Editorial
Das Mittelmeer ist ein Raum, dessen Interkulturalität im Lichte seiner historischen, geographischen, politischen und anthropologischen Kontur eigentlich außer Frage steht. Unter einem explizit interkulturellen Blickwinkel hat man sich diesem Raum bislang jedoch kaum einmal gewidmet. Inwiefern er sich als bedeutsam aber gerade für die Erforschung interkultureller und transkultureller Fragestellungen erweist, reflektieren die Beiträge des aktuellen Themenheftes, das unter dem Titel Mediterrane Interkulturalität in der Moderne von Tomislac Zelić betreut und besorgt ist. Mediterranität, unterstreicht der Herausgeber im Vorwort, erfasse nicht nur ein geographisch bzw. geo-politisch bedeutsames Gebiet, sondern konstituiere zugleich »einen historischen und kulturellen Raum […], dem eine eigenartige Semantik zukomm[e]«. Die zu diesem Schwerpunkt im Heft versammelten neun Beiträge entstammen einer im April 2022 von der Universität Zadar durchgeführten virtuellen Tagung der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG) und nehmen anhand moderner literarischer sowie kulturtheoretischer Werke (von Gottfried Benn, Erich Auerbach, Hermann Hesse, Paul Heyse, Anna Seghers etc.) verschiedene Perspektiven mediterraner Interkulturalität in den Blick. Der Schwerpunkt führt damit eine bereits in einem vorangehenden ZiG-Heft (2020/2, Meer als Raum transkultureller Erinnerungen) angestoßene Thematik in neuer Perspektivierung fort und bezeugt zugleich deren anhaltende Relevanz.
Gleich doppelt besetzt ist in dieser ZiG-Ausgabe die Rubrik Forum: Der Beitrag von Jens F. Heiderich widmet sich dem von Konstantin Küspert verfassten Theatertext sklaven leben (2019) und untersucht, wie darin mit ästhetischen Mitteln ein kritischer Diskurs über moderne westliche Konsumpraktiken angestoßen wird. Hans Richard Brittnacher setzt sich mit Max Brods Jesusroman Der Meister (1952) auseinander, in dem er der risikobehafteten Entscheidung einer angemessenen Darstellung von Jesusʼ Lebensweg, insbesondere im Hinblick auf religiöse (christliche/jüdische) Vereinnahmungen, nachspürt. Unter Aus Literatur und Theorie widmet sich Till Dembeck dem interkulturellen Potential der (Höhenkamm–)Lyrik.
Die Rezensionen zu dem von Jara Schmidt und Jule Thiemann herausgegebenen Sammelband Reclaim! Postmigrantische und widerständige Praxen der Aneignung (2022) sowie zu Christoph Parrys Schreiben jenseits der Nation. Europäische Identitätsgestaltung in der deutschsprachigen Literatur seit 1918 (2021) beschließen gemeinsam mit der Rubrik GiG im Gespräch die vorliegende Ausgabe.
Wir möchten zum Jahresabschluss noch auf eine Veränderung im Erscheinungsrhythmus der ZiG hinweisen. Ab 2024 wird die Zeitschrift als Jahrbuch (in der zweiten Jahreshälfte) erscheinen. Das neue Format vereint das Themenheft mit einer Reihe freier Beiträge zur interkulturellen Germanistik, wobei die etablierten Rubriken (Forum, Rezensionen und GiG im Gespräch) weiter bestehen bleiben. Wie gewohnt wird das neue Jahrbuchformat open access auf der Plattform des transcript-Verlags sowie des Universitätsverlags Melusina Press für Sie zugänglich sein.
Amelie Bendheim, Till Dembeck, Dieter Heimböckel, Georg Mein, Gesine Lenore Schiewer und Heinz Sieburg
Bayreuth und Esch-sur-Alzette im November 2023