formation, in der unterschiedliche Machtverhältnisse artikuliert, reproduziert und gleichzeitig auf widerspruchsvolle Weise herausgefordert werden. Mit einer auf das Formieren – also auf Prozesse des Herstellens – ausgerichteten Forschungsperspektive untersuche ich die Herausbildung von miteinander verflochtenen Machtverhältnissen. Ich orientiere mich dabei weitgehend an der in der sozialwissenschaftlichen Ungleichheitsforschung etablierten Trias Class-Race-Gender, wobei ich die üblicherweise unter der Kategorie Race zusammengefassten Problemstellungen hier eher in Bezug auf Herkunft und Familie diskutiere. Da es sich beim Boxerstil um eine stark körperbezogene Praxis handelt, füge ich, einen Vorschlag von Winker und Degele aufgreifend, den Körper als Analysekategorie hinzu.33 Mit jeder dieser Ungleichheitskategorien rückt ein unterschiedlicher Aspekt gesellschaftlicher Strukturierung in den Mittelpunkt. In Bezug auf Klasse steht der Boxerstil in einer langen Tradition des Aufbegehrens der Unterdrückten, doch die mit dem Boxen verbundenen Aufstiegsmythen basieren weitgehend auf einem individuellen Zuschreibungsmodus. Mit Rekurs auf Herkunft ergeben sich ein kritischer Blick auf die vermeintliche Naturhaftigkeit der Kampforientierung ethnischer Minderheiten sowie Einblicke in die Auseinandersetzungen von Jugendlichen aus Migrantenfamilien mit ihrer Elterngeneration. Hinsichtlich der Geschlechterbeziehungen lässt sich herausarbeiten, wie im Boxerstil Männlichkeit performativ hergestellt wird, wobei das heraufbeschworene Modell „harter“ und „starker“ Männlichkeit zuletzt in Diskredit geraten ist. Mit Blick auf den Körper ergeben sich Perspektiven auf die Modellierung des Selbst, wobei sich die Arbeit an Körper und Psyche als ein Projekt voller Brüche und Hindernisse erweist. Auch wenn jeweils unterschiedliche Aspekte betont werden, sind die beschriebenen Ungleichheitsdimensionen im Alltag miteinander verwoben. Deshalb erscheint es mir auch nicht sinnvoll, eine Kategorie als Anker- oder Zentralkategorie herauszuheben.
Klasse: Individualistische Widerständigkeit
Mit dem Boxerstil assoziierte Jugendliche gelten in den Augen des Establishments häufig als aggressive Underdogs. Boxen gilt als eine Sportart der „Unterschichten“ und Boxveranstaltungen als kommerzielle Massenspektakel mit zweifelhaftem Ruf. Die gefährliche und verruchte Aura von Box-Events und die darin zelebrierten Rituale heroischer Männlichkeit provozieren Abwehrreflexe beim gebildeten Bürgertum, doch verbirgt sich gerade im Verworfenen des Boxsports auch seine heimliche Faszination für Intellektuelle – von Lord Byron über Bertolt Brecht bis zu Ernest Hemingway. Damit wird bereits deutlich, dass der Boxerstil auf komplizierte und widersprüchliche Weise mit Klassenverhältnissen und den sie begleitenden Distinktionskämpfen verstrickt ist. Von der anderen Seite lässt sich Boxen auch als eine Integration der Arbeiterschichten in die Gesellschaft beschreiben, bei der klassische proletarische Kulturmuster wie die Körperorientierung zum Einsatz kommen, ohne die Prinzipien gesellschaftlicher Hierarchisierung selbst infrage zu stellen.34
Auch in künstlerischen, literarischen und filmischen Repräsentationen des Boxens nimmt das Motiv des statusniedrigen Außenseiters eine zentrale Stellung ein, wobei das Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und die Affirmation gesellschaftlicher Leitbilder häufig Hand in Hand gehen. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Mitte der 1970er Jahre beginnende und mittlerweile sechs Teile umfassende „Rocky“-Filmreihe mit Sylvester Stallone als Hauptakteur. Die von ihm entworfene und gespielte Figur „Rocky“, ein in prekären Beschäftigungsverhältnissen lebender abgewrackter Boxer, schlägt sich zu Beginn des ersten Teils für ein paar Dollar durchs Leben, bevor er durch Zufall die Chance seines Lebens – ein Kampf gegen den amtierenden Weltmeister Apollo Creed am 200. Jahrestag der Unabhängigkeit der USA – bekommt. In verbissenen Kämpfen erringt er schließlich am Ende des zweiten Teils den Weltmeistertitel bevor er sich in späteren Episoden mit Creed anfreundet, einen russischen Boxer besiegt und weitere Abenteuer heldenhaft besteht. Der erste Film basiert noch lose auf realen Begebenheiten. Der damalige Weltmeister Muhammad Ali kämpfte im Jahr 1975 gegen einen sich tapfer schlagenden Underdog namens Wepner, was Stallone zum Film inspirierte. Der Name „Rocky“ wiederum verweist wohl auf Rocky Marciano, einen legendären, für seine Aggressivität und Nehmerfähigkeiten bekannten italo-amerikanischen Boxweltmeister aus den 1950er Jahren. Indem sich „Rocky“ allein durch hartes Training bis an die Spitze kämpft, verkörpert er den „amerikanischen Traum“ vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Der damit reproduzierte Aufstiegsmythos, jeder könne es schaffen, wenn er entschlossen an sich arbeitet, spielt zwar mit dem Motiv des Sich-Wehrens gegen die herrschende Ordnung, trägt aber gleichzeitig durch eine individualisierende Blickweise indirekt zu deren Legitimierung bei.
Die „Rocky“-Figur ist zwar in einem US-amerikanischen Kontext entstanden, hat sich jedoch mittlerweile über die Filmreihe hinaus in der westlichen Populärkultur als Chiffre für sozial Marginalisierte mit Kämpferherz etabliert. „35Denn diese waren selbst mit verschiedenen Formen der Anerkennungsverweigerung konfrontiert, häufig mit einer äußerst problematischen Mischung aus sozialer Geringschätzung und kultureller Herabwürdigung mit prekären familiären Verhältnissen und fehlender deutscher Staatsbürgerschaft. Bei allen Überschneidungen fehlte „Rocky“ und vergleichbaren „weißen“ filmischen Heldenfiguren wie „Rambo“ jedoch eine Spur afro-amerikanischer Coolness, was das Identifikationspotential mit ihnen unter migrantischen Jugendlichen wiederum etwas einschränkte.
Während meiner ersten Hauptschüler-Forschung im Jahr 2008/09 war mir dagegen das Online-Profil von Lukas, einem deutsch-polnischen Hauptschüler aus Berlin-Lichtenberg aufgefallen, der mit einer aggressiven Boxergeste auf seinem Profilbild posierte.36 In den danebenstehenden Zeilen kamen Missachtungserfahrungen deutlich zum Ausdruck („Jch Ficke Alle Die Meinen Das Sie Mein Leben Verendan Wollen Oder Mich Schlecht Machen“), gleichzeitig zeigte sich in Wort und Bild eine bedrohlich wirkende Kampfbereitschaft, die auch eigene Verwundungen einkalkulierte („Den Ich Kämpfe Auch Wen Ich Weiss Das Ich Fallen Werde“). Als positive Verortungen wurden der ihm mit Verachtung begegnenden Gesellschaft die eigene „Familie“ und die „KampfgruppeOst“ entgegengestellt, eine politisch rechts orientierte Gruppe Ostberliner Hooligans im Umfeld des örtlichen „Berliner Fussball Club Dynamo“. Mit seiner Abwehrhaltung gegen die Gesellschaft, seiner Verletzungsoffenheit und seinem „White Pride“ enthielt diese Selbststilisierung als jugendlicher Kämpfer deutliche Parallelen zur filmischen „Rocky“-Figur.
Neben einer historisch tradierten Affinität von „Unterschichten“ zum Boxsport zeichnete sich in Deutschland zuletzt auch schichtübergreifend eine steigende Attraktivität des Boxsports ab. In den 1990er Jahren wurde ein massiver Box-Boom beobachtet, der wesentlich durch die medialen Stilisierung von erfolgreichen Berufsboxern wie Henry Maske und Graziani Rocchigiani als kulturelle Identifikationsfiguren für jeweils unterschiedliche Bevölkerungssegmente befördert wurde. Mit dem Aufstieg der Fitnesskultur und des Selbstoptimierungsdenkens hat sich die sportliche Praxis des Boxens anschließend schichtübergreifend bis in elitäre Kreise hinein ausgeweitet. Dieser jüngere Aufstieg des Boxens wurde als Ausdruck eines neoliberalen Zeitgeistes gedeutet, als Verkörperung von zeitgenössischen gesellschaftlichen Leitprinzipien wie aggressivem Individualismus, Wettbewerbsdenken und kämpferischen Lebensweisen.37
Herkunft und Familie: Verarbeitung von Migrationserfahrungen und rassistische Zuschreibungen
Aus der Perspektive der britischen Cultural Studies lassen sich jugendkulturelle Subkulturen als Artikulation einer doppelten Problemstellung lesen – als Auseinandersetzung mit der hegemonialen bürgerlichen Kultur und als Reaktion auf die Situation der Elterngeneration.38 Bezieht man diese Klasse, Herkunft und Familienverbund verknüpfende Blickweise auf den Boxerstil, zeigte sich am Beispiel von Lukas, dass die Kritik an den herrschenden Verhältnissen teilweise mit einer Verteidigung der eigenen Familie oder Peergroup einhergeht. Mit dem Blick auf innerfamiliäre Dynamiken und die Situation der Eltern, rücken automatisch Fragen von ethnischer Herkunft und Migration in den Mittelpunkt, denn die meisten der von mir begleiteten Jugendlichen wuchsen in Einwandererfamilien auf. Welche familiären Konstellationen sich daraus ergaben, zeigen die Beispiele von Ali und Khaled.
Ali, der uns eingangs bereits bei der Kampfsport-Veranstaltung begegnete, wuchs in einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie auf, die über den Libanon in verschiedenen Etappen nach Berlin gekommen war. Seinen Vater beschrieb er als „Kampfsportfanatiker“ und auch andere Familienmitglieder betrieben diverse Kampfsportarten. Khaled kam wie Ali aus einer palästinensischen Familie, hatte wie dieser fünf Geschwister und sein Vater war früher Karatetrainer. Er wurde in Ramallah geboren und kam erst im Verlauf der Schulzeit nach Berlin, wo sein Leben von fehlenden Deutschkenntnissen, den Lebensbedingungen im Flüchtlingsheim und der Trennung der Eltern erschwert wurde. Auffallend an den Geschichten der beiden Jugendlichen arabischer Herkunft sind zunächst die Flüchtlingserfahrung sowie die starke familiäre Orientierung am Kampfsport. Schaut man auf die Situation der Väter, erscheinen umrisshaft zwei ehemalige Kampfsportler, die mittlerweile als palästinensische Flüchtlinge in Berlin leben. Eine solche Flüchtlingssituation ist häufig verbunden mit Sprach- und Kommunikationsproblemen, mit einem ständigen Kampf um Aufenthaltsrechte für sich und Familienangehörige sowie mit strukturellen Diskriminierungen wie der Verweigerung von Arbeitserlaubnissen und Staatsbürgerrechten. Die einstigen palästinensischen Kämpfer erscheinen als in zentralen Lebensbereichen entmündigte Bittsteller. Wenn ich mit Ali und Khaled über ihre Familien sprach, verteidigten sie stets mit demonstrativem Stolz ihre Väter. Dies wiederum wirft die Frage auf, warum sie überhaupt eine solche Verteidigungshaltung einnahmen. Auch wenn sie es niemals zugeben würden, vermute ich, dass sie unter der sozialen Situation ihrer Väter litten und gleichzeitig innerhalb der Großfamilie nach deren Aufmerksamkeit strebten. Mit ihrem Box- und Kampfsportengagement knüpften sie nicht nur an die Interessen und Leidenschaften ihrer Elterngeneration an, sondern kämpften im übertragenen Sinne immer auch für die Wiederherstellung des Stolzes der Familie sowie für die Rehabilitierung der ins Abseits gestellten elterlichen Flüchtlingsgeneration.
Die Deutung des Kämpfens als eine widerspruchsvolle Form der Selbstbehauptung von Ausgegrenzten, lässt sich somit auf Migranten und Flüchtlinge ausweiten. Das damit verbundene Bild des Boxens als Sport der Unterdrückten und Diskriminierten trug wesentlich zur Attraktivität von Boxgesten bei Berliner Hauptschülern bei. Vor allem in den USA, der sportlich führenden und kulturell dominanten Boxnation des 20. Jahrhunderts, steht Boxen in einer starken Tradition von Emanzipationskämpfen ethnischer Minderheiten. Aufgrund der medialen Verbreitung des Erfolges afro-amerikanischer Boxer, wurden diese auch zu Vorbildern von Berliner Hauptschülern, die dann etwa behaupteten, sie würden „wie Muhammad Ali oder Mike Tyson“ kämpfen. Sie schrieben sich mit solchen Sprüchen imaginär in populärkulturelle Heldengeschichten des afro-amerikanischen Widerstandes ein, ohne sich dabei des ambivalenten Verhältnisses zwischen Boxen und Rassismus in den USA bewusst gewesen zu sein.
Dort spitzten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rassische Konflikte an den Erfolgen der ersten afro-amerikanischen Schwergewichtsweltmeister Jack Johnson und Joe Louis zu.39 Diese öffneten die Türen für afro-amerikanische Boxer in eine bis dahin von Weißen dominierte und als Ausweis ihrer rassischen Überlegenheit verstandenen Sportwelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahmen dann afro-amerikanische Kämpfer eine Schlüsselrolle im Boxsport ein. Während der zum Islam konvertierte Muhammad Ali in den 1970er Jahren zu einer Symbolfigur sowohl von Black Power als auch der Anti-Kriegs-Bewegung wurde, galt Mike Tyson in den 1980er Jahren gerade aufgrund seiner Herkunft aus dem afro-amerikanischen „Ghetto“ als nahezu unbezwingbar. An seinem Beispiel lässt sich besonders gut nachvollziehen, wie Afro-Amerikaner mit einer scheinbar naturhaften Kampforientierung assoziiert werden und wie solche rassistischen Zuschreibungen mit Bildern von Stärke und Potenz operieren, die wiederum sowohl mit Bewunderungen als auch mit Ängsten verbunden werden. Tysons schwarze Hautfarbe steht demnach nicht nur für die Wut und Aggressivität der ethnisch Unterdrückten, die ihn als Boxer antrieb, sondern auch für „das Tier im Mann“ – für jene unkontrollierte Rohheit, exzessive Sexualität und notorische Gewalttätigkeit, die schließlich zu seinem Absturz und mehreren Gefängnisaufenthalten geführt hätten. Tony Jefferson interpretiert die selbstzerstörerische Abwehr von Ängsten durch Adaption der jeweils härtesten zur Verfügung stehenden Männlichkeitsvariante als Schlüssel zum Verständnis der Biografie Tysons und stellt damit eine über den Einzelfall hinausweisende Beziehung zwischen Ethnizität und Geschlecht her.40
Die mit den Erfolgen afro-amerikanischer Kämpfer im Boxsport der letzten Jahrzehnte hervorgegangenen ikonischen Heldenfiguren verkörpern ein ambivalentes politisches Programm von ethnischem Empowerment und neuen Formen des Rassismus. Sie stehen für erfolgreiche Wege der Selbstbehauptung, produzieren aber auch Fantasien einer überlegenen „schwarzen“ Vitalität und Manneskraft, die auf biologischen Argumentationsmustern basiert. Die rassistische Beschränkung von Afro-Amerikanern auf ihren Körper wird damit nicht aufgehoben, sondern eher gefestigt und kommerzialisiert. Die damit einhergehenden coolen Posen nehmen dem Kampf um Anerkennung zwar das Verzweifelte und Verbissene, doch besteht die Gefahr des Abdriftens in einen selbstüberschätzenden „Machismo“, bei dem auf rassistische Ausgrenzung mit Überheblichkeit und sexistischer Diskriminierung von Frauen geantwortet wird.41
Geschlecht: Krisenhafter Rekurs auf heroische Männlichkeit
Im Boxsport und dem Boxerstil werden folglich nicht nur Beziehungen von Klasse und Herkunft verhandelt, Boxpraktiken tragen zugleich auch zur Reproduktion von Männlichkeit bei, einer heroisch-idealisierten Männlichkeit, die auf dem Anspruch körperlicher Überlegenheit basiert. Gerade in jenen zu Beginn erwähnten, meist nur angedeuteten kleinen Kampfhandlungen, den bei männlichen Hauptschülern verbreiteten, oft nur einige Sekunden langen Sparringsituationen wird Männlichkeit performativ hergestellt. Der Männlichkeitsforscher Michael Meuser bezeichnet solche Duelle als „ernste Spiele“.42 Damit verweist er zum einen auf ein spielerisches Element, auf das damit einhergehende Improvisieren, „Herumblödeln“ und Lachen, und stellt zum anderen heraus, dass es sich gleichzeitig um risikoreiche, einsatzfordernde und folgenreiche Machtspiele handelt, bei denen innerhalb der männlichen Peergruppe Hierarchien verhandelt werden und zugleich eine geschlechtliche Selbstvergewisserung stattfindet.
Doch der im Boxerstil von den „harten Jungs“ reklamierte Überlegenheitsanspruch gegenüber anderen jungen Männern und den sich meist in einer Beobachterposition befindenden Frauen steht mittlerweile zunehmend infrage. Ideale von heroischer Maskulinität, mit ihrer Betonung von unbändigem Mut und furchtloser Gefahr, von physischer Stärke und gewaltvoller Konfrontation erscheinen gegenüber postmodernen Vorstellungen von hybriden, ambiguen und fluiden Männlichkeiten mittlerweile fast wie ein Atavismus.43 Aggressive Männlichkeit, wie sie im Boxerstil eine prototypische Ausdrucksform findet, bildet für den Kultursoziologen Andreas Reckwitz die Antipode und Kontrastfolie für eine seit den 1970er Jahren zu beobachtende positive Kultivierung eines geschlechtsindifferenten emotionalen Selbst. Diese hegemoniale postmoderne Affektkultur fördert die Herausbildung von moderaten, konstruktiven und ökonomisch produktiven Emotionen.44 Dies führte in der Postmoderne zu Verunsicherungen des traditionellen, auf Stärke, Aggressivität und Durchsetzungsvermögen basierenden männlichen Habitus. Der mit der Verteidigung solcher Habitusformen verbundene männliche Vorherrschaftsanspruch verlor an Durchsetzungskraft, ohne dass sich bereits ein davon losgelöstes neues Männlichkeitsideal durchsetzen konnte. So kam es zur vielbeschworenen „Krise des Mannes“, die interessanterweise in den 1990er Jahren in akademischen Kreisen in den USA und Deutschland eine mythopoetische Gegenbewegung hervorbrachte, in der unter anderem Boxkämpfe als eine Art Therapie eingesetzt wurden, um wieder Zugang zu „authentischer“ Männlichkeit zu finden.45
Der hier im Mittelpunkt stehende Boxer-Stil steht demgegenüber für eine proletarisch gefärbte, aus einem Sportkontext hervorgehende antibürgerliche Gegenkultur, in welcher der Rekurs auf harte Männlichkeit gleichzeitig einen nichtbürgerlichen Klassenstatus markiert. Der Boxer-Stil kann als eine in Körperpraktiken situierte Kritik an herrschenden Gesellschafts- und Geschlechternormen verstanden werden, als eine milieuspezifische Form von „Protestmännlichkeit“.46 Die aggressive Gestik der boxenden Hauptschüler deutet umgekehrt darauf hin, dass sie im Rahmen der postmodernen Kultur zu jenen stigmatisierten Außenseitern zählen, an denen durch Prozesse kultureller Abgrenzung das Idealbild einer maßvollen und affirmativen emotionalen Selbstkultivierung konturiert wird. Hinzu kommen ethnische Zuschreibungen von Maskulinität in dominanten medialen Diskursen: Besonders türkische, kurdische und arabische Einwanderer werden in medialen Diskursen mit einer überholten vormodernen Männlichkeit assoziiert, die einer weitverbreiteten Lesart nach von alltäglicher Gewalt gegenüber Frauen und archaischen Ehrvorstellungen geprägt sei.47
Geschlecht wird hier eng mit Herkunft und Ethnizität verknüpft und die hegemonialen Darstellungen von Migranten werden wiederum entlang geschlechtlicher Stereotype konstruiert. Ein im Boxerstil ausgelebter Männlichkeitskult kann demgegenüber als strategische Aneignung von stigmatisierter Männlichkeit verstanden werden, die über Differenzmarkierungen Distinktion erlaubt und gleichzeitig der Machtausübung gegenüber Frauen und anderen jungen Männern dient. Wie bereits angedeutet, laufen die „harten Typen“ und „türkischen Machos“ jedoch Gefahr, im symbolischen Protest und dem Spiel mit Differenz selbst zur Verfestigung von negativen Stereotypen gegenüber „gewaltbereiten männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ sowie den damit verbundenen Ausschlussmechanismen beizutragen.
Die Attraktivität des Boxerstils bei Berliner Hauptschülern steht für eine gewisse Persistenz und für zeitgenössische Reanimierungen traditioneller Auffassungen von „echter“ Männlichkeit sowie dem damit verbundenen Ideal eines binären Geschlechterarrangements. Doch wann ist dieses traditionelle Bild von Männlichkeit entstanden? Folgt man Georg Mosse, hat sich das männliche Ideal von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an in Europa herausgebildet und sich seitdem in seinen Grundzügen kaum verändert.48 Der an Tugenden wie Willensstärke, Ehre und Mut ausgerichtete und darüber hinaus mit einem gesunden Staatskörper assoziierte männliche Idealtypus formte sich in Abgrenzung zu männlichen und ethnischen Anti-Typen, etwa zu Juden oder Homosexuellen. Das „Männliche“ definierte sich aber auch über den Kontrast zum „Weibischen“, einem mit Zartheit, Weichheit und Zurückhaltung assoziierten komplementären Frauentypus. Sportpraktiken spielten in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, auch wenn in Deutschland als übermäßig aggressiv geltende Sportarten wie Fußball und Boxen im 19. Jahrhundert noch verpönt waren. Vielmehr galt zunächst das Turnen als maßvoller Königsweg zur männlichen Vervollkommnung, der in Mosses Lesart auch ein Weg der Disziplinierung und Militarisierung war. Das im Turnsport um 1900 ursprünglich angestrebte und darin bis heute weiterlebende ästhetische Ideal antiker griechischer Jünglings-Männlichkeit entsprach einem Wunschbild des damaligen Bildungsbürgertums, mit dem Berliner Hauptschüler, wie sich in der geschilderten Turnstunde zeigte, heute nicht mehr viel anfangen können.
Auch in Raewyn Connells in den 1980er Jahren in Australien entwickelten relationalen Konzeption von „hegemonialer Männlichkeit“ spielen Konzeptionen von Weiblichkeit und marginalisierte „Protestmännlichkeiten“ eine wichtige Rolle, da diese mittels einer Mischung aus Unterdrückung und Inkorporierung ebenfalls zur Konturierung des jeweils herrschenden Männlichkeitsmodells beitragen.49 Conell versteht „hegemoniale Männlichkeit“ dabei nicht als feste und homogene Geschlechtseigenschaft, sondern als ein Set an historisch und kulturell variablen Praktiken, die letztlich der Aufrechterhaltung männlicher Herrschaft dienen. Einen Eindruck vom prekären und ungesicherten Charakter der im Boxerstil reklamierten männlichen Dominanz gewinnt man vor allem dann, wenn sich der Blick auf mit dem Ideal männlicher Dominanz nicht kompatible Frauenrollen richtet:
Feldtagebuch: Hofpause. Zwei Jungen kommen zu mir und meinen, wir sollten uns mal den „Hurenkrieg da drüben“ anschauen. Am anderen Ende des Schulhofes, direkt unterhalb des Lehrerzimmers, bildet sich eine Schülertraube. Scheinbar magisch angezogen, bewegt sich der halbe Schulhof in diese Richtung. Ich halte etwas Distanz, will aber natürlich auch was sehen. Zwei etwa 16-jährige Mädchen gehen in der Mitte aufeinander los, jeweils angefeuert von ihren Freundinnen. Sie fallen völlig außer sich übereinander her, schreien sich tatsächlich gegenseitig als „Huren“ an, wälzen sich am Boden und ziehen sich an ihren langen blondgefärbten Haaren. Als ein paar Lehrer einschreiten, können die beiden kaum auseinandergebracht werden, da sie die Haare ihrer Kontrahentin nicht loslassen wollen. Nachdem die Kämpferinnen zunächst getrennt sind, ziehen sie sich wie zwei Boxer in jeweils eine Ecke des Schulhofes zurück, wo sie von ihren ebenfalls aufgebrachten Freundinnen bestärkt und versorgt werden. Dann geht es wieder von vorne los, nur diesmal mit noch höherer Intensität. Schließlich balgt sich ein riesiges, schreiendes Menschenknäuel aus kämpfenden Mädchen und dazwischen springenden Lehrern auf dem Boden des Schulhofes. Die Kriegerinnen werden schließlich zum Direktor abgeführt, sie werden sich später gegenseitig verklagen. Ein Krankenwagen kommt mit Blaulicht angefahren, auch die Polizei taucht wenig später auf. Die Jungs schauen dem Spektakel mit einer Mischung aus Interesse und Entspannung zu. Eine der neben mir stehenden Schülerinnen meint: „Alles Gerüchte. Die eine hat erzählt, die andere sei eine Schlampe. Typisch Mädchen.“
Die Schlägerei zwischen den beiden Neuntklässlerinnen Samantha und Selina war auch in den folgenden Stunden noch Gesprächsthema an der Schule. Die beiden seien, so die Erzählungen, einmal beste Freundinnen gewesen, die sich dann aber zerstritten hätten. In den letzten Wochen kursierte dann ein Video auf den Smartphones der Schülerschaft, in denen die eine sich abwertend über die andere geäußert haben soll. Die Beleidigte habe daraufhin mehrfach eine gewaltvolle Wiederherstellung ihrer Ehre angekündigt und so kam der Showdown auf dem Schulhof für in den Konflikt Eingeweihte nicht völlig überraschend. Einige der Schülerinnen der zehnten Klassen meinten anschließend, ein solches Verhalten gehöre sich nicht für ein Mädchen, andere verwiesen darauf, wie verletzend abwertende Rede für eine Frau sein könne. In der nächsten Hofpause erschien dann noch Samanthas älterer, per Handy alarmierter Bruder auf dem Schulhof, um Selina zu verprügeln, konnte diese aber nicht finden.
Eine Reihe von Forscherinnen hat sich mit kämpfenden und boxenden Frauen beschäftigt, die in der Kulturgeschichte des Boxens eine wichtige Rolle spielen.50 Sie konstatieren einerseits die Marginalisierung von Frauen im zeitgenössischen Boxsport und die darin nach wie vor praktizierten binären Geschlechtsrollenkonstruktionen, bei denen Frauen mit physischer und emotionaler Verletzlichkeit sowie mit Schwäche und Fürsorge assoziiert werden. Sie registrieren andererseits aber auch einen Anstieg der Anzahl boxender Frauen und fragen daran anschließend, wie sich eine kulturelle Position der kämpfenden Frau finden und etablieren lässt, die mehr ist als eine Mimikry von althergebrachter heroischer Männlichkeit. Für die Männer wiederum stellt der Aufstieg boxender Frauen die männliche Alleinherrschaft in einer der klassischen Arenen der Bestätigung männlicher Dominanz infrage. Sie reagieren darauf in den erwähnten Studien mit einer abwehrenden Mischung, die vom Verbot des Zutritts zu Boxhallen bis zum gütigen, milde lächelnden Chauvinismus reicht.
Bei männlichen Hauptschülern deutete sich eine heimliche Faszination für kämpfende Frauen an. Zwar ließen sie sich diese bei der geschilderten Schulhofschlägerei kaum anmerken, doch konnten sie – wie auch der Forscher – ihre Augen kaum von der spektakulären Gewaltszene abwenden. Zu den auf den Facebookseiten von männlichen Galilei-Schülern am häufigsten geposteten und kommentierten Beiträgen gehörten Videos von sich schlagenden Frauen. Der Reiz dieser Videos lag wohl im „spectacle of otherness“, dem nicht geschlechtsrollenkonformen Verhalten der gefilmten jungen Frauen.51 Stuart Hall verweist mit dieser griffigen Formel auf die für Subjektivierungsprozesse konstitutiven unbewussten Beziehungen zum irritierend Anderen hin, zum Fremden, das als faszinierend und zugleich bedrohlich erscheint und dem deshalb mit einer Mischung aus Voyeurismus und Abscheu begegnet wird. Bilder von kämpfenden Frauen bedrohen das ohnehin schon prekäre männliche Selbstbild, indem sie die klare Grenzziehung zwischen starker Männlichkeit und schwacher Weiblichkeit in Frage stellen. In Anlehnung an Julia Kristeva könnte man von einer „Abjekt“-Beziehung sprechen: Das außerhalb der imaginierten Ganzheit des Subjekts Stehende wird verworfen oder verpönt, doch gleichzeitig verbirgt sich darin ein sexuell aufgeladenes Objekt der Begierde.52
Körper: Arbeit am Selbst
Unter Einbeziehung des Körpers lassen sich die bisher angerissenen Fragestellungen noch weiter diskutieren, wobei zunächst die Wechselverhältnisse von Körper und Gesellschaft betont und anschließend Formen der körperlichen Modellierung im Mittelpunkt stehen.
Zu den klassischen Theoretikern des Verhältnisses von Körper und Gesellschaft gehören Pierre Bourdieu und Judith Butler. Um die Beziehung von Körperhaltungen mit sozialen Positionen analytisch zu fassen, spricht Bourdieu von der „Hexis“.53 Die dadurch bezeichneten, mit der sozialen Lage korrespondierenden körperlichen Disposition gehen mit spezifischen Weltbezügen, Selbstverhältnissen und Körperhaltungen einher. Judith Butler versteht das Geschlechtshandeln mittels eines „corporeal style“ als performative Erzeugung von Geschlechterdifferenz durch inkorporierte kulturelle Fiktionen von geschlechtlicher Identität.54 Auch wenn, wie häufig zu Recht hervorgehoben wird, Bourdieu eher zur Konstatierung von Stabilität neigt und Butler die Möglichkeit von Transformationen hervorhebt, so ist auch bei Bourdieu die Beziehung zwischen sozialer Position und körperlicher Disposition niemals deckungsgleich, während Butler darauf hinweist, dass Stile eine Geschichte haben, die die Wahl stilistischer Positionierungen anleiten und limitieren. Beide Theorieansätze lassen sich auf den Boxerstil übertragen, dieser kann mit Bourdieu als inkorporierte „Hexis“ verstanden werden, ohne dabei von einem vollständig integrierten und kohärenten Habitus ausgehen zu müssen. Mit Butler lässt sich zeigen, dass der Boxerstil auf binären Vorstellungen und Fiktionen von Männlichkeit basiert, deren Reproduktion durch Körperpraktiken jedoch keineswegs reibungslos funktioniert.
Die Einbeziehung des Körpers eröffnet zudem eine Perspektive auf die mit dem Boxerstil in Verbindung stehenden körperbezogenen Selbstoptimierungsversuche. Das am Idealbild des Boxers konturierte Männlichkeitsideal bedarf körperlicher und psychischer Investitionen, einer Arbeit am Selbst, die sich bei genauerem Hinsehen schnell als unabschließbarer Prozess voller Hindernisse erweist. Zwar verspricht angesichts der angesprochenen Krise der Männlichkeit der Rückbezug auf den Körper eine Art letztes Refugium, doch sind Körper und Psyche keineswegs beliebig formbar. So können Körperideale verfehlt und auf den Körper bezogene Selbstermächtigungsversuche auch scheitern. Anja Tervooren hat zudem hervorgehoben, dass sich in Bezug auf das „Einüben von Geschlecht und Begehren“ gerade bei darin noch weniger geübten Kindern und Jugendlichen noch vermehrt Brüche und Dissonanzen beobachten lassen.55 So entsprachen auch die am Boxerstil orientierten Hauptschüler keineswegs immer den von ihnen selbst propagierten körperlichen Idealvorstellungen, was sich anhand einer Beobachtung im Fitnessraum der Galilei-Schule demonstrieren lässt.
Feldtagebuch: Im Fitnessraum im Keller der Schule arbeiten 12 Schüler unter der Aufsicht des Sportlehrers an den Geräten, während die Mädchen in der Turnhalle Ballspiele machen. Der Lehrer hat eine lockere Art, einmal führt er einen Schein-Boxkampf mit einem der Schüler und meint danach anerkennend: „Der ist gut!“ Die Schüler sind beim Fitness motivierter als bei anderen Schulstunden. Roberto beschränkt sich allerdings auf Spazierengehen auf dem Laufrad und einem anderen Jungen wird zwischendurch schwindelig. An der Wand hängt ein riesiger Spiegel, indem sich Elton ausgiebig bewundert. Er war gestern eine halbe Stunde im Solarium und will nun die Ergebnisse prüfen. Zudem testet er alle zwei Minuten, ob seine Muskeln schon gewachsen sind. „Für die Motivation“, meint er, als ich ihn darauf anspreche. Er trainiert vor allem den Bizeps sowie Schulter- und Brustmuskeln. Wenn er vor dem Spiegel steht, streckt er seine Brust heraus und spannt die Arme an, manchmal dreht er sich dabei wie ein Bodybuilder auf der Bühne, was aufgrund seines recht dicken Bauches und Hinterns etwas deplatziert wirkt. Dazu prüft er die Wirkung verschiedener Grimassen. Irgendwann zieht er sein T-Shirt aus und posiert halbnackt vor dem Spiegel. Zwei andere, ebenfalls eher fülligere Jungen machen es ihm nach. Zusammen sehen die drei unfreiwillig komisch aus. „Wie krieg ich den Bauch weg“, fragt schließlich einer der Schüler. „Der Spiegel zeigt einen zum Glück immer besser“, antwortet der andere in Anspielung auf das scheinbar leicht verzerrte Spiegelbild.
Die hier beschriebenen selbstverliebten und dennoch latent unsicheren Blicke in den Spiegel eignen sich zu gut, um sie nicht mit Jacque Lacans Überlegungen über „Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion“ in Beziehung zu setzen.56 Lacan zufolge nimmt sich das Kind beim Blick in den Spiegel ab einem gewissen Alter als vollständiges einheitliches Ich war, mit dem es sich auf eine narzisstische Weise identifiziert. Die Einheit des Subjekts ist jedoch eine imaginierte, denn in einer psychoanalytischen Lesart gibt es keinen festen inneren Kern von Subjektivität, sondern diese basiert auf einem Mangel. Die Ganzheit des Subjekts wird jedoch über Imaginationen angestrebt, im Falle der männlichen Selbstbildung etwa durch dominante Fiktionen von männlicher Stärke und Potenz, die ihre Wirksamkeit auch bei jenen Hauptschülern entfaltet, die den damit einhergehenden Idealbildern körperlich nicht entsprechen. Die in der beschriebenen Spiegelszene angedeutete verzerrende Wirkung des Spiegels hat also auch eine über die Szene hinausweisende übertragene Bedeutung, bei der die optische Täuschung für eine systematisch getäuschte Selbstwahrnehmung steht.
Für die Aufrechterhaltung der den grundsätzlichen Mangel kompensierenden Illusion einer stabilen männlichen Identität bieten sich verschiedene Kulturtechniken an. Elton orientiert sich in seiner körperbetonten Selbstinszenierung vor allem am Idealbild des Bodybuilders, der einzelne, speziell dafür trainierte Muskelgruppen spektakulär zur Schau stellt. In seiner Studie über die Sozialgeschichte des Bodybuildings argumentiert Mischa Kläber, dass aufgrund der traditionell üblichen Arbeitsteilung zwischen bürgerlicher Kopf- und proletarischer Körperarbeit solche Bodybuildingpraktiken und das mit ihnen einhergehende instrumentelle Verhältnis zum Körper zunächst als Attribut der unterbürgerlichen Schichten galten.57 Im Zuge von vermehrt auf den eigenen Körper gerichteten Selbstoptimierungstendenzen, die im Boom der Fitnessbranche ihren markantesten Ausdruck findet, gewinnt das körperfixierte Leitbild des Bodybuilders zunehmend schichtenübergreifende Relevanz und kann mittlerweile als Symbol für sich im Kontext von Neoliberalisierungsprozessen transformierende Selbstverhältnisse gedeutet werden. In der beschriebenen Fitnessraumszene lässt sich folglich eine Vermischung zeitgenössischer Formen von Männlichkeit, Körper und Klasse beobachten.
Beim Versuch einzelnen Ungleichheitsdimensionen im Boxerstil zu beleuchten, ergeben sich widersprüchliche und vielschichtige Befunde: Der Boxerstil kann als eine Reaktion auf die gesellschaftliche Verachtung und die familiären Problemlagen von Hauptschülern gelesen werden, als eine Form der Verarbeitung von Exklusions- und Migrationserfahrungen, die häufig selbst zur Verfestigung von negativen Stereotypen beiträgt. Der Boxerstil steht gleichzeitig für den Rekurs auf eine mit physischem Durchsetzungsvermögen assoziierte heroische Männlichkeit, die als Grundlage maskuliner Selbstentwürfe und männlicher Herrschaft mittlerweile zunehmend infrage gestellt wird. Diese ist wiederum mit spezifischen Körperpraktiken verbunden, mit einer Arbeit am Selbst, die als körperbezogene Empowerment-Strategie auch Analogien zu neoliberalen Subjektivierungsmustern aufweist. Die sich im Boxerstil artikulierenden Verhältnisse von Klasse, Herkunft, Geschlecht und Körper wurden zwar nacheinander beleuchtet, nicht aber als sich bündelnde oder einander abschwächende Einzelkräfte, sondern als aufeinander bezogene Dimensionen einer komplexen Formation. Solche Formationen sind nicht statisch, sondern werden im Alltag beständig reproduziert und variiert. Am Beispiel des Boxerstils wurde dadurch verdeutlicht, dass Hauptschüler nicht nur mit bestehenden Formen klassen- und herkunftsbedingter Ungleichheiten sowie geschlechtlicher und körperlicher Zuschreibungen konfrontiert werden, sondern selbst auf widersprüchliche Weise an deren Reproduktion beteiligt sind.
SCHLUSS: VERKÖRPERTE WIDERSPRÜCHE
Die Bezeichnung „Boxerstil“ bezieht sich zunächst auf einen Sportkontext. Sie diente mir darüber hinaus als Bezeichnung für ästhetische Selbst-Stilisierungen, die von tradierten Vorstellungen männlicher Härte, agonistischem Verhalten und dem Leitmotiv des Kämpfens geprägt sind. Mit einer formationstheoretischen Perspektive wurden zunächst die Stufen der Stilbildung vom Sport, über das Spiel und den Alltag bis hin zu populärkulturellen Ästhetisierungen nachvollzogen. Anschließend wurden die Wirkungen einzelner Ungleichheitskategorien, ihre Komplexitäten und internen Widersprüchlichkeiten sowie ihre Verflechtungen miteinander angedeutet. Sowohl die Stilformen als auch die Ungleichheitsstränge existieren dabei nicht vorhergehend in einem quasi isolierten Rohzustand, sondern sie entstehen, bündeln und reproduzieren sich in der Praxis.
Mit dem Begriff der „Formation“ rücken Prozesse des Formierens – des Schaffens, der Ausbildung und der Wiederholung im Zuge alltäglicher Praxis – in den Mittelpunkt. Dabei beziehe ich mich auf den Formationsbegriff von Louis Althusser, der diesen benutzte um gegen simplistische Basis-Überbau-Modelle in der marxistischen Diskussion seiner Zeit und zugunsten einer komplexeren und dynamischeren Doppel-Artikulation zwischen „Struktur“ und „Praxis“ zu argumentieren.58 Sein Ansatz wurde im Kontext der britischen Cultural Studies von Raymond Williams und Stuart Hall aufgenommen und weiterentwickelt.59 In letzter Zeit wurde der Formations-Begriff von Beverly Skeggs, Ann Stoler und anderen verwendet, die damit auf die Kämpfe um das sprachlich vermittelte hegemoniale Verständnis von Kategorien wie Klasse, Ethnizität, Geschlecht und Körper hinwiesen.60 Auch Michel Foucault verwendet um 1970 den Formations-Begriff, vor allem in der „Archäologie des Wissens“ spricht er mehrfach von „diskursiven Formationen“.61 Er verweist damit auf den dynamischen Charakter und die unabgeschlossene, sich wandelnde Form von Aussagesystemen, in denen heterogene Elemente gebündelt werden ohne eine vollständig integrierte Struktur zu bilden.62 Im Anschluss an Althusser, Foucault und anderen Autoren wurde in den letzten Jahren die alltagspraktische und die politische Dimension von Formationsprozessen, also zum einen das Spannungsverhältnis zwischen Routinehandeln und stilistischer Neuschöpfung und zum anderen zwischen politischer Affirmation und Subversion, in praxeologischen und subjektivierungstheoretischen Ansätzen systematisch herausgearbeitet. Die Stilstudien der Cultural Studies aus den 1970er und 80er Jahre wurden dabei empirisch und theoretisch erweitert, wobei unspektakulärere, alltäglichere Praktiken und komplexere Machtrelationen in den Blick gerückt wurden. Doch vielleicht ist mit dieser Erweiterung gleichzeitig ein wenig die Kompetenz zur Analyse jugendkultureller Stilbildungen verloren gegangen und auch die Frage nach den Verbindungen zur jeweiligen sozio-historischen Konstellation wird kaum noch mit der gleichen (selbst)kritischen Energie verfolgt.
Vergesellschaftung verläuft nicht nur durch Anpassung und Unterwerfung, sondern auch durch Aggressivität und Konflikte. Kampf erweist sich aus dieser Sichtweise als konstitutives Moment moderner Subjektivität.63 Dies wird im modernen Boxsport auf besonders eindrückliche und anschlussfähige Weise inszeniert. Aus dem Bereich des Sports kommende Wettkampf-Metaphern finden, wie Ulrich Bröckling bemerkt hat, derzeit in vielen Bereichen des Sozialen Verbreitung, wobei sie sich in der Galilei-Schule auch deutlich sichtbar in die Körper einschreiben.64 Der Boxer wird für die in prekären Verhältnissen aufwachsenden Neuköllner Hauptschüler zu einem populärkulturellen Ideal der kämpferischen Selbstentfaltung. Hieran deutet sich an, wie weit das Prinzip der Konkurrenz bereits Verbreitung gefunden hat. Gleichsam wird durch solche Anleihen aus der Welt des Sports ein Legitimationsdefizit der neoliberalen Ordnung überdeckt, indem vorgeben wird, beim gesellschaftlichen Erfolg komme es in erster Linie auf individuelle Anstrengungen und persönliche Leistungen an.65 Im Boxerstil offenbart sich der Zeitgeist und gleichzeitig eine Haltung zur Welt. Sein aggressiver Gestus sollte uns weiterhin verunsichern, denn in ihm artikulieren sich zentrale Widersprüche unserer Gesellschaft.
1Vgl. Wellgraf: Hauptschüler, S. 61-68; Willis: Learning to Labor.
2Vgl. Williams: Modernity and the Emotions.
3Vgl. Hall/Jefferson (Hg.): Resistance through Ritual.
4Vgl. Willis: Learning to Labor.
5Vgl. Hebdige: Subculture; Clarke: Stilschöpfung.
6Vgl. Boddy: Boxing.
7Vgl. Wacquant: Leben für den Ring.
8Ebd., S. 44.
9Vgl. Boddy: Boxing.
10Vgl. Oates: On Boxing; Woodward: Boxing, Masculinity and Identity.
11Vgl. Schindler: Kampffertigkeit.
12Vgl. Huizinger: Homo Ludens, S. 211-215.
13Vgl. Bataille: Die Aufhebung der Ökonomie, S. 303-338.
14Vgl. Alkemeyer/Borschert/Gebauer/Schmidt (Hg.): Aufs Spiel gesetzte Körper.
15Vgl. Alkemeyer/Borschert/Gebauer/Flick/Schmidt: Treue zum Stil; Butler: Das Spiel mit sich.
16Vgl. Alkemeyer/Borschert/Gebauer/Flick/Schmidt: Treue zum Stil.
17Vgl. Stewart: Ordinary Affects.
18Vgl. Schäfer/Thompson (Hg.): Spiel.
19Vgl. Gerhardt/Wirkus (Hg.): Sport und Ästhetik.
20Vgl. Kläber: Moderner Muskelkult.
21Vgl. Wellgraf: Hauptschüler, S. 61-68.
22Vgl. ebd.
23Vgl. Ege: „Fight to Live /Live to Fight“.
24Vgl. Sayer: Why Things Matter to People.
25Vgl. Bourdieu: Sozialer Sinn, S. 147-179. Bourdieu/Wacquant: Reflexive Anthropologie.
26Vgl. Bourdieu: Die feinen Unterschiede, S. 283.
27Vgl. Soeffner: Stil und Stilisierung; Soeffner: Stile des Lebens.
28Vgl. Ege: Carrot-cut Jeans.
29Vgl. Lindner: Apropos Stil.
30Vgl. Maase: „Stil“ und „Manier“ in der Alltagskultur.
31Vgl. Ege: „Ein Proll mit Klasse“.
32Vgl. Lewis: The Culture of Poverty.
33Vgl. Winker/Degele: Intersektionalität, S. 37ff.; Hess/Langreiter/Timm (Hg.): Intersektionalität revisited.
34Vgl. Gems: The Politics of Boxing.
35Vgl. Axel Honneth im Boxring; Honneth: Kampf um Anerkennung; Gugutzer: Rocky I-VI.
36Vgl. Wellgraf: Hauptschüler, S. 63f.
37Vgl. Junghans: Die Wahrheit des Boxens und ihre Inszenierung im ‚deutschen Boxboom‘ der neunziger Jahre.
38Vgl. Hall/Jefferson (Hg.): Resistance through Ritual.
39Vgl. Boddy: Boxing, S. 166ff.
40Vgl. Jefferson: „Härter als alle anderen“.
41Vgl. Majors/Billson: Cool Pose. Siehe auch das Kapitel zu Coolness.
42Vgl. Meuser: Männerwelten; Meuser/Klein (Hg.): Ernste Spiele. Für eine etwas andere Lesart von „serious games“ vgl. Ortner: Anthropology and Social Theory, S. 129-153.
43Vgl. Woodward: Boxing, Masculinity and Identity.
44Vgl. Reckwitz: Umkämpfte Männlichkeit.
45Vgl. Meuser: Dekonstruierte Männlichkeit und die körperliche (Wieder-)Aneignung des Geschlechts.
46Vgl. Conell: Masculinities; Connell/Messerschmidt: Hegemonic Masculinity.
47Vgl. Scheibelhöfer: Intersektionalität, Männlichkeit und Migration; Stecklina: „Kleine Jungs mit zu großen Eiern“; Spindler: Hegemoniale Männlichkeit.
48Vgl. Mosse: Das Bild des Mannes.
49Vgl. Connell: Masculinities; Connell/Messerschmidt: Hegemonic Masculinity.
50Vgl. Boddy: Boxing; Woodward: Boxing, Masculinity and Identity; Paradis: Boxers, Briefs or Bras?; Hargreaves: Sporting Females.
51Vgl. Hall: The Spectacle of the „Other“.
52Vgl. Kristeva: Powers of Horror.
53Vgl. Bourdieu: Méditations pascaliennes, S. 85ff.
54Vgl. Butler: Gender Trouble, S. 190f.
55Vgl. Tervooren: Männlichkeiten und Sozialisation.
56Vgl. Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion.
57Vgl. Kläber: Moderner Muskelkult.
58Vgl. Althusser: Für Marx; Althusser: Das Kapital lesen.
59Vgl. Williams: Marxism and Literature, S. 115-120; Hall: Signification, Representation, Ideology; Hall/Bram (Hg.): Formations of Modernity; Hall: Cultural Studies 1983.
60Vgl. Skeggs: Formations of Class and Gender; Stoler/McGranahan/Perdue (Hg.): Imperial Formations; Owen/Winant: Racial Formations in the United States; HoSang/LaBennett/Pulido (Hg.): Racial Formations in the Twenty-First Century.
61Vgl. Foucault: Archäologie des Wissens.
62Vgl. Angermüller: Nach dem Strukturalismus, S. 115f.
63Vgl. Baratella: Das kämpferische Subjekt.
64Vgl. Bröckling: Gute Hirten führen sanft, S. 243-259.
65Vgl. ebd.