Kurzweile. Provokation als Kritik
Erfahrungen der Langeweile rufen Ablenkungsversuche hervor. Die Suche nach dem Kurzweiligen ist folglich unter Berliner Hauptschülern ebenso stark verbreitet wie die Langeweile selbst. Die Grenzen zwischen der Langeweile und der Kurzweile in der Schule werden seit dem 19. Jahrhundert in pädagogischen Diskursen mithilfe wertender Zuschreibungen markiert, doch erweisen sie sich in der schulischen Praxis immer wieder als fließend und brüchig.1 Dieses Kapitel fragt nach den sozialen Bedingungen und kulturellen Formen der Kurzweile, nach ihren affektiven und ästhetischen Dimensionen und nach ihren subversiven und kritischen Potenzialen. Das Streben nach Kurzweile, verstanden als Sammelbegriff für diverse Ausprägungen der Suche dem Interessanten, der Zerstreuung, der Unterhaltung und dem Vergnügen, etablierte sich zeitgleich und komplementär zur Verbreitung moderner Formen der Langeweile seit dem 19. Jahrhundert.2 Mit dem „Aufstieg der Massenkultur“3 entstand ein Gegenmodell zum strengen Disziplinarregime der Schule, das gleichsam auf der sich allmählich durchsetzenden zeitliche Differenzierung zwischen Arbeitszeit und Freizeit basierte. An der Galilei-Schule wurde diese Trennung wieder unterlaufen: Aufgrund des Übermaßes an Langeweile wird die Schule zur Arena populärkultureller Unterhaltung.
Populäre Formen der Kurzweile befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen sozialen und medialen Umbrüchen, volkskulturellen Traditionen und globalen Verflechtungen, bürgerlichen Statusängsten und pädagogischen Ordnungsvorstellungen. In der hegemonialen Diskursordnung werden jugendliche Handyvideo-Praktiken mit Vorstellungen des Oberflächlichen, Obszönen und Gewalttätigen sowie einem drohenden Verlust an kognitiver Aufmerksamkeit verknüpft.4 Sie gelten als minderwertig gegenüber am bürgerlichen Kunstverständnis ausgerichteten Konzepten ästhetischer Erfahrung, die mit intellektueller Tiefe, konzentrierter Fokussierung und sinnlicher Verfeinerung assoziiert werden. Der französische Philosoph Bernard Stiegler beklagt beispielsweise eine gesellschaftliche „Aufmerksamkeitszerstörung“ und eine durch neue Medien hervorgerufene „Zerstörung des jugendlichen psychischen Apparats“, infolgedessen es zu einer Infantilisierung der Gesellschaft und einem Verlust der Kritikfähigkeit komme.5 In einem ähnlich alarmierenden Tonfall diagnostiziert auch der deutsche Philosoph Christoph Türcke eine Aufmerksamkeitsdefizitkultur, die besonders im Bereich der Schule katastrophale Auswirkungen habe.6 Und auch die US-amerikanische Publizistin Maggie Jackson sieht kulturelle Errungenschaften und kritisches Denken durch eine medienbedinge Diffusion und Fragmentierung der Aufmerksamkeit bedroht.7 Diese alarmierenden Stimmen aus unterschiedlichen nationalen Kontexten verdeutlichen, dass kulturpessimistische Diskurse gegenüber neuen Medien auf bildungsbürgerlichen Idealvorstellungen von Tiefe und Innerlichkeit, von Konzentration und Kontemplation basieren. „Aufgedrehtes“ Verhalten aufseiten der Schüler wird demgegenüber häufig mittels sich selbst bestätigender Diagnose-Schleifen als krankhaftes Verhalten fehlgedeutet. „Unaufmerksamkeit“ ist neben „Überaktivität“ und „Impulsivität“ eine der drei Leitsymptome für ADHS-Diagnosen.8 Ähnliche Deutungen dominieren in Bezug auf Jugendsprache und den hier behandelten „Trash Talk“. Die Auseinandersetzung mit sozialen Konstellationen und pädagogischen Rahmungen wird dabei meist ebenso umgangen wie ein Eingehen auf die impliziten Botschaften von schulischen Störungen.
Durch den besonders im Bereich Schule dominanten Negativdiskurs sind die Traditionen, Inhalte und Stoßrichtungen schulischer Kurzweile weitgehend aus dem Blick geraten. Mit Jonathan Crary, der die Genealogie von Aufmerksamkeitsregimen seit dem 19. Jahrhundert erforscht hat, untersuche ich Momente der Suspension schulischer Aufmerksamkeit und frage nach deren situativen Dynamiken und situationsübergreifenden Logiken.9 Kurzweile begreife ich dabei keineswegs als abwesende oder defizitäre, sondern als „verteilte Aufmerksamkeit“, als eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf verschiedene, als interessant, unterhaltend oder anderweitig anregend wahrgenommene Gegenstände.10 Eigenmächtige Formen der Unterhaltung in einem als langweilig empfundenen schulischen Umfeld erscheinen somit gerade nicht als Ausdruck fehlender Selbststeuerung, sie sind vielmehr ein Versuch der Selbstbehauptung und somit ausdrucksstarker Ausweis von Agency. In meiner Rekonstruktion schulischer Störmanöver bin ich nicht an einer gelungenen Wiederherstellung des regulären Unterrichts interessiert, sondern an den Bedingungen, Formen und Dynamiken des temporären Zusammenbruchs schulischer Ordnung und an der Frage, ob und auf welche Weise sich dabei Kritik vonseiten der Schüler artikuliert.
Kritik wird von Berliner Hauptschülern mangels legitimer Artikulationsmöglichkeiten vorwiegend im Modus des Provozierens artikuliert, oft in Form von „Blödeleien“ und „Pöbeleien“. Neuköllner Hauptschüler sind berüchtigt für ihre Widerständigkeit und Aufmüpfigkeit gegenüber Autoritäten, ebenso wie für ihre derben Umgangsformen und lautstarken Meinungsäußerungen untereinander. Humoristische Bemerkungen, aggressive Wortduelle und theatrale Darbietungen spielen im Unterricht eine zentrale Rolle. Das Schulgeschehen erscheint häufig weniger durch die geordnete Vermittlung von Lerninhalten als durch ständige, mehr oder weniger spielerischen Provokationen bestimmt. Lehrer treibt dies regelmäßig zur Verzweiflung, doch statt in Klagen über die desaströsen Lernbedingungen einzustimmen, rekonstruiere ich den „sozialen Sinn“ humorvoller und derber Kurzweile unter prekären schulischen Bedingungen.11 Auch nach dem „Ende der Arbeiterkultur“12 finden auf diese Weise in einem postproletarischen Umfeld „eigensinnige“, also eigenmächtige, kreative und durchaus auch widersprüchliche Auseinandersetzungen mit sozialen Widersprüchen statt, allerdings ohne dass die dabei produzierten Einsichten wiederum an kollektive Forderungen und politische Positionen zurückgebunden werden.13 Ich verwende die im Schulkontext derogative Beschreibungsformeln des „Blödelns“ und des „Pöbelns“ bewusst – allerdings in Anführungszeichen – um zum einen auf die verbreitete Abwertung dieser Kulturtechniken durch eine Assoziierung mit dem sozialen „Unten“ und dem intellektuell angeblich Minderwertigen hinzuweisen, zum anderen um die unterbürgerlichen und volkskulturellen Traditionen dieser Arten von Unterrichtsstörungen zu markieren. Am Beispiel von Adaptionen des Gangnam Style und des Harlem Shake durch Berliner Hauptschüler sowie des „Trash Talk“ bei einem Antisemitismus-Workshop zeigt sich, dass das „Blödeln“ und das „Pöbeln“ seinen Reiz und seine Regelhaftigkeit aus der ritualisierten Provokation und der demonstrativen Negation des Schulbetriebs gewinnen. Die Jugendlichen reaktivieren dabei ältere volkskulturelle Elemente, die von Aufmüpfigkeit, Körperorientierung und Geselligkeit gekennzeichnet sind und aktualisieren diese unter den Bedingungen gesellschaftlicher Ästhetisierungsprozesse sowie einer mediatisierten Migrationsgesellschaft.14 Auf den ersten Blick banal und vielleicht sogar lächerlich wirkende Verhaltensweisen erscheinen in der von mir eingenommenen Blickweise als voraussetzungsvolle und komplexe kulturelle Artikulationsformen.
„BLÖDELN“. ADAPTIONEN DES GANGNAM STYLE UND HARLEM SHAKE
Als ich von einem Arbeitsaufenthalt in Südkorea im Sommer 2012, wo der Gangnam Style bereits en vogue war, an die Galilei-Schule kam, war ich überrascht, dass auch hierzulande Schüler Gangnam-Shirts trugen und entsprechende Tanzbewegungen aufführten. Im Folgenden möchte ich nachzeichnen, wie der Gangnam Style seinen Weg von Südkorea nach Berlin-Neukölln fand und dort, gemeinsam mit dem Harlem Shake, während des Schuljahres 2012/13 zum populärsten Internet-Meme avancierte. Daneben fanden auch diverse andere Meme-Versionen unter den Schülern Verbreitung, etwa humoristische Memes wie die „Thüringer Klöße“ und moralische Memes aus den Bereichen Politik, Liebe und Freundschaft. Memes bezeichnen eine Verbreitungsweise von kulturellen Inhalten über das Internet, bei der Bild-, Ton- oder Videodateien nachgeahmt und modifiziert werden und sich um diese herum ein distinkter kultureller Verweisungszusammenhang bildet.15 Musikvideo-Memes verbreiten sich vor allem über die Online-Plattform YouTube, die auf dem Prinzip der frei zugänglichen Zirkulation medialer Inhalte basiert.16 Memes sind häufig sowohl eingängig und banal als auch skurril und rätselhaft, sie laden mittels Humor und Positivität zur Nachahmung ein und behaupten sich durch Provokation und Originalität im digitalen Kampf um Aufmerksamkeit.17 Digitale Medien und die sich mit ihnen verbreitenden populärkulturellen Genres rufen, wie bereits angedeutet, vor allem mit Blick auf pädagogische Kontexte vehemente Abwehrreaktionen hervor, die sich an der Galilei-Schule vor allem in einem generellen Handyverbot artikulierten, welches vonseiten der Schüler allerdings weitgehend ignoriert wurde.
Entstehungszusammenhänge und kulturelle Übersetzungen
Der Gangnam Style gilt als das schillerndste Erfolgsmeme des Jahres 2012. Das Musikvideo avancierte binnen weniger Monate zum meistgesehenen Clip in der Geschichte von YouTube und zählt mittlerweile mehr als 2,3 Milliarden Klicks.18 Psy und sein Gangnam Style gelten als Exportschlager des K-Pop, einer Abkürzung für „Korean Pop“, mit der populäre südkoreanische Popmusik bezeichnet wird, die sowohl für den einheimischen als auch für den internationalen Musikmarkt konzipiert wird und deshalb typischerweise koreanische mit englischsprachigen Textelementen vermischt.19 Die dazugehörige Musik ist eine Mischung aus eingängigem Elektropop, koreanischem Rap und englischsprachigen Refrain-Gesängen. Neben dem tanzenden Sänger Psy und verschiedenen Prominenten der koreanischen Popkultur, tauchen die im Song mehrfach besungenen „sexy ladys“ in verschiedenen Varianten auf, weshalb das Video sexuell stark aufgeladen wirkt.
Gangnam gilt als wohlhabender Stadtteil der südkoreanischen Metropole Seoul, der hier symbolisch für einen hippen, hedonistischen und konsumorientierten Lebensstil und für ein hypermodernes und turbokapitalistisches Südkorea steht. Das Musikvideo präsentiert diesen Lebensstil in einer humoristischen Übersteigerung. Das Motiv des Gangnam-Lifestyles berührt auf spielerische Weise gesellschaftspolitische Fragen: Die koreanische Gesellschaft wird von einer spannungsvollen Dynamik zwischen einer egalitären Orientierung und hierarchischen Statusaspirationen geprägt. Die Betonung von Homogenität steht neben dem Streben nach Reichtum. Beide kulturellen Strömungen nehmen jeweils historische Versatzstücke auf und transformieren sie, etwa die konfuzianische Betonung von Ausgleich und Gehorsam oder Elemente der jahrhundertelangen Herrschaft einer aristokratischen Yangban-Elite.20 Kultureller Träger der postaristokratischen kapitalistischen Statusorientierung ist vor allem jene urbane Mittelschicht, die im Zuge der raschen Industrialisierung seit den 1970er Jahren entstand und sich in neoliberalen Zeiten stark über einen konsumorientieren Lifestyle und Bildungserfolge definiert.21 Gleichzeitig kann die Mehrheit der koreanischen Bevölkerung mit den medial vermittelten Konsumstandards der urbanen Mittel- und Oberschicht nicht mithalten. Der Gangnam Style gewinnt seinen Reiz aus diesem Spannungsverhältnis, er bezieht sich auf Distinktionskämpfe in der koreanischen Gegenwartsgesellschaft, die in vergleichbarer Form jedoch auch in anderen Weltregionen zu beobachten sind. Dies ist einer der Gründe für die intuitive Verständlichkeit und die Anschlussfähigkeit des Gangnam Style.
Als Bewegungsäquivalent zum Gangnam Style dient Psy eine Art Pferdetanz ohne Pferd: Jockeyartigen Tanzbewegungen inklusive Lasso-Schwung, die an unterschiedlichen Orten in Seoul aufgeführt werden, unter anderem auf einem Spielplatz, einem Straßenübergang, einer Konzerthalle, einem Tenniscourt und auf einem Boot. Das Pferd steht motivgeschichtlich in einer Assoziationskette mit Status und Herrschaft.22 Es waren in der Regel die Reichen und Mächtigen, die sich das Reiten auf Pferden leisten konnten und sich als Reiter inszenierten und repräsentieren ließen. Auch in der asiatischen Kultur wird das Pferd mit hohem Sozialstatus assoziiert, besonders in China und Japan, die beide einen starken kulturellen Einfluss auf Korea ausübten. Beim mittels eines angedeuteten Lasso-Schwungs im Gangnam Style zitierten Cowboy-Motiv steht das Reiten des Pferdes zudem in einem Verweiszusammenhang von Freiheit und Amerikanisierung, Männlichkeit und Sexualisierung. Der Gangnam Style bestätigt die Annahme von Ulrich Raulff, der zufolge die ikonografische und metaphorische Geschichte des Pferdemotivs keineswegs mit der Verdrängung des Pferdes durch das Automobil in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endet, sondern in sublimierter Weise in (populär-)kulturellen Formen weitergesponnen wird.23
Während der Gangnam Style zum Ende des Jahres 2012 allmählich an Anziehungskraft verlor, verbreitete sich zu Beginn des Jahres 2013 bereits ein neues virales Tanzvideo – der Harlem Shake. Dieser galt ursprünglich als eine im gleichnamigen New Yorker Stadtteil zu Beginn der 1980er Jahre entstandene Variante des Breakdance. Harlems legendärer Ruf als kulturelles Zentrum und musikalische Innovationsstätte afro-amerikanischer Kultur und Musik reicht von der „Harlem Renaissance“24 der 1920er und 30ern über den „Cool Jazz“25 der 1940er und 50er bis zur Entstehung der Hip-Hop-Kultur in den 1970er und 80er Jahren.26 Gleichzeitig galt Harlem lange als Inbegriff des US-amerikanischen „Ghettos“27 und steht somit symbolisch sowohl für Prozesse sozialräumlicher Ausschließung als auch für afro-amerikanische Solidarität und „Black Power“. Diese Traditionen schwingen untergründig auch im Harlem-Shake-Meme noch mit, sie ermöglichen migrantischen Berliner Hauptschülern eine imaginäre Verbindung zu Harlem im Form einer kulturellen Wahlverwandtschaft herzustellen.
Das Harlem-Shake-Meme wurde durch ein gleichnamiges, etwa eine halbe Minute langes Online-Video ausgelöst, welches der Internetkomikers Filthy Frank Anfang Februar 2013 auf YouTube veröffentlichte.28 Darin wurden Auszüge aus dem Song „Harlem Shake“ des amerikanischen DJs Baauer aus dem Jahr 2012 verwendet und um eigentümliche Tanzbewegungen ergänzt. Vier junge Männer in knalligen Ganzkörperkostümen führten dabei einen durch rhythmisches Zurückreißen der Schultern und gleichzeitige Stoßbewegungen der Hüften gekennzeichnete Tanzbewegungen vor, die nur noch lose an den afro-amerikanisch geprägten Harlem Shake der 1980er Jahre erinnerten. Tatsächlich kopiert wurde aber weniger dieses Video, sondern eine Videoreaktion australischer Jugendlicher auf Filthy Franks Version. Das sich daraufhin verbreitende Harlem-Shake-Meme basiert auf einer relativ festen, jedoch an diverse Umstände und Räumlichkeiten anpassbaren Grundstruktur. In der Regel befindet sich eine Gruppe von Menschen für 15 Sekunden in einer scheinbar banalen Alltagssituation, häufig in Büros oder Arbeitsumgebungen, manchmal jedoch auch an ungewöhnlichen Orten und in schrillen Kostümen. Mit dem Einsetzen des Basses und der programmatischen Textzeile „do the Harlem Shake“ beginnen sie dann plötzlich „auszuflippen“, indem sie für weitere 15 Sekunden zappelnde und hüpfende Tanzbewegungen aufführen. Bis zum 15. Februar 2013, also nur zwei Wochen nach der Veröffentlichung von Filthy Franks Version, kursierten bereits 40.000 Versionen des Harlem Shake online.
Sowohl der Gangnam Style als auch der Harlem Shake verbreiten hybride, auf lokale kulturelle Populärkulturtraditionen zurückgreifende und diese weiterführenden Tanzstile. Die Memes beinhalten eine Vielzahl von ebenfalls vor allem über YouTube verbreiteten Adaptionen und Variationen. Psy hatte, wohl auch aufgrund seiner eigenen Karriere mit illegalen Popsamplern, auf ein Copyright für seinen Song verzichtet und somit die Türen für kreative Aneignungen geöffnet. Allerdings waren in Deutschland während meiner Forschung sowohl Psys Originalversion als auch eine Vielzahl von Adaptionen des Gangnam Style wegen eines Rechtsstreits zwischen der GEMA und YouTube nicht zugänglich. Der Harlem Shake wiederum basiert ohnehin auf einer sich verselbstständigen Adaptionsspirale, die nicht mehr eindeutig auf eine einzige Originalversion ausgerichtet ist. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb kam es auch hier zu juristischen Auseinandersetzungen ums Urheberrecht. Als Paradebeispiele für Globalisierungsprozesse basieren beide Memes nicht auf dem Prinzip der Homogenisierung, sondern spielen mit den visuellen und semantischen Reizen von kultureller Differenz.29 Neue Versionen und hybride Kombinationen werden durch diesen Rest an nicht vollständig übersetzbarer Fremdheit, durch affektive und semantische Überschüsse, angeregt.30 Fragen von Macht und Hegemonie nehmen dabei eine zentrale Rolle ein, wobei von komplexen Verflechtungszusammenhängen unter der Prämisse ohnehin beständig vorgehender mediatisierter Übersetzungsprozesse und nicht mehr von einem unilinearen Kulturtransfers vom Zentrum zur Peripherie ausgegangen werden sollte.31 Ihren Reiz gewinnen die Neuinterpretationen von lokalen, kulturspezifischen Stilen und Verweisungszusammenhängen aus den im Übersetzungsprozess entstehenden Reibungen, Spannungen und Irritationen.32
Im Prozess der kulturellen Übersetzung lassen sich zwei typische Aneignungsformen unterscheiden: Kopien wiederholen im Wesentlichen das Grundkonzept des Memes leicht variiert in anderen räumlichen Kontexten, wobei die Spannbreite von Handyaufnahmen bis zu professionell arrangierten Inszenierungen reicht. Parodien spielen das ironische Spiel der audiovisuellen Vorlagen weiter, indem sie diese selbst persiflieren oder neu interpretieren. Zu den parodistischen Varianten des Gangnam Style gehören unter anderem der Gun-Man Style, der Farmer Style und der Gungan Style in Anlehnung an das Star-Wars-Universum. Der Harlem Shake wurde auf ähnliche Weise adaptiert. Eine Grandma Edition des Harlem Shake erhielt innerhalb von drei Tagen mehr als eine Million Klicks. Aufmerksamkeit fanden zudem Adaptionen von US-amerikanischen Celebrities, von Homer Simpson, über CNN-Redakteure bis zu Basketball- und Footballteams. Eine besonders prominente Parodie des Harlem Shake präsentierte Justin Timberlake während der TV-Show Saturday Night Live am 9. März 2013, als er in einer Tofu-Verkleidung die Songzeilen „con los terroristas“ mit „tofu burritos“ und „do the Harlem Shake“ durch „drink vegan shake“ ersetzte.
Die Komplexität und Dynamik von kulturellen Transferprozessen lässt sich an der Karriere des Gangnam Style in den USA und Europa besonders gut veranschaulichen. Zunächst ist das K-Pop-Genre mit seinen Boy- und Girlbands wie die südkoreanische Kultur insgesamt stark von US-amerikanischen Einflüssen geprägt. Eine deutlich US-gefärbte Form von Coolness und Konsumorientierung hat seit dem Ende des Koreakrieges die ehemals primär auf moralische Erziehung ausgerichtete koreanische Kultur beeinflusst. In den 1950er und -60er Jahren brachten die Konzerte US-amerikanischer Truppen westliche Popmusik erstmals nach Korea, was wiederum unterschiedliche Adaptionen zur Folge hatte. Gleichzeitig werden die Amerikanisierung und die militärische Präsenz von US-Soldaten in Südkorea von starken Widerständen begleitet. Psy selbst lebte vier Jahre in den USA, er bringt als Rapper sowohl den Hip-Hop nach Korea als auch koreanischen Pop in die USA. Nachdem er während seiner Studienzeit an der US-amerikanischen Ostküste noch Mixtapes mit koreanischer Musik verkaufte, erobert er mittlerweile mit seinem eigenwilligen K-Pop die US-Charts. K-Pop wurde in den USA zunächst vornehmlich von US-Amerikanern asiatischer Herkunft gehört, hat mittlerweile jedoch eine breitere Hörerschaft, unter anderem auch bei Afro-Amerikanern, gewonnen. Der Erfolg des Gangnam Style wurde besonders durch die jeweils an Millionen Abonnenten versendeten Twitter-Lobpreisungen von amerikanischen Pop- und Kinostars wie Katy Perry, Britney Spears und Tom Cruise befördert. Psy trat unter anderem gemeinsam mit Madonna im Madison Square Garden auf, wurde zu The Today Show und Saturday Night Live eingeladen und spielte im Hauptgebäude der Vereinten Nationen sowie beim Weihnachtskonzert von US-Präsident Obama. Zu seinem 35. Geburtstag performte Psy den Gangnam Style bei der Silvesterfeier am New Yorker Times Square.
In Europa war „Korean Pop“ zunächst vor allem in London und Paris populär, wo auch die ersten europäischen K-Pop-Konzerte stattfanden. K-Pop-Fans hatten zunächst meist selbst einen asiatischen Familienhintergrund, doch der Gangnam Style wurde darüber hinaus ein milieuübergreifendes Pop-Phänomen. In England wurde der Eton Style, eine Adaption von Schülern der gleichnamigen Elite-Schule, bei der auch ein Lehrer auftritt, mehr als zwei Millionen Mal auf Youtube angeklickt. Die in schwarzen Anzügen auftretenden Jünglinge machen sich darin in einer parodistischen Fortführung des Gangnam Style über den verklemmten Elitismus der britischen Oberschicht lustig: „We may be awkward, frustrated, lonely and insecure, hey, yes insecure, hey, […] we’re not too social, can’t talk to women, although we try, hey, we’re just too shy, hey, if you approach us then we’ll just break down and cry“.33 In Paris tanzte Psy im November 2012 bei einem vom Radiosender NRJ organisierten Flashmob zusammen mit 20.000 Menschen am Pariser Trocadero-Platz. Auch in Rom und Mailand fanden zu dieser Zeit Flashmobs dieser Größenordnung statt. Hinzu kamen kleinere Flashmobs in fast allen europäischen Ländern, vom isländischen Reykjavik bis nach Nikosia auf Zypern. In Deutschland trat Psy unter anderem bei den Fernsehshows Wetten, dass..? und TV Total sowie bei einem Konzert in Köln auf.
Galilei-Style – Adaptionen durch Neuköllner Hauptschüler
Der Gangnam Style und der Harlem Shake wurden von Berliner Hauptschülern zu zahlreichen Gelegenheiten thematisiert oder aufgeführt. Das akustische, semantische und gestische Potenzial der popkulturellen Vorlagen wurde, häufig in Kombination mit anderen kulturellen Versatzstücken, zu trotzigen Boykottierungen des Unterrichts und anspielungsreichen Anfeindungen des Lehrpersonals verwendet. Der Gangnam Style und der Harlem Shake kamen in spezifischen Situationen der Herausforderung pädagogischer Autorität zum Einsatz, da sich mit ihnen sowohl stören und ablenken als auch gesellschaftliche Widersprüche versinnlichen und symbolisch verarbeiten ließen.
Kurz vor den Weihnachtsferien 2012, also nach mehreren Monaten eines popkulturellen Hypes um den Gangnam Style aber noch vor Erscheinen des Harlem Shake, diskutierte ich mit den Schülern der zehnten Klassen Popmusikvideos im Rahmen eines Projekttages. Dafür schauten wir während einer Doppelstunde gemeinsam YouTube-Musikvideos, welche sich die Schüler entweder vorher als ihre aktuelle Lieblingsmusik gewünscht hatten oder spontan vorschlugen. Das Gangnam-Style-Video wurde dabei mit Amüsement angeschaut – „mit Vollbild und richtig laut“, rief ein Schüler gleich zu Beginn – und kenntnisreich ausgewertet.
Feldtagebuch:
Nadja: „Er ist voll berühmt geworden. Mir gefällt, dass alle so mitmachen.“
Kai: „Eine Milliarde Klicks hat er schon.“
Theo: „Die Szenen am Pool und im Fahrstuhl sind besonders verrückt.“
Nadja: „Und in der Toilette.“
Theo: „Ist mal was ganz Anderes. Am Anfang fand ich es komisch, als ich es bei VIVA gesehen habe. Man muss es sich mehrmals angucken, dann wird es immer besser.“
Nadja: „Man geht automatisch darauf ab, in der Disko tanzen alle dazu.“
Momo: „Wir haben es auch schon getanzt, ich und mein Bruder, bei einer Hochzeit. Wir standen alle im Kreis und als dann das Lied kam, sind alle mitgesprungen.“
Kai: „Meine Ex-Freundin hatte mir vor drei Monaten einen Link geschickt. Nach zwei drei Tagen habe ich bemerkt, dass es richtig groß wird.“
Theo: „Ich glaube, er will aber jetzt damit aufhören, weil alle ihn nachmachen.“
Kai: „Ich finde es auch langsam nervig, immer das gleiche Lied.“
Die Schüler zeigten sich als popkulturell interessiert und involviert. Im hier abgedruckten Diskussionsausschnitt hoben sie vor allem die Berühmtheit des Gangnam Style und dessen Tanzbarkeit hervor. Die Schüler kannten das Video und den dazugehörigen Tanzstil von Freunden, aus dem Fernsehen und Online-Medien oder aus der Disko, erwähnt wurden im Verlauf der Diskussion auch noch andere Meme-Varianten, wie der deutschsprachige Opa Gandolf Style – eine Anspielung auf eine der Figuren im Kinofilm Herr der Ringe – sowie Cover-Versionen aus den Herkunftsregionen der Eltern, wie der Balkan Style und der Turkish Style. Das Verrückte, Ironische und Rätselhafte des Songs sowie die Möglichkeit, dazu auch in Gruppen zu Tanzen sprach die Schüler anscheinend besonders an. Manche wussten, dass Gangnam als Ort der „Reichen und Flippigen“ in Südkorea gilt, andere hatte ich zuvor schon mit Psy-T-Shirts in der Schule gesehen. Zwei Schüler aus asiatischen Familien waren bereits länger an K-Pop interessiert, einer von ihnen nahm im September 2012 an einem Gangnam-Style-Flashmob auf dem Berliner Alexanderplatz teil, zeigte sich aber enttäuscht, dass dieser so schnell vorüber war.
Nachdem das Interesse am Gangnam Style aufgrund einer medialen Übersättigung gegen Ende des Jahres 2012 allmählich nachließ, wandten sich die Galilei-Schüler in den Anfangsmonaten des Jahres 2013 dem Harlem Shake zu. Zwei Versionen des Harlem Shake wurden von den Schülern der zehnten Klasse aufgenommen und zwischenzeitlich im Internet publiziert. Die erste Version wurde in der Jungen-Umkleidekabine der Schulturnhalle aufgenommen: Die Schüler sitzen zunächst demonstrativ unbeteiligt herum, doch die anschwellende Musik und die Hüftstoßbewegungen eines auf die Bank gekletterten Jungen mit einer Gesichtsmaske deuten bereits das Inferno der kommenden 15 Sekunden an, bei dem die Schüler wild herumtanzen und sich dabei teilweise ihre T-Shirts vom Körper reißen. Ähnlich ist auch die zweite Version aufgebaut, die auf der Schultoilette spielt. Die Jungen stehen dort zunächst in einer Reihe an den Pissoiren, nur einer von ihnen macht bereits Stoßbewegungen mit der Hüfte und greift sich dabei lasziv an den Hintern. Nach 15 Sekunden startet auch hier plötzlich eine obszöne Party mit verschiedenen Rollen: einer führt eine Art Masturbationstanz auf, andere steigen auf die Pinkelbecken oder bespringen sich gegenseitig. Die Schüler hatten eine speziell für die Produktion von Harlem-Shake-Adaptionen ausgerichtete Handy-App verwendet, sie folgten durch dieses technische Mittel den populärkulturellen Konventionen des Harlem-Shake-Memes. In ihrer ausgestellten Freakhaftigkeit wirkten die Tanzbewegungen dennoch präzise vorbereitet und die Teilnehmer sorgsam choreografiert.
Abbildung 3/4: Harlem Shake in der Galilei-Schule
Quelle: YouTube
Die Schüler wählten nach eigenen Angaben bewusst Orte innerhalb der Schule, die provokant, auffallend und ungewöhnlich waren, an denen man aber auch „ungestört Spaß haben“ konnte. Zwei als beliebt geltende Jungen waren die Hauptinitiatoren, sie machten in den Tagen zuvor auf den Hofpausen heimlich Werbung für die anvisierte Performance, waren dann nach eigenen Angaben aber selbst überrascht, wie viele Schüler mitmachten und wie gut die spontane Darbietung funktionierte. „Das war einfach Spaß für uns. Ich liebe es, wenn spontane Sachen so groß werden. Alle fanden das witzig. Wir wollten es aber nie auf YouTube hochstellen.“ Die Handy-Aufnahmen der beiden Performances kursierten zunächst schulintern auf den Smartphones der Schüler und wurden wenig später auf YouTube veröffentlicht, wo sie zahlreich kommentiert wurden. Die hier in Auszügen wiedergebende Online-Diskussion fand unter 42 Schülern und deren Bekannten im Wesentlichen zwischen dem 1. und 5. März statt, ebbte in den folgenden Wochen allmählich ab und endete schließlich Anfang April 2013.34
Online-Kommentare: shake you titts bitch xDD / Hahhajahjaahjajaaj / nächstes mal mit versprochen / wem jugts / hahaha beide SHAKES gut – weiter so Jungs haha / Haha diese schule wird sich nir ändern / Hahah GENIAL nächste video mach ich mit / Eyyy wallah ganz erlich ich würd die nicht lassen das video rein zu machen !!!! / hahaha shake the titts * hahahahaha xD […] das toppt ganze videoooo hahaahaah / ahahahaah lasst meine titten in ruhe hhHA warum macht ihr nixht andere rein? / Harlem Shakeeeeee / Killa / Hahahahah scheiße / Hahahahahahahahahaha seine Titten älter / HAHAHAHHAHAHAHAHAH schlimmer als bei Weiber […] * brille der schlimmste er macht in der ecke liegestüze hahahahahahahaha / okay chillt mal mit een kommis / Ahhah waa / Jaa man die ganzee zeit Benachrichtigung? / hahhaahahahahaahahahahahahaaahahahaha liegestuetze / hahahahha / aber echt ihr zerreißt / der beste war * keiner beachtet ihn weil er zu weit vorne ist hahahahaa / * der geilste haahha (..) * du fette sau / hahah das.nennt man vorrat hahahaha / Bitte bitte leute nicht ignorieren liest euch das durch google earth macht ne abstimmung welches land auf der weltkarte kommen soll PALÄSTINE VS. ISRAEL BITTE BITTE STIMMT ALLE FÜR PALÄSTINE DIE HABEN ES VERDIENT AUF DER KARTE ZU KOMMEN FREE PALÄSTINE […] hahahaa / haha alak wie du aussiehst xD / haha idoten jaa am respekt / ahahahahhahahaah / guck mal diese junges titen hahha / hhaahahhahahaahha
Insgesamt überwiegen zustimmende Kommentare in Form eines allgemeinen Gelächters, der Würdigung von besonders gelungenen Einzeldarbietungen oder dem Bedauern, die Performance verpasst zu haben. Doch dazwischen finden sich auch einige kritische Stimmen, diskutiert wird beispielsweise, ob man die Aufnahmen überhaupt teilen und so häufig kommentieren sollte. Bedenken dieser Art führten wohl dazu, dass die Filmsequenzen mittlerweile nicht mehr online verfügbar sind und die für die Veröffentlichung verantwortliche Person von den Initiatoren der Performance zur Rechenschaft gezogen wurde. Am meisten fokussiert wird sich auf die Brüste eines etwas fülligeren Schülers, worauf dieser zunächst etwas indigniert doch später scherzhaft reagiert. Auch andere Themen, wie der an einer Schule mit zahlreichen palästinensischen Flüchtlingen stets präsente Palästina-Konflikt, kommen zur Sprache. In der fatalistischen Einschätzung, dass sich „diese Schule“ niemals ändern wird, deutet sich ein negatives Bild der eigenen Bildungsinstitution an. In diesem Zusammenhang wird dies jedoch mit Humor genommen und der „Idioten“-Vorführung besondere Anerkennung gezollt.
Toleranz-Groteske
Mit ihren Adaptionen schrieben sich die Jugendlichen in die transnationale popkulturelle Entwicklung dieser Memes ein und fügten ihnen ein neues, ein Galilei-Kapitel, hinzu. Im Gegensatz zu den englischen Eliteschülern aus Eton stellten die Neuköllner Schüler dabei das Ordinäre, Sexuelle und Körperliche heraus. Während des Unterrichts an der Galilei-Schule dienten spontane Performances des Gangnam Style, des Harlem Shake und anderer musikalischer Vorlagen vor allem der eigenmächtigen Unterhaltung in besonders langweiligen Unterrichtssettings sowie der Provokation ausgewählter Lehrer und Lehrerinnen. Zugleich wurde damit auch auf den unterschwelligen Rassismus einiger schulischer Angebote reagiert.
Feldtagebuch: Ethik-Stunde bei Frau Herrmann, mal wieder das übliche Chaos. Eine Gruppe von Jungs unterhält sich vergnügt über Freizeitaktivitäten, einer meint „dieser Harlem Shake ist so lustig“, er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „I am Hip Hop.“ Ali kommt ein paar Minuten zu spät in den Unterricht und wird direkt in den Trainingsraum geschickt, was ihn ziemlich nervt: „Ich ficke, wer dieses Gesetz gemacht hat. Ich geh nicht Trainingsraum. Soll ich doch suspendiert werden. Ist mir doch egal.“ Dann geht er doch, kommt aber nur ein paar Minuten später schon wieder triumphierend zurück. „Ist nicht besetzt“, meint er mit Verweis auf den abgeschlossenen Raum und setzt sich auf seinen Platz. Kai zeigt auf die Schuhe von Ahmed und ruft laut: „Hartz IV aber Schuhe für 400 Euro“. Ali kommt dazu, greift Ahmeds Bein, streckt dessen Füße in die Luft und brüllt: „400 Euro! Gucci!! Bestimmt aus POLEN!!!“. Die Lehrerin zeigt sich unbeeindruckt und teilt ein Arbeitsblatt über Toleranz aus. Ali liest vor: „Ich gucke mit meiner Frau Dilta ‚Wetten, dass..?‘, da kommt meine Tochter Patricia mit ihrem Freund Manfred hinein“. Frau Herrmann fragt, wie die Schüler die beschriebene Szene, bei der die Tochter ihren neuen Freund nach Hause bringt, als Eltern auf eine tolerante Weise handhaben würden. Die Schüler lachen sich schlapp. Ali antwortet zunächst scheinbar brav: „Ich würde eine Pro- und Kontra-Liste machen“, doch ergänzt nach einer kurzen Pause „Und dann müsste er mir einen Lutschen!“ Kai springt auf und tanzt den Harlem Shake. „Ich habe eine Vorliebe für ältere Frauen“, ruft er in Richtung der nicht mehr ganz jungen Lehrerin. Dann berichtet er von einem Porno über „zwei lesbische Frauen mit Gartenschlauch“. Ali ist vom Thema angetan: „Ich bin sexuell geil. Das muss man TOLERIEREN!“ Andere Jungs in der Klasse fühlen sich ebenfalls angeregt und fantasieren über Sex im Lehrerzimmer: „Manchmal denke ich, Frau Rieder sitzt da und dann kommt der Rudi und nimmt sie richtig durch.“ „Und Frau Mitroglou läuft nackt durch den Lehrerraum“, wird die Szene von anderen weiter ausgemalt. Kai steht auf und spielt den Lehrer-Sex im Harlem-Shake-Style mit lauten imitierten Sex-Geräuschen vor – „Uh! Ah!“. Ahmed singt dazu „Oooh baby“, mehrere stimmen daraufhin ein „I wanna know, if you want to be my girl“, und dann schließlich fast alle zusammen besonders laut „UH! AH! “ Die Lehrerin protestiert: „Ich finde es extrem intolerant, wenn ihr glaubt, alte Leute haben keinen Anspruch auf Zärtlichkeit.“ Ahmed protestiert empört: „Wir wollen, dass alle ficken. Wir sind pro ficken. Sex auch für Omas!“ Kai scheint das Ganze etwas falsch zu verstehen, er geht nach vorne und beginnt Frau Herrmann den Rücken zu massieren. „Lass Deine Finger von mir“, protestiert sie. Nevin singt dazu eine eigenwillige Gangnam-Style-DJ-Ötzi-Mischversion: „hey, sexy lady. Uh! Ah!“. Andere Schüler sind genervt. „Der ist doch ADS“, ruft jemand mit Verweis auf Ali. „Manchmal seid ihr so kurz vor dem Wahnsinn. Was ist der Unterschied zwischen einer Irrenanstalt und dieser Schule?“, fragt die Lehrerin. Ali antwortet: „Was ist hier schon normal? Das Verrückte macht uns erst menschlich“. Der Unterricht driftet danach weiter ab und ich denke mir, irgendwann schreibe ich das alles in mein Buch.
Popmusikalische Referenzen werden im Ethik-Unterricht auf subversive Weise zur Unterhaltung und Provokation eingesetzt. Eine kleine, dominant auftretende Gruppe männlicher Schüler nimmt akustische und gestische Versatzstücke des stark erotisierten K-Pop und der mit Potenzfantasien spielenden kommerziellen Hip-Hop-Kultur auf, um mit sexuellen Prahlereien die eigentlich anstehende Diskussion über Toleranz zu untergraben. Durch die Stoßbewegungen der Hüften beim Harlem Shake und die eingängige Refrainzeile „hey, sexy ladies“ im Gangnam Style eignen sich beide Memes ideal für sexuell konnotiertes Herumalbern. Songfragmente werden dabei mit anderen, zu diesem Zeitpunkt zirkulierenden popmusikalischen Zitaten kombiniert, hier vor allem mit DJ Ötzis bekannter Version des vielfach adaptierten Klassikers „Hey Baby“ aus dem Jahr 2000 mit den markanten „Uhs“ und „Ahs“. Die Schüler spielen gleichzeitig mit Format und Thema der Unterrichtsstunde, sie täuschen teilweise ernsthafte Antworten vor, um diese im nächsten Moment lächerlich zu machen, oder sie persiflieren den Gebrauch des Toleranzbegriffs und berauben ihn somit seiner Schwere und Seriösität. Der Ethik-Unterricht wird auf diese Weise von den Schülern zu einer Art „Blödel“-Stunde gemacht, bei der gleichsam die hegemoniale Ordnung herausgefordert und die Machtposition der Lehrerin unterminiert werden.
In seiner in den 1970er Jahren im Kontext der geisteswissenschaftlichen Forschergruppe „Poetik und Hermeneutik“ entstandenen kleinen Theorie des „Blödelns“ betonte Dieter Wellershoff dessen normierende, gruppeninterne Werthaltungen eher festzurrende als diese über Bord werfende Wirkung.35 Daneben wies er auf die generationenspezifische Verbreitung des Blödelns unter Jugendlichen und dessen häufig sexuelle Schlagseite hin. Zwar deutete Wellershoff das „Herumblödeln“ politisch als Befreiungsversuch aus Entfremdungs- und Zwangsverhältnissen, doch blieb seine Konzeption aufgrund einer Orientierung an den künstlerischen Avantgarden und der Nichtberücksichtigung volkskultureller Traditionen eigentümlich elitär. Wellershoff behauptete sogar, privilegierte Sozialisationsbedingungen seien Voraussetzung für die Herausbildung der Spontaneität, Sensibilität und Kreativität des „Blödelns“, dem er dazu auch noch eine völlige Unreglementiertheit attestierte.36 In der Galilei-Schule lässt sich das Gegenteil beobachten: Die prekären Sozialisationsbedingungen und schulischen Machtverhältnisse produzieren besonders elaborierte Formen des Blödelns, die eigenen Mustern der Provokation folgen. Über eine Betonung des Sexuellen spielen die Jugendlichen mit Zuschreibungen von kultureller Differenz und führen gleichsam die Absurditäten des hegemonialen Toleranzdiskurses vor.
Das Paradox des gegenwärtigen Toleranzverständnisses besteht darin, dass dieses mit sozial-räumlichen und sozialmoralischen Grenzziehungen einhergeht und dadurch jene devianten Subjektpositionen selbst mit hervorbringt, die es dann zu tolerieren gilt – oder denen in einer verschärften Form mit einer „Null Toleranz“-Politik begegnet wird.37 In Ihrer eindrucksvollen Kritik des gegenwärtigen Toleranzdiskurses dekonstruiert Wendy Brown den Mythos eines auf großherzige Weise universale Werte vertretenden toleranten „Westens“ und deutet den Toleranzbegriff mit Foucault stattdessen als ein besonders wirksames Mittel gegenwärtiger gouvernementaler Regierungstechnik.38 Diese Form der Toleranz kaschiert im Gestus des verständnisvollen Entgegenkommens machtvolle Überlegenheitsansprüche, sie kleidet sich mit dem warmen Mantel der Offenheit und Verständnishaftigkeit, unter dem sich jedoch kühle Ablehnung und Aversionen gegenüber dem zu Tolerierenden verbergen. Die entpolitisierende Wirkung des gouvernementalen Toleranzdiskurses besteht Brown zufolge darin, dass dieser seine historischen Trägerschichten, seine soziale Selektivität und seine exkludierenden Wirkungen verschleiert, indem Konflikte universalisiert, Differenzen kulturalisiert und Verantwortungszuschreibungen individualisiert werden. Der versteckte Charakter und die ausgrenzende Schlagseite von zeitgenössischen Toleranzdebatten zeigt sich besonders deutlich im Umgang mit dem Islam, der vor allem nach 9/11 als der generalisierte „Andere“ einer aufgeklärt-toleranten westlichen Normalgesellschaft konstruiert wird.39
In der Ethik-Stunde ging es scheinbar zunächst um einen potenziell alle Jugendlichen betreffenden Generationenkonflikt, der sich ergeben kann, wenn man erstmals seinen Freund oder seine Freundin mit nach Hause bringt. Doch durch die Namensgebung wurden die Eltern als migrantisch und der neue Freund von deren Tochter als Deutsch markiert, eigentlich ging es also um das Problem einer vermeintlich fehlenden Toleranz migrantischer Elternhäuser gegenüber der Partnerwahl ihrer Töchter und darüber hinaus wohl auch um das Thema der Unterdrückung von Frauen und Mädchen im Islam. Die diesem Diskussionssetting über Toleranz zugrundeliegenden Vorannahmen, wie jene von patriarchalen Verhältnissen in Migrantenfamilien, wurden nicht eigens problematisiert, sondern stillschweigend als scheinbar neutrale Rahmung vorausgesetzt. Vor allem die männlichen Schüler fühlten sich von der Szene angesprochen, doch bogen sie eigenwillig vom ihnen nahegelegten Diskussionsweg ab und nutzten die allzu plumpe pädagogische Vorlage stattdessen zu provozierenden „Blödeleien“. Indem sie lustvoll sexuelle und ethnische Stereotype vorführten und sich dabei selbst als überdrehte „Machos“ inszenierten, unterliefen sie die auf eine muslimische Selbstkritik zielenden pädagogischen Erwartungen und ließen das Unterrichtsgespräch platzen. Sie spielten das falsche Spiel der Toleranz mit seinen unfairen Regeln, seinem verschleierten Rassismus und seinen verlogenen Absichten nicht mit.
Während die eingangs skizzierte kulturpessimistische Perspektive im Umgang mit neuen Medien einen Verlust von primär jugendlicher Kritikfähigkeit und eine damit einhergehende zeitgenössische Form der Entpolitisierung beklagt, lässt sich das „Blödeln“ im Stile des Gangnam Style und des Harlem Shake in der Galilei-Schule bei genauerem Hinsehen als eine Form von situierter Kritik deuten. Es handelt sich bei diesen Tanzperformances um „soziale Choreografien“40, welche die soziale und diskursive Ordnung des Unterrichts auf spielerische Weise unterbrechen und die schulischen Machtverhältnisse mittels rhythmischer Sprach- und Körperpraktiken temporär umkehren. Gleichzeitig reproduzierten sich dadurch innerhalb der Schülerschaft Machtbeziehungen, indem jene Schüler an den Rand gedrängt wurden, die nicht an dieser Art der Rede teilhaben wollten, da ihnen die Inhalte suspekt, die Form unpassend oder ihr Einsatz als zu riskant erschienen. Das Aufbegehren vonseiten der Schüler vollzog sich nicht im Modus rationaler Begründung oder gar mittels einer programmatischen politischen Auseinandersetzung, sondern durch ein aggressives, sexistisches und chauvinistisches Pop-Spektakel, in dem geschlechtliche Potenz-Fantasien von sozioökonomisch marginalisierten Schülern in alltäglichen Tanzeinlagen aufgeführt werden. Was dabei mittels populärkultureller Aufführungen aus dem sexuell aufgeladenen „politischen Unbewussten“41 hervortrat, waren ungelöste gesellschaftliche Widersprüche und unverstandene soziale Verwerfungen. Die Schüler antworteten darauf mit einer intuitiven Kritik postkolonialer Machtverhältnisse in Form einer Toleranz-Groteske.
„PÖBELN“ –
„TRASH TALK“ BEIM ANTISEMITISMUS-WORKSHOP
Die Humorkultur unter Hauptschülern ist bestimmt durch die Auseinandersetzung mit materiellen und symbolischen Abwertungen, sie ist folglich eng verbunden mit der gesellschaftlichen Verachtung dieser Statusgruppe. Dies zeigte sich besonders deutlich an den zahlreichen „Hartz-IV“-Sprüchen, die oft zugleich Scherz und Beleidigung waren. Derber Humor und aggressive Komik aufseiten der Schüler dienen nicht nur der Unterhaltung und der Provokation, sondern auch der Aushandlung von Zugehörigkeiten in Bezug auf Migration, Geschlecht und sozialem Status sowie der Gewinnung von Deutungsmacht angesichts eigener Stigmatisierungserfahrungen.42 Alberne Scherze und aufgedrehte Performances können dadurch eine politische Bedeutung gewinnen, sie lassen sich mitunter als subversive Praktiken deuten, als listig-raffinierte, verblüffend-entwaffnende und häufig scheinbar beiläufig artikulierte Formen von Kritik.43 „Blödeleien“ und „Pöbeleien“ sind deshalb besonders wirkungsvoll, da sie das Spiel mit negativen Zuschreibungen selbst aufgreifen und in ästhetisierter Form weitertreiben, wobei beim im folgenden nachgezeichneten Übergang vom „Blödeln“ zum „Pöbeln“ der Gesprächston merklich aggressiver wird. Aus der Sicht von schulischen Autoritäten erscheinen solche Kommunikationsformen, die ich hier als „Trash Talk“ bezeichne, als pädagogisches Ärgernis und werden dementsprechend mit Disziplinarmaßnahmen sanktioniert, die von Ermahnungen über Verweise in den „Trainingsraum“ bis zum Schulrausschmiss reichen.
Mit „Trash Talk“ meine ich jene scheinbar blödsinnigen oder irrwitzigen Unterhaltungen und Zwischenrufe, mit denen sich die von mir begleiteten Schüler unterhalten und gleichsam die Lehrer und Betreuer provozieren. „Trash Talk“ balanciert stets auf dem schmalen Grad zwischen Spaß und Ernst, zwischen Spiel und Aggression, er ist derbe, konfrontativ und schroff, aber manchmal auch amüsant, hintersinnig und anspielungsreich. „Trash Talk“ mit seinem aggressiven, konfrontativen Gestus kann in gelungenen Momenten zu Geselligkeit und Amüsement beitragen, aber auch aus dem Gleichgewicht geraten und in handfesten Streit umkippen. Mit dem Anglizismus „Trash Talk“ verweise ich zunächst auf eine über Hip-Hop vermittelte Wahlverwandtschaft zwischen afro-amerikanischen Sprachtradition und kulturellen Praktiken Berliner Hauptschüler. Darüber hinaus beziehe ich mich auf US-amerikanische Studien zu „White Trash“, die das Wechselspiel von sozio-kulturellen Abwertungen mit populärkulturellen und alltagsästhetischen Aneignungen des symbolisch Ausgestoßenen auch in der Tradition volkstümlicher oraler und performativer Traditionen verorten.44 Mit dem Verweis auf „Trash“ möchte ich die zitierten Bemerkungen von Hauptschülern keineswegs als „Müll“ abwerten, sondern auf Klassifikationskämpfe innerhalb der Schule hinweisen, bei denen Verunreinigung gleichsam für das soziale „Unten“ und für gesellschaftliche Randständigkeit steht.45 Daran anschließende Zuschreibungen des Dummen und des Dämlichen lassen sich als Exklusionsmechanismen begreifen, mit deren Hilfe soziale Grenzen konstruiert, naturalisiert und überwacht werden.46 Doch ich möchte stattdessen einen anderen Weg einschlagen und auf den spielerischen Charakter, den Anspielungsreichtum und das kritische Potential von „Trash Talk“ hinweisen. Am Beispiel eines Antisemitismus-Workshops lässt sich veranschaulichen, dass auf den ersten Blick blödsinnige und aggressive, oft auch klassistische, rassistische und sexistische Zwischenrufe sich bei genauerem Hinsehen mitunter als reflektierte und kritische, als wortgewandte und gewitzte Kommentare zu Schule, Gesellschaft und pädagogischen Angeboten lesen lassen. Die Art und Weise in der mittels „Trash Talk“ die schulische Ordnung unterbrochen wird, folgt dabei selbst einer gewissen Regelhaftigkeit und lässt sich in einer Tradition des Sprechens von Migranten und Außenseitern verorten.
Ein Antisemitismusworkshop für Hauptschüler
Ein Antisemitismus-Workshop scheint die denkbar ungeeignetste Gelegenheit für schulischen „Trash Talk“ zu sein. Die ernsthafte Rahmung und die Ausrichtung auf eine als schwerwiegend geltende Problemlage führten in der Galilei-Schule aber gerade nicht zu Zurückhaltung aufseiten der Jugendlichen, sondern provozierten im Gegenteil besonders vehemente Reaktionen. Bevor ich die Inhalte und Dynamiken verbaler Auseinandersetzungen genauer betrachte, gilt es zunächst die Entstehungsbedingungen von derart angespannten Gesprächssituationen zu hinterfragen. Wie kam es überhaupt zu einem Boom von Antisemitismus-Workshops an Berliner Haupt- und Sekundarschulen? Und warum provozierten diese Angebote absurden und aggressiven Humor aufseiten der Schüler? Noch in den 1990er Jahren betonten der Zentralrat der Juden in Deutschland und verschiedene muslimische Verbände ihre gegenseitige Verbundenheit.47 Fremdenfeindlichen Angriffe vor allem auf türkische Migranten wurden in jener Zeit von jüdischer Seite scharf verurteilt und auch von türkischer Seite wurden die Parallelen zur ehemaligen Situation der Juden in Deutschland betont. Mit diesem Vorgehen sollte angesichts rechtsnationalistischer Bedrohungen die Stimme der von Rassismus in Deutschland Betroffenen gestärkt werden. Türkisch-deutsche Migrantenverbände erhofften sich durch die Einschreibung in ein historisches Opfernarrativ darüber hinaus ähnliche Minderheitenrechte wie die der Juden in Deutschland. Gleichzeitig grenzten sie sich durch die Assoziierung mit dem jüdischen Schicksal gegenüber den seit den 1980er Jahren hinzukommenden palästinensischen Flüchtlingen ab, die deutlich ablehnender gegen den israelischen Staat auftraten. Das Beziehungsgefüge der ethnischen Minderheiten in Deutschland veränderte sich jedoch in Folge der Anschläge von 9/11 auf drastische Weise. Die dominante Figur des Einwanderers wandelte sich vom Gastarbeiter der 1960er und 70er Jahre, über den Asylanten und Flüchtling der 1980er und 90er Jahren zum bedrohlichen Gefährder und potentiellen islamistischen Terroristen. Hinzu kam eine Verschärfung des Palästina-Konflikts in den 2000er Jahren. Dies führte in Deutschland zu wachsendem Antisemitismus unter muslimischen Migranten unterschiedlicher Herkunft, während von jüdischer Seite aus Vergleiche mit anderen Minderheiten zunehmend abgelehnt wurden. In diesem Klima des steigenden Misstrauens gegenüber muslimischen Migranten und wachsender Spannungen zwischen ethnischen Minderheiten entstanden auf den Antisemitismus muslimischer Jugendlicher ausgerichtete Workshop-Programme, die meist von jüdischen Organisationen oder dezidiert pro-Israelischen deutschen Linken angeboten werden.
Der hier nachgezeichnete ganztägige Workshop an der Galilei-Schule wurde von der 2003 gegründeten „Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus“ (KIGA) angeboten, einem zivilgesellschaftlichen Verein, der sich auf Antisemitismus-Prävention mit muslimisch sozialisierten Jugendlichen an lokalen Schulen und Jugendeinrichtungen spezialisiert hat. Das an der Galilei-Schule angebotene Format soll am Beispiel des ehemaligen jüdischen Lebens in Kreuzberg für die Folgen von Antisemitismus sensibilisieren:
„Im Einzelnen vermittelt der Workshop den Jugendlichen einen kurzen Überblick über die Geschichte des Nationalsozialismus und nennt Beispiele für antijüdische Entrechtungsgesetze, deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Betroffenen diskutiert werden. Der Hauptteil des Workshops widmet sich der (Über-)Lebensgeschichte der Familie Arndt aus Berlin-Kreuzberg während der Zeit des Nationalsozialismus, in der auch einige der diskriminierenden Gesetze wieder aufgegriffen werden. Im Jahr 1933 sind die Geschwister Ruth und Erich Arndt zehn und elf Jahre alt. Als Jugendliche erleben sie die Zeit der Entrechtung und Verfolgung. Die Familie Arndt entzieht sich ihrer drohenden Deportation und beginnt ein Leben im Versteck. Mit der Hilfe von vielen mutigen Kreuzbergerinnen und Kreuzbergern gelingt es ihnen, Verfolgung und Krieg zu überleben. 1946 wandert die Familie in die USA aus, wo Ruth und Erich noch heute leben. In Kleingruppen erarbeiten die Jugendlichen einzelne Abschnitte der Familienbiografie und präsentieren der Klasse ihre Ergebnisse. Abschließend wird der Workshop gemeinsam ausgewertet.“48
Antisemitismus gehört neben Gewaltprävention und Anti-Aggressivitäts-Trainings sowie den Themen Zukunftsplanung und Berufsorientierung mittlerweile zum üblichen Spektrum der von staatlicher Seite oder von „freien Trägern“ während der Schulzeit angebotenen Projekte. Diese Workshop-Angebote gehen jeweils von einer Problemdiagnose aufseiten der Schüler aus – von Gewalt an der Schule, von drohender Arbeitslosigkeit und von weit verbreitetem Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen – und versuchen durch pädagogische Mittel der Ermahnung, Motivierung und Sensibilisierung entgegenzuwirken. Die Schüler waren Trainingsformate dieser Art folglich gewöhnt und betrachteten diese zumeist als eine willkommene Abwechslung. Doch wie die Lehrer der Galilei-Schule wurden häufig auch externe Dozenten mit aggressiven Provokationen vonseiten der Schüler konfrontiert, wodurch teilweise auch attraktive Angebote scheiterten. Solche verbalen Attacken konnten ein kritischer Kommentar und gezielte Reaktion auf pädagogische Angebote sein, sie konnten aber auch mit persönlichen Vorlieben und familiären Problemlagen einzelner Schüler zusammenhängen, von der Sitzverteilung, dem Wetter und der Uhrzeit beeinflusst werden oder relativ zufällig in Folge spontaner Assoziationen und kaum vorhersehbare Diskussionsverläufe entstehen. Oft entspringt „Trash Talk“ aus vielen Quellen und wird gerade aufgrund dieser Unübersichtlichkeit vorschnell lediglich als ein undifferenzierter Lärm wahrgenommen.49
Feldtagebuch: Die beiden Dozenten – ein Historiker und eine Politikwissenschaftlerin – sind anfangs noch auffallend freundlich. Ihre Aussprache ist langsam und deutlich und sie bemühen sich um Gender-sensible Formulierungen, sprechen also von „Juden und Jüdinnen“ oder auch von „politischen Gegnern und Gegnerinnen“ – nur „Nazis“ bleiben einfach „Nazis“. Sie geben sich wohl auch deshalb besondere Mühe, da in der hinteren Reihe ein dreiköpfiges Gutachter-Gremium wacht, dass über die Weiterbewilligung des Projektes entscheiden soll. Das Programm beginnt mit einem Kreuzberg-Memory, anscheinend war der Workshop ursprünglich für Kreuzberger und nicht für Neuköllner Schulen wie diese konzipiert. Die Schüler wirken zunächst einfach nur müde, gähnen oder schauen ins Leere, doch der Einstieg in den Workshop scheint sie auf eine spielerische Art aufzuwecken. Die Dozenten halten anschließend anhand von Power-Point-Folien mit vielen langen Zahlen und alten Gesetzen einen umfassenden Vortrag zur Geschichte der Judenverfolgung. Die Schüler geben mit Zwischenrufen wie „langweilig“ und „du redest zu viel“ lautstark kund, was sie davon halten. Als die Dozenten auf die gleiche Weise fortfahren, wird die Stimmung aggressiver. Die Schüler kommen allmählich in Fahrt und stellen die Dozenten mit einem ganzen Arsenal an provozierenden Sprüchen vor eine harte Probe. Auf die Frage, wann die Nazizeit aufgehört habe, antwortet Jasha: „Die ist immer noch. Nazimorde gibt es immer noch.“ Und auf die Nachfrage, ob es denn heute noch Konzentrationslager gäbe, erwidert sie: „Überall, nur das nennt man jetzt Schule. Wer zu spät kommt, wird aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen.“ Jetzt fühlen sich auch die anderen Schüler animiert und es entwickelt sich ein rasanter Wortwechsel aus Zwischenbemerkungen, Scherzen und Beleidigungen: Ein Schüler erinnert an die Unterdrückung der Kurden, ein anderer meint die PKK foltere ihrerseits Türken, wieder ein anderer fragt die Dozenten, ob sie Illuminatoren oder Zionisten seien. Auch rassistische Sprüche wie „Fenster auf, stinkt nach Jugos“ fehlen nicht. Und da der Workshop von Juden handelt, fühlen sich die Schüler anscheinend motiviert, Judenwitze zum Besten zu geben: „Wusstet ihr, dass in den Fahrkartenautomaten Juden sitzen. So schnell wie die einem das Geld aus der Tasche ziehen.“ „Ich dachte, Juden ist eine Beleidigung“, stellt sich ein Schüler unwissend. Die Kursleiter sind sichtlich gestresst und versuchen die Situation zu retten: „Wir wollen uns auf das Thema konzentrieren“, meint die Dozentin. „Es ist zu laut hier, ihr müsst mal entspannen“, pflichtet ihr mittlerweile nicht mehr so freundlicher Kollege bei. Die Schüler lassen sich davon jedoch nicht abbringen und die Zwischenrufe werden immer absurder: „Manche glauben an den Messias, ich glaube an Chuck Morris“ – „Seitdem Hartz IV ist, sind alle Juden“ – „Der Prenzlauer Berg ist auch voller Juden.“ Manche Kommentare werden wiederum mit „Ey, du Jude“ kommentiert, wohl um die Dozenten weiter zu verunsichern. Zwei Jungen verschränken die Arme über den Schultern des Anderen und lehnen entspannt die Köpfe aneinander. Ein anderer steht plötzlich auf und führt eine Tanzeinlage vor, bald darauf folgen noch Freestyle-Raps. Die Gutachter werfen sich kopfschüttelnd vielsagende Blicke zu, später berichtet mir einer von ihnen, er sei „schockiert über die Zustände an der Galilei-Schule“.
Die Suche nach anregender Unterhaltung während des Antisemitismus-Workshops entwickelt sich auch aus einem Unbehagen mit dem eintönigen zweiten Teil des Kurses. Die aufkommende Langeweile wird mittels gewitzter Wortspiele und körperlicher Performances überspielt. Die Schüler operieren mit gewagter Ironie und hemmungsloser Parodie, mit absurden Übertreibungen und fiktiven Kontrastierungen – manchmal in Form von Reimen und häufig im Modus der Beleidigung. Durch die charakteristischen schnellen Wortwechsel kann sich eine Eigendynamik der gegenseitigen Überbietung von gespieltem Irrsinn entspannen. Einmal in Gang gebracht, lassen sich solche Beleidigungsrituale unter Hauptschülern kaum noch aufhalten. Auch wenn diese „Blödeleien“ und „Pöbeleien“ im Eifer des gelebten Augenblicks vielleicht wie eine sinnlose Provokation erscheinen, werden im Modus des Albernen und Komischen auch Fragen von Ausgrenzung und Zugehörigkeit verhandelt. So bezog sich Jashas bissiger Vergleich der Schule mit einem Konzentrationslager wohl auch auf die schulische Praxis der verschlossenen Türen gegenüber Zuspätkommenden und mit ihrer Anspielung auf die NSU-Morde wies sie auf gegenwärtige rassistische Gewalt in der Gesellschaft hin. Beißender Humor und aggressive Komik werden jedoch zumeist missverstanden und als Beweis für negative Vorannahmen über die Zustände in urbanen „Problemschulen“ gedeutet, wodurch sie zu weiterer Ausgrenzung beitragen können.
Statt in das Lamento über störende Schüler einzustimmen oder gar von einem „restringierten“ sprachlichen Code der unterbürgerlichen Schichten auszugehen, könnte man die in diesem Kapitel beschriebenen Beispiele auch als Formen von Kreativität verstehen – die jedoch von der Mehrheitsgesellschaft nicht anerkannt werden.50 Andreas Reckwitz argumentiert in seiner Genealogie des gegenwärtig dominierenden Kreativitätsverständnisses, dieses orientiere sich einseitig an einem romantischen Künstlerideal und vernachlässige Formen der Kreativität, die sich aus alltäglichen Zusammenhängen heraus ergeben.51 Autoren aus dem Umfeld der Cultural Studies haben den Wert und den Bedeutungsreichtum solcher Formen von „profaner Kultur“ herausgearbeitet.52 Die Tendenz zur Abwertung nichtbürgerlicher Alltags-Ästhetiken basiert nicht auf deren vermeintlichen Einfältigkeit, sondern liegt in einem restringierten hegemonialen Verständnis von Kultur, Sprache und Kreativität begründet.
Humor als Form der Kritik
Kritik wurde von den Neuköllner Jugendlichen sowohl auf sehr direkte Weise („du redest zu viel“) als auch auf eine indirekte, spielerische Weise artikuliert, die von vorlauten Bemerkungen, über gezielte Provokationen bis zu absurd anmutenden Wortspielereien reichte. Dabei ließen sich zunächst drei eng miteinander verbundene Formen des „Herumblödelns“ unterscheiden: Ironie, bei der mittels bewusst gespielter Aussagen verborgene Annahmen des Gegenübers entblößt werden, etwa wenn sich ein Schüler palästinensischer Herkunft bewusst dumm stellte und die Bezeichnung „Juden“ mit einer „Beleidigung“ verwechselte. Parodie, bei der die eigenen Negativstereotype in einer verzerrten und übertriebenen Weise vorgespielt werden, und Mimikry, bei der auf symbolische und lustvolle Weise versucht wird, sich in eine Person mit anderen Rollenzuschreibungen zu verwandeln, erweitern das ironische Arsenal der Schüler über rhetorische Geschicklichkeit hinaus um theatrale Performances. Die Grenzen zwischen Spiel und Ernst, zwischen Nachahmung und Distanzierung wurden dabei häufig nicht klar markiert, etwa in der parodistischen Darbietung von abwertenden Judenwitzen durch muslimische Schüler. Gleiches galt für spielerischen Nachahmungen, mittels derer – wie wir gleich noch sehen werden – besonders deviante Schüler beispielsweise in die Rolle „anständiger“ Workshop-Teilnehmer schlüpften, die um respektvolle „Ruhe“ baten, oder die Pose „tadelnder Lehrer“ einnahmen, die den schulischen Niveauverlust beklagten. Gespielt wurde also mit schulische Normen und pädagogische Erwartungen, deren Eigentümlichkeit und Parteilichkeit sich im Modus des Humoristischen bloßstellen ließen.53
Neben verschiedenen Formen des „Blödelns“ ließen sich auch unterschiedliche, ebenfalls eng miteinander verflochtene Wirkungsweisen von Humor – wie Aggressivität, Inkongruenz und Entspannung – im Verlauf des Antisemitismus-Workshops an der Galilei-Schule beobachten. Schon Henri Bergson betonte in seiner Untersuchung des Lachens dessen soziale Korrektivfunktion, aggressive Demütigungen zielen demnach auf Verhaltenskorrekturen oder prangern gesellschaftliche Missstände an.54 Während Bergson Humor jedoch als eine Entemotionalisierung versteht, sehe ich das Irritierende und Agitierende des derben Humors als einen affektiven Modus mit eigener Regelhaftigkeit und als eine komplementäre Form der Selbstaffizierung zum lähmenden Gefühl der Langeweile.55 Auch die allmählich die Überhand gewinnenden „Pöbeleien“ während des Antisemitismus-Workshops dienten als aggressiv-provozierendes Störmanöver. Die Artikulation von herausfordernder Kritik wurde dabei durch den demonstrativen Spaßmodus zugleich wieder relativiert, wodurch der Kritiker ungeschoren davonzukommen hoffte und dem Kritisierten die Annahme von Kritik potentiell erleichtert wurde.56 Für Arthur Schopenhauer basiert Humor auf paradoxen Subsumtionen und absurden Vergleichen,57 in diesem Fall beispielsweise von „Juden“ mit dem arbeitsmarktpolitischen Begriff „Hartz IV“, dem als wohlhabend geltenden Stadtteil „Prenzlauer Berg“ und den als geldgierig wahrgenommen „Fahrkartenautomaten“. Derogative Stereotype gegenüber Juden werden dabei ironisiert und gleichsam reproduziert. Es ist ein Spiel mit Irritationen. Das Witzeln und „Herumblödeln“ kann dabei eine befreiende Wirkung haben, so lassen sich nach Sigmund Freuds Modell der Triebabfuhr im aggressiven Humor aufgestaute Spannungen lockern oder auflösen.58
Der Themenkomplex Juden-Israel-Antisemitismus war für die muslimischen Schüler der Galilei-Schule, von deren Familien etwa ein Viertel Flüchtlinge der Kriege im „Nahen Osten“ waren, mit enormen Spannungen aufgeladen. Manche von ihnen boykottierten Produkte und Warenhäuser, denen sie eine Verbindung zu Israel oder seinen US-amerikanischen Unterstützern attestierten. In alltäglichen Interaktionen, wie der im vorigen Abschnitt dokumentierten Harlem-Shake-Diskussion auf YouTube, wurde immer wieder für die palästinensische Seite Partei ergriffen. Auch auf den Facebook-Seiten der Schüler fanden sich neben Themen wie Fußball, Freizeit und Popkultur zahlreiche Verweise auf ihre Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts: Free-Palestine-Banner, Bildcollagen vom Tempelberg mit palästinensischen Fahnen, Schmähungen von israelischen Politikern wie Ariel Scharon, Proteste gegen deutsche Waffenexporte und einseitige Medienberichterstattung, in grün-weiße Fahnen gehüllte palästinensische Kinderleichen oder Fotos militärischer Aufmärsche der Hamas in Gaza. Diese Bekundungen einer vehementen anti-israelischen Haltung zeugten von der zentralen Bedeutung des Palästina-Konflikts für das Selbstverständnis vor allem der Schüler arabischer Herkunft. Bei aller offensichtlichen herkunftsbedingten Einseitigkeit der Selbstpositionierung wurde offenkundig, dass die Schüler politisch dachten und sich politisch artikulierten.
Der angebotene Antisemitismus-Workshop beruhte demgegenüber auf einer Strategie des Nichtbezugs auf den gegenwärtigen Nahost-Konflikt. Sultan Doughan zeigt in ihrer Forschung zum Feld der Antisemitismus-Prävention in Berlin, dass in den Workshop-Materialien von KIGA systematisch Bezüge zur israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete herausgestrichen worden sind, wodurch aktuelle Beispiele für muslimischen Antisemitismus an Berliner Schulen als scheinbar grundloses Fehlverhalten, als irrationaler Hass und indirekt letztlich als ein generelles Problem muslimischer Einwanderer erscheinen.59 Dieses kulturalisierende Zuschreibungsmuster hat zur Folge, dass das gewaltsame Vorgehen des israelischen Staates ebenso aus dem Blick gerät wie die familiären Erfahrungen von Flucht und Vertreibung aufseiten der Schüler. Gleichzeitig wird dabei ein schmeichelhaftes Deutschlandbild nach dem Holocaust gezeichnet, das eine erfolgreich aufgeklärte Gesellschaft imaginiert, zu dessen liberalen Selbstverständnis die selbstverständliche Verurteilung jeder Form von Antisemitismus gehört. Sich erfolgreich zu integrieren, heißt aus schulischer Sicht, sich bedingungslos mit diesem historischen Selbstbild zu identifizieren. Doch prallten im Klassenzimmer der Galilei-Schule zwei schwer vereinbare Geschichtsbilder aufeinander. Für Palästinenser beginnt 1948 mit der Gründung des Staates Israel die bis heute anhaltende Nakba, die massenhafte Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus Palästina. Das damit einhergehende palästinensische Opfernarrativ wird jedoch im Antisemitismus-Workshop negiert, da hier der Opferstatus einseitig den Juden vorbehalten bleibt. Weder wird auf die von einer türkisch-deutschen Schülerin ins Spiel gebrachten NSU-Morde eingegangen, noch auf die Anspielungen auf den Kurden-Konflikt oder den Hinweis auf die Herkunft eines Schülers aus den Kriegsgebieten des ehemaligen Jugoslawiens. Ihre nationalen Traumata erscheinen pädagogisch weniger relevant, ihre Familiengeschichten bleiben unerzählt.
Beleidigungen
Auch wenn die Schüler die pädagogischen Hintergründe nicht kannten, so spürten sie dennoch, dass sie hier als Verdächtige, als potenzielle Antisemiten auf der Anklagebank saßen. Und sie merkten schnell, dass sie ihre Wut auf die israelische Politik gegenüber Palästinensern in einem Workshop über die Geschichte der Judenverfolgung in Deutschland nicht angemessen artikulieren konnten. In dieser Situation einseitiger Schuldzuweisung und verwehrter Sprecherschaft griffen sie zu den indirekten Mitteln des Humors und der Komik. Aggressiver Humor kann aber nicht nur Spannungen lösen, sondern auch neue aufbauen und in gegenseitige Beleidigungen übergehen, wie sich im Verlauf des in „Pöbeleien“ abdriftenden Workshops herausstellte.
Feldtagebuch:
Im abschließenden Teil des Workshops soll die Gruppenarbeit zum Schicksal der jüdischen Familie Arndt in Kreuzberg vorgestellt werden. Keiner will anfangen, Mohamad und Jamil müssen schließlich als erste nach vorne.
Jasha: „Bist Du schüchtern! Was machst Du auf einer Neuköllner Schule?“
Dozent: „Bitte seid respektvoll und hört den anderen zu, so wie ihr auch möchtet, wahrscheinlich, dass man euch nachher zuhört.“
Jasha: „Ist alles Scheiße, was wir hier reden.“
Jamil: „Ich bitte um Ruhe. Unsere Gruppe hat das Thema Familie Arndt in Kreuzberg intensiv bearbeitet.“ (Gelächter. Die Biografie der Familie Arndt wird vorgestellt. Jamil hat eine Jahreszahl vergessen.)
Jasha: „Unter aller Sau ist das.“
Jamil: „Die hatten ein wunderschönes Haus, die haben auch gut Geld verdient, die Familie Arndt, weil er ja Arzt war und so.“
Kai: „In Berlin leben voll viele reiche Juden.“ (Mohamad fährt fort, doch er spricht einen Straßennamen nicht ganz korrekt aus, sagt „Waldmeister“ statt „Waldemarstraße“ und versucht sich danach zu berichtigen.)
Theo: „Du kannst gar nichts.“
Jamil: „Seid doch einfach leise, man“
Dozent: „Ey, entspannt euch!“
Mohamad: „Ich kann mich jetzt nicht mehr konzentrieren.“
Jasha: „Halt doch Deine Fresse. Jamil verdient richtig Schläge. Wallah, ich schlage den.“
Theo: „Jobcenter!“
Die spielerische Balance des gegenseitigen Anmachens und Scherzens ging am Ende des Schultages verloren und driftete in eine Serie von demütigenden Beleidigungen ab, zu einer lediglich von hilflosen Beschwichtigungsversuchen unterbrochenen destruktiven gegenseitigen Anmache. Der Unterschied zwischen tatsächlicher und spielerischer Beleidigung ist zentral für das Kommunikationsformat des „Trash Talk“, doch die Grenzlinie zwischen beiden ist manchmal kaum noch erkennbar. Die unterschiedliche Konnotierung von Beleidigungen lässt sich am Beispiel des unterschiedlichen Gebrauchs des Ausrufs „Fick Dich“ verdeutlichen. Eine Schülerin berichtete mir, sie sei der Schule verwiesen worden, nachdem sie eine Lehrerin mit „Fick Dich du Hure“ angeschrien hatte. Während eines gemütlichen Grillens am Schuljahresende auf dem Tempelhofer Feld beobachtete ich dagegen wie Schüler sich beim Grillen mit spaßigen Wortwechseln – wie „Fick Dich“, „Ja, lutsch Schwänze“, „Ich nehm ’ne Wurst“ – gegenseitig begrüßten, sich dabei umarmten und offenbar prächtig miteinander verstanden.
Der US-amerikanische Anthropologe William Labov verortet die Regeln ritueller Beleidigungen in einer volkssprachlichen afro-amerikanischen Tradition des alltagspoetischen Sprachspiels.60 Wichtig ist in dieser Sichtweise die Regelhaftigkeit, die Kreativität und der Aufführungscharakter von Beleidigungsduellen. Das gelungene Reagieren auf spielerische Beleidigungen ist einfallsreich, schlagfertig und originell, wobei meist ein Bezug zu vorherigen Wortmeldungen oder auch zum Interaktionskontext hergestellt wird.61 Dabei werden, etwa in der üblichen sexuellen Diffamierung der Mutter des Kontrahenten, gezielt die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, denn der Bruch mit bürgerlichen Anstandsnormen macht den eigentlichen Reiz solcher populären Beleidigungsrituale aus. Im Deutschen hat sich bisher kein vergleichbares Kommunikationsmuster herausgebildet. Die größte Nähe besteht wohl zur Sprachpraxis des Frotzelns, das zwar meist weniger poetisch daherkommt, doch ebenfalls durch aufeinander reagierende Beleidigungen, spielerische Übertreibungen und eine Doppelbödigkeit aus Provokation und Spiel bestimmt wird.62 Durch die mediale Prägung von Jugendsprache sowie Rezeptionen und Adaptionen der afro-amerikanisch geprägten Hip-Hop-Kultur durch Berliner Jugendliche finden mittlerweile auch abgewandte Formen des afro-amerikanischen „dissens“ ihren Weg an Berliner Schulen.63 Dass Schüler zwischen gespielten und tatsächlichen Demütigungen unterschieden, zeigte sich auch an einer Zwischenbemerkung während des Antisemitismus-Workshops. Als der Dozent in einem fehlgeleiteten Versuch der pädagogischen Aneignung von Jugendsprache meinte, die Juden seien von den Nazis „gedisst“ worden, protestiert ein Schüler, solche Formen der Demütigung seien kein dissen. Auch wenn lediglich als eine weitere störende Zwischenbemerkung abgetan, macht der Schüler richtigerweise darauf aufmerksam, dass die öffentliche Verunglimpfung der Juden während des Nationalsozialismus nicht mit den spielerischen, ironischen und dialoghaften Formen ritueller Beleidigungen verglichen werden sollte.
Das subversive Spiel mit Stereotypen und die Beleidigungsrituale des „Trash Talk“ sind ein kontextspezifisches Mittel des Aufbegehrens und eine Möglichkeit der Selbstermächtigung. Die Aufmerksamkeit wurde vonseiten der Schüler auf scheinbare Abseitiges und Nebensächliches gelenkt und somit immer wieder von den intendierten Zielen des Workshops abgelenkt. Vor dem Hintergrund von verstellten Artikulationsmöglichkeiten und machtvollen Strukturen des systematischen Missverstehens entfaltete die Ambivalenz dieses minoritären Humors seine eigentliche Wirkung.64 In der Herstellung von Ambivalenz verbirgt sich das subversive Potenzial des „Trash Talk“ von Hauptschülern. In gelungenen Momenten wurden auf eine beiläufige Weise Selbstverständlichkeiten infrage gestellt, Situationen umgedeutet und Subjektpositionen hinterfragt. In der gegenseitigen Abwertung zeigte sich aber auch die stets nur einen Schritt entfernte selbstdestruktive Seite einer mit Beleidigungen operierenden Form der Kurzweile. Ein ethnografischer Blick auf die gesellschaftlichen und situativen Entstehungsbedingungen, auf die Inhalte und Strukturen von schulischen „Pöbeleien“ ermöglicht den Blick auf Berliner Hauptschüler zu verschieben, so dass diese weder als dumme „Opfer“ noch als romantische „Revoluzzer“ erscheinen. Ein den humorvoll-aggressiven Selbstpositionierungen der Schüler folgender Zugang bietet zudem die Möglichkeit, schulische Angebote und die in ihnen eingeschriebenen Politiken der Ausgrenzung und Zugehörigkeit zu hinterfragen.
Als ich eine Gruppe arabischer Schüler nach dem Workshop um eine Einschätzung bat, artikulierten sie voneinander abweichende Einschätzungen: Yussuf betonte, dass es ihm Spaß gemacht habe, da es „mal eine Abwechslung“ gewesen sei und die Dozenten „sich Mühe gegeben“ hätten. Ali fand den Workshop-Tag ebenfalls anregend, allerdings vor allem deshalb, weil er mit Personen diskutieren konnte, die andere Ansichten vertraten.
Ali: „Manche Schüler haben sich natürlich provoziert gefühlt. Warum kommen die zu uns Arabern und gehen nicht nach Steglitz? Ich dachte mir aber, jetzt kann ich mal mit den Leuten reden, die was Falsches über mich denken und kann ihnen beweisen, dass wir anders sind. Ich war nicht so frech wie die anderen und sehr sachlich, die Lehrerin hat mich sogar danach gelobt.“
Mit dem Verweis auf den als bürgerlich geltenden Stadtteil Steglitz machte Ali indirekt auf Formen des Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft aufmerksam, die durch die einseitige Fokussierung auf Hauptschüler mit arabischem Migrationshintergrund aus dem Blick geraten. Sein Umgang mit der im Raum stehenden Antisemitismuszuschreibung war durch eine betont sachliche Verhaltensweise gekennzeichnet, bei der ein ansonsten als undiszipliniert geltender Schüler gezielt auf „Blödeln“ und „Pöbeln“ verzichtete. Der mit seinen Eltern aus den besetzten palästinensischen Gebieten geflohene Khaled dagegen konnte den Workshop-Tag nur ertragen, indem er das Bildungsangebot bewusst ignorierte: „Ehrlich gesagt, als die kamen, war es für mich, als ob sie nicht da sind. Das hat mich keinen Prozent interessiert. Ich habe einfach abgeschaltet. Was sollen die mir erzählen? Sind die da geboren? Ist in deren Wohnung eine Bombe eingeschlagen?“
Diese unterschiedlichen Einschätzungen des Antisemitismusworkshops hingen auch mit den Perspektiven der Schüler auf ihre palästinensische Herkunft zusammen. Yussuf versuchte politische Fragen eher auszublenden, da er sie als zu belastend empfand. Ali war dagegen hochpolitisiert, er verortete sich in einer Familie von palästinensischen „Freiheitskämpfern“ und berichtete mir wie sein Großvater und mehrere Familienmitglieder von israelischer Seite „hingerichtet“ wurden. Er selbst hatte sich ein großes Wissen über den Palästina-Konflikt angeeignet und artikulierte seine Kritik an der israelischen Besetzungspolitik unter anderem über sein Facebook-Profil. Khaled war politisch ähnlich orientiert, doch offensiver religiös ausgerichtet. Ali und Khaled hatten in den Jahren zuvor zahlreiche schulische Disziplinarkonflikte ausgetragen, sie versuchten sich zum Zeitpunkt des Workshops auf unterschiedliche, nicht immer gelingende Weisen von ihrem negativen Image als „Problemschüler“ zu lösen: Ali indem er nach produktiven Wegen suchte, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen, Khaled indem er möglichen Streitigkeiten von vornherein aus dem Weg ging.
SCHLUSS: EIGENSINNIGE WIDERSTÄNDIGKEIT
Populäre Formen ästhetischer Erfahrung und minoritäre Weisen der sprachlichen Artikulation folgen genrespezifischen Mustern, deren kulturelle Komplexität und soziale Situierung ich am Beispiel der Adaption von Internet-Memes und Versionen des „Trash Talk“ an der Galilei-Schule nachvollzogen habe. Eine an der bürgerlichen Hochkultur geschulte und am klassischen Kunstbegriff orientierte Kulturkritik muss vor den hier vorgestellten kulturellen Phänomenen kapitulieren oder kann sie lediglich als minderwertig abkanzeln.65 Um sie verstehen zu können, müssen die Begriffe und das konzeptuelle Verständnis von ästhetischer Erfahrung überdacht werden und populäre Artikulationen analytisch an situative Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Machtverhältnisse zurückgebunden werden. Während in der ästhetischen Theorie das Ästhetische klassischerweise mit dem Kunstschönen identifiziert wird, beschreibe ich in alltägliche Situationen, kulturelle Praktiken und sprachliche Interaktionen eingebundene populäre Ästhetiken, die von Körperlichkeit und Expressivität, von Vulgarität und Derbheit, von Zerstreuung und Abschweifung gekennzeichnet sind.66 Die Aneignungsweisen des Harlem Shake und des Gangnam Style sowie Formen des albernen und aggressiven Humors formierten sich an der Galilei-Schule im Widerstand gegen schulische Normvorschriften, sie zielten auf eine Störung des Unterrichts in einer ohnehin dysfunktionalen Schule. Sie enthielten Momente von Kritik an spezifischen Unterrichtssettings und eigensinnige Formen der Gesellschaftskritik ebenso wie gegenseitige persönliche Ehrverletzungen. Statt Kritik vom überlegenen Status eines aufgeklärten Gutmenschen zu artikulieren, schockierten die Schüler die pädagogischen Beobachter mit Performances aus Irrsinnigkeiten und Beleidigungen.
Mit dem Alltagshistoriker Alf Lüdtke ließen sich solche widerspruchsvollen und ambivalenten kulturellen Formen als eigensinnige Form der Subversion bezeichnen.67 Mit dem Begriff „Eigensinn“ wurde zunächst in volkserzieherischen Diskursen seit dem 18. Jahrhundert die Eigentümlichkeit und Widerborstigkeit des „Pöbels“ semantisch abgewertet, doch wurde in philosophischen Deutungen zugleich auf die damit einhergehende Distanzierung der unterbürgerlichen Schichten gegenüber den Herrschenden hingewiesen. Lüdtke deutet vor allem die körperlichen Neckereien und kleinen spielerischen Arbeitsverweigerungen von industriellen Fabrikarbeitern in Deutschland um 1900 als eine moderne proletarische Form des Eigensinns. Auf eine vergleichbare, jedoch stärker von unsolidarischem Verhalten gekennzeichnete Weise kreierten die Schüler der Galilei-Schule lustvoll ambivalente Situationen des Aufbegehrens, bei denen persönliche Idiosynkrasien auf unkalkulierte Weise mit gesellschaftspolitischen Fragen verknüpft wurden. Die dargestellten „Blödeleien“ und „Pöbeleien“ lassen sich weder in die „Opfer“-Schublade des passiven Hinnehmens kritikwürdiger Verhältnisse noch in das marxistische Register des organisierten kollektiven Widerstands einordnen, sie behaupten ihre Eigensinnigkeit also auch gegenüber den gängigen akademischen Systematisierungsversuchen.68
Die ethnografische Herausforderung besteht darin, populäre Formen des „Blödelns“ und „Pöbelns“ in ihrer sozialen Sinnhaftigkeit darzustellen, ohne sie zu romantisieren und zu überhöhen, aber auch ohne sie als oberflächlich und nebensächlich abzutun. Die Fallstricke und die Potenziale der Hinwendung zum Banalen wurden bereits im Kontext der Cultural Studies zwischen Meaghan Morris und Gregory Seigworth diskutiert. Morris hatte in den späten 1980er Jahren zu Recht die populistische Schlagseite einiger Autoren aus dem Bereich der Cultural Studies moniert.69 Die akademische Zelebrierung der Populärkultur der „einfachen Leute“ war zugleich theoretisch überhöht und empirisch reduktionistisch, die mitlaufende Kritik an der klassischen Ästhetik wiederum zu selbstgefällig und populistisch. Ein Jahrzehnt später versuchte Gregory Seigworth die Forschung zum Banalen unter dem Eindruck des affective turn neu zu justieren, indem er empfahl sich auf deren Rhythmen und Intensitäten einzulassen und dabei dessen libidinöse Exzesse und semantischen Überschüsse in der Darstellung nicht zu neutralisieren.70 Die hier dargestellten Situationen bleiben in diesem Sinne provozierend vieldeutig und ihre Deutung unabgeschlossen.
1Vgl. Sobe: Attention and Boredom in the 19th-Century American School.
2Vgl. Meyer Spacks: Boredom, S. 111ff.; Löffler Verteilte Aufmerksamkeit, S. 35ff.
3Vgl. Maase: Grenzenloses Vergnügen.
4Vgl. Holfelder/Ritter: Handyfilme als Jugendkultur; Reh/Berdelmann/Dinkelaker (Hg.): Aufmerksamkeit.
5Vgl. Stiegler: Die Logik der Sorge.
6Vgl. Türcke: Hyperaktiv!
7Vgl. Jackson: Distracted.
8Vgl. Becker: Abwesenheit und Störung als Ausdruck von Unaufmerksamkeit; Frances: Normal.
9Vgl. Crary: Suspension of Perception.
10Vgl. Löffler: Verteilte Aufmerksamkeit.
11Vgl. Bourdieu: Sozialer Sinn.
12Vgl. Tenfelde: Ende der Arbeiterkultur.
13Vgl. Kaschuba: Mythos oder Eigensinn?; Lüdtke: Eigen-Sinn.
14Vgl. Kaschuba: Volkskultur zwischen feudaler und bürgerlicher Gesellschaft.
15Vgl. Shifman: Meme.
16Vgl. Marek: Understanding Youtube.
17Vgl. Frank: Ökonomie der Aufmerksamkeit.
18Vgl. Holfelder/Ritter: Handyfilme als Jugendkultur; (Stand: 1. Juni 2018).
19Vgl. Kim/Choe: The Korean Popular Culture Reader; Hu: RIP Gangnam Style.
20Vgl. Lie: Han Unbound; Seth: Education Fever.
21Vgl. Lett: In Pursuit of Status.
22Vgl. Johns: Horses; Baum: Das Pferd als Symbol.
23Vgl. Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde.
24Vgl. Huggins: Harlem Renaissance.
25Vgl. Vincent: Keep Cool.
26Vgl. Friedrich/Klein: Is this real?
27Vgl. Wacquant: A Janus-Faced Institution of Ethnoracial Closure.
28Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
29Vgl. Shifman: Meme, S. 152ff.
30Vgl. Bhaba: The Location of Culture.
31Vgl. Clifford: Routes; Bachmann-Medick: Cultural Turns.
32Vgl. Hall: Kodieren/Dekodieren; Hall: Creolization, Diaspora, and Hybridity; Tsing: Friction; Keinz/Schönberger/Wolff: Kulturelle Übersetzungen; Wellgraf: Gangnam Style.
33Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
34Bei der Darstellung ersetze ich Namensbezeichnungen mit einem anonymisierenden Symbol (*) und verzichte auf eine Quellenangabe, damit die Äußerungen nicht auf deren Urheber zurückverfolgt werden können.
35Vgl. Wellershoff: Infantilismus als Revolte oder das ausgeschlagene Erbe – zur Theorie des Blödelns.
36Ebd., S. 355.
37Vgl. Brown: Regulating Aversion.
38Ebd., S. 78ff.
39Vgl. Schiffauer: The Logics of Toleration.
40Vgl. Hewitt: Social Choreography; Klein: The (Micro-)Politics of Social Choreography; Marchart: Dancing Politics.
41Vgl. Jameson: The Political Unconscious.
42Vgl. Kotthoff/Jashari/Klingenberg: Komik (in) der Migrationsgesellschaft.
43Vgl. Wellgraf: Subversive Praktiken von Berliner Hauptschülern.
44Vgl. Hartigan: Odd Tribes; Stewart: A Space on the Side of the Road.
45Vgl. Douglas: Purity and Danger.
46Vgl. Ronell: Stupidity.
47Vgl. Yurdakul/Bodemann: „We Don’t Want To Be the Jews of Tomorrow“.
48Vgl. (Stand: 1. Juni 2018).
49Vgl. Rancière: Das Unvernehmen.
50Zum restringierten Code vgl. Bernstein: Studien zur sprachlichen Sozialisation; zur Kritik an Bernstein vgl. Labov: Language in the Inner City; zu aktuellen Bezügen auf das Feld Schule vgl. Gellert/Straehler-Pohl: Towards a Bernsteinian language of description for mathematics classroom discourse.
51Vgl. Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität; Reckwitz: Ästhetik und Gesellschaft.
52Vgl. Willis: „Profane Culture“.
53Vgl. Critchley: On Humor.
54Vgl. Bergson: Das Lachen.
55Vgl. Sianne Ngais Reflektionen zu „Stuplimity“, In: Ugly Feelings, S. 248ff.
56Vgl. Günthner: Zwischen Scherz und Schmerz – Frotzelaktivitäten in Alltagsinteraktionen.
57Vgl. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung.
58Vgl. Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten/Der Humor.
59Vgl. Doughan: Genealogies of Belonging – Citizenship and Religious Difference in Contemporary Germany.
60Vgl. Labov: Language in the Inner City.
61Vgl. ebd., S. 297-353; Sherzer: Speech Play and Verbal Art.
62Vgl. Günthner: Zwischen Scherz und Schmerz – Frotzelaktivitäten in Alltagsinteraktionen.
63Vgl. Androutsopoulos: Ultra korregd Alder!; Deppermann/Rieke: Krieg der Worte – Boasten und Dissen im HipHop-Battle.
64Zu vergleichbaren Ambivalenzen am Beispiel von Stilisierungen des „Prolligen“ vgl. Ege: „Ein Proll mit Klasse“.
65Vgl. Maase: Die Schönheiten des Populären; Ngai: Our Aesthetic Categories.
66Für ein solches weites Ästhetikverständnis vgl. Reckwitz: Ästhetik und Gesellschaft.
67Vgl. Lüdtke: Eigen-Sinn.
68Vgl. Hertel: Zwischen Normbruch, Widerstand und ambivalenter Affirmation.
69Vgl. Morris: Banality in Cultural Studies
70Vgl. Seigworth: Banality for Cultural Studies.