Tiffany N. Florvil: Mobilizing Black Germany. Schwarz, deutsch, feministisch –die Geschichte einer Bewegung
Berlin: Ch. Links Verlag 2023 – ISBN 978-3-96289-176-3 – 26,00 €
https://doi.org/10.14361/zig-2024-150121
Im Dezember 2020 erschien Tiffany N. Florvils Mobilizing Black Germany. Afro-German Women and the Making of a Transnational Movement im englischen Original. Das Jahr 2020 brachte nicht nur aufgrund der Covidpandemie tiefe gesellschaftliche Einschnitte mit sich. Es war auch ein Jahr, in dem die anhaltende Gewalt an Schwarzen und anderen rassifizierten Menschen zu größeren antirassistischen Mobilisierungen und Demonstrationen weltweit führte. Während die Gedenkveranstaltungen für die Getöteten in Hanau im Februar 2020 kleiner ausfielen, gingen tausende Menschen in Deutschland im Zuge von Black-Lives-Matter im Sommer auf die Straße. Die Proteste stellen eine Kontinuität dar, da antirassistische Kämpfe in Deutschland eine lange Geschichte haben. Es ist ein großes Glück, dass Tiffany N. Florvils Mobilizing Black Germany im Frühjahr 2023, übersetzt von Stephan Pauli, auf Deutsch erschienen ist. Darin zeichnet sie Schwarze Widerstandskämpfe und antirassistische Wissenstraditionen seit den 1980er Jahren in Deutschland nach. Die Lektüre macht deutlich, dass diese lokal und global zugleich sind: Sie sind Teil der deutschen Geschichte, globaler intersektionaler Kämpfe und »einer langen Tradition von Schwarzem Radikalismus« (102).
Mobilizing Black Germany. Schwarz, deutsch, feministisch – die Geschichte einer Bewegung stellt ein »Schwarzes Archiv voller Gedanken, Handlungen und Solidarität« (55) dar, für das Florvil eine beeindruckende Menge an Quellen gesichtet und analysiert hat. Es gliedert sich in sechs Kapitel, einen Anhang, ein Glossar sowie Erläuterungen. In allen Kapiteln liegt Florvils Fokus darauf, »unterschiedliche Aspekte der Bemühungen Schwarzer Deutscher um Anerkennung und ein Gefühl der Zugehörigkeit durch affektive Äußerungen, politische Mobilisierung, Kulturproduktionen, Veranstaltungen und internationalistische Aktivitäten« (51) zu untersuchen. Eine Einleitung, die den Titel »Ein ›Schwarzes Comingout‹« trägt, und der Epilog »Black Lives Matter in Deutschland«, rahmen die Kapitel und verweisen sogleich auf zwei grundlegende Punkte, die im gesamten Buch stets präsent sind: Florvils Positionierung und Identität als »afrokaribische Historikerin aus den USA mit einem großen Interesse an der Schwarzen Geschichte, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa« (14), und ihr Bemühen, in den einzelnen Kapiteln immer auch Kontinuitäten zur Gegenwart aufzuzeigen. Vergangene aktivistische Bewegungen sind, so wird deutlich, nicht abgeschlossen, da viele Intellektuelle, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen der Gegenwart an antirassistische Widerstands- und Wissenstraditionen anknüpfen.
Eine davon ist Alice Hasters, deren Vorwort, neben einem von Tiffany N. Florvil, der Publikation vorangestellt ist. Hasters – Intellektuelle, Aktivistin, Publizistin und Podcasterin – betont die große Bedeutung von Mobilizing Black Germany sowohl für sie als Schwarze Deutsche und die heterogene Schwarze Community in Deutschland sowie zugleich für die deutsche Erinnerungskultur, die Wissenschaften, Kulturlandschaft wie auch andere gesellschaftliche Bereiche:
Viele Bücher, Magazine, Filme, Forderungen und Veranstaltungen sowie Kunst von und für Schwarze Deutsche drohen in Vergessenheit zu geraten. Tiffany N. Florvil setzt mit ihrem Buch etwas dagegen und leistet Pionierarbeit. Noch nie wurde so genau über die Entstehung und Entwicklung der wichtigsten Schwarzen deutschen Organisationen geschrieben. Sie trägt dazu bei, dass Schwarzer Aktivismus in Deutschland endlich als das anerkannt wird, was er auch ist: Teil der deutschen Geschichte. (10f.)
Mobilizing Black Germany bietet einen Überblick über Wissens- und Widerstandstraditionen in Deutschland und schafft vielfältige Anknüpfungspunkte – sowohl auf individueller Ebene als auch für Wissenschaftler*innen, Kulturschaffende, Akteur*innen in staatlichen oder nicht staatlichen Institutionen und viele mehr. Mehr noch rückt Tiffany N. Florvil »Deutschland als zentralen Standort des Schwarzen Internationalismus« (33) in den Mittelpunkt und wendet sich dagegen, dass Deutschland »bis heute als dynamischer diasporischer Ort übersehen worden ist« (35).
Während sich in den Wissenschaftsinstitutionen in Deutschland immer noch eine Trennung von Wissenschaft und Aktivismus beobachten lässt, besteht eine große Leistung von Mobilizing Black Germany darin, dass Florvil Aktivismus, Intellektualismus, Kunst und Wissenschaften zusammenbringt. Die Wissenschaftlerin bezeichnet Schwarze Deutsche als »Intellektuelle des Alltags« (53). Darunter versteht sie
Schwarze deutsche Frauen (und Männer), die dachten, theoretisierten, schrieben, öffentlich auftraten und ihre Ideen sowie ihr Wissen in Texten und Bildern, mündlich und über Publikationen, Workshops, Konferenzen, Vorträge und künstlerische Ausdrucksformen einer breiten Öffentlichkeit näherbrachten. Tatsächlich etablierten sie neue Orte, an denen Wissen produziert und weitergegeben wurde. (26)
Die Wissensproduktion der ›Intellektuellen des Alltags‹ bezeichnet Florvil als »epistemische Interventionen«, da sie »nicht-standardisierte Kulturformen [benutzten], um die dominante Wissens- und Repräsentationsmacht ins Schwanken zu bringen« (26), und »gleichzeitig neue Formen des Seins, Fühlens und Wissens« (27) entwickelten. Tiffany N. Florvil löst in Mobilizing Black Germany das universitäre Monopol als einzigen Ort der Wissensproduktion auf. Zudem lenkt sie den Blick ihrer Leser*innen auf die nächste Umgebung, den Alltag, als Räume der Wissensproduktion.
Die jüngere Schwarze Bewegung, die in den 1980er Jahren begann, brachte neben den Selbstbezeichnungen ›afrodeutsch‹ und ›Schwarze Deutsche‹ auch die Graswurzel-Organisationen ISD (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland) und ADEFRA (Schwarze Frauen in Deutschland) hervor. Tiffany N. Florvil macht in Mobilizing Black Germany deutlich, dass die Bewegung von einer Vielzahl an Akteur*innen angestoßen und getragen wurde – darunter May Ayim, Katharina Oguntoye, Ricky Reiser, Nouria Asfaha, Audre Lorde, Helga Emde, Katja Kinder und viele andere. Während May Ayim und Audre Lorde mittlerweile vielen Menschen in Deutschland dank der jahrzehntelangen Arbeit von Aktivist*innen bekannt sein dürften, bleiben viele der anderen Akteur*innen, ihre Netzwerke und Initiativen in der breiteren Gesellschaft, aber auch in den Wissenschaften, häufig immer noch unbeachtet. Florvil schafft es, gelöschte Geschichten, die Teil der deutschen Geschichte sind, auszugraben und in ihren lokalen wie auch transnationalen Verwobenheiten den Leser*innen nahezubringen. Sie zeigt, wie Schwarze Menschen
neue Räume, Diskurse und Praktiken [schufen], in deren Mittelpunkt ihre Forderung nach Zugehörigkeit und antirassistische Perspektiven standen. Um ihre nationalen wie internationalen politischen Ziele voranzubringen, gründeten sie Basisorganisationen, schrieben Briefe, Lyrik und Prosa und planten kulturelle wie politische Aktivitäten, mit denen sie gegen rassistisches Unrecht und weißes Überlegenheitsdenken weltweit protestierten (19).
Dabei betont die Forscherin immer wieder, dass es sich bei der Schwarzen Bewegung um eine »politische Bewegung [handelte; J.O.], die intersektional und feministisch war« (53) – eine Tatsache, die in breiteren öffentlichen Diskursen häufig nur wenig Anerkennung findet.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich Tiffany N. Florvil in Mobilizing Black Germany hauptsächlich auf Frauen konzentriert, die maßgeblich die jüngere Schwarze Bewegung initiiert und mitgestaltet haben. Sie »produzierten Wissen, prangerten rassistische Ungleichheit an, wehrten sich gegen ihre Unsichtbarmachung innerhalb der Nation und stellten gleichzeitig den Status quo in Frage« (19). Im ersten Kapitel »Schwarze deutsche Frauen und Audre Lorde« beschreibt Florvil, wie sehr das Aufeinandertreffen Schwarzer deutscher Frauen mit Audre Lorde – eine karibisch-amerikanische Poetin, Aktivistin, Intellektuelle und vieles mehr – im Berlin der 1980er Jahre ein wichtiger, empowernder Moment war, der auch zur kanonisch gewordenen Publikation Farbe bekennen (1986) führte. Nicht nur durch Farbe bekennen und den Austausch mit Audre Lorde, sondern unter anderem auch durch die Gründung von Initiativen, Bibliotheken und Archiven, die Publikation von Zeitschriften und literarischen Texten sowie jährlich stattfindende Bundestreffen haben, wie Florvil in den Kapiteln »Die Entstehung einer modernen Schwarzen Bewegung in Deutschland« und »ADEFRA, Afrekete und die Verwandtschaftsbeziehungen Schwarzer deutscher Frauen« zeigt, Schwarze Menschen in Deutschland neue Räume geschaffen – Räume der Selbstermächtigung und Community.
Diese Räume entstehen durch »affektiv[e] Verwandtschaftsbeziehungen« (20). Florvil beschreibt in Mobilizing Black Germany, wie Schwarze Frauen in Deutschland eine »affektive Community« (31) bildeten und damit neue Räume schufen. Sie
benutzten und schätzten eine ganze Reihe von Ausdrücken, mit denen sie ihr Leben, ihre Gefühle und Freundschaften […] beschrieben und so ihre Emotionen eindeutig innerhalb Deutschlands verorten konnten. Zudem entwickelten sie ihre eigenen Normen und Praktiken und zeigten damit, wie Gefühle ihnen als Werkzeuge bei der Ausgestaltung neuer transnationaler diasporischer Identitäten und Verwandtschaftsbeziehungen dienen konnten. (59)
Indem Florvil Emotionen, Wissensproduktionen, Aktivismus, Intellektualismus und die Künste in Mobilizing Black Germany zusammendenkt, schafft sie neue Räume in den Wissenschaften und darüber hinaus, in denen neue Gespräche über die Erfahrungen, Perspektiven, Wissens- und Kunsttraditionen von Schwarzen Menschen und anderen rassifizierten Menschen in Deutschland stattfinden können.
Tiffany N. Florvil betont, dass die Akteur*innen der Schwarzen Bewegung neue Raumpolitiken und Raumzeiten schufen. Hier spielt die Diaspora eine wichtige Rolle, da durch diasporische Verbindungen, Austausche und Bewegungen Schwarze Menschen die Enge Deutschlands verlassen und an afrodiasporische Wissenstraditionen wie auch Kunsttraditionen anknüpfen konnten. Als ›Intellektuelle des Alltags‹ konnten sie durch die Organisationen ISD und ADEFRA, die Zeitschriften afro look und Afrekete, Veranstaltungsreihen wie den Black History Month – darauf geht Florvil im Kapitel »Diasporische Raumpolitik und Black History Month in Berlin« ein – sowie wissenschaftliche Zusammentreffen in Form von feministischen Sommerseminaren, auf die sich die Forscherin im sechsten Kapitel »Schwarze feministische Solidarität in Deutschland und Schwarzer Internationalismus« konzentriert, bestehende Räume erweitern und neue schaffen. Durch das Anknüpfen an afrodiasporische Wissens- und Kunsttraditionen waren diese Räume immer auch transnational und transtemporal, wie Florvil im Kapitel »Intellektueller Aktivismus und transnationale Überquerungen Schwarzer deutscher Frauen« am Beispiel von May Ayim zeigt. Zudem stießen Schwarze Frauen Diskussionen im öffentlichen Raum an und veränderten »unsere Vorstellungen davon, wie Intellektualismus und Intellektuelle im deutschen Kontext auszusehen haben« (53).
Im gesamten Buch betont Florvil, dass die Schwarze Bewegung und die Räume, die aus ihr hervorgegangen sind, Teil einer afrodiasporischen Wissenstradition sind. Diese Wissenstradition bleibt weiterhin verborgen, wenn sich eine verengte Perspektive auf die jüngere deutsche Geschichte fortschreibt, indem sie marginalisierte und rassifizierte Menschen ausklammert. Während der Begriff Identitätspolitik im gegenwärtigen öffentlichen Diskurs negativ konnotiert ist und viel Ablehnung erfährt, zeigt Florvil auf beeindruckende Weise, wie sehr Schwarze Menschen für die Deutungshoheit über ihre eigenen Identitäten gekämpft haben und zugleich Verbindungen zu anderen rassifizierten, marginalisierten Menschen herstellten. Florvil entkräftet durch ihre Forschung den Vorwurf der ›Vereinzelung‹ und zeigt, welche verengten Narrative und Konzepte die Schwarze Bewegung herausforderte: Deutschsein, ein rassismusfreies Deutschland («Ideologie der Rassismuslosigkeit«, 26), Erinnerungskultur, Heimat, Feminismus, Monolingualismus, die »Festung Europa« (49) und vieles mehr. Mit ihren Kämpfen haben Schwarze Menschen in Deutschland nicht nur für sich Diskussionen angestoßen, sondern auch für andere rassifizierte, marginalisierte Menschen – ein wichtiger Aspekt, dem in den deutschen Wissenschaften bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mobilizing Black Germany macht deutlich, dass die Schwarze Bewegung in Deutschland mit anderen gesellschaftspolitischen Bewegungen, marginalisierten und rassifizierten Menschen, Positionen und Erfahrungen zusammengedacht werden muss, um Kontinuitäten von Gewalt durch Rassismus und andere Formen der Gewalt, aber auch Widerstände dagegen, verstehen und erforschen zu können.
Viele Publikationen, die Teil der Black German Studies sind, sind bislang nur auf Englisch erhältlich. Die fehlenden Übersetzungen sind ein Grund dafür, dass der Diskurs über die Schwarze deutsche Geschichte und die Schwarzen deutschen Kulturproduktionen immer noch ein Stück weit ›ausgelagert‹ wird. Durch die überwiegend englischsprachigen Publikationen kann der Eindruck entstehen, dass dazu vor allem in den USA geforscht wird. Tiffany N. Florvil betont in ihrem Buch allerdings, dass ›Intellektuelle des Alltags‹ wie May Ayim die Black German Studies mitbegründet haben. Mobilizing Black Germany trägt somit dazu bei, die vielfältigen Akteur*innen der Schwarzen Bewegung als Teil der Wissensproduktion in den Wissenschaften und der deutschen Geschichte zu verankern.
Auch lädt die Übersetzung dazu ein, über Sprache im wissenschaftlichen Kontext und darüber hinaus nachzudenken. An einigen Textstellen wirkt die deutsche Übersetzung ein wenig hölzern und unbeweglich – beispielsweise wenn es darum geht, kinship zu übersetzen, das doch so viel mehr als »Verwandtschaft« bedeutet: eine oft afrodiasporische Beziehung geteilter Erfahrungen, der Vertrautheit, Nähe und Solidarität, die geografischen Entfernungen trotzt. Und doch tragen genau jene Stellen im Text, die sprachlich irritieren, ein großes Potential in sich. Sie können als Ausgangspunkt für Gespräche darüber genutzt werden, welche Begriffe es im Deutschen (noch) nicht gibt, welche Sprache wir aber brauchen, um über rassifizierte, marginalisierte Erfahrungen sowie Wissens- und Kunsttraditionen sprechen zu können. Interessant ist in der deutschsprachigen Publikation von Mobilizing Black Germany auch der Umgang mit rassistischer Sprache, die entweder mit Ellipsen: (…), markiert ist oder sich im Text durchgestrichen wiederfindet. Beide Markierungen führen dazu, dass der Lesefluss unterbrochen und die Lesenden zu einer kritischen Reflexion angeregt werden, die, wie es auch im Glossar heißt, nicht darin bestehen darf, rassistische Sprache weiterhin zu reproduzieren: »Durchstreichungen sind Zensur und Hervorhebung zugleich. Begriffe wie ›Farbige‹ sind für Leser*innen weiterhin erkennbar, mit ihrer Durchstreichung soll jedoch jede unkritische Reproduktion vermieden werden.« (387; Durchstreichung J.O.)
Mit Blick auf rassistische Sprache im Text ist zudem hervorzuheben, dass – auf Wunsch von Tiffany N. Florvil – Minitta Kandlbauer für ein sensitivity reading beauftragt wurde. Dabei handelt es sich um einen Schritt im Publikationsprozess, der eine Ergänzung zum Lektorat darstellt, wie auch die beiden sensitivity reader Elif Kırömeroğlu und Victoria Linnea auf der Plattform Sensitivity Reading betonen:
Sensitivity Reader*innen prüfen Texte, aber auch Filme […] auf verletzende oder missverständliche Darstellungen und Ausdrucksweisen. Es geht dabei nicht darum, Themen zu verbieten oder gar zu zensieren, sondern darum, Autor*innen zu helfen, die richtigen Worte zu finden, für das, was sie eigentlich Ausdrücken [sic] möchten. Es geht um […] Authentizität und den sensiblen Umgang mit Marginalisierung und Diskriminierung. Sensitivity Reader*innen sind Personen aus marginalisierten Gruppen, die sich mit den Diskursen um ihr Thema auseinandersetzen und einen Bezug zur Literatur haben« (Linnea [o.J.]).
Die Entscheidung für ein sensitivity reading stößt Gespräche über Marginalisierungen und Rassifizierung sowohl in den Literaturbetrieben als auch in den Wissenschaften an.
Fragen nach Identitäten, Positionierungen, Aktivismus und Wissenschaft, Rassifizierungen und Marginalisierungen scheinen im literarischen Feld seit einigen Jahren besonders präsent zu sein, wenn wir beispielsweise an das von Sharon Dodua Otoo kuratierte Schwarze Literaturfestival Resonanzen denken oder an den offenen Brief zur Leipziger Buchmesse im Jahr 2021 sowie die Kritik an der Rezeption von Deniz Utlus Lesung für den Bachmann-Preis in Klagenfurt im Jahr 2023 (siehe hierzu u.a. Aguigah 2021; Caldart 2022; El Hissy/Gezen 2023). Diese Fragen und Diskussionen sind auch in Mobilizing Black Germany präsent, und Florvil zeigt, dass sie nicht neu sind. Die Wissenschaftlerin trägt dazu bei, eine Grundlage zu schaffen, die wir für zukünftige literaturwissenschaftliche Forschung nutzen können. Ihre Idee der ›Intellektuellen des Alltags‹ hilft uns zum einen dabei, andere Formen der Wissensproduktion anzuerkennen und als Teil einer Schwarzen Wissenstradition zu erforschen, die sowohl zur Geschichte als auch zur Gegenwart und Zukunft Deutschlands gehört. Tiffany N. Florvils Betonung einer transtemporalen und transnationalen Raumpolitik, die durch die Schwarze Bewegung entstanden ist, gibt Impulse, literarische Texte vergleichend zu lesen – Gegenwartsliteratur im Dialog mit älteren Texten, Schwarze Autor*innen aus Deutschland mit Autor*innen aus anderen europäischen Ländern bzw. darüber hinaus sowie Schwarze Autor*innen und andere rassifizierte, marginalisierte Autor*innen. Mehr noch: Mobilizing Black Germany regt zu Bewegungen in den Literaturwissenschaften an – eine Literaturwissenschaft, die Kategorien, Festschreibungen und (Wissens)Ordnungen kritisch reflektiert und neue Räume schafft.
Jeannette Oholi
Literatur
Aguigah, René (2021): Der deutschsprachige Literaturbetrieb ist weiß. In: Deutschlandfunk Kultur, Lesart, v. 26. April 2021; online unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/preis-der-leipziger-buchmesse-der-deutschsprachige-100.html [Stand: 1.8.2024].
Caldart, Isabella (2022): Türen öffnen – Interview mit Sharon Dodua Otoo über das Schwarze Literaturfestival »Resonanzen«. In: 54 books, 12. Mai 2022; online unter: https://54books.de/tueren-oeffnen-interview-mit-sharon-dodua-otoo-ueber-das-schwarze-literaturfestival-resonanzen/ [Stand: 1.8.2024].
El Hissy, Maha/Gezen, Ela (2023): Die Rückseite der Worte. In: taz.de, 11. Juli 2023; online unter: https://taz.de/Debatte-ueber-migrantisierte-Literatur/!5943393/ [Stand: 1.8.2024].
Linnea, Victoria (o.J.): Worum geht es? In: sensitivity-reading.de; online unter: https://sensitivity-reading.de/worum-geht-es [Stand: 1.8.2024].