10.Die moderne bürgerliche Gesellschaft als stählernes Gehäuse
Webers Kritik
10.1Der moderne bürokratische Staat
Die Bürokratie und der rationale Betriebskapitalismus sind laut Weber wesentliche Prägungen der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Er beschreibt diese allerdings nicht als Ergebnis bewusster gesellschaftlicher Gestaltungsprozesse. Sie sind keine bewusst entschiedenen Ergebnisse innerhalb einer gestaltungsoffenen und kontingenten Entwicklung, sondern ergeben sich folgerichtig aus der bisherigen Entwicklung der Rationalisierung und den spezifischen Bedürfnissen zunehmend ökonomisch zweckrational orientierter Individuen. Webers Betrachtung der bisherigen gesellschaftlichen Entwicklung muss daher in engem Zusammenhang mit historischen Notwendigkeiten und Pfadabhängigkeiten gelesen werden.1
Eine wesentliche Seite Webers Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft richtet sich an den modernen Staat als bürokratisches Herrschaftsgebilde der komplexen Massengesellschaft. Betriebskapitalismus, bürokratische Herrschaft allgemein und bürokratisch organisierter Massenstaat speziell bedingen sich für Weber gegenseitig. Aus der Rationalisierung allgemein und ihren spezifischen Ausdrücken ergeben sich für Weber tiefgreifende Folgen für die Erscheinung des modernen Staates als rationales Herrschaftsgebilde und politischen Verband, geprägt durch eine bürokratische Organisation von Herrschaft.2
Der rationale Betriebskapitalismus und die moderne bürgerliche Gesellschaft konnten sich in der von Weber beobachteten Form nur in dem sich entwickelnden modernen bürokratischen Staatsgebilde vollständig entfalten. Es ist wohl nicht so zu verstehen, dass erst innerhalb des fertig entwickelten bürokratischen Staates der Betriebskapitalismus entstand. Dennoch bedingt der entstehende bürokratische Staat die Entwicklung des rationalen Betriebskapitalismus. Dieser wurde Weber zufolge dort zur maßgeblichen Wirtschaftsweise, wo der »bureaukratische Staat mit seinen rationalen Gesetzen« wie ein »Paragraphenautomat« funktioniert und insofern »im großen und ganzen kalkulierbar« ist.3
Es geht um den modernen bürgerlichen Staat, und zwar als Herrschaftsverhältnis, politischer Verband und in weiteren von Weber bemühten Bildern.4 Der moderne Staat als rationale, also bürokratisch organisierte Herrschaftsform ist durch die Monopolisierung aller legitimen Gewalt-, Herrschafts-, und Verwaltungsmittel5 »innerhalb eines bestimmten Gebietes«6 gekennzeichnet. Auch die Rechtsschöpfung und -anwendung obliegt der zentralen Staatsgewalt. Alles beruht auf der rationalen bürokratischen Verwaltung, die unter der Kontrolle der Zentrale steht.7 »Der Staat ist«, so fasst es Weber einmal zusammen, »ein auf Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen«.8 Von Reinhard Bendix einmal prägnant formuliert, sind es »Rechtsordnung, Bürokratie, Zwangsgewalt über ein Gebiet und die Monopolisierung der legitimen Gewaltanwendung«9, welche den modernen Staat in Webers Denken ausmachen.
Der Prozess der Monopolisierung von Herrschafts- oder Betriebsmitteln sowie die zunehmende bürokratische Organisation ist laut Weber ein universelles Phänomen, das so auch im kapitalistischen Betrieb zu beobachten ist. Daher sind Staat und wirtschaftliche Betriebe für Weber
»vielmehr im Grundwesen ganz gleichwertig. Ein ›Betrieb‹ ist der moderne Staat, gesellschaftswissenschaftlich angesehen, ebenso wie eine Fabrik: das ist gerade das ihm historisch Spezifische. Und gleichartig bedingt ist auch das Herrschaftsverhältnis innerhalb des Betriebes hier und dort«10.
Dies ist ihm wiederum ein Spezifikum des Okzidents.11 Mehr noch, denn Weber sieht in der bürokratischen Organisation den Maßstab der Modernisierung sowohl ökonomisch als auch auf den Staat bezogen:
»Wie der sogenannte Fortschritt zum Kapitalismus seit dem Mittelalter der eindeutige Maßstab der Modernisierung der Wirtschaft, so ist der Fortschritt zum bureaukratischen, auf Anstellung, Gehalt, Pension, Avancement, fachmäßiger Schulung und Arbeitsteilung, festen Kompetenzen, Aktenmäßigkeit, hierarchischer Unter- und Überordnung ruhenden Beamtentum der ebenso eindeutige Maßstab der Modernisierung des Staates. Des monarchischen ebenso wie des demokratischen.«12
Alle Alternativen zur bürokratischen Verwaltung des modernen Massenstaats nennt er »Banausentum« oder »furchtbare Korruption«.13 Es bleibt eben auch hier und angesichts der Herausforderungen eines komplexen Massenstaats nur die Wahl zwischen »›Bürokratisierung‹ und ›Dilettantisierung‹ der Verwaltung«14.
Die Bürokratisierung, insbesondere der staatlichen Herrschaft, ist »der unentrinnbare Schatten der vorschreitenden ›Massendemokratie‹«15. Es erscheint hierbei eine Rückwirkung, denn, so Weber, »die Demokratie wird überall, wo sie Großstaatdemokratie ist, eine bureaukratisierte Demokratie«16.
Tatsächlich behandelt Weber die Bürokratisierung als fortschreitende und unaufhaltsame Entwicklung, mindestens angesichts des historisch beobachtbaren Prozesses der Komplexitätszunahme oder ›Vermassung‹ moderner Gesellschaften.17 Sie ist »in ihrem Grundwesen ganz gleichwertig«18 und wirkt auch in Parteien sowie letztlich potenziell in allen anderen Sphären. Weber sieht die »universelle Bürokratisierung« spätestens mit dem Ende des Ersten Weltkrieges gekommen, welche dann ihren »Siegeszug über die ganze Welt« antritt.19
10.2Die Bürokratisierung der Politik
Die Rationalisierung trifft in ihrer spezifischen Form der Bürokratisierung auf immer mehr gesellschaftliche Bereiche, auch auf die Politik. In diesem Zusammenhang steckt ein wesentlicher Kritikpunkt Webers an der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Die Bürokratisierung der Politik betrifft nämlich nicht nur die Art und Weise, wie Politik tatsächlich ›gemacht‹ wird, sondern auch ihre Zielstellung sowie ihre Funktion als Steuerungsinstrument der gesellschaftlichen Entwicklung insgesamt. Der rationale Handlungszusammenhang ist demnach sogar in der Lage die Politik des modernen Nationalstaates, also die bewusste Gestaltung unter der Maßgabe von Gestaltungsoffenheit einzufangen.
Weber beschreibt die Konsequenzen der Bürokratisierung der Politik insbesondere anhand seiner Beobachtungen des Deutschen Reiches. Die Gesellschaft des Deutschen Reiches gilt Weber geradezu als Paradebeispiel einer bürgerlichen Gesellschaft, in der die gesellschaftliche Entwicklung nahezu vollständig durch die Bürokratisierung und den rationalen Betriebskapitalismus bestimmt wird, beziehungsweise wie diese darin zu erstarren droht. Dabei sind seine historischen Ausführungen nicht von seinen theoretischen Erkenntnissen abgekoppelt, sondern vielmehr Anschauungsmaterial davon und werden auch als solche hier dargestellt.
Innerhalb der sich entwickelnden Massendemokratie nehmen politische Parteien grundsätzlich eine besondere Funktion ein, weswegen Weber diesen einen besonderen Fokus widmet. Im Deutschen Reich bemerkt er dabei deutlich die Folgen der Bürokratisierung der Parteien in Verbindung mit der Entwicklung des Parlamentes als zentrales politisches Organ.
Parteien sind laut Weber ihrem Wesen nach »freiwillig geschaffene und auf freie, notwendig stets erneute, Werbung«20 angewiesene Organisationen. Grundsätzlich betrachtet er in Massendemokratien jede politische Partei als »weitaus wichtigste[n] Träger alles politischen Wollens der von der Bureaukratie Beherrschten«21. Alle Parteien entwickeln sich unter dem Einfluss der Massendemokratie und der damit notwendigen »Rationalisierung der Wahlkampftechnik« zu »bureaukratischen Organisationen«.22 Weber sieht darin zwar keine bei allen politischen Parteien gleichstarke Entwicklung; er erkennt aber doch eine »allgemeine Richtung«23. Wie in allen bürokratisierten Massenverbänden leisten auch in der bürokratischen Massenpartei die eingeschulten Beamten mit ihrer beamtlichen Ehre und Disziplin die alltägliche Arbeit.24 Damit liegt auch in den Parteien die »wirkliche Herrschaft«, die sich in der »Handhabung der Verwaltung im Alltagsleben auswirkt, notwendig und unvermeidlich in den Händen des Beamtentums«.25 Auch die Bürokratisierung der Parteien bringt die bereits bekannten Probleme der Bürokratisierung mit sich, denn das Fachwissen und das Dienstwissen häuft sich vermehrt aufseiten der Parteibürokratie an, welche damit eine immer stärkere Position bekommt.26 Selbst eine Partei, die auf die grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft abzielt, müsste bürokratisch organisiert sein, um überhaupt mit politischem Erfolg rechnen zu können. Die Bürokratisierung ist tatsächlich unausweichlich, selbst ihre eigene politische Überwindung oder Neugestaltung würde nach ihren Regeln spielen müssen.27
Überall ist neben der Parteibürokratie ein »Kern von Parteiinteressenten«28 maßgeblich bestimmend für die Formulierung des Parteiprogramms, der Strategie und die Auswahl der Kandidaten. Es existiert also ein kleiner Zirkel an Personen, die die inhaltlichen Schwerpunkte setzen und politische Personalentscheidungen treffen. Dies ist Ausdruck vom »Prinzip der kleinen Zahl«29. Darunter versteht Weber die höhere Beweglichkeit und Aktionsfähigkeit kleiner Personenzirkel. Das ist ebenso eine unmittelbare Folge der Vermassung und Bürokratisierung der politischen Partei., die anders nicht zu verwalten ist.
Sowohl die Wähler als auch die einfachen Parteimitglieder sind dadurch zusehends »nicht (oder nur formell) beteiligt an der Bestimmung des Programms und der Kandidaten«30. Die Parteimitglieder verlieren nach Webers Ansicht ihren Einfluss auf die Formulierung des politischen Willens der Partei und werden zunehmend passiv.31 Gilt dies schon für die einfachen Parteimitglieder, so in viel größerem Maße für die politisch unorganisierten Individuen. Sie werden allmählich Objekt, an dem die Programme und Kandidaten nur noch ausgerichtet werden, um die Chance zu maximieren, gewählt zu werden.32 Dies hält Weber für eine Tatsache, der auch durch rechtliche Reglementierung nicht beizukommen sei. Es lassen sich wohl Regeln für den Wahlkampf finden, aber die innere bürokratische Funktionsweise der Parteien lässt sich nicht ausschalten, »wenn nicht eine aktive Volksvertretung überhaupt fortfallen soll«33.
Bei bürokratisierten Parteien beobachtet Weber Erstarrungspotenziale hinsichtlich deren Kraft, fortlaufend und dynamisch unterschiedliche Konzepte darzustellen, wie die gesellschaftliche Entwicklung zu gestalten sei. Anders ausgedrückt: Weber befürchtet eine in der Bürokratisierung der Parteien erstarrende Fähigkeit, die Kontingenz der gesellschaftlichen Entwicklung fortlaufend aufzuzeigen und damit auch die Erstarrung von Gestaltungsfreiheit, zumindest bei diesem zentralen politischen Organisationen.
Die politischen Ideen und Ziele sind maßgeblich in Parteizeitungen und anderen Veröffentlichungen niedergelegt. Aufbauend auf die rein materiellen Interessen sind Verleger und Autoren Neuerungen gegenüber grundsätzlich eher skeptisch bis offen ablehnend eingestellt, da dies eine Entwertung des Bisherigen bedeuten würde. Ebenso haben auch Personen, die von der Politik und Partei leben, kein oder nur wenig Interesse daran, dass sich ihr Handwerkszeug ständig ändert oder dynamisch entwickelt. Weber sieht daher die Gefahr der »zünftlerischen«34 Parteiorganisation heraufziehen, was auch den externen Zugang zur oder den Aufstieg innerhalb der Partei erschwert oder exklusiv werden lässt.
Dabei besteht für Weber der Gegensatz nicht zwischen Führung und Ausführung, sondern es ist ein Unterschied von politisch-verantwortlicher, also gestaltender Führung auf der einen und bürokratischer, soll heißen nicht-verantwortlicher und rein verwaltender Leitung auf der anderen Seite.35
Im Deutschen Reich zeigt sich für Weber nicht nur die Gefahr der bürokratischen Erstarrung von politischen Parteien, sondern er kritisiert auch die Entwicklung des Parlaments als zentrales politisches Organ innerhalb der modernen Massendemokratie. Das Deutsche Reich seiner Zeit beschreibt er als einen Obrigkeitsstaat. Darunter versteht er eine solche Ordnung, in der
»1. ein Parlament der Beherrschten mit negativer Politik gegenüber einer herrschenden Bureaukratie« agiert und in der »2. die Parteien zunftartige Gebilde sind, weil politische Führer innerhalb des Parlamentes keinen Platz finden, und wenn endlich 3. die offiziellen Führer des Staates die leitenden Beamten, den Parlamentsparteien nicht als deren Führer angehören, auch nicht kontinuierlich mit deren Führern in Berührung bleiben und die schwebenden Fragen vorberaten, sondern außerhalb ihrer, der konventionellen Prestige-Phrase nach: ›über ihnen‹, stehen und sie deshalb nicht zu leiten vermögen«36.
Das Parlament ist laut Weber dabei auf »Beschwerde und Kritik der Maßregeln jener außerparlamentarischen politischen Gewalt beschränkt«37. Die gesamte Struktur des Parlamentes ist so auf »Kritik, Beschwerde, Beratung, Abänderung und Erledigung von Vorlagen der Regierung«38 ausgelegt. Verwaltung und Parlament stehen sich hier also als gegeneinander gerichtete Mächte gegenüber und jene wird dieses nur mit den notwendigsten Informationen versorgen. Das Parlament wird seinerseits als »Hemmschuh, als eine Versammlung impotenter Nörgler und Besserwisser gewertet«39. Auf der anderen Seite steht die Verwaltung, welche dem Parlament und den Wählern Weber zufolge »leicht als eine Kaste von Strebern und Bütteln [erscheint, FB], denen das Volk als Objekt ihrer lästigen und zum guten Teil überflüssigen Künste gegenüberstehe«40. Drastische Worte nutzt Weber, um die Situation des Parlaments unter den Bedingungen der Bürokratisierung zu beschreiben. Es ist allerdings kein Antiparlamentarismus, sondern es drückt sich darin vielmehr aus, wie wichtig Weber das Parlament ist und wie entsetzt er angesichts dessen Konstitution ist. Im Parlament zeigt sich für Weber ein »Wille zur Ohnmacht«41. Dieses Problem beruht nicht auf irgendeiner individuellen Schlechtheit einzelner, sondern auf der »falschen politischen Struktur« des Staates, welche »Leute mit Beamtengeist dahin setzt, wohin Männer mit eigener politischer Verantwortung gehören«.42
Eine der besonderen Stärken der beamtlichen Verwaltung ist gerade die Leidenschaftslosigkeit und die Ausübung, ohne die eigene Position einzubeziehen, und genau darin gründet das Problem der Bürokratisierung der Politik. Beamtliches Handeln soll immer wieder zeigen, dass das »Amtspflichtgefühl« über die persönliche »Eigenwilligkeit« geht.43 Beamte sollen kontingenten Möglichkeiten zeigen und keine eigenen Vorstellungen verfolgen, sondern bestehende Regeln anwenden. Eine solche politische Systematik, wie Weber sie mit dem deutschen (oder preußischen) Obrigkeitsstaat beschreibt, verunmöglicht Politik, die im Wortsinn die kontingente Entwicklung frei gestalten und nicht nur verwalten soll. Darin liegt eine Begründung Webers, warum er Tendenzen der bürokratischen Verfestigung oder gar des bürokratischen Stillstandes der Politik als Primat der gesellschaftlichen Entwicklung befürchtet.
Doch wie ist es möglich, dass beamtete Personen die Positionen erreichen, die eigentlich von politischen Personen besetzt sein sollten? Das Deutsche Reich ist für Weber gekennzeichnet dadurch, dass »die Besetzung der höchsten Stellen im Staate Gegenstand jenes Beamtenavancenemts oder höfischer Zufallsbekanntschaften ist«; das Parlament muss dabei »diese Art der Zusammensetzung der Regierung über sich ergehen lassen«.44
Es war der Reichskanzler Otto von Bismarck, der, so Webers Urteil, »alle politischen Köpfe neben sich«45 ausschaltete. Dessen Rückzug hinterließ daher eine Leerstelle, für die es kaum politische, sondern mehrheitlich beamtliche Nachfolgekandidaten gab. Es gibt nicht einmal Kritik an deren politischer Qualifikation.46 Weber kritisiert, dass das politische System es nicht geschafft hat, die für eine »Stetigkeit der Reichspolitik [Herv. FB]«47 notwendigen Institutionen zu konservieren.
Die Persönlichkeit des berühmten Reichskanzlers, seine Art Konkurrenten zu beseitigen48 und eine strukturelle Schwäche des politischen Systems sorgten dafür, dass das Parlament und die Parteien nicht kraftvoll blieben oder werden konnten. Laut Weber »entwöhnte« sich daher auch die moderne bürgerliche Gesellschaft vielmehr von der »positiven Mitbestimmung ihres politischen Schicksals durch ihre gewählten Vertreter«.49 Weber erkennt in der deutschen Gesellschaft nach Bismarck eine solche, die hinsichtlich der politischen Reife »tief unter das Niveau« gesunken ist, »welches sie in dieser Hinsicht zwanzig Jahre vorher bereits erreicht hatte«.50 Sie ist also nach Weber zu einer Gesellschaft geworden, der der politische Wille abhandengekommen ist und die sich darin eingerichtet hat, das politische Schicksal einem obersten Beamten und dessen Verwaltungshandeln zu überlassen.
Das politische System und die deutsche Gesellschaft waren nach Bismarcks Rückzug politisch derart degeneriert, dass die Parteien, die immer nach »Macht, das heißt: Anteil an der Verwaltung und also: am Einfluß auf die Ämterbesetzung« streben sollten, sich auf mehrheitlich untergeordnete politische Funktionen beschränken ließen und sich mit den unteren »nicht verantwortlichen Stellen« zufrieden gaben.51 »Das Beamtentum«, so Weber, fand
»seine Rechnung dabei, seinerseits persönlich unkontrolliert zu schalten, dafür aber den maßgebenden Parteien in Gestalt jener kleinen Pfründenpatronage die erforderlichen Trinkgelder zu zahlen.«52
Für Weber ist der Umstand des nahezu »völlig machtlose[n] Parlament[s]«53 die Folge davon, dass die Mehrheitsparteien nicht für die Besetzung der politisch verantwortlichen Posten verantwortlich sind. Damit verliert das Parlament seine eigentliche Zentralität innerhalb des politischen Systems. Es ist für Weber mitnichten so, dass das Parlament per se machtlos ist, sondern es ist machtlos, weil es durch den Einfluss Bismarcks, durch in der Bürokratisierung systemisch angelegte Schwächen und durch eigenes Versagen machtlos wurde. Es ist nunmehr nur noch ein Ort, wo öffentlich Reden ausgetauscht werden, die mehrheitlich den Charakter »amtlicher Erklärungen der Partei« haben und vorab schon in Fraktionssitzungen so beschlossen wurden.54 Die Folgen Bismarck’scher Politik, gemeinsam mit der Auswahl der Besetzung politisch verantwortlicher Stellen und der Bürokratisierung der Parteien führt zu einem machtlosen deutschen Parlament. Als solches stellt es für Personen mit großem Machtinstinkt keinen Reiz mehr dar, weil sie darüber keine politisch verantwortlichen Führungspositionen erreichen können, wenn selbst die leitenden Ministerstellungen »reinen Beamtencharakter«55 haben. Es wäre nach Weber geradezu eine ›Narretei‹, strebten solche Führungspersonen in dieses »jämmerliche Getriebe«56. Die Biografien von Führungsnaturen, die gestalten und insofern eigentlich Politik machen wollen (oder laut Weber machen sollten), finden zusehends solchen Bereichen statt, wo sie ihre Talente besser einbringen und ihren Machtinstinkt besser ausleben können.57 Weber stellt daher folgende Fragen:
»Was in aller Welt soll dagegen eine Partei […] für eine Anziehungskraft auf Männer mit Führerqualitäten ausüben? Welche Gelegenheit bietet sie ihnen denn, solche zu entfalten?«58
Deutlich wird hier, dass er völlig klar in dem Gedanken ist, dass Herrschaft und Unterordnung unentrinnbare Phänomene sind, und zwar unabhängig davon, ob es ein Obrigkeits- oder eine andere Form von Staat gibt. Es ist klar, »[d]aß auch die parlamentarische Parteienherrschaft dem einzelnen zumutet und zumuten muß, sich Führern zu fügen, die er oft nur als das ›kleinere Übel‹ akzeptieren kann« – Herrschaft und Unterordnung sind laut Weber »einfach selbstverständlich«.59
Nicht also der Umstand, dass Herrschaft und Unterordnung existieren, erntet Webers Kritik, sondern, dass der Obrigkeitsstaat dem Einzelnen »1. gar keine Wahl« lässt und ihm »2. statt der Führer vorgesetzte Beamte«60 gibt. Herrschaft und tendenziell sogar eine elitäre Herrschaft ist für Weber unumgehbares Element jeder, auch der politischen Ordnung.61 Seine grundsätzliche Kritik richtet sich gegen ein von ihm beobachtetes Strukturdefizit bürokratischer Organisation des Staates, ganz speziell in Deutschland, wo erstens politische Führungspersönlichkeiten am Aufstieg behindert sind, zweitens damit deren Möglichkeiten zur Herrschaft einschränkt oder gar verunmöglicht ist und dadurch drittens eine Herrschaft der Beamten manifestiert, was viertens eine mögliche Vielfalt an politischer Gestaltung Programmen vor dem Hintergrund bürokratischer Engstirnigkeit vernichtet. Problematisch ist also einmal die Substanz der Herrschaft, welche durch die Bürokratisierung der Politik fest geworden ist. Bürokratisierte Politik kann kein Ausdruck von Gestaltungsfreiheit mehr sein, weil auch Beamte in politischen Positionen Beamte bleiben. Sie entscheiden nach der Gesetzeslage und unbesehen ihrer eigenen Einstellung. Leidenschaftslosigkeit und Regeltreue sind Ausdruck ihrer beamtlichen Ehre, und genau diese bedeutet das Gegenteil politischer Gestaltungsansprüche:
»Grundsätzlich versagt hat die Beamtenherrschaft da, wo sie mit politischen Fragen befasst wurde. […] Es ist, wie gesagt, nicht Sache des Beamten, nach seinen eigenen Überzeugungen mitkämpfend in den politischen Streit einzutreten und, in diesem Sinn, ›Politik zu treiben‹, die immer: Kampf ist.«62
Die historische Entwicklung der Gesellschaft in Form der voranschreitenden Rationalisierung, des Betriebskapitalismus und der Entwicklung der Bürokratie birgt demnach die Gefahr, dass politisches Handeln bürokratisiert wird und damit nicht nur den Anspruch, sondern gar die Fähigkeit überhaupt verliert, die Gesellschaftsentwicklung politisch gestalten. Wo eigentlich Verantwortung, Mut, politischer Streit herrschen sollen und die gesellschaftliche Entwicklung entsprechend Ausdruck von Gestaltungsfreiheit und daher kontingent sein sollte, wird Politik als Gestaltungsinstrument zunehmend von bürokratischen Regeln bestimmt. Rationalisierung, Bürokratisierung und rationaler Betriebskapitalismus ordnen sich immer stärker die gesellschaftliche Entwicklung unter.
10.3Das stählerne Gehäuse
Webers Gesellschaftskritik richtet sich an den bisher dargestellten historischen Entwicklungen beziehungsweise daran aus, was diese für Folgen für das Bewusstsein der Kontingenz der gesellschaftlichen Entwicklung und deren Gestaltungsfreiheit zeitigen. Auch das individuelle Handeln engt sich, wie bereits gezeigt wurde, im rationalen Handlungszusammenhang aus Bürokratisierung und rationalem Betriebskapitalismus immer stärker ein.63 Auf den ersten Blick ist nur noch die bürokratische Herrschaftsordnung in der Lage den individuellen Erwartungen der Berufsmenschen zu entsprechen. Sie wird aus dieser Perspektive ebenso alternativlos, wie die methodisch-rationale Lebensführung alternativlos für wirtschaftlichen Erfolg ist.
Wenn die Bürokratie zum Selbstzweck geworden ist, dann steht es laut Weber schlecht um die Freiheit64, und zwar sowohl um die individuelle als auch um die politische Gestaltungsfreiheit. Die Gefahr besteht laut Weber also dann, wenn der Gesellschaft das reine zweckrationale Funktionieren wichtiger ist als die Auseinandersetzung verschiedener Vorstellungen sowohl über die politische Gestaltung. Es ist ein »heroischer Pessimismus«65, den Weber damit formuliert, wie Wolfgang Mommsen es ausdrückt. Die Angst vor dem Sieg des Fachmenschen über den Kulturmenschen, also das willige Einfügen der Individuen in die Mechanik der rational-kapitalistischen und rational-bürokratisch programmierten Industriegesellschaft, das konstante Anpassen an fixe Verhältnisse, das schlichte Ausrichten nach zweckrationalen Notwendigkeiten, sind letztlich Gründe und Ausdrücke Webers Kritik. Sie lassen eine Schließung und Singularisierung von Handlungschancen erkennen66, womit den Individuen Freiheitschancen verloren gehen. Besonders problematisch daran erscheint Weber, dass eine solche Gesellschaftsordnung einer aufgeklärten und kapitalistischen Bürokratie allen Individuen ein auskömmliches Leben garantieren kann.67 Rein ökonomisch betrachtet, also nach den Maßstäben der methodisch-rationalen Lebensführung ermöglicht das stählerne Gehäuse durchaus ein erfolgreiches und insofern ein (wirtschaftlich) gutes Leben.
Der rationale Betriebskapitalismus und die Bürokratisierung bilden laut Weber einen
»ungeheure[r] Kosmos, in den der einzelne hineingeboren wird und der für ihn, wenigstens als einzelnen, als faktisch unabänderliches Gehäuse, in dem er zu leben hat, gegeben ist«68.
Er beschreibt diesen als eine »Unvermeidlichkeit«, die nicht gleichzusetzen oder in irgendeiner Weise verwandt mit Freiheit, »in irgend einem (sic!) Wortsinn« ist.69 Hinsichtlich der Folgen der Rationalisierung erkennt Weber also nicht nur zivilisatorische Fortschritte, sondern durchaus auch Gefahren für die Freiheit:
»Käme es nur auf die ›materiellen‹ Bedingungen und die durch sie direkt oder indirekt ›geschaffenen‹ Interessenkonstellationen an, so würde jede nüchterne Betrachtung sagen müssen: alle ökonomischen Wetterzeichen weisen nach der Richtung zunehmender ›Unfreiheit‹.«70
Weber schaut hinter die Kulissen des wirtschaftlichen Fortschritts und fragt angesichts der Dominanz des rationale Betriebskapitalismus, nach den Möglichkeiten von Gestaltungsfreiheit. Er stellt dabei fest, dass sie nur da bestehen
»wo dauernd der entschlossene Wille einer Nation, sich nicht wie eine Schafherde regieren zu lassen, dahinter steht. ›Wider den Strom‹ der materiellen Konstellationen sind wir ›Individualisten‹ und Parteigänger ›demokratischer‹ Institutionen.«71
Dieser Kosmos ist schon festgelegt und seine Entwicklung immer weniger Gegenstand bewusster Gestaltung. Weber kritisiert dieses Apolitische, dass durch die Bürokratisierung der Politik insgesamt Einzug in die moderne bürgerliche Gesellschaft gehalten hat.72 Die gesamte Gesellschaft samt ihrer zukünftigen Entwicklung droht so im Verwaltungshandeln zu erstarren. Diese Befürchtungen beruhen auf der Dominanz des Berufsmenschen und dem Bürokratisierungstrend an sich, denn aus Webers Analyse folgte die Erkenntnis, dass erstens Berufsmenschen nurmehr rationale Entscheidungen und Verwaltung erwarten, zweitens gute Bürokraten nie gute Politiker sind, weil ihre eigene Beamtenehre dem entgegensteht.73 Der moderne Mensch wird laut Weber innerhalb des und durch den rationalen Handlungszusammenhang vom antiken homo politicus zum modernen homo oeconomicus.74
»Die politische Situation des mittelalterlichen Stadtbürgers wies ihn auf den Weg, ein homo oeconomicus zu sein, während in der Antike sich die Polis während der Zeit ihrer Blüte ihren Charakter als des militärtechnisch höchststehenden Wehrverbandes bewahrte: der antike Bürger war homo politicus.«75
Diese Diagnose der Gesellschaft lässt sich treffend mit Jürgen Habermas’ Doppelformel76 ausdrücken: Einerseits versteht Weber die Moderne im Sinne von Wachstum, steigendem Wohlstand und sich ausbreitender Wohlfahrt. Der Preis dafür sind jedoch andererseits stärker werdende Wirtschafts- und Verwaltungsmechanismen, in denen die Individuen als Rädchen eingebunden sind.77 Die System- oder Sachzwänge verselbstständigen sich und die Einzelnen haben gegenüber einem sich zunehmend auch globalisierenden Kapitalismus, der Massengesellschaft und -bürokratie vermeintlich kaum eine Chance. Die moderne Welt tritt den Individuen als etwas scheinbar Fremdes gegenüber und errichtet ein Regiment über deren Leben, so formuliert es Stefan Breuer.78 Die selbstgeschaffene rationale Welt wächst den Individuen über den Kopf. Der Gedanke der Rentabilität prägt den Handlungszusammenhang, der letztlich das gesamte Schicksal der Menschheit kennzeichnet.79 Es ist eine paradoxe Falle aus unaufhörlichem Antrieb zu technischem Fortschritt und Wandel zugunsten wirtschaftlichen Erfolges auf der einen und den Begrenzungen individuellen Handelns durch ebenjene Dynamiken auf der anderen Seite.80 Es erstarren dabei nicht Fortschritt und Entwicklung generell, sondern das Kontingenzbewusstsein und damit das Bewusstsein für die Gestaltungsmöglichkeiten drohen zu verkrusten. Hartmann Tyrell fängt diese Position einprägsam ein:
»Der ›rationale Kapitalismus‹ des Okzident war in Webers Augen nicht allein eine universalgeschichtlich singuläre Erscheinung, also etwas, zu dem es weltweit in der Menschheitsgeschichte Vergleichbares nicht gab; das kapitalistische Verhaltenssyndrom erschien ihm zudem aus einer Reihe von Gründen als etwas ›dem menschlichen Verhaltensinventar‹ (und Affekthaushalt) denkbar Fernliegendes, ja als etwas ›Unnatürliches‹, nämlich lebensfeindlich-asketisch Infiziertes […] Und ferner: Der ›Geist des Kapitalismus‹, als der Geist der rechenhaft-methodischen beschriebenen Pleonexie, widerstrebt aller herkömmlichen Sozialmoral (und Moralökonomie), und zeigt sich als ein schlechterdings befremdlicher, anstößiger, irrationaler und ›sinn‹-loser Verhaltenskomplex, wofern man ihn nur in das Licht anderer […] Wertstandpunkte rückt. Ganz in diesem Sinne hatten sich historisch die vielfältigen Widerstände gegen den expandierenden Kapitalismus ja auch faktisch artikuliert. Kapitalismus diesen Geistes war nun in der modernen Gesellschaft (als Lebensgrundlage der Massen) schicksalhaft Struktur, ›stählernes Gehäuse‹ geworden.«81
Daher sagt später Talcott Parsons, dass Weber die moderne bürgerliche Gesellschaft und den Betriebskapitalismus als mechanistisches System beschrieben hat. Die Individuen als Teile dieses Mechanismus sind ersetzbar, nicht aber die Funktionen selbst.82
Nach dem sich überlebten »Pathos der christlichen Ethik«83 zweifelt Weber den Fortschrittsoptimismus und die Perfektibilität des Menschen an. Alle bisherige Kultur und wahrscheinlich Kultur generell erscheinen ihm
»so angesehen, als ein Heraustreten des Menschen aus dem organisch vorgezeichneten Kreislauf des natürlichen Lebens, und eben deshalb dazu verdammt, mit jedem Schritt weiter eine nur immer vernichtendere Sinnlosigkeit, der Dienst an Kulturgütern aber, je mehr er zu einer heiligen Aufgabe, einem ›Beruf‹ gemacht wurde, ein um so sinnloseres Hasten im Dienst wertloser und überdies in sich überall widersprüchlicher und gegeneinander antagonistischer Ziele zu werden«84.
Im Grunde formuliert Weber hier die Gegensätzlichkeit des modernen Menschen und der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Jede Handlung reproduziert und verfestigt die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft ein bisschen mehr. Damit fügt jede Handlung dem stählernen Gehäuse eine nächste Strebe hinzu. Es herrschen eben die rationalen und bürokratischen Prinzipien und die bewusste Gestaltung der modernen bürgerlichen Gesellschaft droht insgesamt im Verwaltungsstillstand zu erstarren. Die entscheidenden Prinzipien sind rational durchschaubar und Herrschaft daher insgesamt potenziell entzaubert.
Das wird von Weber kritisiert und er fragt bezogen auf die Freiheit unter diesen Umständen:
»1. Wie ist es angesichts dieser Übermacht der Tendenz zur Bureaukratisierung überhaupt noch möglich, irgend welche Reste einer in irgendeinem Sinn ›individualistischen‹ Bewegungsfreiheit zu retten? Denn schließlich ist es eine gröbliche Selbsttäuschung, zu glauben, ohne diese Errungenschaften aus der Zeit der ›Menschenrechte‹ vermöchten wir heute (auch der konservativste unter uns) überhaupt leben. […] 2. Wie kann, angesichts der steigenden Unentbehrlichkeit und der dadurch bedingten steigenden Machtstellung des uns hier interessierenden staatlichen Beamtentums, irgendwelche Gewähr dafür geboten werden, daß Mächte vorhanden sind, welche die ungeheure Übermacht dieser an Bedeutung stets wachsenden Schicht in Schranken halten und sie wirksam kontrollieren? Wie wird Demokratie auch nur in diesem beschränkten Sinn überhaupt möglich sein?«85
Es lässt sich schließlich daraus eine weitere Frage destillieren, nämlich, welche Aufgaben die Bürokratie als Verwaltung überhaupt übernehmen und als eigene deklarieren darf.86 Zusammenfassen lassen sich Webers zentrale Fragen mit Henry Jacoby: Wie ist es möglich, aus der Bürokratisierungstendenz auszubrechen, »in [der] die zunehmende Tendenz des Staatsapparates, alles zu bestimmen, und die abnehmende Fähigkeit des Menschen zur Selbstbestimmung sich gegenseitig steigern«87? Die in bürokratischer Rationalität und im rationalen Betriebskapitalismus erstarrende Gesellschaft ist demnach nicht nur immer mehr unfähig, die eigene Entwicklung substanziell zu gestalten, sondern auch zunehmend jede Freiheit individualer Lebensführung wird zunehmend eingeschränkt.
Die Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft ist in ihrer bürokratischen Organisation und Herrschaftsordnung immer mehr Ergebnis der bürokratischen und zweckrationalen Eigendynamik und immer weniger Gegenstand bewusster Gestaltung. Webers Sicht auf die Rationalisierung und die bisherige Entwicklung ist durchaus pessimistisch, ist das Ergebnis doch letztlich ein stählernes Gehäuse. Dabei ist es nicht ein neuer und präzise definierbarer Tyrann, der diesem Pessimismus zugrunde liegt. Vielmehr deutet Weber auf die Struktur, etwa die Marktgesellschaft, technische Anforderungen, Spezialisierungen und insgesamt auf die dominante innere rationale Handlungsethik, um die freiheitseinschränkenden Wirkungen dieser zu beschreiben.88
Webers Ausführungen laufen also auf einen Punkt zu, an dem die Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft insgesamt als verengt oder erstarrt erscheint. Dies führt dazu, dass insgesamt die Gesellschaft in Gefahr ist,
»in Massenverbänden der bureaukratischen Beherrschung unentrinnbar [zu, FB] verfallen, genau wie der Herrschaft der sachlichen Präzisionsmaschine in der Massengüterbeschaffung«89.
Grundproblem ist, dass die moderne Massengesellschaft als Ganzes der Bürokratie sowohl in der Form der staatlichen Verwaltungsbehörde als auch des privatwirtschaftlichen Produktionsbetriebes erliegt, weil diese entweder alleinig die geforderte Organisationsleistung aufbringen (Behörde) oder die massenhaften Güterbedürfnisse (Betrieb) befriedigen können, ebenso wie die Individuen mehrheitlich gemäß kapitalistischen Notwendigkeiten handeln.
Auch die kleinste Hoffnung auf einen absoluten Systemwechsel verschwindet, denn so wie der rationale Betriebskapitalismus einer religiösen Idee entsprang und sich davon emanzipierte, ist die Existenz der bürokratischen Herrschaftsordnung nicht zwangsläufig an die des rationalen Betriebskapitalismus gebunden, der sie doch in starkem Maße begünstigte. Die Abschaffung des Kapitalismus hätte für Weber schlicht nur eine Folge: »Die staatliche Bureaukratie herrschte, wenn der Privatkapitalismus ausgeschaltet wäre, allein.«90 Insofern erhält der moderne Kapitalismus im Zweifel noch einen letzten Raum tatsächlich individualistischer Tätigkeit.
Weber sieht vor sich, um Franz Bauer zu zitieren, eine zunehmend
»rational-bürokratische Herrschaftsordnung, die […] zunehmend auch die Integration der Massengesellschaft als Aufgabe erkannte sowie die wissenschaftlich-technische Weltbemächtigung und eine rationalisierte und sozial disziplinierte Lebensführung«91.
Weder dass Politik zum Politikbetrieb wird, ist dabei die zentrale Kritik von Weber, noch dass sich grundsätzlich das individuelle Handeln nach dauerhaftem und ökonomischem Erfolg ausrichtet. Vielmehr kritisiert er die Bürokratisierung der Politik als Folge des universellen Rationalisierungsprozesses und die Verabsolutierung kapitalistischer Notwendigkeiten. Weber kritisiert die unkontrollierte Ausdehnung bürokratischer Organisation und des Betriebskapitalismus. Der Zweck des politischen Betriebes ist letztlich immer mehr alleinig die präzise und berechenbare Leistungserstellung, die den Ansprüchen des modernen Kapitalismus entspricht. Gerade darin liegt die Stärke der Bürokratie. Das »materielle [Herv. FB] Schicksal der Masse«92 ist an das Funktionieren der Bürokratie gebunden, formuliert aber keinen Anspruch politischer Führung oder Gestaltung, welcher vor diesem Hintergrund immer weiter verfällt.93
Weber verweist auf die Gefahr, dass die moderne bürgerliche Gesellschaft als Ergebnis einer historischen Entwicklung kaum mehr eine Politik ermöglicht, die mehr ist als die Verwaltung des Ist-Zustandes, weil die durch die Bürokratie an die Macht gekommenen Personen kein Kontingenzbewusstsein mehr hervorbringen und außerdem darauf, dass die Berufsmenschen generell nahezu jedes substanzielle Bewusstsein für die Gestaltbarkeit und Kontingenz der gesellschaftlichen Entwicklung zu verlieren drohen. Weber fürchtet, dass Politik unter diesen Umständen zur reinen Verwaltungsdespotie verkommt.94 Hierin zeigt sich die von Weber erkannte Gegensätzlichkeit rationalisierter Politik und rationalisiertem Kapitalismus. Politische Herrschaft wird unter den bürokratisierten Parteien aufgeteilt und Möglichkeiten politischer Gestaltung damit auch von dieser Seite minimiert.95 Es besteht zusätzlich die mehr oder minder latente Gefahr, dass es die Verwaltung schafft, sich selbst von jedem politischen Führungsanspruch zu entkoppeln. Dies gelingt ihr umso eher dort, wo sie es schafft, das bei ihr sich sammelnde Fach- und Dienstwissen vom politischen Zugriff fernzuhalten, und je weniger systematische Vorkehrungen dagegen getroffen sind.96 Denn bürokratische Herrschaft bedeutet neben anderen bereits vorgestellten Merkmalen selbiger zunächst nichts anderes als »Herrschaft kraft Wissen«97. Die Bürokratie häuft zusätzlich zum Fachwissen der Ausbildung auch Dienstwissen an, also Tatsachenkenntnis der bereits entschiedenen Fälle. Laut Weber besteht die Möglichkeit, dass sich dieses Wissen der Verwaltung in Geheimwissen wandelt.98 Denn bürokratische Verwaltung sieht Weber tendenziell immer als »Verwaltung mit Ausschluss der Öffentlichkeit«99. Sie versucht dadurch, sich selbst vor kritischen Stimmen zu schützen, was durch das Interesse an der Erhaltung der bürokratischen Herrschaftsordnung begründet ist.
»Im Verein [Herv. FB] mit der toten Maschine« des rationalen Betriebskapitalismus ist Weber zufolge die Bürokratie »an der Arbeit, das Gehäuse jener Hörigkeit der Zukunft herzustellen, in welche vielleicht dereinst die Menschen sich […] ohnmächtig zu fügen gezwungen sein werden […].«100
In diesem berühmten Bild drückt Weber seine zentrale Sorge angesichts der historischen Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft aus.
Die bürokratische Organisation der modernen bürgerlichen Gesellschaft bezeichnet Weber als eines der »am schwersten zu zertrümmernden sozialen Gebilde« und eine »praktisch so gut wie unzerbrechliche Form der Herrschaftsbeziehungen«.101 Gemeinsam mit dem rationalen Betriebskapitalismus bildet die Bürokratie gesellschaftliche Realität, die für den Einzelnen unentrinnbar wird, vermehrt die Kontingenz der gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr abbilden kann und Weber als Spezifikum seiner Zeit erschien.102
»Die Gebundenheit des materiellen Schicksals der Masse an das stetige korrekte Funktionieren der zunehmend bürokratisch geordneten privatkapitalistischen Organisationen nimmt stetig zu, und der Gedanke an die Möglichkeit ihrer Ausschaltung wird dadurch immer utopischer.«103
Rationalisierung und Bürokratisierung sind für Weber für die »Entwicklung der okzidentalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung typisch, fundamental und im Grunde irreversibel«104. Ein Wegfall der bürokratischen Herrschaftsordnung bedeutete Weber zufolge »Chaos, zu dessen Bewältigung schwer ein Ersatz aus der Mitte der Beherrschten zu improvisieren ist«105. Das gesellschaftliche Interesse geht daher mehrheitlich in die Richtung der Erhaltung des Erreichten und verliert zunehmend jede Idee weiterer bewusster Gestaltung.106 Das ökonomische Wachstum und die allgemeine Zunahme an Wohlstand lassen die politischen Gestaltungskräfte des Bürgertums erschlaffen,107 und zwar zusätzlich zu den entpolitisierenden Tendenzen der modernen Bürokratie. Vielmehr rückt nun die »Erhaltung des ökonomischen und gesellschaftlichen status quo«108 als allgemeine Zielstellung vor.
Weber formuliert damit aber kein universalgeschichtliches Gesetz. Er beschreibt auch keine grundsätzlich nichtkontingente gesellschaftliche Entwicklung. Im Gegenteil: Er wollte das Spezifikum der okzidentalen rationalen Gesellschaft finden, deren Entwicklung er als durchaus kontingent beschreibt. Jedoch eröffnete die sich fortsetzende und in Teilen spezifisch okzidentale ›Entzauberung‹ aller gesellschaftlicher Lebensbereiche eine mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit ausgestattete Zukunft. Betriebskapitalismus, eine sich entwickelnde rationale Wissenschaft und Technik, die bürokratische Organisation und das Berufsmenschentum charakterisierten die moderne bürgerliche Gesellschaft und forcieren die allgemeine Rationalisierung, welche sich die Welt zunehmend unterwirft und der sich die Welt zunehmend unterwirft.109
Weber verweist damit auf die Nährböden moderner Pathologien, die die Individuen ebenso wie die Gesellschaft betreffen.110 Die kontingente und gestaltungsoffene Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft droht so aus zwei Richtungen zu erstarren. Zum einen erstarrt das Kontingenzbewusstsein der zweckrational an Rentabilität und in diesem Zusammenhang auch an der allgemeinen Bürokratisierung ausgerichteten Individuen. Beschäftigt im Ausleben ihrer ökonomischen Chancen und Freiheiten, verlieren die Individuen das Bewusstsein ihrer ebenfalls bestehenden Gestaltungsfreiheiten der gesellschaftlichen Entwicklung. Zum anderen greift die Bürokratisierung auch auf die gesellschaftlichen Bereiche über, wo Kontingenzbewusstsein und Gestaltungswille noch am ehesten zu vermuten sind, nämlich Parteien, Parlamente und letztlich Politik insgesamt. Auch hier gehen Kontingenzbewusstsein und damit Gestaltungsfreiheit verloren, und zwar letztere nicht, weil sie grundsätzlich weniger würde, sondern weil ersteres schwindet. In allen Bereichen wird das zweckrationale Handeln immer entscheidender und rosten daher Gestaltungsmöglichkeiten immer mehr ein. Die gesellschaftliche Entwicklung erstarrt so in der Verwaltung des status quo. Die gesellschaftliche Entwicklung droht immer mehr Angelegenheit der Verwaltung und des ökonomischen Fortschritts zu werden. Die Gesellschaft verliert tendenziell insgesamt das Bewusstsein dafür. Die moderne bürgerliche Gesellschaft kritisiert Weber daher als Despotie ohne Despot.111 Es ist eine entpersonifizierte Herrschaft, oder eine ›Herrschaft von niemandem‹ wie Hanna Arendt sagen würde.112 Die Individuen erschaffen sich selbst ihre eigene Unterwerfung, indem sie sich innerhalb des rationalen Handlungszusammenhangs bewegen und sich dabei frei fühlen, aber das Bewusstsein für die kontingente Gestaltungsoffenheit verlieren. Das stählerne Gehäuse ist in der Tat eine Bezeichnung für die bürgerliche Gesellschaft insgesamt, wobei der rationale Handlungszusammenhang der grundlegende Mechanismus ist, der dieses Resultat durch die individuellen Handlungen hervorbringen lässt. Die Individuen sind und bleiben die Autoren der gesellschaftlichen Ordnung. Es droht geradezu eine Angst vor Gestaltungsoffenheit und Kontingenz zu herrschen, bietet doch der feste und sichere Zweckrationalismus stabile Orientierung.
Insgesamt kommt Weber also zu dem kritischen Ergebnis, dass die moderne bürgerliche Gesellschaft aus dem Zusammenspiel von Betriebskapitalismus und Bürokratisierung als »stahlhartes Gehäuse«113 oder »Gehäuse der Hörigkeit«114 erscheinen kann. Kontingenzbewusstsein und tatsächliche Gestaltungmöglichkeiten sind darin erstarrt. Die gesellschaftliche Entwicklung wird zunehmend bestimmt von den Eigengesetzlichkeiten der Bürokratisierung und den Anforderungen des modernen Betriebskapitalismus. Die von Weber beobachtete bürokratische Organisation der bürgerlichen Gesellschaft als stählernes Gehäuse ist so nicht nur Schicksal, sondern kann auch Verhängnis der modernen Berufsmenschen sein.115
1Vgl. L. A. Scaff (1989), S. 155f.
2Vgl. Andreas Anter: »Max Webers Staatssoziologie im zeitgenössischen Kontext«, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2016, S. 11ff, hier S. 26. Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 453f. Johannes Winckelmann: Gesellschaft und Staat in der verstehenden Soziologie Max Webers, Berlin 1957, S. 89. Webers zentrales Interesse richte sich demnach auf die Herausbildung der bürokratischen Staatlichkeit und deren Bedingungen aus. Vgl. Heino Speer: Herrschaft und Legitimität, Berlin 1978.
3M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 453f.
4Sie dazu A. Anter (2014), S. 13.
5Vgl. M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 157f; M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 821f.
6M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 158f; M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 822.
7Vgl. M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 824.; M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 166f. Dazu auch H.-P. Müller (2007), S. 138.
8M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 159. Dazu auch P. Lassman, The rule of man over man: politics, power and legitimation (2000), S. 88ff.
9R. Bendix (1964), S. 318. In dem von Andreas Anter und Stefan Breuer herausgegebenen Sammelband über Webers Staatssoziologie findet sich eine eingängige Textsammlung, die sich systematisch mit Webers Staatsverständnis auseinandersetzt und dieses aufbereitet. Insbesondere der Beitrag von Catherine Colliot-Thélènes fokussiert dabei Webers eigene Definition des Staates, welche sich gerade nicht aus einer bestimmten Aufgabe, sondern rein aus der monopolisierten Legitimität und Gewaltsamkeit durch den Staat ergibt. Vgl. Catherine Colliot-Thélène: »Das Monopol der legitimen Gewalt«, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2016, S. 39ff, hier S. 39f.
10M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 452.
11Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 104ff; Max Weber/Johannes Winckelmann (Hg.): Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1985, 815, 823.
12M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 451.
13M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 831. Je komplexer eine Gemeinschaft wird, desto ineffizienter wird die Aufgabenerfüllung durch Generalisten und desto größer ist der Bedarf nach Spezialisten. Dazu auch T. Schwinn, Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie? (2010), S. 209ff.
14M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 464. Dazu auch Gregor Fitzi: Max Webers politisches Denken, Konstanz 2004, S. 260.
15Ebd., S. 467. Dazu auch A. Anter (2014), S. 91; P. Lassman, The rule of man over man: politics, power and legitimation (2000), S. 93.
16Max Weber: »Der Sozialismus«, in: Wolfgang J. Mommsen/Gangolf Hübinger (Hg.), MWG I/15, Tübingen 1984, S. 599ff, hier S. 606.
17Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), 462ff.
18Ebd., S. 452.
19Ebd., S. 461f.
20M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 455.
21Ebd., S. 454.
Generell baut Webers Analyse der Parteien in (Massen-)Demokratien vielfach auf vorheriger Forschung dazu auf. Etwa Robert Michels: Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, Leipzig 1911; M. Ostrogorski: Democracy and the Organization of Political Parties, London 1902.
Dass die Parteien unter den zeithistorischen Umständen eine immer stärker oligarchische Position einnahmen, ist ein weit verbreiterter Zugang in der Parteiforschung des augehenden langen 19. Jahrhunderts. Dazu etwa Cristina Senigaglia: »Analysen zur Entstehung der Massenparteien und zu ihrem Einfluß auf das Parlament. Ostrogorski, Michels, Weber«, in: Parliament, Estates & Representation 15 (1995), S. 159ff.
22M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 458.
23Ebd.
24Vgl. ebd., S. 461.
25Ebd., S. 450.
26Vgl. ebd., S. 530f.
27Vgl. R. Boesche, Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination (1996), S. 374.
28Ebd., S. 455.
29Ebd., S. 483.
30M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 455.
31Vgl. Wolfgang J. Mommsen: Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, Tübingen 1974a, S. 424.
32Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 455.
33Ebd.
34Ebd., S. 548.
35Vgl. Dietrich Herzog: »Max Weber als Klassiker der Parteiensoziologie«, in: Soziale Welt 17 (1966), S. 232ff, hier S. 244. Weber selbst nutzt die Worte Gesinnung oder Ideologie als begriffliche Auffangbehälter der Überreste alter Weltanschauungen, die seiner Beobachtung nach in der Moderne in Reinform nicht mehr existieren. Er gebraucht an einer Stelle die Unterscheidung von »Weltbild« und »Stellungnahme«. M. Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (1989), S. 101. Damit bietet sich ein Vergleich zur Weltanschauungslehre Wilhelm Diltheys an, wie ihn Pietro Rossi unternimmt. Vgl. Pietro Rossi: »Weber, Dilthey und Husserls Logische Untersuchungen«, in: Gerhard Wagner/Heinz Zipprian (Hg.), Max Webers Wissenschaftslehre, Frankfurt a.M. 1994, S. 199ff.
36M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 497.
37Max Weber: »Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis«, in: Wolfgang J. Mommsen/Gangolf Hübinger (Hg.), MWG I/15, Tübingen 1984, S. 301ff, hier S. 303.
38M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 851f; M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 486.
39M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 473.
40Ebd.
41Ebd., S. 498.
42Ebd., S. 510.
43Ebd., S. 467.
44Ebd., S. 474.
45Ebd., S. 468. Wolfgang Mommsen überschreibt diese Zeit mit »Führungsvakuum.« W. J. Mommsen (1974a), 176ff.
46Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 449.
47Ebd., S. 442.
48Diese Beschreibung Bismarcks entspricht tatsächlich der historischen Person. Vgl. Jonathan Steinberg: Bismarck, Berlin 2012.
49M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 449.
50Vgl. ebd., S. 449f. Dazu auch S. Eliaeson, Constitutional Caesarism (2000), S. 134f; W. J. Mommsen, Zum Begriff der ›plebiszitären Führerdemokratie‹ (1974b), S. 47f.
51M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 475.
52Ebd. An anderer Stelle drückt sich Weber dazu wie folgt aus: »Die unoffizielle Patronage ist, da sie unverantwortlich bleibt, eben die übelste, Mittelmäßigkeit begünstigende, Form der parlamentarischen Patronage überhaupt, und sie ist Folge der konservativen Beamtenherrschaft, deren Fortbestand auf diesem Trinkgeldersystem ruht.« ebd., 505.
53Ebd., S. 450.
54Ebd., S. 479.
55Ebd., S. 481.
56Ebd.
57Vgl. M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 220; M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 481f.
58M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 483.
59Ebd., S. 484.
60Ebd.
61Siehe das Kapitel Elitäre Erweckung der Politik.
62Ebd., S. 487.
63Vgl. A. Sica, Rationalization and culture (2000), S. 42. Dazu auch Carl J. Friedrich: »Some Observations on Weber’s Analysis of Bureaucracy«, in: Robert K. Merton/et al. (Hg.), Reader in Bureaucracy, Glencloe 1952, 27ff.
64Vgl. Wolfgang Schluchter: Aspekte bürokratischer Herrschaft, München 1972, S. 9f. Über den von Weber selbst nicht explizierten Freiheitsbegriff und dessen schwierige bis unmögliche Einordnung in bekannte Konzepte von positiver/negativer oder liberaler/republikanischer Freiheit etwa Kari Palonen: »Max Weber’s Reconceptualization of Freedom«, in: Political Theory 27 (1999), S. 523ff. In dieser Untersuchung spürt Kari Palonen Ähnlichkeiten zu Benjamin Constant und dessen Unterscheidung in antike und moderne Freiheit auf.
65W. J. Mommsen, Universalgeschichtliches und politisches Denken (1974b), S. 134.
66Vgl. K. Palonen, 1999, S. 535.
67Vgl. Arnold Gehlen: Moral und Hypermoral, Frankfurt a.M., Bonn 1969, 61ff, 79ff.
68M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 161.
69M. Weber, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland (1989), S. 270.
70Ebd.
71Ebd.
72Vgl. K. Palonen, 1999, S. 533.
73Obgleich etwa Kari Palonen anmerkt, dass in der Bürokratisierung durchaus ein Schutz vor »Abenteurertum und dergleichen« besteht. Kari Palonen: Das ›Webersche Moment‹, Opladen, Wiesbaden 1998, S. 210.
74Dazu etwa Duncan Kelly: »Max Weber and the Rights of Citizens«, in: Max Weber Studies 4 (2004), S. 23ff.
75Vgl. M. Weber, Die Stadt (1999), S. 275. Catherine Colliot-Thélène beschreibt hingegen in einem Beitrag, dass Webers Bild des modernen Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft im homo juridicus vielmehr eine Verbindung aus homo politicus und homo oeconomicus ist. Vgl. Catherine Colliot-Thélène: »Modern rationalities of the political. From Foucault to Weber«, in: Max Weber Studies 9 (2009), S. 165ff, hier S. 179.
76Vgl. Jürgen Habermas: Theorie kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. 1981.
77Bezeichnet er das Deutsche Reich als Obrigkeitsstaat, so beschreibt er damit die Bürokratisierung der Politik vor dem Hintergrund einer durchaus florierenden Wirtschaft.
78Vgl. S. Breuer (2006), S. 7.
79Vgl. Max Weber: »Wahlrecht und Demokratie in Deutschland«, in: Wolfgang J. Mommsen/Gangolf Hübinger (Hg.), MWG I/15, Tübingen 1984, S. 347ff, hier S. 356f.
80Vgl. L. A. Scaff (1989), S. 164.
81Hartmann Tyrell: »Worum geht es in der Protestantischen Ethik? Ein Versuch zum besseren Verständnis Max Webers«, in: Saeculum 41 (1990), S. 130ff, hier S. 131.
82Vgl. T. Parsons, Der Kapitalismus bei Sombart und Max Weber (2019), S. 86f.
83M. Weber, Wissenschaft als Beruf (1992), S. 101.
84M. Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (1989), S. 519.
85M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 465f.
86Vgl. G. Fitzi (2004), S. 262.
87Henry Jacoby: Die Bürokratisierung der Welt, Neuwied 1969, S. 15.
Wolfgang Schluchter erkennt schon in Webers Denken eine »Verkürzung«, nämlich dort, wo es um die formelle oder materielle Rationalität von Bürokratie oder Demokratie geht. Demnach wäre die Aussage, dass Berechenbarkeit der Verwaltung automatisch Bürokratisierung und ›Gerechtigkeit‹ automatisch Räteherrschaft abschließend. Er drückt es wie folgt aus: »Es scheint entweder die Herrschaft des Fachwissens oder die Herrschaft ohne Fachwissen zu geben, nicht aber die Herrschaft mittels Fachwissen (sic!), die formelle und materielle Rationalisierung ausbalanciert.« Nach diesem Verständnis lässt schon Webers eigenes Denken diesbezüglich mehr Alternativen zu. Dies ist sicherlich eine spannende Frage, welche hier aber nicht von zentralem Interesse ist und daher unbeantwortet gelassen wird. W. Schluchter (1989), S. 240f; W. Schluchter (1972), 145ff.
88Vgl. R. Boesche, Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination (1996), S. 357.
89M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 466. Darin sieht Roger Boesche den Hintergrund der despotischen Macht der Bürokratie. Vgl. R. Boesche, Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination (1996).
90Ebd., S. 464. Das ist ein zentrales Argument in Webers Kritik an sozialistischen Ideen. Für ihn bedeutet jedes sozialistische Wirtschaftssystem mit zentraler Produktionsplanung nur ein um ein vielfaches ausgedehntes bürokratisiertes System, dass für alle, also auch für das Proletariat, noch weniger Freiheitsräume bestehen ließe. Vgl. Ebd. Dazu auch Gero Lenhardt: »Theorie der Rationalisierung und Sozialismuskritik bei Max Weber«, in: Leviathan 8 (1980), S. 295ff. Dazu, dass Weber »Realist genug« war, zu erkennen, dass der Betriebskapitalismus nicht zu überwinden sei etwa Gregor Schöllgen: Max Weber, München 1998, S. 80.
91F. J. Bauer (2006), S. 77. Dazu auch Arnold Zingerle: Max Webers Historische Soziologie, Darmstadt 1981; Ulrike Vogel: »Einige Überlegungen zum Begriff der Rationalität bei Max Weber«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1973), S. 532ff.
92M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 208.
93An dieser Stelle sei auf eine Kritik an Weber hingewiesen. Christoph Schönberger etwa kritisiert, dass Weber vielfach Entwicklungen des wilhelminischen Deutschlands erkannt und dann »allzu rasch zu sozialen Großentwicklungen« extrapoliert und »in eine scheinbar universelle politische Soziologie« verwandelt hat. C. Schönberger, Max Webers Demokratie: Utopisches Gegenprinzip zur bürokratischen Herrschaft (2016), S. 168. Zum Thema, dass die Entwicklung gerade der preußisch-deutschen Bürokratie in Webers Augen zu so etwas wird, wie einem Schicksal der Welt ist lesenswert: Jürgen Kocka: »Otto Hintze, Max Weber und das Problem der Bürokratie«, in: Historische Zeitschrift 233 (1981), S. 65ff, hier 80, 103.
94So ähnlich beschreib es Dana Villa: Politik »devolves into the nihilism of administrative despotism, the rule of the ›clique‹ trough the ›machine.‹« Dana R. Villa: »Max Weber: Integrity, Disenchantment, and the Illusions of Politics«, in: Constellations 6 (1999), S. 540ff, hier S. 542. Sie stellt im Zusammenhang mit Webers zentralem Anliegen in ›Politik als Beruf‹, also der Suche oder Beschreibung der idealen Eigenschaften politisch verantwortlicher Führungspersonen, fest, dass dieses Interesse sich ähnelte mit denen von Plato, Thukydides, Niccolo Machiavelli und Friedrich Nietzsche, es aber gerade nicht dem Interesse von Sokrates oder des klassischen Liberalismus entspricht. Die menschliche Natur nimmt Weber laut Dana Villa als weniger der Gerechtigkeit, sondern vielmehr der Routinisierung, also der Bürokratisierung zuneigend war. Aus diesem Grund ist der elitäre Charakter der leitenden politischen Figur der einzige Punkt, wodurch Politik etwas Edles bleiben kann. Insbesondere der Einfluss von Nietzsche ist in Webers Werk an dieser wie auch an vielen anderen Stellen zu erkennen, was lange relativ unbeachtet blieb und wahrscheinlich eine Folge der Parsons’schen Schule und Weberinterpretation ist. Vgl. S. Breuer (2006), S. 44. Dazu auch H. Tyrell, 1990, 158ff; W. Hennis (1987), 167ff.
95Dazu auch Gangolf Hübinger: »Max Weber und die ›universalgeschichtlichen Probleme‹ der Moderne«, in: Michael Kaiser/Harald Rosenbach (Hg.), Max Weber in der Welt. Rezeption und Wirkung, Tübingen 2014, S. 207ff, hier S. 223.
96Vgl. H. Treiber, Moderner Staat und moderne Bürokratie bei Max Weber (2016), 132, 140. Das Verhältnis von Bürokratie und Politik ist in der Moderne schon immer ein zentrales Interesse der Verwaltungs- und Staatswissenschaften. Vgl. dazu zusammenfassend Renate Mayntz: Soziologie der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 1997, S. 64ff.
97Vgl. M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 465.
98Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 488.
99M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 215. Siehe die verschiedenen Beispiele Webers ebd., S. 215ff.
100M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 486ff.
101Ebd., S. 208.
102Vgl. W. J. Mommsen, Die Vereinigten Staaten von Amerika (1974b), S. 88. Dazu auch W. Schluchter (1972), S. 13.
103M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 209.
104D. Herzog, 1966, S. 234.
105M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 208.
106Dies war eine auch von Weber bemerkte Fügung Bismarck’scher Politik ›von oben‹. Er beteiligte die Klassen der sich entwickelnden industriellen Gesellschaft am ökonomischen Wachstum und den Früchten der Industrialisierung, allerdings, um damit das Aufkommen von Opposition und die Wahrscheinlichkeit von sozialer Revolution zu minimieren. Im Ergebnis entstand dadurch eine eher apolitische Gesellschaft (insbesondere in den bürgerlichen Klassen), die sich mehr oder minder ganz auf dem Feld der Wirtschaft auslebte und sich gerade darin gefiel. Vgl. S. Eliaeson, Constitutional Caesarism (2000), S. 134ff.
Webers Position muss wohl auch als ein Ausdruck seiner eigenen politischen Sozialisation gesehen werden. Als Sohn eines Nationalliberalen und Diskussionspartner von Hermann Baumgarten, ebenfalls ein Nationalliberaler, lernte er früh die Folgen Bismarck’scher Politik auf die politische Kultur Deutschlands. Vgl. W. J. Mommsen (1974a), 1, 8, 12. Dazu auch Dirk Kaesler: Max Weber, München 2011, 227-243.
Laut Weber könnte die Sozialdemokratie hier unter Umständen noch etwas bewegen, weil gerade die besitzlosen Klassen am aller wenigsten von formaler Rationalität profitieren. Die Grundlagen des liberalen Rechtsstaats, der »Vertragsfreiheit« und der »prinzipiell freie[n] Konkurrenz« stehen als Voraussetzung des modern-rationalen Kapitalismus naturgemäß im Interesse der besitzenden, bürgerlichen Klassen und naturgemäß profitieren die »jeweils ökonomisch Mächtigen und […] an der Ausbeutung ihrer Macht Interessierten« davon am ehesten. M. Weber, Die Entwicklungsbedingungen des Rechts (2010), 600, 516. Letztlich stellt Weber hier aber der deutschen Sozialdemokratie ein verheerendes Zeugnis aus. Sie übernehme ihm zu wenig politische Verantwortung und versteigte sich auf den Glauben, dass die politische Erlösung in den Gesetzen der Geschichte schon einprogrammiert sei und entsprechend eigentlich kaum politischer Durchsetzungsarbeit bedürfe. Vgl. M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 503ff. Webers Kritik an der SPD ist eine politische Kritik an der marxistischen Ausrichtung der SPD und am historischen Materialismus Marx’scher Provenienz. Auch an der anderen großen deutschen Parlamentspartei, der Zentrumspartei, lässt Weber kaum ein gutes Haar. Er attestiert ihr eine zu große Sorge, durch eine aktive Regierungsbeteiligung in die Minderheit gedrückt zu werden. Ihre politischen Kräfte basierten mehrheitlich auf außerparlamentarischen Gruppierungen und Mitteln. Eine ›negative Politik‹ im Parlament vertrage sich mit ihren Interessen besser als eine politisch verantwortliche und gestaltende Politik. Vgl. M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 219f.
107Vgl. G. Schmidt (1964), 250f., 259.
108W. J. Mommsen (1974a), S. 416.
109Vgl. H.-P. Müller (2007), S. 251.
110Vgl. A. Sica, Rationalization and culture (2000), S. 42.
111Vgl. R. Boesche, Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination (1996), S. 357.
112Vgl. Hannah Arendt: Crises of the Republic, New York 1969, S. 137.
113M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 486ff.
114Max Weber: »Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), MWG I/10, Tübingen 1989, S. 86ff, hier S. 269f. Zu beiden Begriffen auch Karl Löwith: »Max Weber und Karl Marx«, in: Karl Löwith (Hg.), Sämtliche Schriften. Bd. 5, hg. von Klaus Stichweh, Stuttgart 1988, hier 349, 361. Arthur Mitzman sieht in Webers Beschreibung der modernen rationalen Welt als stählernes Gehäuse eine biografische Wiederkehr Webers Gefühl gegenüber seinem Elternhaus. Jedoch scheint diese Sichtweise doch über das Ziel hinauszuschießen und zeigt einen überambitionierten psychologisch-biografischen Ansatz. Vgl. Arthur Mitzman: The Iron Cage, New Brunswick 1985, S. 106f. Zur Kritik daran siehe W. J. Cahnman (1995), S. 67.
115Vgl. L. A. Scaff (1989), S. 89.