Identität und Gedächtnis in Lena Goreliks Wer wir sind und Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein
AbstractThis article analyses the challenge posed to established patterns of German and Jewish identity by two recent novels, Lena Gorelik’s Wer wir sind (2021) and Sasha Marianna Salzmann’s Im Menschen muss alles herrlich sein (2021). Both authors were born in the Soviet Union and emigrated to Germany with their families in the 1990s. Their Soviet origin with its associated political, cultural and social impact distinguishes Gorelik and Salzmann, as well as other writers such as Olga Grjasnowa and Dmitrij Kapitelman, from Jewish-German writers of the previous generation who are often the children of Holocaust survivors. Gorelik and Salzmann, on the other hand, have no personal connection to the Holocaust. In their novels, both writers interrogate a German »memory theatre« in which Jews are assigned the role of Holocaust victims. In following a number of family histories between Eastern and Western Europe, their novels depict a plurality of Jewish identifications in interaction with other identities and memories, especially traumatic memories of Stalin-era repression and genocide. Moving between Soviet history, a Jewish family heritage, and present-day life in Germany, the narratives of both novels are shaped by silence and denial, multilingualism and the affiliation with a diasporic community in which Jewish identities are often precarious and in constant interaction with a Soviet heritage.
TitleIdentity and memory in Lena Gorelik’s Wer wir sind and Sasha Marianna Salzmann’s Im Menschen muss alles herrlich sein
KeywordsJewish; identity; Lena Gorelik (*1981); Sasha Marianna Salzmann (*1985); Soviet Union
1. Erinnerungskultur im vereinigten Deutschland
In seinem 2020 erschienenen Essayband Gegenwartsbewältigung konstatiert Max Czollek die »enge Verwandtschaft, die bei allen politischen und kulturellen Auseinandersetzungen dieser Jahre in Deutschland zwischen aktuellen Herausforderungen und einem bestimmten Umgang mit der deutschen Vergangenheit besteht« (Czollek 2020: 16). Diesen Zusammenhang sieht Czollek in einer »neue[n] Form der offiziellen Gedenkkultur ab den achtziger Jahren«, die den »Startpunkt für die Neuerfindung eines positiven deutschen Selbstverständnisses« gebildet habe (ebd.). In einem allgemeinen Sinne verweist Czollek hier wie an anderen Stellen seiner Texte auf den Zusammenhang zwischen kollektiven Identitäten auf der einen Seite und deren Stabilisierung durch Gedächtnisdiskurse sowie erinnerungskulturelle Prägungen auf der anderen. Dass Identitäten durch den Bezug auf eine gemeinsame Vergangenheit stabilisiert werden, hat bereits Benedict Anderson in seiner epochalen Studie über Nationen als imaginierte Gemeinschaften konstatiert (vgl. Anderson 2006). Nationen, so Anderson, sind kulturelle, soziale und vor allem diskursive Konstrukte; die Idee der Nation verdankt sich wesentlich der Mediengeschichte, denn Vorstellungen über eine einheitliche und homogene nationale Gemeinschaft mit bestimmten Eigenschaften und einer gemeinsamen Vergangenheit wurden seit dem 19. Jahrhundert durch billige Druckerzeugnisse wie Zeitungen und Zeitschriften verbreitet. Ein Volk oder eine Nation ist folglich eine »durch reale oder imaginierte Abstammung vereinte Gruppe, und zwar unabhängig davon, ob ihre Mitglieder nun in einem gemeinsamen Staat leben oder nicht« (Appiah 2019: 111). Aus gedächtnistheoretischer Perspektive beschreibt Aleida Assmann die Funktion von Vergangenheitsbezügen für Identitätsgruppen: »Im Medium der Erinnerung setzt man sich in der Gegenwart für die Zukunft gemeinsame Ziele.« (Assmann 2013: 21)
In einem spezifischeren Sinne setzt sich Czollek in seinen Texten mit der großen, ja wachsenden Bedeutung auseinander, die eine um die NS-Zeit zentrierte deutsche Gedenkkultur für gegenwärtige Debatten in Deutschland hat, beispielsweise über die Coronapandemie, den Nahostkonflikt, Ost-West-Gegensätze sowie Migration und Integration (vgl. Czollek 2018; 2023). Czollek greift damit einen breiten Konsens der zeithistorischen und gedächtnistheoretischen Forschung auf, nach dem eine neue Form der nationalen Gedenkkultur seit den 1980er Jahren die »Grundlage für eine deutsche Identität [legte], die auf einer selbstkritischen Betrachtung der eigenen Geschichte basierte« (Zimmerer 2023: 17; vgl. Assmann 2006; 2007; Frei 2005). Ausgangspunkte dieser zweiten Welle der »Vergangenheitsbewältigung« nach der Nachkriegszeit waren die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 sowie der Historikerstreit von 1986/87 über die Singularität des Holocaust. Nach der Wiedervereinigung gewannen die Neubewertung der NS-Zeit und die darauf basierende Identität einer Nation, die reflektiert mit ihrer Vergangenheit umgeht, eine sichtbare Prägung in der architektonischen Gestaltung der neuen Mitte Berlins mit dem Mahnmal für die ermordeten Juden Europas sowie in performativen Bekenntnissen zum Existenzrecht Israels (vgl. Zimmerer 2023). Zahlreiche Politikerreden über einen Zivilisationsbruch durch die Shoah dienen dabei paradoxerweise der »Neuerfindung eines positiven deutschen Selbstverhältnisses« als einer normalen Nation unter anderen (Czollek 2020: 16; vgl. Moses 2021; zur Kritik an Moses: Mendel 2023). Dabei wurde die »deutsche Erinnerungskultur der vorangegangenen Jahrzehnte mit ihren jüdischen Museen, Gedenktagen, Kniefällen und Holocaustmahnmalen […] zur Grundlage einer Versöhnung mit der deutschen Geschichte erklärt« (Czollek 2023: 55).
Kritisch bewertet Czollek, der sich selbst als jüdisch identifiziert,1 in diesem Zusammenhang vor allem die Funktionalisierung des Judentums für die Identitätskonstruktion der guten, ihre Vergangenheit aufarbeitenden Deutschen. Mit einem Begriff des Soziologen Michal Bodemann spricht Czollek von einem »Gedächtnistheater«, in dem Jüdinnen und Juden feste Rollen spielen, die ihnen von der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft aufgrund einer bestimmten Vergangenheitsdeutung zugeschrieben werden (Czollek 2018: 8f.; vgl. Bodemann 1996). Die Funktion von Jüdinnen und Juden besteht im Gedächtnistheater darin, als »reine und gute Opfer« das Bild »von den guten, geläuterten, normalen Deutschen zu stabilisieren«, die die NS-Vergangenheit erfolgreich bewältigt haben (Czollek 2018: 26). Dabei werden Jüdinnen und Juden »zunehmend zu Figuren in einer öffentlichen Inszenierung der deutschen Vergangenheitsbewältigung« (Czollek 2023: 92). Zuspitzend schreibt Czollek, dass »die nichtjüdische Öffentlichkeit ihre Vorstellung über jüdische Lebenswirklichkeiten zu einem nicht unbedeutenden Teil aus jüdischen Museen, Unterrichtseinheiten über den Holocaust und NTV-Dokumentationen über Hitlers linken Hoden gewinnt«, wobei der Eindruck entstehe, »Juden seien im Wesentlichen Kippa tragende Holocaust-Überlebende, die beschützt werden müssen und sonst nicht viel zur Gegenwart beizutragen haben« (ebd.).
2. Jüdische Kontingentflüchtlinge und die Störung des Gedächtnistheaters
Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist eine Störung des Gedächtnistheaters und damit eine Störung fest etablierter Diskurse über das Verhältnis von Deutschen und Juden. Diese Störung geht von einer Reihe von Schriftsteller*innen aus, die in den 1990er Jahren als jüdische Kontingentflüchtlinge zumeist im Kindes- oder Jugendalter aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland einwanderten. Zu diesen jüdischen Stimmen zählen beispielsweise Wladimir Kaminer, Olga Grjasnowa, Lena Gorelik, Sasha Marianna Salzmann, Alina Brodsky und Dmitrij Kapitelman. Ihre sowjetische Herkunft und die damit einhergehenden politischen, kulturellen und sozialen Prägungen unterscheiden diese Autor*innen von den Shoah-Überlebenden und deren Nachkommen, die bislang im Fokus des Gedächtnistheaters standen. Im Gegensatz zu diesen lassen sich die Eltern und Großeltern der Kontingentflüchtlinge zumeist nicht in die Dichotomie von deutschen Shoah-Täter*innen und jüdischen Shoah-Opfern einordnen (vgl. Zimmermann 2002). Im Mittelpunkt ihrer Romane und Erzählungen steht nicht die Shoah, sondern eine um die historischen Brüche der Sowjetzeit sowie die Ankunft in einer migrantisch geprägten deutschen Gesellschaft zentrierte Geschichte. Romane wie Olga Grjasnowas Der Russe ist einer, der Birken liebt, Lena Goreliks Wer wir sind, Dmitrij Kapitelmans Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters und Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein oder Kunstaktionen wie die 2017 von Salzmann gemeinsam mit Max Czollek kuratierten Radikalen jüdischen Kulturtage am Berliner Maxim-Gorki-Theater weisen auf eine Dysfunktion in der deutschen Erinnerungskultur hin: Während das Gedächtnistheater für nicht-jüdische Deutsche identitätsstabilisierend wirkt (vgl. Czollek 2018: 24), kommen reale Jüdinnen und Juden, die gegenwärtig in Deutschland leben, in ihm nicht vor. Denn diese sind mehrheitlich nicht die Nachfahren von Überlebenden, sondern wanderten seit den frühen 1990er Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland ein. Die Zusammensetzung jüdischer Gemeinden in Deutschland veränderte sich durch den Zuzug der Kontingentflüchtlinge dramatisch. Deutschland ist heute das einzige europäische Land, dessen jüdische Bevölkerung seit 1989 gewachsen ist: Von 30.000 Jüdinnen und Juden, die vor 1989 Mitglied in jüdischen Gemeinden vornehmlich Westdeutschlands waren, zu 100.000 Gemeindegliedern im Jahr 2018 sowie etwa 100.000 weiteren Bürger*innen jüdischer Herkunft, die nicht Mitglied jüdischer Gemeinden sind (vgl. Skolnik 2018). Die überwiegende Mehrheit der heute in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden stammt folglich aus der ehemaligen Sowjetunion. Viele von ihnen haben keinen Bezug zur Shoah in ihrer Familiengeschichte.
Auch der Bezug der Kontingentflüchtlinge zum Judentum unterscheidet sich von den Nachkommen der Shoah-Überlebenden. Das Judentum galt in der Sowjetunion als nationale Identität und wurde im Ausweis vermerkt, folgte aber der Nationalität des Vaters, nicht der Mutter. Da die Zugehörigkeit zum Judentum der halachischen Definition zufolge matrilinear vererbt wird, besaßen viele Menschen einen Eintrag jüdischer Nationalität, die in religiöser Hinsicht nicht als Jüdinnen und Juden gelten. Die meisten der nach Deutschland emigrierenden Kontingentflüchtlinge wanderten erst nach zwei großen Auswanderungswellen nach Israel und in die USA aus und gaben als Grund für die Auswanderung zumeist nicht religiöse Gründe, sondern den wachsenden Antisemitismus in der ehemaligen Sowjetunion an (vgl. Remennick 2012; Skolnik 2018). Dennoch traten fast alle in Deutschland zunächst den jüdischen Gemeinden bei und bilden heute in den meisten Gemeinden die große Mehrheit der Gemeindeglieder (vgl. Skolnik 2018). Ihre Kinder dagegen – also die Generation, aus der die genannten Autor*innen stammen – sind häufig nicht mehr Mitglied einer jüdischen Gemeinde, sondern haben sich eigene Diskursräume geschaffen. Die zweite Generation der Kontingentflüchtlinge ist meist bilingual und in einem pluralen, multiethnischen deutschen Umfeld aufgewachsen, was zu neuen Identitätskonstruktionen des Jüdischen führt (vgl. Czollek 2019).
Die seit den 1980er Jahren eingespielte Interaktion zwischen deutscher Mehrheitsgesellschaft und jüdischer Minderheit steht somit im Gegensatz zu einer realen innerjüdischen Pluralität, zu der religiöse wie nicht-religiöse, halachisch definierte und sich selbst als jüdisch identifizierende Menschen gehören, von denen die überwiegende Mehrheit einen Migrationshintergrund hat. Sie bilden keine einheitliche Gemeinschaft, sondern stammen aus verschiedenen ehemals sowjetischen Staaten und haben unterschiedliche (nicht nur religiöse) Bezüge zum Judentum. Hinzu kommen nach Deutschland, insbesondere Berlin, einwandernde Jüdinnen und Juden aus anderen Ländern, beispielsweise israelische Expats. Durch die Pluralisierung jüdischen Lebens, jüdischer Herkünfte und jüdischer Identitäten gerät nicht nur die Gedächtniskultur der deutschen Mehrheitsgesellschaft ins Wanken.
Auch etablierte literarische Darstellungsmuster des Jüdischen werden durch die Texte von Kaminer, Grjasnowa, Gorelik, Salzmann, Brodsky und Kapitelman in Frage gestellt (vgl. Loentz 2018; Ortner 2018; Sepp 2024; Skolnik 2018). Mit deutsch-jüdischen Autor*innen der zweiten Generation nach der Shoah wie Esther Dischereit, Barbara Honigmann, Rafael Seligmann oder Gila Lustiger teilen die als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland migrierten Autor*innen weder die Herkunft noch die Sprache (vgl. Michaelis-König 2018). Ihre Familiensprache ist zumeist Russisch, sie schreiben und publizieren aber auf Deutsch. Ihre Identität und die ihrer Figuren bewegt sich zwischen der Herkunft aus der Sowjetunion, einem jüdischen Familienerbe und dem aktuellen Leben in Deutschland. Ihre Romane schreiben sich in eine diasporische Erinnerungskultur ein, die geprägt ist vom Verschweigen und der Verdrängung historischer Traumata der Sowjetunion, von Mehrsprachigkeit als Faktor der Familiengeschichte, von Orts- und Sprachwechseln. Anders als in den Werken der zweiten Generation spielt die Shoah als historischer und identitärer Bezugspunkt dabei kaum eine Rolle. Zentrale historische Eckpfeiler sind stattdessen die politischen, ökonomischen und sozialen Umbrüche der späten Sowjetunion und der Transformationszeit der 1990er Jahre. Hinzu kommen Traumata aus der Sowjetzeit wie die staatlich geplante Hungerkatastrophe des Holodomor in der Ukraine der 1930er Jahre, der Terror der Stalin-Ära, die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg und die Belagerung Leningrads. An zwei Beispielen, Lena Goreliks Wer wir sind und Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein, werde ich im Folgenden erläutern, wie die literarische Inszenierung dieser Themen das sedimentierte »Gedächtnistheater« des hegemonialen Erinnerungsdiskurses aufbricht und durch eine multiperspektivische Inszenierung der Vielheit und Komplexität jüdischer Identitäten im gegenwärtigen Deutschland ersetzt.
3. Emigration und Mehrsprachigkeit in Lena Goreliks Wer wir sind
Zentrales Thema in Lena Goreliks autofiktionalem Roman Wer wir sind ist die Emigration nach Deutschland, zu der die Familie Gorelik sich aufgrund ihrer Diskriminierungserfahrungen in der Sowjetunion entschließt. Der Urgroßvater der Protagonistin und Erzählerin Lena lebte noch in einem weißrussischen Stetl; in Lenas Kindheit ist die Familie jedoch religiös nicht mehr aktiv, und das Judentum spielt vor allem wegen des »fünften Punkts« im Pass eine Rolle – also wegen des Nationalitäteneintrags, der beispielsweise dazu führt, dass Lenas Mutter ihren Wunsch, Sprachen zu studieren und Dolmetscherin zu werden, nicht verwirklichen konnte (Gorelik 2021: 202). Lena selbst erfährt erst relativ spät und nebenbei vom Judentum ihrer Familie. Sie erhält dabei weder von ihren Eltern noch von ihrer Großmutter eine Erklärung dafür, was es überhaupt bedeutet, jüdisch zu sein. Das Wissen über die jüdische Identität ist in Wer wir sind deshalb von Anfang an ein unsicheres Wissen, und Lenas Identifikation mit jüdischer Religion und Kultur bleibt durchweg ambivalent. Erst in Deutschland tritt die Familie einer Synagogengemeinde bei. Die Shoah erhält in Lenas Familie keine zentrale Bedeutung; Lena hört erstmals im Religionsunterricht der jüdischen Gemeinde in Deutschland davon. Als sie ihrer Mutter und ihrer Großmutter davon erzählt, interessiert das diese nicht (vgl. ebd.: 198). Die Traumata der Familie sind andere: Lenas Vater ist ein Blockadekind, überlebte also die Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg; hinzu kommen Diskriminierungserfahrungen als Jüdinnen und Juden in der Sowjetunion sowie als Geflüchtete in Deutschland. Insbesondere ist es aber die Emigration selbst, die in Wer wir sind Brüche auf der Ebene der Nationalität, der Sprache, der Religion, der Mentalität sowie von Traditionen und Werten verursacht.
Wie ihre Protagonistin wurde die Autorin Lena Gorelik in Leningrad geboren und emigrierte 1992 im Alter von elf Jahren mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihrem Bruder als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Wer wir sind trägt zwar im Untertitel die Gattungsbezeichnung »Roman«, lebt aber von deutlich erkennbaren Parallelen zu verbürgten Lebensdaten und Familienumständen der Autorin. Auch die Namensgleichheit der Figuren mit der Autorin und ihrer Familie weist Wer wir sind als einen autofiktionalen Roman aus. Innerhalb des Textes wird dieser Bezug reflektiert durch die wiederholt ausgedrückte Sorge der Erzählerin Lena, ihre Familie durch die Veröffentlichung zu verletzen: »Das ist meine Geschichte. Ich schreibe sie auf, in der Sprache, die mir am besten gehorcht. Ich schreibe Worte auf, verletze Menschen, weiß Liebe, spüre Respekt, streiche weg, gehe zurück, bleibe stehen. Murmle Entschuldigung, zwischen die Zeilen hinein.« (Ebd.: 31) Die Erzählstruktur des Romans ist im Detail nicht strikt chronologisch-linear, sondern folgt eher einem Netzwerk familiärer Beziehungen und reiht Beobachtungen und Erinnerungen zu verschiedenen Angehörigen locker aneinander. Dabei muss vieles aus einzelnen Bemerkungen nach und nach erschlossen werden. Der Erzählzeitpunkt liegt überwiegend in der Gegenwart, von der aus sich die erwachsene Erzählerin an ihre Kindheit in Leningrad, die Auswanderung und das Ankommen in Deutschland erinnert. Die grobe Abfolge der Kapitel orientiert sich jedoch an Lenas Lebensweg von der Sowjetunion nach Deutschland.
Wichtige Themen des Romans sind auch aus anderen Texten postmigrantischer Autor*innen bekannt: ein nostalgischer Blick auf die Kindheit im Herkunftsland; das Fremdbleiben im Ankunftsland; sprachliche Probleme und Mehrsprachigkeit; der soziale Abstieg der Eltern, deren Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden; die schnellere Eingewöhnung der Kinder in den neuen Alltag, die zu einer Umkehrung familiärer Hierarchien und Machtverhältnisse führt. Augenfällig werden Fremdheit und Mehrsprachigkeit bereits vor Beginn der eigentlichen Romanerzählung durch die nicht übersetzte russische Widmung an die Eltern sowie das zweisprachig wiedergegebene Motto des regimekritischen sowjetischen Dichters Bulat Okudzhava eingeführt (vgl. ebd.: 5, 7). Auch im weiteren Verlauf des Romans werden russische Wörter und Wendungen in kyrillischer Schrift wiedergegeben und die sowjetische Herkunft der Familie so ständig präsent gehalten. Beispielsweise bezeichnet Lena ihre Großmutter konsequent als бабушка. Mehrsprachigkeit wird damit auch optisch sichtbar. Das erste Kapitel trägt als Titel einen einzigen kyrillischen Buchstaben, Я (gesprochen »ja«), russisch: ich. Я ist der letzte Buchstabe im kyrillischen Alphabet, in Wer wir sind heißt aber das erste Kapitel so. Darin liegt eine eindeutige Botschaft, die sich auf das eigene autobiografische Schreiben und die eigene Identität bezieht: »Ich ist der letzte Buchstabe im Alphabet« lautet ein russisches Sprichwort, mit dem vor allem Eltern gegenüber ihren Kindern die Unwichtigkeit der eigenen Individualität und des eigenen Willens ausdrücken (ebd.: 9). Die Erzählerin Lena stellt sich in Wer wir sind dieser Negation von Individualität entgegen und behauptet sich und ihr Schreiben gegen das Wir des Titels – aber eben doch unter den Umständen ihrer Herkunft, geprägt von der sowjetischen Kollektivmentalität: »Wir, gemeinsam. Ich renne vor diesem Gefühl davon, schreie ein Ich in den Wind hinter mir.« (Ebd.: 21) In der Verwendung des Russischen verbinden sich in Wer wir sind Sprache, Mentalität und politisches System miteinander. Das zeigt sich in Propagandaparolen wie »Nach vorne zum Sieg des Kommunismus«, denen Lena in ihrer Kindheit alltäglich ausgesetzt ist, aber auch in sprachlichen Ausdrücken, die unfreiwillig Auskunft über die sozialistisch geprägte Mentalität der Elterngeneration geben, zum Beispiel »Welche Aufgaben warten auf dich« für »Was willst du«/»Was hast du vor« (ebd.: 40). Lena reflektiert: »Es ist nie eine Frage nach mir. Persönliche Fragen, die Frage nach Träumen, sind ein Privileg, das steht uns nicht zu. Für so etwas sind wir nicht die richtigen Leute.« (Ebd.: 22) Lena, die mit ihren Kindern »keine gemeinsame Muttersprache« hat (ebd.: 10), empfindet sich als zwischen den Sprachen stehend. Sie reflektiert immer wieder über die Bedeutung von Sprachen für ihre Identität, für ihren Bezug zu anderen und für ihr Schreiben. Während sie dem Russischen die Funktion der emotionalen Beheimatung, von Liebe und Trost zuschreibt, ist das Deutsche die Sprache des eigenen Schreibens und der Literatur, die Sprache ihrer Kinder und die Sprache, in der selbstbewusst eine individuelle Identität behauptet werden kann: »Wenn sie [ihre Kinder; S.H.] weinen oder wenn sie schlafen, flüstere ich ihnen auf Russisch zu, streichelnde Worte. Es gibt mehr Platz für Zärtlichkeit in der russischen Sprache. Auf Deutsch bringe ich ihnen bei, die Stimme auch für sich selbst zu erheben.« (Ebd.: 10) Lenas Beziehung zum Deutschen bleibt jedoch ambivalent, denn »in der Übersetzung geht mir die Hälfte verloren, vor allem die Hälfte Gefühl« (ebd.: 135). Zudem schwingt im Deutschen die Dimension der Tätersprache mit: Bei den Kriegsspielen in Lenas Kindheit in Leningrad wurde Deutsch »[d]ie Sprache derer, die kamen, um uns zu vernichten« genannt (ebd.: 86).
4. Jüdische und sowjetische Herkunft in Wer wir sind
Herkunft ist in Wer wir sind ein durchgängig schambesetztes Thema. In der Sowjetunion schämten sich Lenas Eltern dafür, jüdisch zu sein, und in Deutschland dafür, aus der Sowjetunion zu stammen. Lena wiederum schämt sich für den aus der Sowjetunion importierten Alltagsrassismus der Eltern. Als ihre Mutter als Reinigungskraft arbeitet, weil sie auch nach einer Umschulung und trotz ihres sowjetischen Hochschulabschlusses keinen qualifizierten Arbeitsplatz findet, gesellt sich Sozialscham hinzu. Eingeführt wird das Thema Herkunftsscham, als Lena in Leningrad von ihrem Vater erfährt, dass die Familie jüdisch ist. Diese wichtige Information wird flüsternd vermittelt, Lena wird gewarnt, niemandem davon zu erzählen (vgl. ebd.: 196). Später erfährt sie von den zahlreichen, auch in der Familie selbst internalisierten Vorurteilen gegen Jüdinnen und Juden und vom institutionellen Antisemitismus der Sowjetunion. Ihre Mutter berichtet, wie sie als Mädchen ausgelacht wurde, »weil das Mädchen ein jüdisches war und das ›r‹ nicht richtig aussprechen konnte, was, so sagte man mit absoluter Überzeugung in der Sowjetunion, den Juden selten gelang« (ebd.: 137). Als schamvoll erinnert Lenas Mutter auch die Verwendung der jiddischen Sprache in der Großelterngeneration: »Von ihrer Großmutter erzählte sie auch, die Jiddisch sprach, Fruma Fejga. Sie hieß wirklich so, fromme Fejga. Meine Mutter, die Enkeltochter, nannte sie ›mei Vejgele‹, mein Vöglein. Meine Mutter schämte sich für ihre Großmutter, des Jiddischen wegen, wegen Koseworten wie diesem.« (Ebd.: 138)
Das Judentum der Familie Gorelik kommt in Wer wir sind anfänglich eher punktuell zur Sprache. So erwähnt Lena im zweiten Romankapitel mit dem Titel »Die schönen Dinge« neben anderen Erinnerungsträgern einen alten »Messingbecher für Shabbes-Wein, Marke Erbstück, dein Urgroßvater im Schtetl, sagte meine Mutter, als sie ihn mir übergab« (ebd.: 21). Erst spät im Buch widmen sich die Kapitel »Jewrejka« (ebd.: 194-200) und »Onkel, Tanten, alle« (ebd.: 287-296) ausführlicher der jüdischen Identität der Erzählerin und der Herkunft ihrer Familie. »Jewrejka« erzählt von der frommen schwäbischen Landwirtin Anita, die die Kinder aus dem Asylantenheim auf ihren Hof einlädt und zum Christentum zu bekehren versucht (vgl. ebd.: 194). Als Reaktion auf diesen Missionsversuch besucht Lenas Familie in Stuttgart erstmals einen Synagogalgottesdienst, denn die Eltern möchten, dass Lena »an den jüdischen Gott [glaubt], über den sie mir nicht viel erzählen können« (ebd.: 194f.). Neben dem mangelnden Wissen über die jüdische Religion stößt die Familie einmal mehr auf eine sprachliche Barriere: Keins der Familienmitglieder kann Hebräisch (vgl. ebd.: 197). Der Kapiteltitel »Jewrejka«, russisch für »Jüdin«, verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass es bei der Frage nach Lenas jüdischer Identität nicht um ein Judentum im Allgemeinen geht, sondern um die spezifische Identität der aus der ehemaligen Sowjetunion emigrierten, russisch-sprachigen Jüdinnen und Juden in Deutschland.
Da die jüdischen Kontingentflüchtlinge wenig über das Judentum wissen, die deutsche Mehrheitsgesellschaft wiederum falsche oder unpassende Erwartungen an die jüdische Identität und Herkunft der Flüchtlinge hat, entstehen immer wieder kulturelle Missverständnisse. Während Lena Religionsunterricht in der jüdischen Gemeinde erhält, lernt ihre Großmutter Deutsch im Keller einer Kirchengemeinde. Eine absurde Situation, wie die Erzählerin reflektiert: »Im Keller und im Frieden erwerben die neuen Jüdinnen und Juden, die Deutschland eingeladen hat, damit sie das jüdische Leben wieder erblühen lassen, die Deutsche werden könnten und nicht wissen, was das bedeutet, die Sprache.« (Ebd.: 143) Die neuen Jüdinnen und Juden kommen aus »Russland, der Ukraine, Moldawien, Weißrussland, wir waren dort Juden gewesen, aber versuchten, so zu leben, als wäre das nicht der Fall« (ebd.: 147). Von der deutschen Mehrheitsgesellschaft wird diese spezielle Prägung jedoch nicht bemerkt. Stattdessen wird Lena in der Schule dann als Jüdin angesprochen, wenn es um den Nahostkonflikt geht, zu dem sie keine Verbindung hat, oder wenn jüdische Feste und Riten erklärt werden sollen, über die sie nichts weiß. So soll sie im Auftrag des katholischen Religionslehrers »das Passah-Fest […] erklären, das er nicht Pessach nennt« (ebd.: 227). Daraufhin muss Lena Passah bzw. Pessach in einem Buch nachschlagen, »mit dem eine freundliche evangelische Pfarrerin versucht hat, meinem Vater ehrenamtlich Deutsch beizubringen« (ebd.).
Damit dokumentiert Wer wir sind den Mechanismus des Gedächtnistheaters, in dem die Rolle von Jüdinnen und Juden darin besteht, der deutschen Mehrheitsgesellschaft deren Offenheit und Toleranz zu bestätigen (vgl. Czollek 2018). Das dafür vorgesehene Rollenskript wurde jedoch aus einer Außenperspektive verfasst, die den Bedürfnissen der Mehrheitsgesellschaft folgt. Dem deutschen Gedächtnistheater, in dem die ex-sowjetischen Kontingentflüchtlinge als Quelle eines neuen jüdischen Lebens vorgesehen sind, das die Verbrechen der Shoah wiedergutmachen soll, stellt Lena Gorelik in Wer wir sind eine Erzählung über die transnationalen und diasporischen Identitäten ihrer Familie entgegen. In einem Zoom-Call zum Geburtstag der schwer erkrankten Tochter ihres Cousins sieht Lena »im Bildschirm meine Eltern, meinen Bruder mit seinem Sohn, […] meine Tante in Petersburg, in Leningrad, […] die Verwandten in London und andere aus der großen Patchwork-Familie, manche kenne ich, andere nicht, sehe all diese Menschen aus Leningrad, auch mich« (ebd.: 173). Sie sind geprägt von Mangelwirtschaft und Kollektivismus in der Sowjetunion, von der Blockade Leningrads im Zweiten Weltkrieg, von alltäglichem Antisemitismus und vom Abreißen sozialer Beziehungen, von Verhaltensweisen, Wertesystemen und Lebensgeschichten durch die Emigration nach Deutschland.
5. Narrative Komplexität in Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein
Im Gegensatz zur autobiografischen Grundierung bei Gorelik ist Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein ein durchweg fiktionaler Roman mit einer komplexen Narrativierung, zwei Handlungssträngen, zwei Erzählerstimmen, mehreren ineinandergreifenden Zeitebenen und einer umfangreichen Figurenkonstellation. Selbstbewusst stellt der Roman die eigene Fiktionalität zur Schau durch das Motto: »Jede erfundene Geschichte handelt von einer wahren Begebenheit. Und um glaubwürdig zu sein, muss ich falschliegen.« (Salzmann 2021: 7) Damit wird ein anderer theoretischer Ausgangspunkt des Erzählens markiert als bei Gorelik: Plausibilität und Persuasivität des Erzählten werden nicht durch ostentative Nähe zur Biografie der Autorin, sondern durch dessen Romanhaftigkeit verbürgt. Formal wird diese Einsicht durch ein mehrstimmiges Geflecht von Handlungssträngen und Erzählebenen vermittelt. Der Prolog mit dem Titel »Steinehüpfen« (ebd.: 9-14), das zwischen dem ersten und zweiten Teil des Romans stehende, zentrale Kapitel »Ciguapa« (ebd.: 203-215) sowie das letzte Kapitel »Nina« (ebd.: 371-381) haben eine homodiegetische Erzählerin. Deren Namen, Nina, erfahren die Leser*innen allerdings erst spät im Roman, und ihre Beziehung zu den übrigen Figuren muss nach und nach erschlossen werden. Der Prolog beginnt in medias res und führt vier weibliche Hauptfiguren ein, die in zwei Mutter-Tochter-Paaren angeordnet sind. Neben der Erzählerin sind dies die etwa gleichaltrige Edi, deren Mutter Lena sowie Ninas Mutter Tatjana. Kontext der Begegnung ist eine Feier in der jüdischen Gemeinde in Jena. Neben der Erwartung, mehr über die konfliktreiche Beziehung der vier Frauen zueinander zu erfahren, erzeugt der Prolog Spannung in Bezug auf das Thema Judentum. Diese Spannung wird jedoch nur teilweise und in unerwarteter Form eingelöst. Deutlicher noch als in Wer wir sind steht dabei die Störung etablierter Bezugsweisen zwischen deutscher Mehrheitsgesellschaft und jüdischer Minderheit sowie literarischer Darstellungsmuster des Jüdischen nach der Shoah im Mittelpunkt der Romanerzählung.
Nach dem Prolog wird die Geschichte der beiden Mutter-Tochter-Paare in zwei aufeinanderfolgenden Erzählsträngen von den 1970er Jahren an aufgerollt, die von einer neutralen Erzählinstanz mit interner Fokalisierung vermittelt werden. Der erste Teil des Romans wird durch Lena fokalisiert. Sie wächst in Gorlowka (heute Horliwka, Ukraine), einer Kleinstadt bei Donezk, auf. Ihre Sommer verbringt sie bei ihrer Großmutter in Sotschi am Schwarzen Meer sowie später im Pionierlager »Kleiner Adler«. Dort schließt sie Freundschaft mit der unkonventionellen und systemkritischen Aljona, die später ihr Pionierhalstuch verbrennt und zur Strafe in die Psychiatrie eingewiesen wird. Nach dem Tod ihrer Mutter aufgrund medizinischer Fehlbehandlungen entscheidet Lena sich für ein Medizinstudium. Den begehrten Studienplatz erhält sie allerdings nur durch Bestechung; insgesamt spielt die Korruption in der Sowjetunion eine große Rolle im Roman. Als Ärztin spezialisiert sich Lena auf Haut- und Geschlechtskrankheiten und behandelt während der Transformationszeit der frühen 1990er Jahre, als sich das politische System, die Wirtschaft und Gesellschaft in der ehemaligen Sowjetunion rapide und tiefgreifend wandelten (vgl. Ther 2014), vor allem Privatpatient*innen. Das sind in erster Linie die Frauen und Geliebten der neuen Oligarchen, die durch die häufig wechselnden Sexualkontakte ihrer Männer immer wieder mit Geschlechtskrankheiten infiziert werden. Lena selbst hat in dieser Zeit zwei Partner: den Tschetschenen Edil, der die Ehe mit Lena verweigert, weil sie keine Tschetschenin ist, und den Juden Daniel. Als Lena von Edil schwanger wird, bricht dieser den Kontakt ab, und Lena heiratet Daniel. Da das Erzählverfahren nur begrenzt Einsicht in die Gedanken und Gefühle Lenas bietet, bleiben die Gründe für diese Entscheidung letztlich offen. Der erste Romanteil endet im Jahr 2015: Lena und Daniel leben mit ihrer Tochter Edita, genannt Edi (die eigentlich Edils Tochter ist), in Deutschland. Angesichts des Kriegs im Donbass bemühen sie sich darum, Lenas Vater die Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Der zweite Teil des Romans spielt in der Erzählgegenwart und wird durch Lenas Tochter Edi fokalisiert. In der Basiserzählung fährt Edi mit Tatjana, einer Bekannten ihrer Mutter, nach Jena zu der Feier in der jüdischen Gemeinde, die im Prolog des Romans erwähnt wurde. Eingebettet in diese Basiserzählung ist eine umfangreiche Analepse, in der Tatjana Edi ihre Lebensgeschichte erzählt. Tatjana stammt wie Lena aus der ukrainischen Sowjetrepublik. In den 1990er Jahren lernte sie in Kriwoi Rog (ukrainisch: Krywyj Rih) den deutschen Geschäftsmann Michael kennen. Als Tatjana von ihm schwanger wird, holt Michael sie nach Deutschland. Dort erfährt Tatjana, dass Michael bereits verheiratet ist und einen Sohn hat. Nach Tatjanas Entbindung meldet sich Michael nicht mehr bei ihr. Der Rest dieses Romanteils widmet sich dem Treffen der Figuren in Jena in der Gegenwart, der Feier in der jüdischen Gemeinde sowie einer Reihe von Konflikten, die alle mit der sowjetischen Herkunft der Figuren und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu tun haben. Edi, eine angehende Journalistin, streitet sich mit ihrer Mutter Lena, weil sie beauftragt wurde, im Donbass eine Reportage über den Krieg zu schreiben, was Lena zu verhindern versucht (vgl. Salzmann 2021: 346f.). Lenas Vater, Roman Iljitsch, schimpft auf die Ukraine und verehrt Putin (vgl. ebd.: 340). Schließlich fängt Lena an, Edi »meine Tschetschenin« zu nennen und enthüllt damit, dass Edi nicht Daniels, sondern Edils Tochter ist (vgl. ebd.: 368).
6. Jüdische und sowjetische Identität in Im Menschen muss alles herrlich sein
Bezogen auf die Darstellung des Jüdischen fallen bei Salzmann einige Parallelen, aber auch zahlreiche Unterschiede zu Wer wir sind ins Auge. Der auffälligste Unterschied: Es gibt in Im Menschen muss alles herrlich sein, trotz der durch das jüdische Gemeindehaus als Ort der Gegenwartshandlung geweckten Erwartungen, kaum jüdische Figuren. Lena, deren Geschichte im Roman den insgesamt größten Raum einnimmt, scheint nicht jüdisch zu sein; ihre Großmutter ist praktizierende Christin (vgl. ebd.: 27), über die Eltern wird nichts mitgeteilt. Im Gespräch mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter äußert Lena, in ihrer Familie sei »[n]iemand ... so richtig« jüdisch (ebd.: 165). Das kann als beschönigende Aussage darüber verstanden werden, dass es keine jüdischen Familienmitglieder gibt, oder auch als verdeckte Andeutung, dass die Familie vielleicht doch jüdische Vorfahren hat, über die nicht gesprochen werden kann. Ansonsten kommt das Judentum im ersten Romanteil vor allem in Gestalt von antisemitischen Gerüchten und Verschwörungstheorien zur Sprache. So wird in Lenas Bekanntenkreis behauptet, »dass man ohne Beziehungen an der Dnepropetrowsker Universität nicht aufgenommen wurde, zumindest redeten im ersten Semester alle darüber, sie diskutierten dieses Thema in Verbindung mit der Judenfrage« (ebd.: 94). Lena, der das »Gerede über Juden« neu ist, lauscht den Gesprächen ihrer Kommilitonen darüber, »wer unter ihnen wohl Verbindungen nach Israel habe, wer zu welchem Anteil Schuld am Zionismus habe und ob und in welchem Sinn der Kosmopolitismus imperialistisch-verwerflich sei« (ebd.: 95). Nebenbei und ohne weitere Erklärungen werden hier Schlüsselbegriffe und Formulierungen des sowjetischen Antisemitismus anzitiert. Später, in den 1990er Jahren, kreisen die Gespräche um die Emigration: »Die Juden verließen das Land, hieß es nun überall« (ebd.: 144).
In Tatjanas Familie gibt es keinen Bezug zum Judentum. Explizit jüdisch im Sinne einer selbst behaupteten Identität ist also nur Daniel, allerdings ist er nicht religiös praktizierend. Dennoch hat die Familie in Deutschland Kontakt zur jüdischen Gemeinde – aber nicht im Zusammenhang der Religionsausübung, sondern weil die Gemeinde ein Treffpunkt ex-sowjetischer Emigrant*innen ist. Das wird in dem von Nina erzählten Kapitel »Ciguapa« deutlich, das die Scharnierstelle zwischen erstem und zweitem Romanteil bildet. Hier äußert Nina sich sehr abfällig über die Gemeindemitglieder, an denen das »einzig Jüdische« darin bestehe, »dass sie sich einmal im Jahr eine Ladung Mazzen liefern lassen. Da legen sie dann geräucherten Rückenspeck drauf, bei ihren zahlreichen Festen. Dazu gibt es russische Popmusik« (ebd.: 206). Die jüdische Gemeinde dient also als sozialer Treffpunkt einer russisch geprägten Feierkultur, in deren Rahmen jüdische Identität einerseits über den Verzehr von Mazze performt wird, während gleichzeitig die Kaschrut-Vorschriften ostentativ verletzt werden. Entscheidender als das Judentum sind für die Identität der Gemeindemitglieder ohnehin ihre Herkunft aus der zerfallenen Sowjetunion sowie das Fremdsein in Deutschland. Da die generationelle Lagerung eine andere ist als in Wer wir sind und der Fokus sehr viel stärker auf der um 1970 geborenen Generation von Lena und Tatjana liegt, sind die Figuren in Im Menschen muss alles herrlich sein wesentlich stärker von der Sowjetunion geprägt als in Wer wir sind. Edi spricht später in Bezug auf die Generation ihrer Eltern von den »Dauerwehen der Nie-richtig-Angekommenen«, von »diktaturgeschädigten Jammerlappen« und »Perestroika-Zombies« (ebd.: 253). Ein Bezug auf das Judentum ist in Im Menschen muss alles herrlich sein zwar vorhanden, aber er ist wesentlich prekärer als in Wer wir sind. In Edis Generation wiederum spielt das Jüdische vor allem in Gestalt politischer Auseinandersetzungen über den Nahostkonflikt eine Rolle (vgl. ebd.: 230).
Die Shoah wird in Im Menschen muss alles herrlich sein nicht erwähnt. Prägend für die Figuren sind dagegen die historischen Traumata der sowjetischen Geschichte, vor allem der Holodomor, die durch Stalin im Zuge der Zwangskollektivierung sanktionierte Hungerkatastrophe, der in den 1930er Jahren etwa drei bis sieben Millionen Menschen in der Ukraine zum Opfer fielen (vgl. Applebaum 2019). Weitere Themen sind die Tschernobyl-Katastrophe, Gewalt gegen Frauen und Kinder, Gewalt in der Transformationszeit sowie die Nationalitätenkonflikte in der zerbrechenden Sowjetunion. Bereits in ihrer Kindheit wird Lena im Ferienlager »Kleiner Adler« die Propaganda gegen das »Kulakentum« eingetrichtert, mit der der Holodomor gerechtfertigt wurde (Salzmann 2021: 43). In den 1990er Jahren erzählt eine Patientin Lena davon, wie »die Russen beschlossen haben, uns Ukrainer auszuhungern […]. Alles ging nach Moskau. Alles Leben verschwand, alle Felder waren leer« (ebd.: 179). Die alte Frau berichtet zudem vom stalinistischen Lagersystem: »Die haben sie mit Zügen abtransportiert, dieses Lied hat sie aus dem Waggon. Sie musste da Gräber im Wald ausheben, die Russen warfen die Halbtoten in die Gruben hinein.« (Ebd.: 180) In der Erzählgegenwart beginnt auch Lenas Vater Roman Iljitsch unvermittelt vom Holodomor zu erzählen und illustriert so das Aufbrechen offizieller Geschichtsbilder nach dem Ende der Sowjetunion: »Weißt du, wie die Stadt damals hieß, in der ich geboren wurde? Stalino. Nach dem, der uns verhungern lassen wollte. Unsere Leute haben sich gegenseitig gefressen.« (Ebd.: 201) Und Tatjanas Großmutter erzählt
immer öfter aus ihrer Kindheit, die Erinnerungen kamen in Schüben und drehten sich um eine diffuse, aber immer gleiche Achse. Sie sprach von brachliegenden Feldern und leeren Wiesen, davon, dass die Bauern ihre Obstbäume gefällt hatten, weil sie die Steuern, die darauf zu entrichten waren, nicht bezahlen konnten, und wie man ihrer Familie das Haus und den Garten weggenommen hatte, wie sich in den Wäldern Menschen zu Rudeln zusammengeschlossen hatten und kleine Kinder jagten. (Ebd.: 273)
Während der Holodomor als großes ukrainisches Trauma mehrfach detailliert zur Sprache gebracht wird, geistern andere Traumata eher in Gestalt verstreuter Anspielungen durch den Roman. Oft haben die Figuren selbst keine Begriffe für die Systematik einer sich über Jahrzehnte erstreckenden ökonomischen, politischen und physischen Gewalt. Die Tschernobyl-Katastrophe beispielsweise wird im Kontext der Beerdigung von Lenas Mutter erwähnt. Hier sprechen die Nachbarn darüber, »dass der Tod überall war. Der eine Arbeiter von hier aus dem Wohnblock, den man nach der Reaktorexplosion zum Aufräumen in den Norden geschickt hatte, sei verstorben, kurz nachdem er wieder nach Hause gekommen war, der war noch keine dreißig. Ein anderer sei gar nicht erst zurückgekehrt. […] Irgendetwas passiere ständig. Menschen gingen eben.« (Ebd.: 107) Die politisch zu verantwortende Nuklearkatastrophe, in deren Folge nach IAEA-Angaben allein in den am schwersten betroffenen Gebieten in der Ukraine, Russland und Belarus 4000 Menschen starben (vgl. Ramana 2009), wird im Alltagsgespräch der Nachbarschaft zu einem eher unbedeutenden Ereignis unter anderen verharmlost. Ähnliches gilt für die Darstellung von Gewalt gegen Frauen und Kinder in der späten Sowjetunion und während der Transformationszeit (vgl. Salzmann 2021: 283, 304) sowie die schleichende Nationalisierung. Wurde in Tatjanas Jugend in Mariupol noch Russisch, Ukrainisch, Georgisch, Griechisch, Bulgarisch, Albanisch, Serbisch, Türkisch und Turkmenisch gesprochen (vgl. ebd.: 269), so findet im Verlauf der 1990er Jahre eine Vereindeutigung ethnisch-nationaler Identitäten statt, in deren Zuge es zu Konflikten zwischen den Figuren kommt, die die Kriege in der Ukraine, Dagestan, Ossetien und Tschetschenien reflektieren.
Die psychologischen Auswirkungen der vielschichtigen Gewaltgeschichte von der Stalin-Ära bis zum beginnenden Ukraine-Krieg werden in Im Menschen muss alles herrlich sein durch die polyperspektivische Gegenüberstellung der unterschiedlichen Figurenbiografien veranschaulicht. Durch den ersten, Lena gewidmeten Romanteil erfahren Leser*innen weit mehr über die historischen Ursachen hinter den gebrochenen Identitäten in der Elterngeneration als deren Töchter Edi und Nina. Die Generation der Töchter hat dagegen nur wenig Zugang zu den Erfahrungen ihrer Eltern und sieht in ihnen vor allem Karikaturen. Deutlicher als in Wer wir sind exponiert Im Menschen muss alles herrlich sein die Spannungen innerhalb der Gruppe der aus der Sowjetunion stammenden Emigranten in Deutschland. Neben die ethnisch und politisch motivierten Konflikte zwischen Angehörigen der Elterngeneration tritt dabei der Generationskonflikt mit einer durch Edi und Nina repräsentierten jüngeren Generation. Während für die Elterngeneration die Herkunft aus der Sowjetunion der entscheidende Identitätsfaktor ist, neben dem die zumeist prekäre Zugehörigkeit zum Judentum eine höchstens folkloristische Rolle spielt, identifizieren Edi und Nina sich als Mitglieder einer pluralen, von multidirektionalen Gedächtnissen geprägten Gesellschaft. Die für sie wesentlichen Aspekte ihrer Identität, wie Edis Homosexualität, haben keinen Bezug zur sowjetischen Herkunft ihrer Eltern oder zum Judentum.
7. Vom Gedächtnistheater zur multidirektionalen Erinnerung
Die in Form eines Gedächtnistheaters sedimentierte Dichotomie von jüdischer Minorität und deutscher Mehrheitsgesellschaft wird in beiden Romanen unterlaufen. Zum einen sind die aus der Sowjetunion stammenden Kontingentflüchtlinge keine Überlebenden und passen deshalb nicht ins etablierte Identitätsschema jüdischer Shoah-Opfer. Zum anderen erweist sich jüdische Identifikation in beiden Romanen als äußerst vielfältig und oft prekär. Lena Gorelik befragt in Wer wir sind jüdische Identität im Kontext der Familie und folgt damit Darstellungsmustern anderer Autor*innen aus der Gruppe der Kontingentflüchtlinge wie beispielsweise Olga Grjasnowa (vgl. Sepp 2024: 168). Sasha Marianna Salzmann geht in Im Menschen muss alles herrlich sein weiter: Ihr narrativ komplexer Roman dekonstruiert das Judentum als Identitätsentwurf fast vollständig. Gemeinsam ist beiden Romanen, dass die sowjetische Herkunft der Figuren und die aus der Sowjetunion stammenden Geschichtstraumata sich als mindestens ebenso bedeutsam (Gorelik) oder sogar als weit bedeutsamer (Salzmann) für die Identitätspolitik der Romane erweisen als das Judentum. Beide Romane transportieren Erinnerungen über die mnemonische Bruchlinie zwischen Ost- und Westeuropa und verzahnen dabei, wie Arvi Sepp mit Bezug auf Olga Grjasnowa bemerkt, »unterschiedliche transnationale und interdependente Opfererfahrungen« (ebd.: 169).
Der Historiker Enzo Traverso unterscheidet drei Gedächtnisse, die in der europäischen Erinnerungskultur um Aufmerksamkeit konkurrieren: das westliche, in dem der Holocaust die Stellung einer »säkularen Religion« habe, das östliche, vom sowjetischen Totalitarismus geprägte und das postkoloniale (Traverso 2009: 159). Die Romane von Gorelik und vor allem von Salzmann vermitteln im Kontext dieser Erinnerungskonkurrenz den erinnerungskulturellen Wandel in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion an ein deutsches Lesepublikum. Sie reihen sich damit in eine Welle verspäteter Kommemoration der stalinistischen Unterdrückung auch innerhalb der ehemals sowjetischen Staaten ein (vgl. Ortner 2018: 83). Diese Welle ist eine Herausforderung für die Dominanz von Holocaust-Narrativen in der deutschen Erinnerungskultur, denn sie fordert mehr Aufmerksamkeit für sowjetische Kriegstraumata, den Gulag und den Holodomor sowie die Erfahrungen von Heimat- und Sprachverlust im Gefolge der Ausreise. Allerdings bleiben beide Romane nicht bei dieser Erinnerungskonkurrenz stehen, sondern zeigen auf, wie sich die Positionierung hinsichtlich der eigenen Identität in der jüngeren, bereits in Deutschland aufgewachsenen Generation noch einmal verändert: Lena und ihre Kinder in Wer wir sind sowie Edi und Nina in Im Menschen muss alles herrlich sein positionieren sich innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft. Für Lena und ihre Patchwork-Familie ist Mehrsprachigkeit innerhalb einer diasporischen Gemeinschaft das wesentliche Thema. Edi ist lesbisch und hat eine Partnerin, die Muslima ist. Dass ihr jüdischer Ziehvater Daniel Edis Homosexualität ablehnend gegenübersteht, ihr eine Konversionstherapie aufdrängen will und eine namentlich nicht genannte rechtsextreme Partei wählt, verläuft dabei quer zu den im Rahmen des Gedächtnistheaters an Juden gerichteten Rollenerwartungen.
Damit demonstrieren beide Romane eindrucksvoll, dass das etablierte Muster des Gedächtnistheaters, in dem Jüdinnen und Juden feste Rollen erfüllen, der Pluralität gelebten Judentums im heutigen Deutschland nicht gerecht wird. Beide Romane handeln von der größten Personengruppe unter den gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Für die älteren Angehörigen dieser Gruppe hatte das Judentum in der Sowjetunion Bedeutung, weil es im Pass vermerkt war und zu Diskriminierung führen konnte. Sie sind jedoch oft keine Juden im Sinne der Religionsgemeinschaft, und es kann sogar unklar sein, inwiefern sie überhaupt jüdisch sind. Vor allem Sasha Marianna Salzmanns Im Menschen muss alles herrlich sein problematisiert die Frage der jüdischen Identität ganz grundsätzlich. Die Rolle der Jüdischen Gemeinde wird hier als die einer wichtigen sozialen Anlaufstelle gezeichnet, in der eine partielle Re-Inszenierung der Figuren als Jüdinnen und Juden zum Zwecke der Abgrenzung und Selbstbehauptung in der deutschen Mehrheitsgesellschaft erfolgt. Das zugrundeliegende Konzept von Identität ist ein plurales, wobei die russische Sprache und sowjetische Prägung der Figuren besonders bedeutsam sind. Allerdings ändert sich die Sicht auf diese Prägungen in Deutschland noch einmal, und wichtige Erinnerungen können erst hier ausgesprochen werden. In der jüngeren Generation hat Edi kaum einen Bezug zu ihrer sowjetischen Herkunft, für sie ist ihre sexuelle Orientierung entscheidend. Zum Familiengedächtnis ihrer Eltern und Großeltern nimmt die jüngste Generation eine kritische Distanz ein.
Beide Romane demonstrieren die von Max Czollek konstatierte »radikale Veränderung jüdischen Lebens« in Deutschland durch die Kontingentflüchtlinge, deren »Ausmaße sich bis heute nur abschätzen lassen« (Czollek 2023: 95). Die Texte stehen im Kontext einer sich auch global wandelnden Holocaust-Erinnerung im Zuge generationeller Umbrüche, der europäischen Integration, von Globalisierung, Migration und der Entstehung neuer kosmopolitischer Identitäten. Im Gegensatz zum in der deutschen Erinnerungskultur bislang vorherrschenden Gedächtnistheater operieren die beiden Romane mit einem Konzept multidirektionaler Erinnerung als Gegenstand anhaltender Verhandlungen, vergleichender Bezugnahmen und dialogischer Interaktion mit anderen Gedächtnissen (vgl. Rothberg 2009: 3f.).
Anmerkungen
1 Zur Kontroverse um Czolleks Judentum vgl. Dippel 2021.
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