9.Historische Entwicklung der Rationalisierung
Webers Analyse
9.1Prädestination und Beruf
Die historische gesellschaftliche Entwicklung ist für Weber maßgeblich durch den Prozess der Rationalisierung geprägt. Diese stellt für ihn eine universelle Entwicklung dar, welche die moderne bürgerliche Gesellschaft maßgeblich hervorbringt und kennzeichnet. Es wird in diesem Abschnitt daher zunächst darum gehen, erstens diesem Prozess der Rationalisierung in Webers historischer Analyse nachzugehen. Zweitens wird dargestellt, wie Weber diesen Prozess analysiert und in einem dritten Schritt auf die Prinzipien einzugehen, welche für ihn daraus hervorgehen.
»Universalgeschichtliche Probleme wird der Sohn der modernen europäischen Kulturwelt unvermeidlicher- und berechtigterweise unter der Fragestellung behandeln: welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, daß gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen?«1
Diese Frage stellt Max Weber in der Vorbemerkung von Die protestantischen Ethik und der Geist des Kapitalismus. Er leitet damit seine »Universalgeschichte der Kultur«2 ein, in der er nach den Ursachen einer, seiner Meinung nach, spezifischen Entwicklung des Okzidents sucht. Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus gilt als eine maßgebende Arbeit auf dem Feld der Wirtschaftsgeschichte, liegt ihr doch ein Interesse an der Geschichte, der Entstehung und der Entwicklung des modernen Kapitalismus zugrunde. Webers Interesse an der Entwicklung und Entstehung des modernen rationalen und als solcher dem Okzident spezifischen Kapitalismus wurde durch sein immer ausgreifenderes Interesse allerdings mehr und mehr zu einem Interesse an der Entstehung und Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft insgesamt.3
Die Rationalisierung4 ist das zentrale Thema dieser ›Universalgeschichte‹,5 das Weber historisch zunächst in der Entwicklung der Religion beobachtet.6 Dabei sucht Weber nach den Ursprüngen des okzidentalen Rationalismus. Er bemerkt dazu:
»Es kommt also zunächst wieder darauf an: die besondere Eigenart des okzidentalen und innerhalb dieses, des modernen okzidentalen, Rationalismus zu erkennen und in ihrer Entstehung zu erklären. Jeder solche Erklärungsversuch muß, der fundamentalen Bedeutung der Wirtschaft entsprechend, vor allem die ökonomischen Bedingungen berücksichtigen.«7
Deutlich wird nicht nur der historische Charakter Webers Analyse der bisherigen gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch, dass Weber die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und die religiöse Rationalisierung eng mit wirtschaftlichen Zusammenhängen verknüpft sieht. Webers Untersuchung der modernen bürgerlichen Gesellschaft, ihrer Quellen und Entwicklungsbedingungen beschäftigt sich daher auch mit dem modernen Kapitalismus.
Rationalisierung und moderner Kapitalismus sind für Weber dabei allerdings keine einfach oder kausal verknüpften Entwicklungen.
»Denn wie von rationaler Technik und rationalem Recht, so ist der ökonomische Rationalismus in seiner Entstehung auch von der Fähigkeit und Disposition der Menschen zu bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung überhaupt abhängig.«8
Der Begriff der Lebensführung9 leitet dabei in die Komplexität des Gedankengangs Webers ein. Nicht nur die okzidentale Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie ist ein besonderer Ausdruck der Rationalisierung allgemein sowie des okzidentalen Rationalismus im speziellen, sondern der ökonomische Rationalismus insgesamt ist Ausdruck einer praktisch-rationalen Lebensführung der Individuen, die sich für Weber insbesondere und zunächst im ökonomischen Handeln zeigt. Weber sieht entsprechend auch die individuelle seelische beziehungsweise psychische Konstitution als relevante Faktoren der Rationalisierung.10 Die Religion als wichtiges Element dieser seelischen Konstitution ist daher nur wenig überraschend das Objekt seiner Untersuchung. Zwar bemerkt Weber einerseits: »Interessen (materielle und ideelle) nicht: Ideen, beherrschen unmittelbar das Handeln der Menschen.« Andererseits notiert er direkt im Anschluss daran auch, dass »die ›Weltbilder‹, welche durch ›Ideen‹ geschaffen wurden, […] sehr oft als Weichensteller die Bahnen bestimmt [haben], in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegte«11. Sowohl Ideen und Interessen auf der einen als auch okzidentaler Rationalismus und praktisch-rationale Lebensführung auf der anderen Seite bilden demnach sich gegenseitig forcierende Paare.
Weber nimmt die Ideen und Weltbilder in seiner Analyse in den Blick, um zu zeigen, wie der okzidentale Rationalismus zur bestimmenden Ethik der modernen bürgerlichen Gesellschaft wurde und wie die Entwicklung einen rationalen Lebensstil hervorbrachte.12
Weber selbst analysiert die religiösen Ideen und die damit zusammenhängenden Weltbilder vergleichend.13 Grob lassen sich dabei die Unterscheidung eines orientalischen gegenüber des okzidentalen sowie des okzidentalen gegenüber des modern-okzidentalen Rationalismus erkennen. Da es hier schlicht um die Besonderheit des okzidentalen Rationalismus und dessen Entstehung geht, soll ein Aspekt der weitaus größeren Komparatistik Webers genügen, um die Systematik zu verdeutlichen. So ist etwa der gravierendste Unterschied zwischen dem Konfuzianismus und dem Puritanismus nach Weber, dass jener durch einen »Rationalismus der Weltanpassung« und dieser durch einen »Rationalismus der Weltbeherrschung« gekennzeichnet ist.14 Daraus ergibt sich ein weiterer gravierender Unterschied der vorderasiatischen-okzidentalen zur asiatischen Religion. Dieser besteht darin, dass erstere durch »die aktive Askese: ein gottgewolltes Handeln als Werkzeug Gottes« und zweite durch einen »kontemplativen Heilsbesitz der Mystik, der ein ›Haben‹, nicht ein Handeln bedeuten will, und bei welchem der Einzelne nicht als Werkzeug, sondern als ›Gefäß‹ des Göttlichen«15 gekennzeichnet ist. Andeutungsweise ersichtlich werden sollte daran, dass und wie Weber aus der Religion ableitete, wie unterschiedlich Individuen ihre Welt gestalten und welche Position sie zu dieser einnehmen.
Die Bedingungen eines spezifisch okzidentalen ökonomischen Rationalismus führt Weber auf die calvinistische oder puritanische Religionslehre und Ideen zurück. Diese bilden für ihn die Bahnen, in denen die das Handeln bestimmenden Interessen eine eigene Dynamik ausprägen. Aus einem religiösen Weltbild also folgen bestimmte Interessenlagen, die ein bestimmtes individuelles Handeln sehr wahrscheinlich hervorbringen. Die calvinistische Religion, in der die Individuen göttliches Werkzeug und nicht Gefäß sind, bringt demnach ein Handeln hervor, mit dem sich die Individuen die Welt zum Objekt machen, sie bearbeiten und verändernd in sie eingreifen. Auf diesem Gedanken baut die methodisch-rationale Lebensführung auf, die nach Weber charakteristisch für den okzidentalen Rationalismus und damit auch für die moderne bürgerliche Gesellschaft ist.
Den Zusammenhang zwischen der calvinistischen Religion und einer methodisch-rationalen Lebensführung macht Weber besonders anhand der religiösen Idee der Prädestination deutlich. Zunächst attestiert Weber der calvinistischen Glaubenslehre, dass sie es war, die die Trennung von Welt und Gott vollendet hat, welche in der Reformation ihren Anfang nahm.16 Die calvinistische Glaubenslehre entfernte auch die letzten Reste, die Gottes Anwesenheit im Diesseits repräsentierten. Vormals war die gesamte Welt bis ins Kleinste und bis in den letzten Winkel durchsetzt von der katholischen Religion, der katholischen Kirche und der Vorstellung Gottes als ›erstem Beweger.‹ Vielen weltlichen Dingen waren religiöse Bedeutungen zugeschrieben und ordneten die Welt. Die Durchdringung der Welt und des Alltages durch Religion endete jedoch nach Webers Analyse spätestens mit der Glaubenslehre des Calvinismus. Nach dieser ist nicht mehr Gott für die Menschen da (etwa als ein erlösender Gott wie im Katholizismus), sondern die Menschen sind um Gottes willen da. Gott als Schöpfer erscheint dann allerdings auch als der Welt vollständig entrückt und ihr gegenüber dennoch unveränderbar mächtig. Diese Idee der Entrückung stattet Gott mit »absoluter Unwandelbarkeit, Allmacht und Allwissenheit, kurz absoluter Überweltlichkeit«17 aus. Die calvinistische und puritanische Welt wird so zwar nicht gottlos, aber Gott verliert in ihr durchaus seinen vormaligen Platz innerhalb der menschlichen Welt.18 Es gibt keine diesseitigen Maßstäbe in religiösen Fragen, sondern nur festgelegte und unumstößliche göttliche Urteile. Jede menschliche Bewertung dieser wäre ein Angriff auf die außerweltliche Souveränität Gottes. Das menschliche Handeln als kreatives und gestaltendes Handeln, das auf die »rationale Umgestaltung der irdischen Ordnung« gerichtet ist und darin »einer auf den äußeren Erfolg gerichteten methodischen Lebensführung« folgt,19 ist Ausdruck davon, dass alles menschliche Handeln der Mehrung Gottes Ruhm dienen soll. Untätigkeit steht dieser Prämisse entgegen.
Eine Folge davon ist laut Weber zunächst und im Vergleich zur religiös durchwebten katholischen Welt eine gewisse Orientierungslosigkeit. Nichts ist geblieben von den vormaligen religiösen oder traditionalen Sicherheiten, die das Leben der Individuen nahezu vollständig bestimmten und einengten, aber auch strukturierten. Der zwar rigide, aber auch einheitliche Wertehorizont des Christentums geht verloren. Alles ist »zurückgetreten aus der Öffentlichkeit, […] in das hinterweltliche Reich mystischen Lebens«20. Die neue Zeit beschreibt Weber als »gottfremde, prophetenlose Zeiten«21. Der sorgende Gott ist durch die Rationalisierung oder Entzauberung verschwunden22 und damit auch eine einheitliche Autorität über die Entscheidung von Wichtigem und Unwichtigem. Die Lebensumstände selbst werden zum selbstgeschaffenen Schicksal dieser Zeit.23 Mit dieser »pathetischen Unmenschlichkeit« sorgt jene Idee des Rückzugs Gottes aus der diesseitigen Welt für ein Gefühl »einer unerhörten inneren Vereinsamung des einzelnen Individuums«.24 Jede äußere Hilfe sowie jede von außen zugehende Bedeutung der Welt sind fortgefallen. Spirituelle Führungsfiguren sind nutzlos geworden.
Eine weitere Folge dessen ist laut Weber die Ungewissheit der Individuen über den eigenen Gnadenstand, der alleinige Sache des Urteils des außerweltlichen und übermächtigen Gottes geworden ist. Es kann keinen menschlichen Einfluss darauf geben, der nicht gleichzeitig die göttliche Autorität infrage stellen würde. Die Zugehörigkeit zu den Erwählten oder Verdammten ist damit für die Menschen völlig ungewiss und unbeeinflussbar. Weber zufolge war es für Calvin eine Tatsache, dass Gott nur einem Teil der Menschheit seine Gnade zuteilwerden lässt, für den anderen Teil hingegen die Verdammnis vorsieht. Diese göttliche Zuteilung von Gnade menschenseits zu beklagen, wäre demnach wie, »als wenn die Tiere sich beschweren würden, nicht als Menschen geboren zu sein«25. Das Schicksal jedes Wesens ist die Verherrlichung Gottes Ruhms. Dies ist das außerhalb des menschlichen Zugriffs gefällte Urteil über ihn, das, einmal getroffen, jedem Menschen als schlichte Tatsache gegenübertritt. Der Calvinismus lässt demnach für Weber die Menschen mit einer völligen Ungewissheit über ihr eigenes Seelenheil zurück und das zu einer Zeit, zu der »das Jenseits nicht nur wichtiger, sondern in vieler Hinsicht auch sicherer war als alle Interessen des diesseitigen Lebens«26. Die Ungewissheit der eigenen Erwähltheit ist quälend für die Individuen. An äußeren Merkmalen lassen sich die Erwählten von den Verdammten nicht unterscheiden und auch nicht am Grad der Spiritualität. Die Frage der Erkennbarkeit des eigenen Gnadenstatus wird zur Frage mit »absolut überragender Bedeutung«27. Salopp formuliert verbirgt sich dahinter der existenziell bedeutsame Wunsch, Gott wieder zum Sprechen zu bringen, vielleicht sogar zu zwingen. Es bleibt letztlich keine andere Möglichkeit als sich für erwählt zu halten und jeden Zweifel daran als teuflische Verführung zu werten. Dem folgt eine »rastlose Berufsarbeit«28 mit deren Hilfe sich die Individuen Selbstgewissheit zu verschaffen suchen. Ein Indiz für den eigenen Gnadenstand in der Berufsarbeit oder Pflichterfüllung zu finden, ist Ausdruck der okzidentalen Idee der Weltgestaltung. Menschliches Handeln soll den Ruhm Gottes mehren und ist gerade daher zur Aktivität angetrieben. Religiöses Heil im Jenseits erscheint nun als Gnadenverdienst. Kam in der katholischen Glaubenslehre der Armut noch ein spiritueller Wert zu, weil sich darin ein enthaltsames Leben ausdrückte, welches mit umso größeren Freuden im Jenseits vergolten werden sollte, findet im Calvinismus und Puritanismus nun die in der Reformation beginnende »Umpolung« auf die »Zuschreibung von Leistung« ihre Vollendung.29 Als Werkzeuge Gottes beherrschen die Menschen die Welt nicht um ihrer selbst willen, sondern um der göttlichen Majestät willen. Die ›kreatürliche Welt‹ unterwirft der Mensch sich mit seiner asketischen Berufstätigkeit, gestaltet und beherrscht sie insofern.30
Es ist nicht möglich, durch individuelles religiöses Handeln am eigenen Gnadenstatus in Form eines bestimmtes Grades an Spiritualität zu arbeiten, entsprechend braucht es keine Sakramente. Auch die Kirche verliert ihre Bedeutung, weil zu ihr auch die Verdammten gehören und zur Mehrung Gottes Ruhms durch die Organisation Kirche seinen Institutionen unterworfen werden und ihnen gemäß leben sollen. Gleichzeitig ist allerdings außerhalb der Kirche schon gar kein Heil zu erwarten. Ihr verbleibt somit eine gewisse, allerdings banale Relevanz. »Kein Prediger«, »[k]ein Sakrament«, »[k]eine Kirche« und »[e]ndlich auch: kein Gott« sind also als Orientierungspunkte geblieben.31 Im Vergleich zur katholischen Weltsicht ist dies für Weber eine kalte, dunkle und insgesamt einsame Welt. Dieses Bild prägt die Fundamente des »illusionslosen und pessimistisch gefärbten Individualismus«32, der laut Weber immer noch in den Gesellschaften mit puritanischen Wurzeln zu finden sei. Die puritanische oder calvinistische Religion ist eine »unsichtbare Kirche«33, zusammengesetzt aus ›unsichtbaren‹ Erwählten.
Es ist der Beruf, in dem sich für Weber der spezifisch okzidentale Rationalismus in Form einer methodischen Lebensführung zeigt, als Folge der Erlösungsidee. Das englische Wort calling zeigt mehr oder minder deutlich einen religiösen Bestandteil auf, welcher auf die göttlich gestellte Aufgabe oder die Erwähltheit abstellt. Dieses Wort sieht Weber einzig der protestantischen Sprache eigen.34 Auch die Pflichterfüllung in einem Beruf ist für Weber im Calvinismus und Puritanismus vollendet, der Beruf vollends zur Tätigkeit des Menschen als Gottes Werkzeug geworden.
»Es kommt also in dem Begriff ›Beruf‹ jenes Zentraldogma aller protestantischen Denominationen zum Ausdruck, welches die katholische Unterscheidung der christlichen Sittlichkeitsgebote in ›praecepta‹ und ›consilia‹ verwirft und als das einzige Mittel, Gott wohlgefällig zu leben, nicht eine Überbietung der innerweltlichen Sittlichkeit durch mönchische Askese, sondern ausschließlich die Erfüllung der innerweltlichen Pflichten kennt, wie sie sich aus der Lebensstellung des einzelnen ergeben, die dadurch eben sein ›Beruf‹ wird.«35
Das im Katholizismus noch geltende Sittlichkeitsgebot und die mönchische oder klösterliche und damit außerweltliche Askese36 werden zunehmend verdrängt. Darüber hinaus allerdings ist die calvinistische und puritanische Idee des Berufs als Ort der Pflichterfüllung in die individuelle Lebensführung eingedrungen. Wirtschaftlicher Erfolg, dem eine rationale Lebensführung unterliegt, die diesem Erfolg alles andere unterordnet, ist dabei zentrales Indiz für die individuelle Erwähltheit.
»Dies: der absolute (im Luthertum noch keineswegs in allen Konsequenzen vollzogene) Fortfall kirchlich-sakramentalen Heils, war gegenüber dem Katholizismus das absolut Entscheidende. Jener große religionsgeschichtliche Prozeß der Entzauberung der Welt […] fand hier seinen Abschluß.«37
Es zeigt sich für Weber hier die auf die Spitze getriebene Eigenständigkeit des Individuums in der entzauberten und von Gott verlassenen Welt.
Wirkliche Gewissheit über die Erwähltheit gibt es nicht und kann es nicht mehr geben, was wiederum die eigene Dynamik der calvinistischen und puritanischen Berufsethik ausmacht, die tatsächlich rastlos ist. Diese Prädestinationslehre verbindet den »Stolz der prädestinierten Heilsaristokratie« eng mit dem »Berufsmenschentum und mit der Idee [Herv. FB]: daß der Erfolg rationalen Handelns Gottes Segen erweise«38. Das Ziel der Handlung, sich Gewissheit über das eigene Seelenheil zu verschaffen, ist insofern ein Wert, nämlich der religiöse Wert der Gnade, die damit erreicht werden soll. Dieses methodisch-rationale Handeln ist für Weber daher wertrationales Handeln. Wertrational handelt demnach, wer ohne Rücksicht auf die abzusehenden Konsequenzen dennoch sein Handeln danach ausrichtet, was seiner Meinung nach an ihn als Maßstab gerichtet ist. Das ›Gebot‹ der Berufsarbeit und Pflichterfüllung sowie die Forderung, sich nicht auf Geleistetem auszuruhen, sind dabei die Werte, die die Individuen an sich selbst gestellt meinen.39
9.2Rationalisierung und Wertepluralismus
Die Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Gnadenstatus ist eine Folge der Rationalisierung, also der Veränderung religiöser Welterklärungsmuster. Bisher war vor Allem von der Auflösung religiöser Wertesysteme die Rede. Doch die universelle Rationalisierung löst zunehmend alle Wertesysteme auf, die die ständische Welt so sehr durchtränkten und sie zu einer so stabilen, ja geradezu rigiden gesellschaftlichen Ordnung machten.
Es sind demnach nicht nur »gottfremde, prophetenlose Zeiten«40, wie Weber an einer Stelle festhält, sondern generell geht aus der Rationalisierung eine neue Welt hervor, in der die Lebensumstände der Menschen nicht mehr Schicksal, sondern zwangsläufig Ergebnis individuellen Handelns sind. Die Umstände des modernen Menschen beschreibt Weber als selbstbewusstes Suchen nach Sinn aber auch als psychologische Belastung durch das Bewusstsein der Notwendigkeit dieser Suche sowie durch die Erfahrung unmittelbarer Subjektivität. Das alles unter der immer wichtiger werdenden Bedingung, dass Wahrheit immer erreichbarer scheint und damit auch ein Streben nach Wahrheit immer bedeutender, aber gleichzeitig zur Herausforderung wird.41
Der Wertepluralismus der Moderne und damit auch die Konflikte zwischen gleichrangigen Werten sind in Webers Augen unmittelbare Folgen der Rationalisierung, insbesondere des Verlustes der alles umspannenden christlichen Ethik, welche er zwar als Blendung bezeichnet42, gleichzeitig aber auch ihre Bedeutung sozusagen als common ground betont. Dieser Wertepluralismus ist in der Moderne nicht mehr aufzulösen, auch nicht auf einer Metaebene. Weber stellt, wenn er auf den Wertepluralismus der Moderne verweist, ab auf »die alten vielen Götter«, die auch in Zeiten der Rationalisierung »wieder ihren ewigen Kampf« beginnen.43 Die Rationalisierung war somit zwar eine Befreiung von den omnipotenten Ansprüchen der des Christentums. Hießen vormals die ›Götter‹ Gott, Jahve, Allah oder Buddha, so heißen sie nun allerdings Kapitalismus, Kommunismus, Emanzipation, Gleichheit, Freiheit oder Sozialismus.44
Es ist die durch die Rationalisierung einsetzende gesellschaftliche Differenzierung, die das vormals gesellschaftsumspannende Band langsam porös werden, einander gleichrangige Ordnungen oder Wertsphären45 hervortreten lässt, die dann in unmittelbare Konkurrenz um Deutungshoheit und allgemeine Handlungsorientierung zueinander treten. Denn Weber versteht die verschiedenen Wertsphären oder Ordnungen nicht als abgeschlossen, sondern als universell und ausgreifend. Es gibt keine höhere Macht, die ein Hierarchieverhältnis zwischen ihnen vorgeben könnten.
»Das Schicksal einer Kulturepoche, die vom Baum der Erkenntnis gegessen hat, ist es, wissen zu müssen, daß wir den Sinn des Weltgeschehens nicht aus dem noch so sehr vervollkommneten Ergebnis seiner Durchforschung ablesen können, sondern ihn selbst zu schaffen imstande sein müssen, daß ›Weltanschauungen‹ niemals Produkt fortschreitenden Erfahrungswissens sein können, und daß also die höchsten Ideale, die uns am mächtigsten bewegen, für alle Zeit nur im Kampf mit anderen Idealen sich auswirken, die anderen ebenso heilig sind, wie uns die unseren.«46
Die vormals alles umspannende religiöse Ethik verliert an überwölbender Orientierungskraft und tritt zurück. Ist die Berufsethik der calvinistisch-puritanischen Religion einmal gesellschaftlich dominant geworden, dann wird auch diese ›Opfer‹ der Rationalisierung, wie sich später zeigen wird.
Damit hängt die totale Autonomisierung der Individuen aufgrund des Verlustes der von außen vorgegebenen Struktur zusammen. Die Rationalisierung hinterlässt die moderne Welt, als ausschließliches Ergebnis menschlichen Handelns.47 Die Individuen müssen nun für sich selbst entscheiden, welche Welterklärung, welcher Sinn oder welche Erklärung für sie maßgeblich ist. Das ist die lebensnotwendige Beurteilungsfähigkeit, die die »menschliche Größe und den Adel unserer Natur ausmachen«48. Die Individuen sind Weber zufolge zum ersten Mal tatsächlich autonom in dieser Entscheidung. Damit müssen sie aber auch die auftretenden Konflikte aushalten und ausfechten. Keine sichere Orientierung ist ihnen geblieben, alles kann nur noch aus ihnen selbst kommen, sie allein sind Richter darüber. Die Individuen werden sich zunehmend bewusst, dass alle Entwicklungen Ergebnis ihres Handelns sind,49 und zwar ohne religiöse oder traditionale ›Leitplanken‹. Es stellt sich die Frage nach dem dahinter liegenden Sinn und es droht der Sinnverlust, angesichts der verschiedenen gleichrangigen Werte.50 Die neue Welt ist, so Webers Analyse, nur noch vom menschlichen Einfluss abhängig, alle anderen außerweltlichen oder überzeitlichen Einflussfaktoren haben ihre Bedeutung und ihren Platz verloren. Die Individuen sind zurückgelassen in völliger Unsicherheit über das, was ist, und auch über das, was kommt.
Hier ist für Weber Skepsis angebracht, denn »die Arbeit ist nun härter, [die Ideale, FB] aus der eigenen Brust holen zu sollen in einer Zeit ohnehin subjektivistischer Kultur«51. Ohne die alten einheitlichen Prinzipien geht ein einheitlicher Handlungszusammenhang sowie die vormalige Struktur der sozialen Bindungen ebenfalls verloren. Die Individuen werden durch die Entzauberung der Welt, also durch die Rationalisierung nicht nur zur höchsten Autorität über die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Lebens, sondern auch zu den Produzenten von Handlungszusammenhängen und von sozialen Beziehungen, insbesondere großer sozialer Gebilde. Damit ist alles selbstgemacht und es erscheint erstmalig die wirkliche Angst des Verlustes. Da es keine überweltliche oder ahistorische Quelle mehr gibt, fehlt nach Weber auch jedes Netz und jeder doppelte Boden; Verlust einer Ordnung oder einer sicheren Handlungsorientierung ist somit gleichbedeutend mit der Rückkehr der radikalen Unsicherheit und Einsamkeit.
9.3Methodisch-rationale Lebensführung
Aus dem skizzierten religiösen Weltbild mit seiner Erlösungsidee ergibt sich für Weber gerade im Okzident eine besondere und immer festere beziehungsweise allgemeiner werdende Orientierung: die methodisch-rationale Lebensführung. Diese Form ist für Weber nicht nur ein Ausdruck eines bestimmten Rationalismus, sondern selbst Treiber weiterer Rationalisierung und damit ein wesentlicher Faktor der Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Weber selbst definiert die methodisch-rationale Lebensführung als
»eine systematisch durchgebildete Methode rationaler Lebensführung […], mit dem Ziel, den status naturea zu überwinden, den Menschen der Macht der irrationalen Triebe und der Abhängigkeit von Welt und Natur zu entziehen, der Suprematie des planvollen Wollens zu unterwerfen, seine Handlungen beständiger Selbstkontrolle und der Erwägung ihrer ethischen Tragweite zu unterstellen« und damit den Menschen »zu einem Arbeiter im Dienst des Reiches Gottes zu erziehen, und dadurch wiederum – subjektiv – seines Seelenheils zu versichern«52.
Er fährt fort und konkretisiert die eigentliche Zielvorstellung dieser Lebensweise:
»Ein waches bewußtes Leben führen zu können, war […] das Ziel, – die Vernichtung der Unbefangenheit des triebhaften Lebensgenusses die dringendste Aufgabe, – Ordnung in die Lebensführung derer, die ihr anhingen, zu bringen, das wichtigste Mittel der Askese.«53
In der zunächst religiös fundierten methodisch-rationalen Lebensführung erkennt Weber diese erste Temperierung des protokapitalistischen Gewinnstrebens, denn nun geht es um den wiederholten Einsatz des Erarbeiteten, und zwar auf möglichst rationale Weise. Nicht mehr der schnelle und möglichst hohe Gewinn ist das Ziel, sondern stetiger Erfolg und langfristige Rentabilität werden nun angestrebt. Daher schreibt Weber: »Kapitalismus kann geradezu identisch sein mit Bändigung, mindestens mit rationaler Temperierung, dieses irrationalen« Gewinntriebes.54 Nicht mehr der einmalige Coup und im Anschluss der Genuss dessen, sondern rationale Arbeit als stetige Tätigkeit an sich ist zum Ziel geworden. Damit bekommt die Berufsarbeit einen »sachlich-unpersönlichen Charakter […]: den eines Dienstes an der rationalen Gestaltung«55 der Welt. Es geht nicht mehr um einzelne Taten, sondern um ein viel rigideres Handlungssystem.
»Die ethische Praxis des Alltagsmenschen wurde so ihrer Plan- und Systemlosigkeit entkleidet und zu einer konsequenten Methode der ganzen Lebensführung ausgestaltet.«56
Erst der Calvinismus brachte den gedanklichen Zwang auf, die Bewährung des Glaubens im weltlichen Berufsleben zu suchen. Der »positive Antrieb« der innerweltlichen Askese wird damit gesellschaftsfähig und mit dem Bezug der calvinistischen Ethik auf die Prädestinationslehre bricht die »geistliche Aristokratie der Mönche«.57
»Nur« oder anders formuliert, erst »der asketische Protestantismus machte der Magie, der Außerweltlichkeit, der Heilssuche und der intellektualistischen kontemplativen ›Erleuchtung‹ als deren höchster Form wirklich den Garaus, nur er schuf die religiösen Motive, gerade der Bemühung im innerweltlichen ›Beruf‹ – und zwar im Gegensatz zu der streng traditionalistischen Berufskonzeption des Hinduismus: in methodischer rationalisierter Berufserfüllung – das Heil zu suchen.«58
»Dieser asketische Lebensstil aber bedeutete eben […] eine an Gottes Willen orientierte rationale Gestaltung des ganzen Daseins.«59 Das heilige Leben spielt sich von nun an innerweltlich ab und ist nicht mehr entweder transzendent oder in der Mönchszelle eingehegt. »Diese Rationalisierung der Lebensführung innerhalb der Welt im Hinblick auf das Jenseits war die Wirkung der Berufskonzeption des asketischen Protestantismus.«60 Diese Berufskonzeption prägt zusehends das weltliche Alltagsleben und verbreitete ihre Methodik. Damit macht sie das Leben »zu einem rationalen Leben in der Welt und doch nicht von dieser Welt oder für diese Welt«61.
Eine weitere Eigenheit des calvinistischen und puritanischen Glaubens fördert laut Weber diesen Rationalisierungsprozess der Lebensführung: die laienhafte Organisation in Sekten. Der Katholizismus ist als Kirche organisiert, in die die Menschen ›hineingeboren‹ werden. Die Zugehörigkeit ist also eine Frage der Geburt. Die katholische Kirche ist so gesehen eine Gnadeneinrichtung,
»welche religiöse Heilsgüter wie eine Fideikommißstiftung verwaltet und zu welcher die Zugehörigkeit (der Idee nach!) obligatorisch, daher für die Qualitäten des Zugehörigen nichts beweisend« ist.
Die puritanische oder calvinistische ›Sekte‹ hingegen ist ein
»voluntaristischer Verband ausschließlich (der Idee nach) religiös-ethisch Qualifizierter, in den man freiwillig eintritt, wenn man freiwillig kraft religiöser Bewährung Aufnahme findet«.62
Bewährung ist hier das Stichwort. Nicht nur die Aufnahme ist bedingt durch einen bereits geleisteten Beweis, sondern die Mitgliedschaft beruht auf wiederholter Bewährung. Daraus folgt wiederum eine Stabilisierung der spezifischen Dynamik der neuen Berufsethik. Diese Disziplin wirkt laut Weber »durch das Mittel der Notwendigkeit der Selbstbehauptung« und bringt dadurch besondere »Qualitäten« hervor.63 Die Aufnahme in die Sekten erfolgt auf Grundlage eben dieser Qualitäten und deren dauerhafter Bewährung. Dadurch wird eine Konstanz gewährleistet. Denn nicht nur das jenseitige Schicksal drückt sich darin aus, sondern auch die diesseitige Existenz hängt davon ab. Kein Mitglied einer Sekte zu sein, bedeutet einen gesellschaftlichen Malus, ebenso wie Nichtorientierung an diesen Qualitäten wirtschaftlichen Misserfolg anbahnt. Hinsichtlich der Bedeutung der Sekten für die spezielle Entwicklung des Okzidents hält Weber dementsprechend in einem Brief an Adolf von Harnack aus dem Januar 1905 fest:
»Wir dürfen doch nicht vergessen, daß wir den Sekten Dinge verdanken, die niemand von uns heute missen könnte, Gewissensfreiheit und die elementarsten Menschenrechte, die uns heute selbstverständlicher Besitz sind. Nur radikaler Idealismus konnte das schaffen.«64
Der innerweltliche Asket muss sich im Diesseits auszeichnen. Er ist
»ein Rationalist sowohl in dem Sinn rationaler Systematisierung seiner eigenen persönlichen Lebensführung, wie in dem Sinn der Ablehnung alles ethisch Irrationalen, sei es Künstlerischen, sei es persönlich Gefühlsmäßigen innerhalb der Welt und ihrer Ordnung. Stets aber bleibt das spezifische Ziel vor allem: ›wache‹ methodische Beherrschung der eigenen Lebensführung«65.
Das ist die protestantische Ethik als Grundlage einer rationalen, praktischen, auf Rentabilität zielenden Lebensführung oder eines rationalen Handlungszusammenhangs. Fleiß und Arbeit gehen darin über Genuss und Konsum: »Nicht Muße und Genuß, sondern nur Handeln dient nach dem unzweideutig geoffenbarten Willen Gottes zur Mehrung seines Ruhmes.«66 Dem langfristigen Erfolg wird der kurzfristige Gewinn untergeordnet. Auch durch die Bewährung entwickelt sich aus der calvinistisch-puritanischen Berufsethik und Erlösungsidee eine Lebensführung, denn Bewährung bedeutet Wiederholung und diese verdichtet einzelne Handlungsweisen zu einer festen Lebensführung.
»[N]icht die ethische Lehre einer Religion, sondern dasjenige ethische Verhalten, auf welches durch die Art und Bedingtheit ihrer Heilsgüter Prämien gesetzt sind, ist im soziologischen Sinn des Wortes ›ihr‹ spezifisches ›Ethos‹. Jenes Verhalten war beim Puritanismus eine bestimmte methodisch-rationale Art der Lebensführung, welche – unter gegebenen Bedingungen – dem ›Geist‹ des modernen Kapitalismus die Wege ebnete; die Prämien waren gesetzt auf ›Bewährung‹ vor Gott im Sinn der Versicherung des Heils […].«67
Die Erkenntnis des Zusammenhangs von calvinistischer und puritanischer Ethik und dem Geist des okzidentalen rationalen Kapitalismus ist für Weber bahnbrechend. Seine Frau Marianne fasst dies in folgende Worte:
»Für Weber bedeutet die Erkenntnis der Besonderheit des okzidentalen Rationalismus und der ihm zufallenden Rolle für die abendländische Kultur eine seiner wichtigsten Entdeckungen. Infolge davon erweitert sich seine ursprüngliche Fragestellung nach dem Verhältnis von Religion und Wirtschaft nun zu der noch umfassenderen, nach der Eigenart der ganzen abendländischen Kultur.«68
So gestaltet sich für Weber der Zusammenhang von religiösen Weltbildern und einer den modernen rationalen Kapitalismus begünstigenden methodisch-rationalen Lebensführung, welche die moderne bürgerliche Gesellschaft prägt und ihrerseits die weitere Rationalisierung maßgeblich antreibt. Sie geht aus der religiösen Orientierung hervor und wird geradezu zu einem Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft. Das Fundament des von Weber beobachteten und beschriebenen modernen Kapitalismus liegt für ihn in der puritanischen und calvinistischen Religion.
9.4Der neue Geist des Kapitalismus
Wie sieht Weber nun aus dieser methodisch-rationalen Lebensführung einen neuen Geist des Kapitalismus entsteigen? Wie setzt sich der rationale Betriebskapitalismus gesellschaftlich durch? Schon immer gab es nach Weber ein Streben nach Geld und Gewinn und teilweise beschreibt er es als irrational und hysterisch. Die maßgebliche historische Gegenkraft des insofern modernen Geistes des Kapitalismus war vor allem anderen auch der Traditionalismus und dessen Regime über die individuelle Lebensweise. Traditionalismus zeichnet sich für Weber dadurch aus, dass der Mensch von Natur aus »nicht Geld und mehr Geld verdienen [will, FB], sondern einfach leben, so leben, wie er zu leben gewohnt ist, und so viel erwerben, wie dazu erforderlich ist«69. Darin bestand die harte Grenze der Produktivitätssteigerung, die durch den neuen Geist des Kapitalismus für die Durchsetzung des rationale Betriebskapitalismus überwunden werden musste. Die Wandlung der Arbeit zum Beruf, also zum absoluten Selbstzweck, war laut Weber nur mithilfe »lang andauernder Erziehungsprozesse«70 möglich. Weber fragt an der Stelle:
»Welchem Gedankenkreise entstammte also die Einordnung einer äußerlich rein auf Gewinn gerichteten Tätigkeit unter die Kategorie des ›Berufs‹, demgegenüber sich der einzelne verpflichtet fühlte?«71
Die Antwort ist klar und bereits genannt worden: Es ist die calvinistisch-puritanische Religion, in der Weber diesen ›Gedankenkreis‹ erkennt.72 Diese Glaubenslehren bedingen, sich »der Arbeit gegenüber verpflichtet« zu fühlen, eine »strenge Wirtschaftlichkeit« an den Tag zu legen und mit einer »nüchternen Selbstbeherrschung und Mäßigkeit« zu agieren.73 Die Möglichkeit, die Auffassung von Arbeit als Beruf zu verbreiten, »wie sie der Kapitalismus fordert, ist hier am günstigsten, die Chance, den traditionalistischen Schlendrian zu überwinden, infolge der religiösen Erziehung am größten«74. Erst im Puritanismus und Calvinismus und durch das stetige Einwirken auf das individuelle Handeln wurde Arbeit immer mehr zum »Selbstzweck des Lebens«75. Nur in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist diese Form der effizienten und rationalen Mehrung von Reichtum möglich. Andernfalls würden Menschen in ihren gelegentlichen Tätigkeiten mehr Zeit verschwenden, als nutzbringend einsetzen76 und »arm sein wollen hieße, […] dasselbe wie krank sein wollen.«77 »Mit voller Gewalt wendet sich die Askese […] vor allem gegen eins: das unbefangene Genießen des Daseins und dessen, was es an Freuden zu bieten hat.«78 Damit wird für Weber auch deutlich, was als unsittlich gilt. Das Zufriedensein mit etwas Geschafftem und sogar der Genuss dessen gelten als Faulheit, die von weiterem Streben ablenkt oder es sogar verunmöglicht. Der neue Geist des Kapitalismus initiiert, um Wolfgang Schluchter zu zitieren, eine »Gesinnungsrevolution«, die hier stattfindet und durch die der Beruf mit einem »Geist zur Pflicht« ausgestattet wird.79
Auch der Unternehmerseite attestiert Weber präkapitalistische Formen, allerdings nur hinsichtlich des Charakters als Kaufmannsgeschäft.80 Der generelle Trieb nach dem Geld kann weder den Unterschied von früheren Wirtschaftsformen noch den zu nicht-okzidentalen Formen geben. Das bedingungslose Streben nach monetären Zielen ist für Weber nicht die Quelle des »spezifisch moderne[n] kapitalistische[n] ›Geist[es]‹ als Massenerscheinung«81. Nicht nur das Gewinnstreben fällt also als Erklärung weg, sondern auch irgendwelche speziellen Tausch- oder Geldformen. Auch diese kennt die Geschichte der Menschheit bereits vor dem modernen Kapitalismus.82 Der durchaus kapitalistisch agierende Verleger im mittleren 17. Jahrhundert hatte eher »ein gemächliches Lebenstempo«83, welches fast als das ganze Gegenteil zur Dynamik des modernen Kapitalismus zu verstehen ist. Der Geist des Verlegers war eben noch traditionalistisch. Bestimmend waren für den traditionellen Unternehmer war laut Weber eine
»traditionelle Lebensführung, die traditionelle Höhe des Profits, das traditionelle Maß von Arbeit, die traditionelle Art der Geschäftsführung und der Beziehungen zu den Arbeitern und dem wesentlich traditionellen Kundenkreise […]«84.
Es brauchte nicht die Änderung der Organisation, etwa den »Übergang zum geschlossenen Betrieb«85, um die traditionelle ›Ruhe‹ zu stören. Vielmehr als das geht es laut Weber auch hier um ein verändertes Handeln, aus dem dann auch der moderne wirtschaftliche Betrieb und der rationale Betriebskapitalismus hervorgehen. Er beschreibt auch hier einen historischen Prozess der Herausbildung rationalen Wirtschaftens und einer rationalen Berufsarbeit bei den Unternehmern.86 Weber zeigt einen Prozess der zunehmenden Professionalisierung und Zentralisierung des Vertriebes durch den Unternehmer. Auch kleinere Verkaufsgeschäfte werden demnach zunehmend durch ihn abgewickelt, die Produkte werden vermehrt am Kunden ausgerichtet und zugleich wird der Preis des Produktes zu minimieren versucht, um den Absatz zu maximieren. Dieses Geschäftsgebaren zeitigt Erfolg. »Allsdann (sic!) nun wiederholte sich, was immer und überall die Folge eines solchen ›Rationalisierungs‹-Prozesses ist: wer nicht hinaufsteigt, mußte absteigen.«87
Fehlende Anpassungsfähigkeit an diese neuen Prinzipien bedeutet demnach recht sicheren wirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Abstieg oder Untergang. Die Gewinne der Erfolge werden, so geht Webers Analyse weiter, nicht auf Zinsen angelegt, sondern reinvestiert. Gewinne sind nunmehr Mittel neuen Erwerbs und Gewinns geworden – Ausdruck des Gedankens der Rentabilität. Nach Weber handeln so allerdings keine Abenteuerkapitalisten oder Anhänger des großen Geldes, die es immer schon in der Geschichte gegeben hat,
»sondern in harter Lebensschule aufgewachsene, wägend und wagend zugleich, vor allem aber nüchtern und stetig, scharf und völlig der Sache hingegebene Männer mit streng bürgerlichen Anschauungen und ›Grundsätzen‹«88.
Maßgeblich daran ist, dass nicht individuelle Gier das Motiv dieser gewinnstrebenden Handlungen ist, sondern der Zwang zur wirtschaftlichen Rentabilität, wie sie im neuen Geist des Kapitalismus verankert ist.89 Nicht neues Kapital brach also laut Weber mit dem Traditionalismus, sondern dieser »neue Geist« der Rentabilität, »eben der ›Geist des modernen Kapitalismus‹« brachte die Wende.90 Webers Analyse zufolge ist daher Geld nur Mittel des neuen Geistes und bringt diesen nicht hervor. Ist die Anwendung von Geld zum Gelderwerb unter den Bedingungen einer sparsamen Lebensweise, also das Leben um des Arbeitslebens willen, dem »präkapitalistischen Menschen so unfaßlich und rätselhaft, so schmutzig und verächtlich«91 und nur erklärbar mit der auri sacra famis, ist die Art des Berufs des Geldverdienens und der allgemeinen Berufsführung fürderhin die Grundlage des modernen rationalen Kapitalismus. Das puritanische Berufsethos und der Wandel unternehmerischen Handelns in Richtung Rentabilität sind die beiden Entwicklungen, die mit den traditionalistischen Strukturen brachen und den neuen Geist des Kapitalismus sich durchzusetzen halfen.
Alle, die sich diesen neuen Bedingungen wirtschaftlichen Erfolges nicht anpassen, drohen, im auf Rentabilität ausgelegten rationalen Kapitalismus, unterzugehen.92 Anpassung oder Untergang – es klingt deutlich nach einem evolutionstheoretisch-darwinistischen Ansatz in Webers historischer Analyse. Er konstatiert, dass der moderne Kapitalismus sich die Wirtschaftssubjekte schuf, derer er bedurfte – er spricht in diesem Zusammenhang von »Auslese«93. Weber weist jedoch an dieser Stelle darwinistische Ansätze zurück, denn
»[d]amit jene der Eigenart des Kapitalismus angepaßte Art der Lebensführung und Berufsauffassung ›ausgelesen‹ werden, d.h. über andere den Sieg davontragen konnte, mußte sie offenbar zunächst entstanden sein, und zwar nicht in einzelnen isolierten Individuen, sondern als eine Anschauungsweise, die von Menschengruppen getragen wurde«94.
Die kapitalistische Lebensweise, also der ›Geist des Kapitalismus‹ war laut Weber schon entstanden, und zwar in der puritanischen Ethik. Auch genügte es nicht, wenn nur einige Individuen vereinzelt und isoliert ihr entsprechend leben würden, sondern eine große Zahl von Individuen musste sich an dieser entsprechenden Lebensweise orientieren. In der darwinistischen Evolutionstheorie allerdings geht es vielmehr um die individuelle und überlegene Angepasstheit innerhalb einer Art. Noch relativ zu Beginn seiner Ausführungen in Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus bemerkt Weber am Beispiel Massachusetts und Benjamin Franklins denn auch, dass der »›kapitalistische Geist‹ […] vor der ›kapitalistischen Entwicklung‹ da war«95. Es ist also nicht so, dass die bessere Angepasstheit einer bereits vollentwickelten modernen kapitalistischen Wirtschaftsweise Schritt für Schritt andere Formen verdrängte. Vielmehr bestand eine dem modernen Kapitalismus günstige Lebensweise bereits vor dem Durchbruch dieser Wirtschaftsform.96 Sowohl das puritanische Ethos der innerweltlichen Askese als auch die Grundstrukturen der puritanischen Sektenbildung werden von Weber als Geburtshelfer des ›Geistes‹ des Kapitalismus gesehen. Insgesamt sei dadurch ein »spezifisch bürgerliches Berufsethos […] entstanden«97.
Aus dem Puritanismus stammt ein Berufsethos, der dem traditionalistischen »Schlendrian«98 entgegenwirkte und eine dem rationalen modernen Kapitalismus günstige Lage verschaffte. Die calvinistische und puritanische Glaubenslehre schuf
»die Brechung und rationale Versachlichung dieses Triebcharakters des Erwerbsstrebens und seine Eingliederung in ein System rationaler innerweltlicher Ethik des Handelns«99.
Die Orientierung an kurzfristigen maximalen Gewinnen, auch auf Kosten langfristiger Stabilität, wird durch den neuen Geist des Kapitalismus und entsprechend durch das methodisch-rationale Handeln zugunsten wiederholten Gewinnens verdrängt. Aus dem Geist des Kapitalismus geht der allgemeine Trieb nach technischer Entwicklung und ökonomischem Wandel hervor, aus denen wiederholt neuer ökonomischer Erfolg und wiederholte Gewinne (Rentabilität) gezogen werden.100 Dies ist es, dessen sich die ökonomisch-rationale Menschheit annimmt und ihr zur bestimmenden Orientierung wird: Fortschritt um den Fortschritt willen. Im »ethische[n] Umfeld«101 der religiösen Rationalisierung entwickelt sich der moderne betriebliche Kapitalismus.102
Die Reformation, welche Calvinismus und Puritanismus zur gesellschaftlichen Durchsetzung und Anerkennung verhalf und die methodische Lebensführung überhaupt erst ermöglichte, ist für Weber entsprechend ein zentrales Ereignis.103 Dies darf jedoch nicht derart fehlgedeutet werden, dass der moderne Kapitalismus aus der Reformation einfach hervorging.104 In Webers Analyse der historischen Entwicklung zeigt sich, dass und wie Ideen und damit zusammenhängende Weltbilder in der Geschichte eine beachtenswerte Wirkung entfalten.
9.5Der rationale Betriebskapitalismus
Weber sieht den rationalen Kapitalismus als eine Folge der historischen Entwicklung der universellen Rationalisierung. Im Folgenden wird gezeigt, wie laut Weber dieser rationale Kapitalismus zum Charakteristikum der modernen bürgerlichen Gesellschaft geworden ist.
Zentrale Eigenschaften des rationalen Kapitalismus wie rationale Kalkulation, eine bestimmte systemisch beziehungsweise eigengesetzlich vorgesehene Gewinnorientierung und der Verkauf der Arbeitskraft basierend auf dem freiwillig eingegangenen Arbeitsvertrag und die wiederum rationale Organisation dieser vertraglichen Arbeit benennt Weber tatsächlich als historische Neuheiten. Sie sind durch den neuen Geist des Kapitalismus in der modernen bürgerlichen Gesellschaft wirkmächtig geworden. Der rationale Kapitalismus erscheint in der modernen bürgerlichen Gesellschaft als rationaler Betriebskapitalismus. Ausdruck dessen ist die rationale Organisation des kapitalistischen Betriebes105, der als kontinuierliches Zweckhandeln und durch klugen Einsatz der erwirtschafteten Mittel auf immer neuen Gewinn, also auf Rentabilität ausgerichtet ist. Der wirtschaftliche Betrieb ist eine Entwicklung der Auftrennung des Haushalts als vormals Produktions- und Konsumtionsort. Damit kommt freie Lohnarbeit und Kapitalakkumulation auf, welche beide eine neue Organisationsform brauchen und diese im Betrieb finden. Erst der Betrieb ermöglicht die Aufsicht über zerlegte Arbeitsprozesse und deren Lenkung hin auf ein einziges, also betriebliches Ziel.
Der kapitalistische Betrieb ist rational zunächst durch seine bürokratische Organisation: Die Produktionsmittel sind in den Händen des Unternehmers monopolisiert, es gibt feste Aufgaben- und Sachbereiche, die von ›Privatbeamten‹, den Angestellten, verwaltet werden, die wiederum in eine klare Befehlsstruktur eingegliedert sind. Haushalt und Betrieb sind voneinander getrennt. Der Betrieb ist rational, weil es eine Kapitalrechnung gibt. Sie ist die Grundlage für Abschätzungen über Geschäftsaussichten und Entwicklungen.106 Investitionsentscheidungen werden auf deren Grundlage und eben nicht etwa emotional getroffen. Außerdem ist der Einsatz von Lohnarbeit rationaler als jede unfreie Form, etwa von Sklavenarbeit.107 »[E]xakte Kalkulation – die Grundlage alles anderen – [ist, FB] nur auf dem Boden freier Arbeit möglich.«108 Erst das Zusammenkommen dieser einzelnen Elemente machte überhaupt eine rational-betriebliche Kapitalverwertung möglich.
Überhaupt möglich wurde der Betrieb als ökonomische Einheit schlechthin erst durch die Änderungen der ständischen Hausgemeinschaften, welche sich durch die methodische Lebensführung ergaben. Diesbezüglich zeigt sich auch, wie die Folgen der puritanischen und calvinistischen Glaubenslehre, sich im individuellen und ökonomischen Handeln ausdrückend, in der Wirkung allerdings weit darüber hinaus gehen und die gesellschaftliche Ordnung insgesamt in Bewegung bringen und das mit »ungeheurer Gewalt«109, wie Wolfgang Mommsen notiert. Je mehr der Markt zur zentralen Verteilungsinstanz von Gütern, Ansehen und auch Macht wird, desto stärker ist der Rückzug der Prinzipien der Ständegesellschaft. Denn
»[d]ie ständische Ordnung bedeutet gerade umgekehrt: Gliederung nach ›Ehre‹ und ständischer Lebensführung und ist als solche in der Wurzel bedroht, wenn der bloße ökonomische Erwerb und die bloße nackte, ihren außerständischen Ursprung noch an der Stirn tragende, rein ökonomische Macht als solche jedem, der sie gewonnen hat, gleiche oder – da bei sonst gleicher ständischer Ehre doch überall der Besitz noch ein wenn auch uneingestandenes Superadditum darstellt – sogar den Erfolg nach höhere ›Ehre‹ verleihen könnte[,] wie sie die ständischen Interessen kraft ihrer Lebensführung für sich prätendieren«110.
Weber stellt fest, dass die ständische Hausgemeinschaft innerlich durch die Differenzierung von Fähigkeiten und Bedürfnissen sowie einer damit zusammenhängenden Individualisierung der Lebensformen und damit einer anfangenden Auflösung der Gemeinschaft, einem wachsenden Wohlstand sowie äußerlich durch Folgen aufkommender Konkurrenz anderer sozialer Gebilde (Intensivierung von Arbeitsleistung, Steuern etc.) zunehmend aufgelöst wird. Auch das individuelle Interesse, sich einer Hausgemeinschaft oder einer ständischen Ordnung zu unterwerfen, nimmt ab, weil der sich entwickelnde Nationalstaat mehr und mehr die Sicherheitsgarantie übernimmt. Die Hausgemeinschaft wird laut Weber zunehmend zur Stätte gemeinsamen Konsums, verliert aber die Bedeutung als gemeinschaftlicher Produktionsort. Er folgert, dass daher auch die interne notwendige Kalkulation an Bedeutung zunimmt. Der Geldwirtschaft kommt durch die allgemeine Differenzierung eine größere Bedeutung zu. Weber erkennt allerdings keine absolute Kongruenz von Entwicklung der Geldwirtschaft und der abnehmenden Rolle der Hausgemeinschaft.111
»Der kontinuierlich gewordene kapitalistische Erwerb wurde ein gesonderter ›Beruf‹, ausgeübt innerhalb eines ›Betriebes‹, der sich im Wege einer Sondervergesellschaftung aus dem hausgemeinschaftlichen Handeln zunehmend in der Art aussonderte, daß die alte Identität von Haushalt, Werkstatt und Kontor […] zerfiel.«112
Die »Trennung von Haushalt und Betrieb«113 erkennt Weber als eine entscheidende Entwicklung. Das sich daraus entwickelnde und darauf zugeschnittene Recht sei das Phänomen, welches »die qualitative Einzigartigkeit der Entwicklung zum modernen Kapitalismus mit am deutlichsten kennzeichne[t]«114.
Den kapitalistischen Betrieb als historisch doch recht unwahrscheinliche Form wirtschaftlicher Organisation fundamentiert Weber vielfach. Neben der Auflösung traditionaler Hausgemeinschaften bedarf sie auch der freien Produktionsmittel, was wiederum einen generellen Rückgang der hierarchisch-ständischen Gesellschaft braucht. Eine Bedingung ist also die »Abnahme der Gebundenheit und Zunahme individualistischer Freiheit«115. Außerdem bedarf es einer Rechtsordnung, durch die Privateigentum geschaffen sowie geschützt und die ferner berechenbar angewendet und durchgesetzt wird.116 Der rationale Betriebskapitalismus braucht, »ein Recht, das sich ähnlich berechnen läßt wie eine Maschine; rituell-religiöse und magische Gesichtspunkte dürfen keine Rolle spielen«117. Konstitutiv ist auch die rationale Marktfreiheit118 und insbesondere der moderne Staat mit gesatzter Verfassung und Fachverwaltung.119 Es zeigt sich ein erster Anschein eines Zusammenhangs des rationalen Betriebskapitalismus und des modernen bürokratischen Staates. Ferner ist die berechenbare Technik der Produktion entscheidend,120 womit zuletzt auch die Rationalisierung der Wissenschaft betont ist.121
In all dem drückt sich ein ökonomischer Rationalismus aus, der sich in einer steigenden Produktivität zeigt. Die innerbetriebliche, aber auch die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung nimmt zu. Insgesamt zeigt sich die Rationalisierung immer mehr auch hinsichtlich von Technik und Wissenschaft. Diese geht einher mit eigenen Lebenszielen, die ihrerseits im Zeichen der »rationalen Gestaltung der materiellen Güterversorgung der Menschheit«122 stehen. Daher sind auch erfolgreiche Wirtschaftszahlen ein Ziel an sich. Es ist eine spezielle Eigenschaft des kapitalistischen Betriebes, nach rechnerischem Kalkül die gesamte Unternehmung auf den nach wirtschaftlichen Kennzahlen fundierten Erfolg auszurichten. Wolfgang Schluchter zufolge wird die »Dynamik der ökonomischen Interessen auf den kapitalistischen Betrieb und auf das kapitalistische System gerichtet«123. Es ist überhaupt erst diese Ausrichtung, die den rationalen Betriebskapitalismus zur allgemein dominanten Wirtschaftsform werden lassen konnte.
Für die Ausbreitung der methodisch-rationalen Lebensführung von entscheidender Bedeutung war anfänglich noch die religiöse Idee der Prädestination im Puritanismus und Calvinismus. Dies war nach Weber »der denkbar mächtigste Hebel der Expansion jener Lebensauffassung«, welcher von ihm als »Geist des Kapitalismus« bezeichnet wurde.124 Der rationale Betriebskapitalismus entfernt sich jedoch immer mehr von seinen Grundlagen. Betrachtet Weber die Jahrhundertwende und die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts, so konstatiert er: Der rationale Betriebskapitalismus »hat es namentlich nicht mehr [Herv. FB] nötig, sich von der Billigung irgendwelcher religiöser Potenzen tragen zu lassen«125. Die zunächst religiöse Orientierung individuellen wirtschaftlichen, also rationalen Handelns des Berufsmenschentums wächst aus diesem Rahmen offenbar Schritt für Schritt heraus und prägt zunehmend eine gesellschaftliche Ordnung, die diese Art der Lebensführung selbstständig aufrechterhält und deren Grundlagen reproduziert. Der »Abkühlung des religiösen Enthusiasmus«, so formuliert es Stefan Breuer, folgt »nüchterne Berufstugend, utilitaristische Diesseitigkeit und mechanische Gesetzmäßigkeit«.126 Es ist der Überrest der puritanisch-asketischen Weltablehnung, die als geronnener Geist in den toten Maschinen des modernen Kapitalismus und der lebenden Maschine der modernen Bürokratie zurückgeblieben ist.127 In Webers Geschichte des Kapitalismus existiert eine dem modernen Kapitalismus günstige Lebensweise ebenfalls vorher und wirkt innerhalb der bestehenden traditionalistischen Strukturen, welche mit der Zeit nicht mehr genügen und abgelöst werden. Der Geist des Kapitalismus selbst konnte aber auch »nur im Bunde mit der werdenden modernen Staatsgewalt die alten Formen mittelalterlicher Wirtschaftsordnung« final zerstören und tut dies offenbar in gleicher Weise auch hinsichtlich »seiner Beziehungen zu den religiösen Mächten«.128 Der rationale Betriebskapitalismus
»zwingt dem einzelnen, soweit er in den Zusammenhang des Marktes verflochten ist, die Normen seines wirtschaftlichen Handelns auf. Der Fabrikant, welcher diesen Normen dauernd entgegenhandelt, wird ökonomisch ebenso unfehlbar eliminiert, wie der Arbeiter, der sich ihnen nicht anpassen kann oder will, als Arbeitsloser auf die Straße gesetzt wird«129.
Für Karl Löwith zeigt sich daran, wie sich ein zweckrationaler Handlungszusammenhang der methodisch-rationalen Lebensführung
»mit schicksalshafter Notwendigkeit in sein Gegenteil verkehrt und die sinnlose ›Irrationalität‹ eigenständiger und eigenmächtiger ›Verhältnisse‹ hervorbringt, die nun über das menschliche Verhalten herrschen. Das rationale Durchorganisieren der Lebensverhältnisse erwirkt aus sich selbst heraus die irrationale Eigenmacht der Organisation«130.
Diese Organisation ist der Betriebskapitalismus mit seiner rationalen Erfolgsrechnung, die zunehmend das Handeln der Individuen prägt. Das ›Irrationale‹ ist dabei für Weber, dass der »Mensch für sein Geschäft da ist, nicht umgekehrt«.131 Der moderne Betriebskapitalismus, dieser »schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens«132, wird immer schneller zum fixen Orientierungspunkt individuellen Handelns. Indem also die innerweltliche Askese langsam die Welt zu verändern begann, »gewannen die äußeren Güter dieser Welt zunehmende und schließlich unentrinnbare Macht über den Menschen, wie niemals zuvor in der Geschichte«133.
Dies begründet Weber damit, dass Menschen seiner Beobachtung nach
»›Ordnung‹ brauchen und nichts als Ordnung, die nervös und feige werden, wenn diese Ordnung einen Augenblick wankt, und hilflos, wenn sie aus ihrer ausschließlichen Angepasstheit an diese Ordnung herausgerissen werden«134.
Es muss also keine innere religiöse Ethik mehr bestehen, um die immer allgemeinere Handlungsorientierung des rationalen Betriebskapitalismus zu reproduzieren. Aus dem vormals religiös fundamentierten ist ein Handlungszusammenhang entstanden, in dem der Gewinn zum Selbstzweck geworden ist. Die kapitalistischen Spielregeln sind selbstständig mächtig geworden und wirken sozusagen als autochthone Sachzwänge auf die Menschen. Der rationale Betriebskapitalismus als Handlungszusammenhang erscheint als »leblose Maschine«, die den Menschen »in ihren Dienst« zwingt135 und deren Wegfall als Verlust erscheint, der Angst macht. Gerade darin zeigt sich für Weber die nicht zu unterschätzende Macht der methodisch-rationalen Lebensführung als Grundlage des rationalen Betriebskapitalismus und letztlich der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Durch die Entkopplung von vormaligen religiösen Weltbildern und auch durch die Aufklärung forciert, bedarf die methodisch-rationale Lebensführung, seit sie »auf mechanischer Grundlage ruht, dieser [religiösen] Stütze nicht mehr«; sie hat eine Wirtschaftsordnung hervorgebracht, die nur noch an »die technischen und ökonomischen Voraussetzungen mechanisch-maschineller Produktion« gebunden ist.136 Die universelle Rationalisierung wirkt also auf die Religion zurück. Die Religion, aus der laut Webers historischer Analyse der moderne Rationalismus doch überhaupt erst maßgeblich hervorging, wird aus der Sicht des modernen Rationalismus zunehmend zu einer irrationalen Macht.137
Die wertrationale Handlungsorientierung, die in der ursprünglichen calvinistischen und puritanischen Glaubenslehre bestand, ist dem zweckrationalen Handlungszusammenhang gewichen. Es zählt nicht mehr, was religiös gefordert oder notwendig ist, sondern die schlichte Abwägung von Mittel und Zweck sowie des Zweckes gegen etwaige Nebenfolgen ist entscheidend. Dem bürgerlichen Individuum des rationalen Betriebskapitalismus erscheint damit die calvinistische oder puritanische Handlungsorientierung als irrational, gerade weil sie an bestimmten Werten orientiert ist und weniger die tatsächlichen Folgen des Handelns beachtet. Aus der zunächst religiös induzierten dynamischen Entwicklung der Rationalisierung entwickelt sich eine gesellschaftliche Kraft, die die Religion selbst als irrational bewertet.138
Aus der calvinistischen und puritanischen Glaubenslehre ist ein Handeln hervorgegangen, welches sich maßgeblich an den eigenen Interessen an materiellem Wohlstand orientiert. Aus der Rationalisierung geht die liberale Bürgergesellschaft mit eigennutzorientierten Individuen hervor. Die Individuen werden sich zunehmend gegenseitig fremd, isolieren sich voneinander und kämpfen für sich um wirtschaftlichen Erfolg. Die Rationalisierung schuf eine materialistische Welt, der nicht von den moralischen Gegnern her Gefahr erwächst, sondern vielmehr aus ihr selbst, und zwar in Form der Entwicklung der materiellen Kräfte der kapitalistischen Entwicklung. Das asketische Handeln und das damit zusammenhängende Berufsmenschentum hat eine materialistische Umwelt, die moderne bürgerliche Gesellschaft geschaffen, in der wirtschaftlicher Erfolg zum Zweck an sich geworden sind. Sie bilden eine zunehmend dominante Kultur dieser Gesellschaft.139 Immer mehr Individuen orientieren sich gemäß der Rentabilität und der Pflichterfüllung im Beruf. Rationalität wird, wie sich noch an anderen Stellen zeigen wird, den rationalen Individuen immer mehr zum Wert an sich. Rationalität wird immer mehr zum Synonym von Eigennutzorientierung angesichts ökonomischer Erwerbschancen. Sparsamkeit und eine Orientierung nach Effizienz und Effektivität werden immer mehr gesellschaftliche Orientierungspunkte. Die methodisch-rationale Lebensführung kapitalistisch orientierter, und das heißt eigeninteressengeleiteter, Individuen wird zunehmend zum einzigartigen und dominanten Ziel der Handlungen. Der rationale Betriebskapitalismus ist daher letztlich der gesellschaftliche Ausdruck der allgemein gewordenen methodisch-rationalen Lebensführung.
9.6Bürokratische Herrschaft als Ausdruck rationaler Lebensführung
Das ökonomisch rationale Handeln der Individuen zeitigt also auch über rein ökonomische Zusammenhänge hinaus gesellschaftliche Folgen. So erfüllt etwa die allmählich immer umfassendere Bürokratisierung sämtlicher Lebensbereiche das Bedürfnis ökonomisch rational Handelnder am ehesten. Ökonomische Rationalisierung und Bürokratisierung bilden gewissermaßen ein Paar.
Die bürokratische Herrschaft ist innerhalb Webers idealtypischer Herrschaftsklassifizierung eine Sonderform der rational-legalen Herrschaft.140 Die bürokratische Herrschaftsordnung stehe »im Dienste des Vordringens des ›Rationalismus‹ der Lebensgestaltung«141. Es wird deutlich, dass Weber in der Bürokratie die Erfüllung eines wesentlichen Bedürfnisses der zweckrational handelnden Individuen sieht. Ökonomische Rationalität oder rationaler Handlungszusammenhang und bürokratische Organisation gehen somit Hand in Hand. Zunächst ist es wichtig, einen grundlegenden Eindruck davon zu bekommen, wie Weber bürokratische Herrschaft definiert.
Bei der Betrachtung von Herrschaft allgemein bemerkt Weber, dass darunter grundsätzlich zu verstehen ist: »die Chance […], für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden«142. Sie braucht ein bestimmtes »Minimum an Gehorchenwollen, also: Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen«143. Eine Herrschaftsordnung stellt einen Orientierungspunkt sozialen Handelns und auch sozialer Beziehungen dar. Diese können nämlich an der »Vorstellung vom Bestehen einer legitimen Ordnung« ausgerichtet werden. »Die Chance, daß dies tatsächlich geschieht, soll ›Geltung‹ der betreffenden Ordnung heißen.«144 Eine legitime Ordnung wird zur Voraussetzung der Möglichkeit von Sanktionen und somit auch zur Bedingung von Konvention und Recht. Die »Doppelerfahrung, daß man will und daß man soll«145, drückt für Peter Kielmansegg die Rechtmäßigkeit einer Ordnung im Weber’schen Sinne aus, denn nur eine solche entfaltet die beschriebene Kraft der Orientierung individuellen sozialen Handelns.
Geltung einer Ordnung ist dabei eine strukturierte Form von Regelmäßigkeit. Die subjektive Seite der Geltung ist der Legitimitätsglaube.146 Eine Herrschaftsordnung ist für Weber kein Phänomen, welches also unbedingt auf rationaler Einsicht der Beherrschten aufbaut. Herrschaft im Weber’schen Denken wird so zu einer Sonderform von Macht.147 Sie ist nur dann stabil, wenn es bei den Beherrschten den Glauben an die Legitimität der Herrschaft gibt.148 Webers Ordnungsbegriff muss daher als fließend verstanden werden. Er beschreibt keinen harmonischen Zustand.149
Die bürokratische Herrschaftsordnung zeichnet sich durch eine spezifische Rationalität aus. Diese basiert laut Weber »auf dem Glauben an die Legalität gesatzter Ordnung und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen«150. Die bürokratische Herrschaftsordnung funktioniert mit einem »bureaukratischen Verwaltungsstab«151. Ihr rationaler Charakter zeigt sich darin, dass das soziale Handeln an bestehenden Regeln und auch an Sanktionen für bestimmte Handlungen ausgerichtet wird. Die Legitimität ist entsprechend, »durch Erwartungen spezifischer äußerer Folgen, also: durch Interessenlage; aber: durch Erwartungen besonderer Art«152 garantiert. Der bürokratischen Ordnung wird eine legitime Geltung zugeschrieben, basierend auf einer »positive[n] Satzung, an deren Legalität geglaubt wird«153.
›Reinster Typus‹ der rationalen Herrschaftsordnung ist die bürokratische Form. Hier klingt bereits eine Eigenheit jenes Herrschaftstypus an, denn Weber spricht eine Gruppe der ›zur Ausübung der Herrschaft Berufenen‹ an. Weber erkennt nämlich: »Jede Herrschaft äußert sich und funktioniert als Verwaltung.«154 Er löst damit das klassisch dichotome Modell Herrscher-Beherrschte auf und kommt zu einem triadischen Verhältnis Herrscher-Verwaltung-Beherrschte, wobei die mittlere Gruppe hybridisch in Relation zur ersten auch zur Gruppe der Beherrschten gehört. Beamte bilden das Rückgrat der Verwaltung jeder Art rationaler Verbände, also sowohl politischer als auch wirtschaftlicher. Sie sind in der bürokratischen Herrschaft nicht im Besitz der Verwaltungsmittel, sondern werden für ihre Arbeit entlohnt.155
Daher nimmt die Analyse der Verwaltung in Webers Denken über Herrschaft eine zentrale Position ein. Die Verwaltung bildet sich letztlich aus Einzelpersonen als Beamte, es ist eine monokratische Organisation. Die Beamten sind persönlich unabhängig und unterliegen ausschließlich ihren Amtspflichten. Sie kommen in ihre Stellung durch eine Auslese. Hintergrund der Auslese ist eine Verwaltungsausbildung; Beamte sind demnach fachqualifiziert. Ihre Arbeit unterliegt einer hierarchischen Kontrolle.156
Das Legitimationsverhältnis von Verwaltern zur zentralen Hierarchiespitze ist dabei laut Weber anders geartet als das grundsätzliche Legitimationsverhältnis der rational-legalen Herrschaft von Beherrschten zur Herrschaft. Diese Besonderheit beruht auf der einfachen Tatsache, dass natürlich innerhalb der bürokratischen Herrschaft den Personen der Verwaltung gegenüber anderen Personen selbst eine gewisse Macht zukommt, sie aber selbst immer auch durch die Bürokratie Beherrschte bleiben. Es sind hier zwei Mittel, die ein persönliches Interesse des Gehorchenwollens des Verwaltungsstabes konstituieren. »[M]aterielles Entgelt und soziale Ehre«157 bringen diesen dazu, aus eigenem Interesse die Herrschaft anzuerkennen (Legitimitätsglaube), sich entsprechend danach zu richten und die ihnen darin erlaubte Herrschaft im gestatteten Rahmen auszuüben. Dieses Legitimationsverhältnis ist von entscheidender Relevanz. Gewalt und Druck innerhalb dieses Verhältnisses sind keine dauerhaften Lösungen beziehungsweise bringen keine nachhaltig stabilen Verhältnisse hervor.158 »Insbesondere die bürokratische Staatsordnung, also die in ihrer rationalsten Ausbildung auch und gerade dem modernen Staat charakteristische«159 sieht Weber daher auf der völligen Abhängigkeit des Verwaltungsstabes von dem Herrscher beruhen. Im modernen bürokratischen Staat allerdings ist dies der Akteur, der alle Mittel zentralisiert hat; es ist der bürokratische Staat selbst. Von ihm ist der Verwaltungsstab vollständig abhängig, womit er wiederum von der bürokratischen Herrschaftsform selbst abhängig ist. In diesem Zusammenhang findet sich eine erste Begründung für die Zähigkeit der bürokratischen Herrschaft und Organisation.
In der bürokratischen Staatsordnung bildet sich bei den Beamten eine gewisse »Beamtenehre«160 heraus. Weber bezeichnet diese sogar als
»ständische Ehre, ohne welche die Gefahr furchtbarer Korruption und gemeinen Banausentums als Schicksal über uns schweben und auch die rein technische Leistung des Staatsapparates bedrohen würde, dessen Bedeutung für die Wirtschaft, zumal mit zunehmender Sozialisierung, stetig gestiegen ist und weiter steigen wird«161.
Diese Beamtenehre ergibt sich aus der Ordnung selbst, für die Regelhaftigkeit und formelle Rechtsgleichheit oberste Maximen sind. Daraus folgen allerdings Herausforderungen für die gesamte Herrschaftsordnung, deren Bedeutung sich erst im weiteren Verlauf zeigen wird. Zunächst aber sind die gesellschaftlichen Konsequenzen beziehungsweise auch die Prämissen bürokratischer Herrschaftsordnung laut Weber:
»1. die Tendenz zur Nivellierung im Interesse der universellen Rekrutierbarkeit aus den fachlich Qualifiziertesten, 2. die Tendenz zur Plutokratisierung im Interesse der möglichst lang […] andauernden Facheinschulung, 3. die Herrschaft der formalistischen Unpersönlichkeit: sine ira et studio, ohne Haß und Leidenschaft, […] unter dem Druck schlichter Pflichtbegriffe […].«162
So verstanden, bedeutet fortschreitende Bürokratisierung automatisch die Zurückdrängung ständischer Ordnungsprinzipien der rechtlichen Ungleichheit, denn alle sind potenziell fähig zu Verwaltungsstellen und die Verwaltung arbeitet ohne Ansehen der Person und behandelt alle nach gleichen Maßstäben.
Bedingung für die Herausbildung einer modernen bürokratischen Herrschaft war für Weber nicht nur eine entwickelte Geldwirtschaft als Vorrausetzung der Trennung von Verwaltungsmitteln und Verwalter, sondern auch die Entwicklung der Verkehrs- und Kommunikationsformen.163 Wesentlich begünstigender aber wirkten die »quantitative«164 sowie die »intensive und qualitative Erweiterung und innere Entfaltung des Aufgabenkreises«165 insgesamt, vor allem aber staatlicher Leistungserstellung, auf das allgemeine Vordringen der bürokratischen Verwaltung. Es zeigt sich hier eine weitere Facette des Zusammenhangs von Bürokratie und rationalem Betriebskapitalismus, dessen Entwicklung die Soziale Frage hervorbrachte, worauf vielfach mit neuen Formen staatlicher Daseinsfürsorge reagiert wurde, etwa mit Sozialversicherungen. Dies sind Ausdrücke komplexer werdender Massengesellschaften. Weber nennt aber auch das militärische Heerwesen, die Finanzverwaltung oder auch den kapitalistischen Betrieb, der sich entwickelnde Massenstaat und auch Massenparteien als Triebkräfte beziehungsweise verschiedene Orte der Bürokratisierung.166 Allgemein verweist Weber auf »die steigende Kompliziertheit der Kultur« und auf die »bedingten wachsenden Ansprüche an die Verwaltung überhaupt«.167
Die moderne bürokratische Herrschaftsordnung geht immer einher mit der »Konzentration der sachlichen Betriebsmittel in der Hand des Herrn«168. Dieser ›Herr‹ ist in der bürokratischen Herrschaft der moderne Nationalstaat selbst. In ihm konzentrieren sich die Verwaltungs- und damit die Machtmittel. Diese Konzentrationsprozesse beobachtet Weber in allen Bereichen, die sich langsam bürokratisieren und bürokratisiert werden.
Die Entwicklung dieser »rationalsten Form der Herrschaftsausübung« ist überhaupt gleichbedeutend mit dem Aufkommen »›moderner‹ Verbandsformen auf allen Gebieten«.169 Diese axiomatische Feststellung führt Weber zu der Erkenntnis, dass sie als solche »für die Bedürfnisse der Massenverwaltung (personalen oder sachlichen) heute schlechthin unentrinnbar«170 ist. Bürokratische Verwaltung oder die bürokratische Herrschaftsordnung ist insofern auch eine Folge der ›Vermassung‹, worunter hier das Anwachsen der schieren Anzahl zu ›verwaltender‹ Individuen und damit eine Zunahme an Komplexität verstanden wird. ›Vermassungsprozesse‹ sind überall zu beobachten: Massendemokratie, Massenwahlrecht, Massenpartei oder komplexe Massenproduktion sind nur einige Beispiele. Später wird expliziter auf die Massendemokratie und die Massenpartei eingegangen. Die Bürokratie ist die notwendige oder sogar »unentrinnbare«171 Entwicklung einer sich entwickelnden Massengesellschaft.
»Und zwar mit zunehmender Größe des Verbandes und zunehmender Kompliziertheit seiner Aufgaben und – vor allem – zunehmender Machtbedingtheit seiner Existenz (sei es, daß es sich um Machtkämpfe auf dem Markt, auf dem Wahlkampfplatz oder auf dem Schlachtfeld handelt) in zunehmendem Maße.«172
Nur die bürokratische Herrschaftsordnung bringt laut Weber genügend Leistungsfähigkeit auf, komplexe Gebilde zu steuern und zu organisieren. Die Bürokratie steigert
»Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen, sachlichen und persönlichen Kosten […] bei streng bürokratischer, speziell: monokratischer Verwaltung durch geschulte Einzelbeamte gegenüber allen kollegialen oder ehren- oder nebenamtlichen Formen auf das Optimum […]«173.
Es ist dies Webers Beschreibung der Bürokratie als Maschine oder mechanisierte Verwaltung. In ihr sind komplexe Prozesse in kleinere Aufgaben zerlegt und Regeln für deren korrekten Ablauf entworfen. Weber verbindet mit der Bürokratie weniger die »Gleichförmigkeit des befohlenen Handelns« als vielmehr die »mechanisierte Abrichtung und die Einfügung des Einzelnen in einen für ihn unentrinnbaren, ihn zum ›Mitlaufen‹ zwingenden Mechanismus«.174
Die Dramatik von Webers Erkenntnis der Notwendigkeit bürokratischer Organisation zeigt sich in seinem diesbezüglich binären Denken. Es bleibt demnach nur die Wahl zwischen »Bürokratisierung« oder »Dilettantisierung«.175 Angesichts der von Weber beobachteten Entwicklungen in der Moderne, von Vermassung und damit einhergehender zunehmender Komplexität gesellschaftlicher Lebensbereiche, ist für ihn die bürokratische Verwaltung letztlich alternativlos. Dies gilt zumindest so lange, wie ein bestimmter Leistungsanspruch an die Verwaltung oder die Herrschaftsordnung insgesamt gestellt ist, Dilettantismus also keine Alternative ist. Für Weber ermöglicht die bürokratische Organisation die Zerlegung von Arbeitsprozessen in einzelne Arbeitsschritte, die dann von Spezialisten ausgeführt werden können, die sich darin immer stärker verbessern.176 Das ist die besondere Stärke des bürokratisch organisierten Betriebes, ob nun wirtschaftlich oder, wie sich später zeigen wird, hinsichtlich des Staatsbetriebes.
Zunehmend herrscht außerdem, »wenn das Prinzip der Marktfreiheit nicht gleichzeitig eingeschränkt wird, die Universalherrschaft der ›Klassenlage‹«177 in der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Die ökonomische Lage und nicht mehr die Geburt ist zunehmend entscheidend für die individuellen Lebenschancen.
Die bürokratische Herrschaftsordnung mit Verwaltung und Justiz ist essenziell für den rationalen Betriebskapitalismus sowie für die rationale Lebensführung, weil sie »wenigstens im Prinzip ebenso an festen generellen Normen rational kalkuliert werden kann, wie man die voraussichtliche Leistung einer Maschine kalkuliert«178. Wo der rationale Betriebskapitalismus in der Geld- und Kapitalrechnung das »Höchstmaß von Rationalität«179 erreicht, schafft die bürokratische Herrschaft dieses Höchstmaß laut Webers Herrschaftssoziologie als »formal rationalste Form der Herrschaftsausübung«180. Der moderne Kapitalismus und die Bürokratie gleichen sich nach Weber hinsichtlich der bei beiden zentralen Unpersönlichkeit und der Sachlichkeit.181
Der kapitalistische Betrieb braucht das
»Bestehen eines sehr besonders gearteten, den Güterbesitz rein als solchen, insbesondere die prinzipiell freie Verfügungsmacht Einzelner über Produktionsmittel, schützenden Gemeinschaftshandelns: einer ›Rechtsordnung‹, und zwar einer solchen von spezifischer Art«182.
Auch an anderer Stelle betont Weber das Bedürfnis des Betriebskapitalismus nach bürokratischen Herrschaftsstrukturen:
»Denn der moderne rationale Betriebskapitalismus bedarf, wie der berechenbaren technischen Arbeitsmittel, so auch des berechenbaren Rechts und der Verwaltung nach formalen Regeln, ohne welche zwar Abenteurer- und spekulativer Händlerkapitalismus und alle möglichen Arten von politisch bedingtem Kapitalismus, aber kein rationaler privatwirtschaftlicher Betrieb mit stehendem Kapital und sicherer Kalkulation möglich ist.«183
Weber erkennt also eine Eigendynamik der Rationalisierung, die sich in der Entwicklung des rationalen Betriebskapitalismus und der allgemeinen Bürokratisierung ausdrückt. Die moderne Bürokratie wird immer stärker zur Technik der Lebensführung überhaupt184 und das in immer mehr gesellschaftlichen Lebensbereichen. Es wird eine Abhängigkeit dieser beiden voneinander deutlich:
»Wie der Kapitalismus in seinem heutigen Entwicklungsstadium die Bureaukratie fordert – obwohl er und sie aus verschiedenen geschichtlichen Wurzeln gewachsen sind –, so ist er auch die rationalste, weil fiskalisch die nötigen Geldmittel zur Verfügung stellende, wirtschaftliche Grundlage, auf der sie in rationalster Form bestehen kann.«185
Der rationale Betriebskapitalismus begünstigt die Form der bürokratischen Herrschaftsordnung beziehungsweise entwickelt immer stärker einen Bedarf danach, was bereits etwa hinsichtlich der Ansprüche des kapitalistischen Betriebes nach rationalem und berechenbarem Recht sowie einem rational-bürokratischem Staat gezeigt wurde. Aus dem Bisherigen wurde auch eine positive Rückwirkung der bürokratischen Herrschaftsordnung auf den Betriebskapitalismus deutlich.186 Beide, »obwohl er und sie aus verschiedenen geschichtlichen Wurzeln gewachsen«187 sind, fördern sich laut Weber also gegenseitig, und zwar nicht nur strukturell, sondern auch durch das individuelle Handeln und dessen Orientierung. Um es mit einer Überschrift von Jan Rehmann auszudrücken, lässt sich die »›universale Bürokratisierung‹ als unentrinnbares Schicksal«188 moderner Gesellschaften beschreiben.
Es ist die »Eigenart der modernen Kultur, speziell ihres technisch-ökonomischen Unterbaues aber,« die gerade die bürokratische »Berechenbarkeit‹ des Erfolges« bedarf.189 Der rationale Betriebskapitalismus hat Webers historischer Analyse nach den »Bedarf nach stetiger, straffer, intensiver und kalkulierbarer Verwaltung […] geschaffen«190. Individuen wiederum, die sich überdurchschnittlich stark als Wirtschaftssubjekte sehen und im ökonomischen Fortschritt das höchste Ziel sehen, wollen natürlich und vor allem »eine rein technisch gute und das heißt: eine rationale Beamten-Verwaltung und -Versorgung;« dies ist ihr »letzter und einziger Wert«.191 Nur durch die bürokratische Organisation sind die Ziele von materiellem Wohlstand und Wachstum in der modernen komplexen Gesellschaft erreichbar. Die Bürokratie wird zu einer unausweichlichen Voraussetzung einer erfolgreichen Lebensführung.192 Das ist der von Weber erkannte Zusammenhang des rationalen Handlungszusammenhangs und der zunehmend bürokratischen Organisation der bürgerlichen Gesellschaft.
9.7Die okzidentale Stadt
Die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft beziehungsweise die gesellschaftlichen Wirkungen der Rationalisierung macht Weber sowohl am rationalen Betriebskapitalismus als auch damit zusammenhängend an der Entwicklung einer rationalen Bürokratie fest. Daneben findet er in der historischen Entwicklung der mittelalterlichen zur okzidentalen Stadt noch einen weiteren historischen Ursprung, um den es in diesem kurzen Abschnitt gehen soll.
»Eine Stadtgemeinde im vollen Sinn des Wortes hat als Massenerscheinung vielmehr nur der Okzident gekannt. […] Denn dazu gehörte, daß es sich um Siedlungen mindestens relativ stark gewerblich-händlerischer Charakters handelte, auf welche folgende Merkmale zutrafen: 1. die Befestigung – 2. der Markt – 3. eigenes Gericht und mindestens teilweise eigenes Recht – 4. Verbandscharakter und damit verbunden 5. mindestens teilweise Autonomie und Autokephalie, also auch Verwaltung durch Behörden, an deren Bestellung die Bürger als solche irgendwie beteiligt waren.«193
Offenbar ist für Weber bereits die mittelalterliche Stadt durch Merkmale charakterisiert, die für ihn auch die moderne bürgerliche Gesellschaft des Endes des langen 19. Jahrhunderts mindestens in der Grundform charakterisieren: Eigentum an Grund und Boden, partizipative Verwaltung, autonomes Recht und eine marktorientierte Wirtschaft. Eine ökonomische Orientierung war bereits ausgeprägt und ebensolche Interessen von maßgeblicher Bedeutung. Bedingung dafür war allerdings die Vergesellschaftung der Stadtbürger194, welche einen »Bürgerstand«195 hervorbrachte. »[B]ürgerliche Rechtsgleichheit, Konnubium, Tischgemeinschaft, Solidarität nach außen«196 waren die Bande des stadtbürgerlichen »Kultverbandes«197, welcher die »magisch-animistischen Kasten- und Sippengebundenheiten«198 aufbrach. Der Stadtbürgerverband war laut Weber dabei genaugenommen ein revolutionärer Verband:
»Bei originärer Entstehung war der Bürgerverband das Ergebnis einer politischen Vergesellschaftung der Bürger trotz der und gegen die ›legitimen‹ Gewalten, richtiger: einer ganzen Serie von solchen Vorgängen.«199
Tatsächlich waren gerade die Handelsstädte immer darauf bedacht, möglichst viel Unabhängigkeit gegenüber den feudalen Landesherren zu erhalten oder bestehende Freiräume zu konsolidieren sowie auszubauen.
»Und doch ist weder der moderne Kapitalismus noch der moderne Staat auf dem Boden der antiken Städte gewachsen, während die mittelalterliche Stadtentwicklung für beide zwar keineswegs die allein ausschlaggebende Vorstufe und gar nicht ihr Träger war, aber als ein höchst entscheidender Faktor ihrer Entstehung allerdings nicht wegzudenken ist.«200
Bis hierher lässt sich die okzidentale Erscheinung des Begriffes des Bürgers in Webers Denken nachvollziehen. Die Rationalisierung und die innerweltliche Askese werden im Zusammenspiel mit dem städtischen Bürgertum zu den Treibern des rationalen Betriebskapitalismus und des modernen bürokratischen Staates.201 »[D]ie […] Entwicklung des asketischen Protestantismus hat [den modernen Staat, FB] überall zu einer Angelegenheit des bürgerlichen Mittelstandes gemacht.«202 Die kapitalistische Marktgemeinschaft ersetzt die Stände- durch die Klassenlage. Zentraler Akteur der modernen bürgerlichen Gesellschaft ist für Weber demnach das moderne Bürgertum, mit ihrer ihr eigenen methodisch-rationalen Lebensführung.
Auch die bürokratische Herrschaftsordnung findet in der Konstellation der mittelalterlichen okzidentalen Stadt eine gewisse Entsprechung: »Das Vordringen formalistisch-rationaler Elemente auf Kosten […] des patrimonialen Rechts« basiert letztlich auf dem Wirken
»bürgerlicher Interessen, welche ein eindeutiges, klares, irrationaler Verwaltungswillkür ebenso wie den irrationalen Störungen durch konkrete Privilegien entzogenes, vor allem die Rechtsverbindlichkeit von Kontrakten sicher garantierendes und infolge dieser Eigenschaften berechenbar funktionierendes Recht«203
befürworten.
»Mit zunehmender Befriedung und Erweiterung des Markts parallel geht daher auch 1. jene Monopolisierung legitimer Gewaltsamkeit durch den politischen Verband, welche in dem modernen Begriff des Staats als der letzten Quelle jeglicher Legitimität physischer Gewalt, und zugleich 2. jene Rationalisierung der Regeln für deren Anwendung, welche in dem Begriff der legitimen Rechtsordnung ihren Abschluß findet.«204
1Max Weber: »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/18, Tübingen 2016, S. 101ff, hier S. 101.
Weber wird hieran häufig ein Eurozentrismus vorgeworfen. Vgl. Hans-Peter Müller: Max Weber, Köln 2007, S. 76; Wolfgang Schluchter: Handlung, Ordnung und Kultur, Tübingen 2005, 139ff., insb. 144-145; Wolfgang Schluchter: Religion und Lebensführung, Frankfurt a.M. 1991b, 283ff. Pietro Rossi stellt die weiterführende Frage, ob denn die Spezifizität des Okzidents, wie Weber diese beschrieb, heute und im Angesicht der Globalisierung noch haltbar sei. Vgl. Pietro Rossi: »Universalgeschichte und interkultureller Vergleich«, in: Gert Albert/Agathe Bienfait/Steffen Sigmund et al. (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen 2003, S. 111ff, hier S. 118ff.
Zum Charakter von Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus siehe Peter Ghosh: »Max Weber’s Idea of ›Puritanism‹: a case study in the empirical construction of the Protestant Ethic«, in: Peter Ghosh (Hg.), A Historian Reads Max Weber. Essays on the Protestant Ethic, Wiesbaden 2008, S. 5ff.
Peter Ghosh zeichnet lesenswert die Geschichte dieses, in Webers Gesamtwerk, zentralen Textes nach und schreibt damit auch eine Biografie der Person Weber. Vgl. Peter Ghosh: Max Weber and The Protestant Ethic:, Oxford 2014.
2M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 114. Dazu immer noch lesenswert W. Schluchter (1989), etwa das zusammenfasssende Schema XXII, 267. Er stellt an anderer Stelle heraus, dass sich Weber damit sowohl gegen materialistische als auch idealistische Geschichtsauffassungen gestellt hat. Vgl. W. Schluchter (2005), S. 63. Zugleich arbeitet er heraus, dass Weber mit der Universalgeschichte des Rationalismus tatsächlich auch einen universalistischen Anspruch verfolgte. Vgl. W. Schluchter (1989), S. 86.
Wolfgang Mommsen betont wiederum, dass Webers Universalgeschichte keinen Anspruch darauf hatte, den Verlauf der Geschichte vollständig zu bestimmen oder prophetisch vorauszusagen. Im Gegenteil war dies der zentrale Kritikpunkt von Weber an anderen Geschichtsphilosophien. Diese ermögliche es den Menschensich im Schoß der Geschichte wohlzufühlen, auf ihren Gang zu vertrauen, ohne selbst Verantwortung zu übernehmen. Vgl. Wolfgang J. Mommsen: »Universalgeschichtliches und politisches Denken«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt a.M. 1974b, S. 97ff, hier S. 104f. Dazu zu auch W. Schluchter (2005), S. 84f.
Über den Anschluss Webers ›Universalgeschichte‹ an die neukantianische Geltungslehre vgl. Frederike Wappler: Werte und das Recht, Baden-Baden 2008; W. Schluchter (1991a), S. 80ff.; W. Schluchter (1989), S. 69ff.; Herbert Schnädelbach: Philosophie in Deutschland 1831-1933, Frankfurt a.M. 1983, 197ff. W. J. Mommsen, Universalgeschichtliches und politisches Denken (1974b), S. 106f.
3Vgl. Wolfgang Schluchter: Die Entstehung des modernen Rationalismus, Frankfurt a.M. 1989, S. 63.
Über Weber als Wirtschaftswissenschaftler und -historiker etwa Stanley L. Engerman: »Max Weber as economist and economic historian«, in: Stephen Turner (Hg.), The Cambridge Companion to Weber, Cambridge 2000, S. 256ff. Über Webers Werk aus der Sicht der Wirtschaftssoziologie allgemein
empfehlenswert der Sammelband von Andrea Maurer (Hg.): Wirtschaftssoziologie nach
Max Weber, Wiesbaden 2010.
4Zur Mehrdeutigkeit des Begriffes der Rationalisierung etwa vgl. Reinhard Bendix: »Max Webers Soziologie heute«, in: Dirk Kaesler (Hg.), Max Weber. Sein Werk und seine Wirkung, München 1972, S. 50ff, hier S. 52f. Dazu auch Wolfgang Schluchter: »Die Paradoxie der Rationalisierung«, in: Zeitschrift für Soziologie 5 (1976), S. 256ff, hier S. 259. Dazu auch Johannes Weiß: Max Webers Grundlegung der Soziologie, München 1975, 137ff; Ann Swidler: »The Concept of Rationality in the Work of Max Weber«, in: Sociological Inquiry 43 (1973); Siegfried Landshut: Kritik der Soziologie und andere Schriften zur Politik, Berlin 1969, 49ff; Reinhard Bendix: Max Weber – Das Werk, München 1964, 403.
5»Erst die Reformulierung des Themas der Protestantischen Ethik im erweiterten und präzisierten Bezugsrahmen der Rationalisierung erlaubt eine produktive Anknüpfung an Weber, die mehr ist als Zitat und Polemik«, ergänzt Constant Seyfarth diesbezüglich. Constant Seyfarth: »Protestantismus und gesellschaftliche Entwicklung. Zur Reformulierung eines Problems«, in: Constant Seyfarth/Walter M. Sprondel (Hg.), Seminar: Religion und gesellschaftliche Entwicklung. Studien zur Protestantismus-Kapitalismus-These Max Webers, Frankfurt a.M. 1973, S. 338ff, hier S. 342.
6Über das Religiöse in Webers Religionssoziologie etwa Hartmann Tyrell: »Das ›Religiöse‹ in Max Webers Religionssoziologie«, in: Saeculum 43 (1992), S. 172ff.
7M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 116f.
8M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 116f.
9Dieter Herrmann arbeitet heraus, dass Weber die Begriffe Lebensführung, Lebensstil, Lebensgestaltung oder auch Lebensmethodik als Synonyme nutzt. Vgl. Dieter Herrmann: »Back to the Roots! Der Lebensführungsansatz von Max Weber«, in: Gert Albert/Agathe Bienfait/Steffen Sigmund et al. (Hg.), Aspekte des Weber-Paradigmas, Wiesbaden 2006, S. 238ff.
Auch Hans-Peter Müller geht darauf ein, dass obschon dem Begriff der Lebensführung in Webers Werk eine Schlüsselfunktion zukommt, er diesem dennoch keine eigene Definition hat angedeihen lassen. Vgl. Hans-Peter Müller: »Lebensführung. Eine systematische Skizze im Anschluss an Max Webers Forschungsprogramm«, in: Thomas Schwinn/Gert Albert (Hg.), Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen, Tübingen 2016, S. 249ff.
10Hier zeigt sich Webers grundsätzlicher methodischer Individualismus, ein Begriff, den Weber selbst niemals benutzte und der sich doch gerade aus seiner Schrift Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus heraus bestimmen lässt. Dazu etwa Lawrence A. Scaff: Weber and the Weberians, Basingstoke 2014, S. 50ff. Gemeint ist damit die berühmte ›Badewanne‹: Individuelles Handeln ist durch Phänomene auf der Makroebene (religiöse Überzeugungen einer bestimmten protestantischen Ethik) beeinflusst. Das individuelle Handeln ist entsprechend davon beeinflusst (innerweltliche Askese), ein bestimmtes individuelles wirtschaftliches Handeln passiert und zuletzt bedingt dieses Handeln ein bestimmtes neues Phänomen auf der Makroebene (rationaler Betriebskapitalismus). Dazu etwa Peter Hedström/Richard Swedberg: »Social Mechanisms: An Introductory Essay«, in: Peter Hedström/Richard Swedberg (Hg.), Social Mechanisms. An Analytical Approach to Social Theory, Cambridge 1998, S. 1ff; James S. Coleman: Foundation of Social Theory, Cambridge 1990, S. 5ff; Raymond Boudon: The Logic of Social Action, London 1981. Weitergehende Analysen dazu etwa bei Ronald Jepperson/John W. Meyer: »Multiple Levels of Analysis and the Limitations of Methodological Individualism«, in: Sociological Theory 29 (2011), S. 54ff; Mohamed Cherkaoui: Good Intensions: Max Weber and the Paradox of Unintended Consequences, Oxford 2007.
11Beide Zitate aus: Max Weber: »Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Vergleichende religionssoziologische Versuche«, in: Helwig Schmidt-Glintzer (Hg.), MWG I/19, Tübungen 1989, S. 75ff, hier S. 101. Über die essenzielle Bedeutung dieses Zitats als Quelle und Zielpunkt Webers Analyse von gesellschaftlichen Transformationsprozessen etwa W. Schluchter (2005); Rainer Lepsius: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990; Friedrich H. Tenbruck: »Das Werk Max Webers«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 27 (1975), S. 663ff; Walter M. Sprondel: »Sozialer Wandel, Ideen und Interessen. Systematisierungen zu Max Webers Protestantischer Ethik«, in: Constant Seyfarth/Walter M. Sprondel (Hg.), Seminar: Religion und gesellschaftliche Entwicklung. Studien zur Protestantismus-Kapitalismus-These Max Webers, Frankfurt a.M. 1973, S. 206ff.
Diesem Zitat entspringt eine Debatte, ob nun ein Schwerpunkt auf den Ideen oder den Interessen liegt, oder ob Weber sogar ein ›Sowohl-als-auch‹ damit verbunden hat. Dazu Mateusz Stachura: »Ideen und Interessen. Die Seitenwechselproblematik am Beispiel der Hinduismus- und Judentumstudie von Max Weber«, in: Agathe Bienfait (Hg.), Religionen verstehen. Zur Aktualität Max Webers Religionssoziologie, Wiesbaden 2011, S. 18ff, hier S. 19; W. Schluchter (1991b); R. Lepsius (1990), 31, passim; Johannes Winckelmann: »Die Herkunft von Max Webers ›Entzauberungs‹-Konzeption«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 30 (1980), S. 12ff, hier 31, passim. Dazu insgesamt auch der instruktive und zusammenfassende Handwörterbuchartikel von Steffen Sigmund: »Ideen und Interessen«, in: Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Hg.), Max Weber Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart – Weimar 2014, S. 66ff.; F. H. Tenbruck, 1975, 684f., passim.
Hier zeigt sich, dass Webers Forschungsprogramm ein Mehr-Ebenen-System enthält und vielleicht sogar auch ein Mehr-Seiten-Modell. Es geht ihm immer darum, dass Ideen nicht direkt wirken, sondern vermittelt der individuellen Aneignung als der Subjektivierung eines objektiven Geistes und das verbunden mit einem individuellen Interesse beziehungsweise unter dessen Einfluss. Vgl. W. Schluchter (2005), S. 77.
Sowohl Ideen als auch Interessen sind einmal unmittelbare Bestimmungsfaktoren menschlichen Handelns, aber zum anderen auch mittelbar historische Interpretationen und Institutionalisierungen. Vgl. W. Schluchter (1989), S. 89.
Gerade diese Sichtweise Webers lässt Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus zu einem Werk werden, dass durchaus als »antimaterialistisch« und stattdessen als »spiritualistisch« charakterisiert werden kann. Dazu W. Schluchter (2005), S. 63; W. Schluchter (1989), S. 275; W. J. Mommsen, Universalgeschichtliches und politisches Denken (1974b), S. 101f.
12Vgl. W. Schluchter, 1976, S. 261.
13Webers spätere Ausführungen zu dem Thema in den Vorlesungen über die Wirtschaftsgeschichte von 1919/20 gehen über das Material aus Die Protestantischen Ethik und der Geist des Kapitalismus hinaus. Vgl. Max Weber: »Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschafts-Geschichte«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG III/6, Tübingen 2011, S. 71ff; Randall Collins: »Weber’s last Theory of Capitalism. A Systematization«, in: American Sociological Reviews 45 (1980), S. 925ff. In den zentralen Erkenntnissen jedoch ist keine Änderung zu erkennen, wie Jack Barbalet aufzeigt. Vgl. Jack M. Barbalet: »›Beruf‹, Rationality and Emotion in Max Weber’s Sociology«, in: European Journal of Sociology 41 (2000), S. 329ff, hier S. 329.
14Wolfgang Schluchter: »Einleitung«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/18, Tübingen 2016, S. 1ff, hier S. 6. Über Konfuzianismus und Taoismus siehe M. Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (1989), S. 450ff.
15Ebd., 450-478, 482.
16Christopher Adair-Toteff diskutiert kritisch, inwiefern Weber selektiv auf die Schriften von Calvin zurückgriff, um seine eigene Argumentation zu stützen. Vgl. Christopher Adair-Toteff: »Weber’s ›use and abuse‹ of Calvin’s Doctrine of Predestination«, in: Journal of Religious and Political Practice 4 (2018), S. 336ff.
17Max Weber: »Religiöse Gemeinschaften«, in: Hans G. Kippenberg (Hg.), MWG I/22-2, Tübingen 2001, S. 121ff, hier S. 291.
18Vgl. Hans G. Kippenberg: »Religiöse Gemeinschaften. Wo die Arbeit am Sinnproblem der Welt und der Bedarf sozialen Handelns an Gemeinschaftlichkeit zusammenkommen«, in: Gert Albert/Agathe Bienfait/Steffen Sigmund et al. (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen 2003, S. 211ff, hier S. 216.
19M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 332.
20Max Weber: »Wissenschaft als Beruf«, in: Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/17, Tübingen 1992, S. 71ff, hier S. 109f.
21Ebd., S. 104.
22Wie Friedrich Nietzsche ist Webers Ansicht, dass der moderne Mensch maßgeblich vom Machtstreben getrieben und Gott (durch die Entzauberung der Welt) ›gestorben‹ ist. Vgl. W. Hennis (1987), S. 167; Eduard Baumgarten: Max Weber, Tübingen 1964, 554f., 578ff.
23Vgl. M. Weber, Wissenschaft als Beruf (1992), S. 109.
24Max Weber: »Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/9, Tübingen 2014, S. 242ff, hier S. 259. Dazu auch Roger Boesche: »Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination«, in: Roger Boesche (Hg.), Theories of Tyranny. From Plato to Arendt, University Park 1996, S. 327ff, hier S. 348f.
25M. Weber, Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus (2014), S. 258.
26Ebd., S. 271f.
27Ebd., S. 273.
28Ebd., S. 276.
29W. Schluchter, 1976, S. 271.
30M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 339f.
31M. Weber, Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus (2014), S. 260. Dazu auch Alistair Hamilton: »Max Weber’s Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism«, in: Stephen Turner (Hg.), The Cambridge Companion to Weber, Cambridge 2000, S. 151ff, hier S. 156.
32M. Weber, Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus (2014), S. 261f.
33Ebd., S. 273.
34Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 209ff.
35M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 226.
36Auch im Katholizismus gab und gibt es laut Weber eine asketische Lebensführung. Diese wird allerdings mehrheitlich von Mönchen gelebt. Es ist eine von der Welt und der Öffentlichkeit abgeschiedene und somit außerweltliche Askese. Außerdem besteht in der Beichte, als Ausdruck der universellen Kirchengnade und letztlich auch einer Bilanzrechnung guter und schlechter Taten ein starkes »Mittel zum periodischen ›Abreagieren‹ des affektbetonten Schuldbewußtseins.« ebd., S. 285. Weil Gnade hier zwar an Bedingungen geknüpft, aber doch universell gewährt wurde, fehlte dem mittelalterlichen Katholizismus das Zwangsmittel gegenüber den Individuen, Gnade »aus eigener Kraft zu erringen« und damit das Handeln in bestimmter Weise umzugestalten. M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 346. Der Katholizismus forderte diese mönchisch-asketische Lebensweise auch ein, allerdings vor allem in den Klöstern und Mönchsorden. Diese schaffte es daher nie, das weltliche Alltagsleben zu durchdringen, da Schuld und Sühne stark in den Katholizismus eingeprägt sind. Außerdem drängte das asketische Leben des Mönches diesen immer weiter aus dem Alltag hinaus, weil das Ziel ja gerade in der Überbietung der alltäglichen Sittlichkeit lag; damit blieb es eine außerweltliche Askese. Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 330f.
37Ebd., S. 280.
38M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 366.
39Vgl. Max Weber: »Soziologische Grundbegriffe«, in: Knut Borchardt/Edith Hanke/Wolfgang Schluchter et al. (Hg.), MWG I/23, Tübingen 2013, S. 147ff, hier S. 175.
40M. Weber, Wissenschaft als Beruf (1992), S. 104.
41Vgl. Lawrence A. Scaff: »Fleeing the Iron Cage: Politics and Culture in the Thought of Max Weber«, in: The American Political Science Review 81 (1987), S. 737ff, hier S. 739.
42Vgl. M. Weber, Wissenschaft als Beruf (1992), S. 101. Dazu auch Peter Lassman: »The rule of man over man: politics, power and legitimation«, in: Stephen Turner (Hg.), The Cambridge Companion to Weber, Cambridge 2000, S. 83ff, hier S. 85. Zum Wertepluralismus und den Wertkonflikten in Webers Denken etwa Hartmann Tyrell: »Antagonismus der Werte – ethisch«, in: Hans G. Kippenberg/Martin Riesebrodt (Hg.), Max Webers Religionssystematik, Tübingen 2001, S. 315ff; Hartmann Tyrell: »Max Weber: Wertkollision und christliche Werte«, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 37 (1993), S. 121ff.
43M. Weber, Wissenschaft als Beruf (1992), S. 101. Harald Wenzel zeigt die Paradoxie der Lebensführung auf, die sich für den Menschen in der Moderne ergibt. Die modernen Menschen sind gezwungen, sich unter widerstreitenden Wertsphären und Möglichkeiten, ergo unter Unsicherheit zu entscheiden und sich selbst zu positionieren. Vgl. Harald Wenzel: »Lebensführung als Therapie«, in: Thomas Schwinn/Gert Albert (Hg.), Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen, Tübingen 2016, S. 269ff.
44Vgl. Friedrich H. Tenbruck: »The Problem of Thematic Unity in the Works of Max Weber«, in: British Journal of Sociology 31 (1980), S. 316ff, hier S. 346. Es ist dies der Polytheismus der Werte, den Weber in der rationalen Moderne erkennt. Aus heutiger Perspektive ließe sich Friedrich Tenbrucks Aufzählung hier beliebig fortführen: Feminismus, sowohl von links als auch von rechts, neurechter Autoritarismus, Veganismus und viele mehr. Der Polytheismus-Begriff geht zurück auf: Wolfgang Schluchter: »Polytheismus der Werte. Überlegungen in Anschluss an Max Weber«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), Unversöhnte Moderne, Frankfurt a.M. 1996, S. 223ff.
45Hier wird in der Begrifflichkeit Thomas Schwinn gefolgt, der näher an Webers Formulierung bleibt, wohingegen andere eher die systemtheoretische Redeweise übernommen haben. Dazu etwa Jens Greve/Clemens Kroneberg: »Herausforderungen einer handlungstheoretisch fundierten Differenzierungstheorie – zur Einleitung«, in: Thomas Schwinn/Clemens Kroneberg/Jens Greve (Hg.), Soziale Differenzierung. Handlungstheoretische Zugänge in der Diskussion, Wiesbaden 2011, S. 7ff, hier S. 9f.
Zur Differenzierungstheorie allgemein der Sammelband von Thomas Schwinn/Clemens Kroneberg et al. (Hg.): Soziale Differenzierung, Wiesbaden 2011. Dazu auch Uwe Schimank: »Max Webers Rationalisierungsthese – differenzierungstheoretisch und wirtschaftssoziologisch gelesen«, in: Andrea Maurer (Hg.), Wirtschaftssoziologie nach Max Weber, Wiesbaden 2010, S. 226ff.; Thomas Schwinn: Differenzierung ohne Gesellschaft, Weilerswist 2001, S. 31ff; W. Schluchter (1989), S. 91ff.
Thomas Schwinn weist darauf hin, dass der Institutionalisierungs- und damit auch der Ordnungsgrad der einzelnen Wertsphären allerdings durchaus variieren. Vgl. ders., 2001, 153ff., 206f.
Am Begriff oder Konzept der Wertsphären, und auch an Webers Ansatz der ›wertneutralen Wissenschaft‹ schließt sich unter anderem die grundsätzliche Kritik von Leo Strauss an. Er sieht in Weber Theorie einen »edlen Nihilismus«. Er kritisiert Weber dahingehend, dass dieser nicht mehr auf der Suche nach Wahrheit ist, sondern vielmehr anerkannt hat, dass es kein genuin moralisches Wissen mehr gibt. Daher sind auch die von Weber erkannten Konflikte verschiedener Wertsphären unlösbar und somit die Moderne selbst nicht überwindbar. Nasser Behnager: »Leo Strauss’s Confrontation with Max Weber: A Search for a Genuine Social Science«, in: Review of Politics 59 (1997), S. 97ff; Leo Strauss: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt a.M. 1989, S. 50. Zur Einordnung des Nihilismus-Begriffes bei Strauss siehe Clemens Kauffmann: Leo Strauss zur Einführung, Hamburg 1997, S. 77f. Eden weist den Nihilismus-Vorwurf an Weber zurück. Vgl. Robert Eden: »Why Wasn’t Weber A Nihilist?«, in: Kenneth L. Deutsch/Walter Soffer (Hg.), The crisis of liberal democracy. A Straussian perspective, Albany 1987, S. 212ff.
Zur Gefahr des Wertekonservatismus und -dogmatismus in Webers Wertelehre auch Herbert Schnädelbach: »Die Sprache der Werte«, in: Gert Albert/Agathe Bienfait/Steffen Sigmund et al. (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen 2003, S. 97ff.
46Max Weber: »Die ›Objektivität‹ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis«, in: Gerhard Wagner (Hg.), MWG I/7, Tübingen 2018, S. 142ff, hier S. 153.
47Vgl. F. H. Tenbruck, 1980, S. 321f.
48Max Weber: »Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede Freiburg«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), MWG I/4, Tübingen 1993, S. 543ff, hier S. 559.
49Vgl. Michael T. Greven: »Max Weber’s Missing Definition of ›Political Action‹ in his ›Basic Sociological Concepts‹: Simultaneously a Commentary on Some Aspects of Kari Palonen’s Writings on Max Weber«, in: Max Weber Studies 4 (2004), S. 179ff, hier S. 180.
»Weber realized that the organization of thought and action into regimented forms [durch die Entzauberung, FB] had virtually replaced religion as the unquestioned, motivating creed across much of ›advanced civilization‹.« Alan Sica: »Rationalization and culture«, in: Stephen Turner (Hg.), The Cambridge Companion to Weber, Cambridge 2000, S. 42ff, hier S. 42.
50Dennoch sollte Weber nicht als ein Vertreter des fin de siècle gesehen werden. Webers kultureller Hintergrund ist weitaus komplexer, als dass er eine Festlegung sinnvoll möglich machen würde. Vgl. L. A. Scaff, Weber on the cultural situation of the modern age (2000).
51Max Weber: »Debattenrede zu den Verhandlungen über die Produktivität der Volkswirtschaft auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik«, in: Marianne Weber (Hg.), Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1920, S. 416ff, hier S. 420.
52M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 324f.
53Ebd., S. 328.
54Ebd.
55Ebd., S. 293.
56Ebd., S. 322.
57Ebd., S. 332. Die Entwicklungen und Blüten des Calvinismus sieht Weber dabei nicht als einzigartig. Auch die anderen protestantischen Glaubensrichtungen haben ähnliche Lehren, die der des Calvinismus nach Weber allerdings in der Wirkmächtigkeit nachgeordnet sind. ebd., S. 345. Dazu auch A. Hamilton, Max Weber’s Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism (2000), S. 157.
58M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 441f.
59M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 410.
60Ebd. Die Rationalität des Berufes resultiere für Weber aus einer ›Unterdrückung‹ von (bestimmter) Emotionalität, wie Jack Barbalet festhält. Vgl. ders. (2000).
61M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 411.
62Beide Zitate aus: M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 499; A. Hamilton, Max Weber’s Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism (2000).
63M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), 541f, 542.
64M. Weber, Brief an Adolf v. Harnack, Januar 1905 in: Gangolf Hübinger/Rainer Lepsius (Hg.): MWG II/4, Tübingen 2015, S. 422.
65M. Weber, Religiöse Gemeinschaften (2001), S. 323.
66M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 417.
67Ebd., S. 543. Dazu auch W. J. Mommsen, Universalgeschichtliches und politisches Denken (1974b), S. 115f.
68Marianne Weber: Max Weber, München 1989, S. 349.
69Ebd., S. 177.
70Ebd., S. 180.
71Ebd., S. 205.
72Besonders zeigt sich das in Webers Studie über die Psychophysik der industriellen Arbeit. Vgl. Max Weber: »Zur Psychophysik der industriellen Arbeit«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/11, Tübingen 1995, S. 162ff. Dazu auch Wolfgang Schluchter: »Physis und Kultur. Max Weber über Psychophysik«, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), Unversöhnte Moderne, Frankfurt a.M. 1996, S. 71ff
73M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 182.
74Ebd., S. 182f.
75Ebd., S. 426.
76Vgl. ebd., S. 430.
77Ebd., S. 436.
78Ebd., S. 449.
79W. Schluchter (2005), S. 71.
80Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 188.
Dahin geht auch das Interesse Webers erster Veröffentlichung: Max Weber: »Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter. Nach südeuropäischen Quellen«, in: Gerhard Dilcher/Susanne Lepsius (Hg.), MWG I/1, Tübingen 2008, S. 139ff Dazu auch W. Schluchter (1989), S. 59.
81M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 173f.
82Ein eingehendes Beispiel ist sicherlich die Biografie der Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger. Vgl. Franz Herre: Die Fugger in ihrer Zeit, Augsburg 2009.
Randall Collins vertritt hier eine andere Meinung und erkennt auch und vor allem im Spätmittelalter einen strengen Asketismus auf Grundlage der methodischen Disziplinierung durch die klösterliche Lebensweise, welche einen ›religious medieval capitalism‹ zur Folge hat. Vgl. Randall Collins: Weberian sociological theory, Cambridge 1986, S. 45ff.
83M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 188.
84Ebd., S. 188f.
85Ebd., S. 189.
86Diese Beschreibung leitet Weber vielleicht auch aus seiner eigenen Familie ab. Carl David Weber gründete in Oerlinghausen eine Leinenunternehmung und ließ als Verleger Leinen in der Hausindustrie anfertigen. Da aber in Bielefeld die Leinenproduktion sich zusehends industrialisierte (auch unter dem Einfluss der preußischen Regieurngstätigkeit), ging Carls Firma allmählich zu Grunde. Vgl. Günther Roth: Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950, Tübingen 2001, S. 250ff.
87M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 189.
88Ebd., S. 191.
89Dies stellte Talcott Parsons in seiner Dissertationsschrift ausdrücklich fest. Vgl. Talcott Parsons: »Der Kapitalismus bei Sombart und Max Weber«, in: Uta Gerhardt (Hg.), Kapitalismus bei Max Weber, Wiesbaden 2019, S. 25ff, hier S. 66.
90M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 190.
Für diese Sichtweise Webers finden Margaret Jacob und Matthew Kadane anhand eines von ihnen herausgegriffenen Kleidungsfabrikanten Ryder aus Leeds Belege: »Weber’s three key features of ascetic Protestanism – diligence in spiritual and vocational calling, making use of one’s time, and material asceticism – read like bullet points at the top of Ryder’s spiritual résume.« Margaret C. Jacob/Matthew Kadane: »Missing, Now Found in the Eighteenth Century: Weber’s Protestant Capitalist«, in: American Historical Review 108 (2003), S. 20ff. Ein anderes biografisches Beispiel bringt Kirsten Kininmonth auf, die sich mit dem schottischen Stoffe und Fäden produzierenden Unternehmen J & P Coats befasst. Vgl. Kirsten Kininmonth: »Weber’s Protestant Work Ethic. A case study of Scottish entrepreneurs, the Coats Family of Paisley«, in: Business History 58 (2016), S. 1236ff. Zu biografischen Evidenzen der sogenannten ›Protestantismus-These‹ etwa Kaspar v. Greyertz: »Biographical Evidence on Predestination, Convevant, and Special Providence«, in: Günther Roth/Hartmut Lehmann (Hg.), Weber’s Protestant Ethic. Origins, Evidence, Contexts, Cambridge 1993, S. 273ff.
91M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 194.
92Vgl. ebd.
93Ebd., S. 162.
94Ebd.
95Ebd. Auch daran wird deutlich, dass eine evolutionstheoretische Sichtweise, im Sinne einer kapitalistischen Selektionsfunktion hinsichtlich Webers Ausführungen keine Anwendung finden kann. Beispielsweise ist schon 1632 bei William Weeden zu lesen, dass Beschwerden über ein bestimmtes profitorientiertes Kalkül in Neuengland aufgekommen sind; insofern gab es (proto-)kapitalistische Wirtschaftshandlungen bereits tatsächlich vorher. William B. Weeden: Economic and social history of New England, Houghton 1890, S. 125. Dazu auch W. J. Mommsen, Universalgeschichtliches und politisches Denken (1974b), S. 125.
96Stefan Breuer deutet auf eine interessante Position Webers hin. Demnach steht Weber mit seiner Sichtweise eigentlich im Gegensatz zur Idee der Aufklärung, die ja davon ausgeht, dass der Beginn der Moderne mit abnehmender Religiosität und zunehmendem rationalem Wissen über die Welt einhergeht. Nach Webers Denken allerdings steht eine extensive Religiosität am Beginn, denn er beschreibt in der Protestantismus-Studie, wie eine religiös fundierte und in der Nische existierende Lebensweise langsam ein Handeln hervorbringt, welches zunehmend für die gesamte Gesellschaft prägend wird. Erst die protestantisch-asketische Lebensweise als Massenerscheinung stellte den gesamtgesellschaftlichen Nährboden für die rasche Entwicklung des modernen Kapitalismus dar. Vgl. S. Breuer (2006), S. 35.
97M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 476f.
98Ebd., 182-183.
99Max Weber: »Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus«, in: Helwig Schmidt-Glintzer (Hg.), MWG I/20, Tübingen 1996, S. 48ff, hier S. 536.
100Wolfgang Schluchter weist darauf hin, dass Weber hier bereits die Gefahr einer »Vorherrschaft technologischer Lebensideale« benennt. W. Schluchter (1991a), S. 335.
101W. Schluchter (1989), S. 281.
102Schon vor Webers berühmter Studie gab es die These des Zusammenhangs von wirtschaftlichem Wachstum und Reformation. Dazu etwa Paul Münch: »The Thesis before Weber: An Archaeology«, in: Günther Roth/Hartmut Lehmann (Hg.), Weber’s Protestant Ethic. Origins, Evidence, Contexts, Cambridge 1993, S. 51ff. Vorarbeiten und zeitgenössische Kritik finden sich bei etwa bei Werner Sombart und Lujo Brentano: Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, Leipzig 1911; Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus, Leipzig 1902; Lujo Brentano: »Ethik und Volkswirtschaft in der Geschichte«, in: Richard Bräu/Hans G. Nutzinger (Hg.), Der wirtschaftende Mensch in der Geschichte, Marburg 2008, S. 53ff; Lujo Brentano: »Die Anfänge des modernen Kapitalismus«, in: Richard Bräu/Hans G. Nutzinger (Hg.), Der wirtschaftende Mensch in der Geschichte, Marburg 2008, S. 167ff. Insgesamt entsteht Weber Protestanismusstudie vor dem Hintergrund des damals vieldiskutierten Methodenstreits in der Nationalökonomie. Dazu etwa Werner J. Cahnman: Weber & Toennies, New Brunswick 1995, S. 23ff.
Stefan Breuer findet weitere in der Protestantismus-Studie verarbeitete und eingegangene Quellen und fasst diese knapp zusammen. Vgl. S. Breuer (2006), S. 44ff.
Hartmut Lehmann fasst die zeitgenössische Kritik an der Protestantismus-Studie, Webers Umgang damit und dessen Bedeutung für die Schärfung der gesamten These eingängig zusammen. Vgl. Hartmut Lehmann: »Friends and Foes: The Formation and Consolidation of the Protestant Ethic Thesis«, in: William H. Swatos Jr./Lutz Kaelber (Hg.), The Protestant Ethic Turns 100. Essays on the Centenary of the Weber Thesis, Boulder 2005, S. 1ff. Zur ersten Kritik auch W. Schluchter (2005), S. 81ff.
Aktuellere Kritik an Webers Protestantismus-These bei Lutz Kaelber: »Rational Capitalism, Traditionalism, and Adventure Capitalism. New Research on the Weber Thesis«, in: William H. Swatos Jr./Lutz Kaelber (Hg.), The Protestant Ethic Turns 100. Essays on the Centenary of the Weber Thesis, Boulder 2005, S. 139ff.; Constant Seyfarth/Walter M. Sprondel (Hg.): Seminar: Religion und gesellschaftliche Entwicklung, Frankfurt a.M. 1973; Shmuel N. Eisenstadt (Hg.): The Protestant Ethic and Modernization, New York 1968; Günter Abramowski: Das Geschichtsbild Max Webers, Stuttgart 1966, 66ff.
Peter Breiner weist viel der Kritik an der Protestantismus-These als unberechtigt zurück. Viel davon bezeuge ein falsches Verständnis Webers. Insbesondere die frühe Kritik hätte Webers eigene Repliken auf die Kritiker an der Protestantismus-Studie übersehen. Grundsätzlich sollte dieser Studie nicht vorgeworfen werden, dass ihr die empirische Bestätigung fehlt. Sie muss vielmehr als eine Erklärung dafür gelesen werden, wie der moderne Kapitalismus wachsen konnte. Vgl. Peter Breiner: »Weber’s The Protestant Ethic as a Hypothetical Narrative of Original Accumulation«, in: Journal of Classical Sociology 29 (2005), S. 11ff.
Auch Peter Ghosh unterstreicht, dass die meisten Kritiken an Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus übersehen hätten, dass dieser Text Ausdruck Webers eigenem Historizismus ist. Gerade darin liege der besondere Charakter. Webers Argumente seien demnach weder falsch noch rein auf die Vergangenheit gemünzt. Weber habe darin vielmehr eines der wesentlichsten Werke der europäischen Geschichtswissenschaften geschrieben. Vgl. Peter Ghosh: »History and theory in Max Weber’s ›Protestant Ethic‹«, in: Global Intellectual History 4 (2019), S. 121ff.
Auch Alan Milchman sieht Weber nicht ausschließlich daran interessiert, die Wurzeln der modernen Gesellschaft zu ergründen und insofern tatsächlich, die Geschichte zu beschreiben. Vielmehr weist Webers Werk deutliche Ansätze auf, die Tendenzen der Entwicklung der Moderne aufzudecken. Weber war also nicht nur an der historischen Entstehung der Moderne interessiert, sondern auch an ihrer weiteren Entwicklung. Vgl. Alan Milchman: »Max Weber on capitalism, socialism and democracy«, in: Socialism and Democracy 4 (1988), S. 97ff.
103Wolfgang Schluchter schreibt diesbezüglich: »Diese Kombination äußert sich im ökonomischen Bereich ursprünglich gerade nicht in einer Enthemmung des ›Erwerbs‹- und des ›Konsum’triebs, sondern in ihrer rationalen Temperierung, nicht in seinem Kompromiß zwischen ökonomischem und moralischem Handeln, sondern in der radikalen Unterordnung der Ökonomie unter die Moral und in einer daraus resultierenden unwahrscheinlichen Kongruenz zwischen Streben nach inneren und äußeren Gütern, nach Heilszielen und ›Glücks’zielen. Diese Kongruenz aber ist das ›Werk‹ der Reformation gewesen.« Wolfgang Schluchter: Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus, Tübingen 1979, S. 209.
104Dazu Weber in der Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus:“[D]aß der ›kapitalistische Geist‹ […] nur als Ausfluß bestimmter Einflüsse der Reformation haben entstehen können, oder wohl gar: daß der Kapitalismus als Wirtschaftssystem ein Erzeugnis der Reformation sei.« M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 255f.
Weber sieht in der Reformation also durchaus eine historisch bedeutungsvolle Stufe in der Entwicklung des spezifisch okzidentalen Rationalismus, allerdings ordnete er sie ein und sah sie in ihrer Bedeutung nicht als singulär entscheidend an. Vgl. A. Hamilton, Max Weber’s Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism (2000), S. 169; W. Schluchter (1989), S. 293.
105Vgl. L. Kaelber, Rational Capitalism, Traditionalism, and Adventure Capitalism (2005).
106Vgl. Max Weber: »Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens«, in: Knut Borchardt/Edith Hanke/Wolfgang Schluchter et al. (Hg.), MWG I/23, Tübingen 2013, S. 216ff, hier S. 258ff.
107Vgl. ebd., 376f.
108M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 113.
Der moderne kapitalistische Betrieb selbst allerdings bedarf natürlich der gesellschaftlich-institutionellen Grundbedingungen, oder in Webers Worten, des Geistes des Kapitalismus. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die privatwirtschaftlichen Betriebe selbst Treiber sowohl der Rationalisierung im Allgemeinen als auch der des Betriebskapitalismus im Speziellen waren. Dazu etwa Andrea Maurer: »Der privatkapitalistische Wirtschaftsbetrieb: ein wirtschaftssoziologischer Blick auf Unternehmen?«, in: Andrea Maurer (Hg.), Wirtschaftssoziologie nach Max Weber, Wiesbaden 2010, S. 118ff, hier S. 136f.
109Wolfgang J. Mommsen: »Die Vereinigten Staaten von Amerika«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt a.M. 1974b, S. 72ff, hier S. 74f.
110Ebd.
111Vgl. Max Weber: »Hausgemeinschaften«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), MWG I/22-1, Tübingen 2001, S. 114ff, hier S. 145ff.
Über die gegensätzliche Stellung von Haus- und Marktgemeinschaft etwa Gertraude Mikl-Horke: »Der Markt bei Weber und in der neuen Wirtschaftssoziologie«, in: Andrea Maurer (Hg.), Wirtschaftssoziologie nach Max Weber, Wiesbaden 2010, S. 97ff, hier S. 107f.
112M. Weber, Hausgemeinschaften (2001), S. 151.
113M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 111. Dazu auch W. Schluchter (1989), S. 60f.
114M. Weber, Hausgemeinschaften (2001), S. 152.
115Max Weber: »Die Entwicklungsbedingungen des Rechts«, in: Werner Gephart/Horst Baier/Rainer Lepsius (Hg.), MWG I/22-3, Tübingen 2010, S. 274ff, hier S. 425.
116Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 115; Max Weber: »Bürokratismus«, in: Edith Hanke (Hg.), MWG I/22-4, Tübingen 2005, S. 157ff, hier S. 186f.
117Max Weber: »Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie)«, in: Max Weber/Johannes Winckelmann (Hg.), Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden Soziologie, Tübingen 1985, S. 815ff, hier S. 817.
118Vgl. M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 187.
119Vgl. M. Weber (2016), S. 105.
120Vgl. M. Weber, Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens (2013), S. 376.
121Vgl. M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 114.
Gerade das Feld der Wissenschaft allerdings, so arbeitet es Stefan Breuer heraus, birgt die größte Herausforderung für Webers Protestantismus-These. Insbesondere die Wissenschaft hat mindesten im gleichen Maße der Entzauberung der Welt zugetragen wie der asketische Protestantismus. Sie ist allerdings nicht an diesen gebunden, sondern auch im katholischen Christentum denk- und beobachtbar. Descartes und Pascal sind ebenso Säulen der Wissenschaftsgeschichte wie etwa Newton. Vgl. ders., 2006, S. 55f.
122M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 206.
123Vgl. W. Schluchter (1989), S. 281.
124M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 465.
125Ebd., S. 194.
126S. Breuer (2006), S. 37.
127 Jürgen Kocka beschreibt die Geschichte des Kapitalismus ähnlich. Kapitalistische Strukturen und Funktionen sind älter als der moderne Kapitalismus. Sie existierten innerhalb ständischer Strukturen und dehnten diese von innen heraus. J. Kocka (2015).
128M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 195.
129Ebd., S. 161f. Diese Auffassung Webers ist Ausdruck dessen, dass auch der ökonomische Markt für ihn ein Kampffeld darstellt, auf dem verschiedene Akteure gegenseitig orientiert (daher Marktgemeinschaft) um Erwerbschancen kämpfen. Dazu G. Mikl-Horke, Der Markt bei Weber und in der neuen Wirtschaftssoziologie (2010), S. 106f.
130K. Löwith, Max Weber und Karl Marx (1988), S. 356.
131M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 192.
132M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 105.
133Ebd., S. 487.
134Max Weber: »Debattenreden auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Wien 1909 zu den Verhandlungen über »Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden«, in: Marianne Weber (Hg.), Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1920, 412-415, hier S. 414.
135M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 486ff. Thomas Schwinn zeichnet eingehend nach, dass Webers Ansichten über die Wirkungsweise des rationalen Betriebskapitalismus unmittelbare Folge seiner Differenzierungstheorie sind. Vormoderne Formen des Kapitalismus konnten so keine Eigengesetzlichkeiten ausprägen und entsprechend auch das Handeln nicht in der Form prägen, weil die Ökonomie generell als ausdifferenzierte Ordnung oder Wertsphäre noch gar nicht bestand. Erst durch die Entzauberung und Rationalisierung, letztlich also durch die Differenzierung konnten Eigenheiten des modernen Kapitalismus sozusagen als ›Sachzwang‹ erscheinen und eine einheitliche Form der Lebensführung hervorbringen. Vgl. Thomas Schwinn: »Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie? Kritische Anfragen aus einer Weber’schen Perspektive«, in: Andrea Maurer (Hg.), Wirtschaftssoziologie nach Max Weber, Wiesbaden 2010, S. 200ff, hier 207, 211, 222.
136M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 486ff. Dazu auch S. Breuer (2006), S. 57.
137Vgl. Wolfgang Schluchter: Die Entzauberung der Welt, Tübingen 2009, S. 2. Aus dieser Perspektive der Religion nennt Hans Joas die Protestantismus-These Webers eine »Tragödie«. Hans Joas: »Max Weber und die Entstehung der Menschenrechte. Eine Studie über kulturelle Innovation«, in: Gert Albert/Agathe Bienfait/Steffen Sigmund et al. (Hg.), Das Weber-Paradigma. Studien zur Weiterentwicklung von Max Webers Forschungsprogramm, Tübingen 2003, S. 252ff, hier S. 267.
138Vgl. M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 176.
Das darf allerdings nicht derart falschverstanden werden, dass Weber einen generellen Bedeutungsverlust der Religion als Ordnungsstifterin beschreibt. Vielmehr konstatiert er in der Entzauberung der Religion, wie Hans Kippenberg zeigt, eine Veränderung des Charakters der Religion, die sich dadurch ins Subjektive verlagert. Vgl. Hans G. Kippenberg: »Dialektik der Entzauberung. Säkularisierung aus der Perspektive Webers Religionssystematik«, in: Thomas Schwinn/Gert Albert (Hg.), Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen, Tübingen 2016, S. 81ff. Diese Position erhärtet sich angesichts der durchaus zu beobachtenden neuen und teils fundamentalen Religionsbewegungen der Zeit. Martin Riesebrodt begreift Religion in Webers Religionssoziologie als Potenzial zur Bewältigung von nichtalltäglichen Herausforderungen und Krisen. Säkularisierung wird somit zu einer Funktion zunehmender Kontrolle, auch in Form von Berechenbarkeit solcher Risiken. Sie stelle damit einen typischen Veralltäglichungsprozesse dar, wie Weber sie in der modernen Bürgergesellschaft vielfach beobachtet. Diese sind aber nicht abschließend und linear, sondern lassen immer wieder neuen Raum zu, in dem Herrschaft, sozialer Auf- oder Abstieg und auch individuelle Lebensentwicklungen religiösen Erklärungen offenstehen. Gerade darin zeigt sich dann das Potenzial der Religion zur Bewältigung solcher Probleme. Vgl. Martin Riesebrodt: »Fundamentalismus, Säkularisierung und die Risiken der Moderne«, in: Thomas Schwinn/Gert Albert (Hg.), Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen, Tübingen 2016, S. 61ff.
139Vgl. L. A. Scaff (1989), S. 88f; L. A. Scaff, 1987, S. 737f.
140Über den Stellung des Idealtypus bei Weber etwa: W. J. Cahnman (1995), S. 49ff; Werner J. Cahnman: »Ideal Type Theory. Max Weber’s Concept and Some of Its Derivations«, in: The Sociological Quarterly 6 (1965), S. 268ff.
141M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 229.
142M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 449.
Eine werkgeschichtliche Einordnung Webers Herrschaftssoziologie bietet Edith Hanke: »Max Webers ›Herrschaftssoziologie‹. Eine werkgeschichtliche Studie«, in: Wolfgang J. Mommsen/Edith Hanke (Hg.), Max Webers ›Herrschaftssoziologie‹, Tübingen 2001, S. 303ff.
143M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 449.
144Beide Zitate aus ebd., S. 183. Dazu auch P. Lassman, The rule of man over man: politics, power and legitimation (2000), S. 90f.
145Peter G. Kielmansegg: »Legitimität als analytische Kategorie«, in: Wolfgang Seibel/Monika Medick-Krakau/Herfried Münkler et al. (Hg.), Demokratische Politik – Analyse und Theorie. Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland zum 50jährigen Jubiläum des Westdeutschen Verlages, Opladen, Wiesbaden 1997, S. 62ff, hier S. 63.
146 Vgl. M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 184. Zu Webers Legitimitätsbegriff etwa Weyma Lübbe: Legitimität kraft Legalität, Tübingen 1991; Susan J. Hekman: Weber, the Ideal Type, and the Contemporary Social Theory, Notre Dame 1983; Robert Grafstrein: »The Failure of Weber’s Concept of Legitimacy: Its Causes and Implications«, in: Journal of Politics 43 (1981), S. 456ff.
Andreas Anter stellt heraus, dass sich in Webers Werk keine Definition dieses zentralen Begriffes findet. Vgl. A. Anter (2014), S. 67.
Zur Legitimität im politischen Diskurs allgemein etwa Wilhelm Hennis: »Legitimität. Zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft«, in: Wilhelm Hennis (Hg.), Politikwissenschaft und politisches Denken. Politikwissenschaftliche Abhandlungen II, Tübingen 2000, S. 250ff.; Friedrich W. Stallberg: Herrschaft und Legitimität, Meisenheim am Glan 1975.
Zur Legitimität staatlicher Macht und deren Wandel in der Geschichte etwa David Beetham: The Legitimation of Power, Basingstoke 2013.
147Über die Stellung des Machtbegriffes Webers in den Sozialwissenschaften siehe Melvin Richter: The History of Political and Social Concepts, New York 1995, S. 58. Herrschaft ohne Legitimität wäre demnach für Weber nichts anderes als pure Machtanwendung oder Zwang.
148Weber ist sich über die Zentralität von Macht und Herrschaft bewusst. So konstatiert er, dass die »ganz überwiegende Mehrzahl aller Satzungen sowohl in Anstalten wie von Vereinen« auf die faktische Anwendung von Macht – »der Oktroyierung« – aufbaut und damit faktisch selbst schon Ausdruck von Herrschaft sind. Legitimität wird so zu etwas, dass einer bereits bestehenden Herrschaft als zusätzliche Säule dazugesellt ist. Max Weber: »Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie«, in: Johannes Weiß (Hg.), MWG I/12, Tübingen 2018, S. 389ff, hier S. 435. Dazu auch S. Breuer (2006), S. 72. So gesehen beabsichtigt Weber mit seiner Herrschaftssoziologie nicht das Entstehen von Herrschaft zu untersuchen, sondern bereits bestehende Herrschaftsverhältnisse zu typisieren. Legitimität ist nicht das Fundament von Herrschaft, sondern ein stabilisierender Faktor von Herrschaft. Dennoch wird hier Stefan Breuer und Weyma Lübbe in der Interpretation gefolgt, dass eine Herrschaftsordnung nur dann stabil ist, wenn an deren Legitimitätsgrund auch geglaubt wird. S. Breuer (2006), S. 73; W. Lübbe (1991), 129, 145.
149Vgl. Thomas Schwinn: »Ordnung«, in: Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Hg.), Max Weber Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart – Weimar 2014, S. 98ff, hier S. 98. Das heißt jedoch nicht, dass Weber sozusagen machiavellistisch darüber dachte, sondern hier drückt sich schlicht sein rein analytisches Interesse aus. So zeigt sich Webers analytischer Ordnungsaufbau von unten nach oben in seinen Soziologischen Grundbegriffen: subjektiv gemeinter Sinn – Handeln – Soziales Handeln – Soziale Beziehung – Ordnung (in unterschiedlicher Art und Form), wie Thomas Schwinn an gleicher Stelle notiert.
150Max Weber: »Die Typen der Herrschaft«, in: Knut Borchardt/Edith Hanke/Wolfgang Schluchter et al. (Hg.), MWG I/23, Tübingen 2013, S. 449ff, hier S. 453.
151Ebd., S. 459. Zur legalen Herrschaftsordnung bei Weber, insbesondere auch zum Verhältnis »wechselseitiger Bezogenheit« von positivem und überpositivem Recht etwa W. Schluchter (1989), S. 223ff.
Näheres zur rational-legalen Herrschaftsordnung der Bürokratie etwa bei Stefan Breuer: »Herrschaft« in der Soziologie Max Webers, Wiesbaden 2011, 202ff; Stefan Breuer: Max Webers Herrschaftssoziologie, Frankfurt a.M. 1991, 192ff.
152M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 186.
153Ebd., S. 190. Speziell zu dem von Weber in diesem Zusammenhang konstitutiv gedachten Zusammenspiel von Legalität und Legitimität siehe W. Lübbe (1991).
Andreas Anter führt die Diskussion über Webers vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtspositivismus. Vgl. A. Anter (2014), S. 71ff. Sven Eliaeson hält fest, dass, sollte Weber ein rechtspositivistisches Denken eigen gewesen sei, dies als »legal realism« erscheine. Sven Eliaeson: »Constitutional Caesarism. Weber’s politics in their German context«, in: Stephen Turner (Hg.), The Cambridge Companion to Weber, Cambridge 2000, S. 131ff, hier S. 137.
154Max Weber: »Herrschaft«, in: Edith Hanke (Hg.), MWG I/22-4, Tübingen 2005, S. 126ff, hier S. 139.
155M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 456ff. Dort findet sich auch Webers detaillierte Beschreibung der Eigenheiten der bürokratischen Verwaltung sowie eine Auflistung ihrer Grundprinzipien.
156Vgl. M. Weber, Soziologische Grundbegriffe (2013), S. 455ff.
157Max Weber: »Politik als Beruf«, in: Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Schluchter (Hg.), MWG I/17, Tübingen 1992, S. 138ff, hier S. 162f; M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 823.
158Vgl. M. Weber, Herrschaft (2005), S. 139.
159M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 165; M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 824.
160M. Weber, Politik als Beruf (1992), S. 163.
161M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 831.
162M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 466f.
163Vgl. ebd., S. 463ff.
164 M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 177ff.
165 Ebd., S. 182ff.
166 Vgl. ebd., S. 169ff.
167 Ebd., S. 182.
168 Ebd., S. 197. Weber beschreibt hier viele Konzentrationsprozesse: ebd., S. 197ff.
169M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 463.
170Ebd., S. 464. Dazu auch Michael Bader/Johannes Berger/Heiner Ganßmann/Jost v.d. Knesebeck: Einführung in die Gesellschaftstheorie, Frankfurt a.M./New York 1987, 478, 488.
171M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 834. Ähnlich dazu auch M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 209.
172M. Weber, Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Verbände (Staatssoziologie) (1985), S. 834; Max Weber: »Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens«, in: Wolfgang J. Mommsen/Gangolf Hübinger (Hg.), MWG I/15, Tübingen 1984, S. 432ff, hier S. 460.
173 M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 185.
174Max Weber: »Erhaltung des Charisma«, in: Edith Hanke (Hg.), MWG I/22-4, Tübingen 2005, S. 542ff, hier 542, 545. Dazu auch Hubert Treiber: »Moderner Staat und moderne Bürokratie bei Max Weber«, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2016, S. 121ff, hier S. 132.
175M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 464.
176Vgl. M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 186.
177Beide Zitate aus ebd., S. 187.
178M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1984), S. 453.
179M. Weber, Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens (2013), S. 286.
180M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 463.
181Vgl. ebd., S. 466.
182M. Weber, ›Klassen‹, ›Stände‹ und ›Parteien‹ (2001), S. 257.
183M. Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (2016), S. 115.
184Vgl. Stephan Paetz: »Bürokratie«, in: Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Hg.), Max Weber Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart – Weimar 2014, S. 38ff, hier S. 40.
Für Hubert Treiber stellt die Bürokratie insofern so etwas wie einen »Schlußpunkt« der Rationalisierung dar. H. Treiber, Moderner Staat und moderne Bürokratie bei Max Weber (2016), 126, 136ff. Anders, aber im Kern gleichbedeutend, drückt es Sheldon Wolin aus, der die Bürokratisierung und gesellschaftlich relevante Großorganisationen als unmittelbare Folge des modernen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Lebens sieht. Vgl. Sheldon S. Wolin: Politics and vision, Princeton, Oxford 2016, S. 379f.
185M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 465.
186In dem Versuch, das Verhältnis von modernem Kapitalismus und Bürokratie bei Weber nachzuvollziehen, sieht Jan Rehmann den modernen Bürokratismus als »historische Schöpfung« des modernen Kapitalismus. Damit überbetont er jedoch eine Seite des historischen Zusammenhangs, wie Weber diesen gedacht hat. Jan Rehmann: Max Weber: Modernisierung als passive Revolution, Hamburg 1998, S. 80.
Präziser fasst es Andreas Anter: Kapitalismus und Bürokratie stehen in Webers Denken in einer sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkung zueinander. Vgl. A. Anter (2014), S. 179.
Allgemein zum Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie im Werk von Weber Allan Scott: »Capitalism, Weber and Democracy«, in: Max Weber Studies 1 (2000), S. 33ff; Stefan Breuer/Hubert Treiber/Manfred Walther: »Enstehungsbedingungen des modernen Anstaltsstaates«, in: Stefan Breuer/Hubert Treiber (Hg.), Entstehung und Strukturwandel des Staates, Opladen 1982, S. 75ff, hier S. 134f.
187M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 465.
188Vgl. J. Rehmann (1998), S. 79. Die Bürokratisierung ist damit der »Ausgangspunkt« Webers politischer Soziologie, bemerkt Christoph Schönberger: »Max Webers Demokratie: Utopisches Gegenprinzip zur bürokratischen Herrschaft«, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2016, S. 159ff, hier S. 163.
189M. Weber, Bürokratismus (2005), S. 187.
190M. Weber, Die Typen der Herrschaft (2013), S. 465.
191Ebd., S. 486ff.
192R. Boesche, Weber: The Inevitability of Bureaucratic Domination (1996), S. 366.
193Max Weber: »Die Stadt«, in: Wilfried Nippel (Hg.), MWG I/22-5, Tübingen 1999, S. 59ff, hier S. 109.
194Vgl. ebd.
195Ebd., S. 84.
196Ebd., S. 109.
197Ebd., S. 110.
198Ebd., S. 109.
199Ebd., S. 124f. Daher erscheint die Studie zur Stadt in der Wirtschaft und Gesellschaft auch als ›Die illegitime Herrschaft.‹ Allgemein zur Nichtlegitimen Herrschaft Stefan Breuer: »Nichtlegitime Herrschaft«, in: Wilfried Nippel/Hinnerk Bruhns (Hg.), Max Weber und die Stadt im Kulturvergleich, Göttingen 2000, S. 63ff.
200M. Weber, Die Stadt (1999), S. 233. Dennoch weist Weber auf die Stadt als spezifisches Phänomen des Okzidents hin. Vgl. ebd., S. 84.
201Vgl. W. Schluchter (1989), S. 176.
202Max Weber: »Staat und Hierokratie«, in: Edith Hanke (Hg.), MWG I/22-4, Tübingen 2005, S. 579ff, hier S. 625.
203M. Weber, Die Entwicklungsbedingungen des Rechts (2010), S. 566f. Zu den rechtlichen Grundlagen Webers Staatsverständnis etwa vgl. Siegfried Hermes: »Staatsbildung durch Rechtsbildung. Überlegungen zu Max Webers soziologischer Verbandstheorie«, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2016, S. 81ff, hier S. 82ff.
204Max Weber: »Politische Gemeinschaft«, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), MWG I/22-1, Tübingen 2001, S. 204ff, hier S. 215. Auch darin drückt sich Webers Differenzierungstheorie aus. Vgl. T. Schwinn, Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie? (2010), S. 208f.