Planetarer Moment (in nuce)
Der Einstieg in planetares Denken hat gezeigt: Es werden dabei stets mehr Fragen aufgeworfen als Probleme gelöst. Planetar zu denken heißt, »unsere« Erde epistemologisch, ontologisch und ethisch als Planeten aller anderen anzuerkennen, menschliches (Zusammen-)Leben also durch einen sich stets wandelnden Planeten zu verstehen, der sich räumlich vom Erdkern bis in den interplanetaren Raum erstreckt, zeitlich von der Nanosekunde bis zur geologischen Tiefenzeit dehnt, materiell vom Elementarteilchen bis zur dunklen Materie im Weltraum reicht. Der Planet tritt als vierte Dimension neben die Erde, den Globus und die Welt. Im planetaren Vokabular überlagern sich mytho-poetische, analytisch-epistemische und ethisch-normative Sprechweisen, deren Grenzen offengehalten werden. Darin kommen diverse Wissensordnungen zur Geltung, deren gemeinsame Lösung weiterhin lautet: Alles ist Wechselwirkung. Eine planetare Perspektive, weiter inspiriert durch den »Overview« aus dem Weltall auf die Erde und ergänzt durch das »Ultraview« in das weitere Universum, verbindet anthropozentrische mit planetozentrischen Sichtweisen. Das Anthropozän würde missverstanden, wenn es die menschliche Einwirkung auf den Planeten Erde erkennt und daraus anthropozentrische Lösungsstrategien ableitet. Planetare Konstellationen sind stets zweiseitig und mehrdimensional: Planetare Kräfte affizieren menschliche Gesellschaften und diese wirken auf planetare Kräfte ein. Planetar denken erfordert eine verfassungsgestützte Ausweitung des normativen Kosmopolitismus zu einer umfassenderen Kosmo-Politik, verbunden mit einer transdisziplinären Gewichtung der Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen. Der partielle Ausnahmezustand der Corona-Pandemie hat auf die Notstandslage von Klimawandel, Artensterben und anderen Kipppunkten des Erdsystems verwiesen, die zwar nicht das Überleben des Planeten in Frage stellen, aber im Blick auf die heute lebenden und künftigen Generationen die Setzung neuer Prioritäten verlangt.
Quelle: © NASA 2012