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Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 15. Jahrgang, 2024: »[V]ielfach sich kreuzende Linien«. Die exotische Kalligraphie in Kafkas tropischer Strafkolonie (Thomas Schwarz)

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 15. Jahrgang, 2024

»[V]ielfach sich kreuzende Linien«. Die exotische Kalligraphie in Kafkas tropischer Strafkolonie (Thomas Schwarz)

»[V]ielfach sich kreuzende Linien«

Die exotische Kalligraphie in Kafkas tropischer Strafkolonie

Thomas Schwarz

Abstract

Kafka’s story In the Penal Colony (1919) is about the execution of a verdict which is ought to be tattooed into the delinquent’s skin with deadly consequences. Against the background of various travel reports, this essay illuminates how an exoticist traveler responds to the practices of a colonial disciplinary regime located on a heterotopic tropical island. Neither the foreign explorer nor the victim of the colonial violence can decipher the writing of the verdict. The thesis of this paper is that the illegibility of its characters is derived from the contemporary fascination for Chinese calligraphy, while its ideological message appeals to the colonial subject to give up anticolonial resistance and to submit to colonial power. Kafka’s narration however makes the exotic calligraphy legible and presents colonialism as an unreformable and abject project of military subjugation by means of colonial terror.

Title

»[M]ultiple crossing lines«. The Exotic Calligraphy in Kafka’s Tropical Penal Colony

Keywords

colonialism; exoticism; insularity; tropicality; discourse on China

Im Bericht von seiner Tropenreise in die französische Kolonie Tahiti erzählt Paul Gauguin von einer Polynesierin mit einer »Doppelreihe Menschenfresserzähne«, auf deren Wange ihm eine »Tätowierung« auffällt. Er erkennt ein »dunkles, in seiner Form unbestimmtes Zeichen, das an einen lateinischen Buchstaben erinnerte«. Der exotistische Hedonist Gauguin erkennt indigniert, dass es sich um ein »Höllensiegel« handelt, mit dem europäische Missionare die »Fleischeslust« in Polynesien zu brandmarken suchten. (Gauguin 1909: 53f.) Franz Kafkas »Tropische Münchhausiade«1 In der Strafkolonie (1919) konfrontiert einen Forschungsreisenden mit einer ähnlichen, wenn auch ungleich radikaleren Strafpraxis.2 Als Repräsentant einer Rechtsauffassung, die von einer modernen Strafprozessordnung geprägt ist (vgl. Kittler 2007: 44-51 u. 64f.; Hiebel 1983: 130), gelangt er auf das überseeische Territorium einer europäischen Kolonialnation, deren Administration die Lizenz zu einer tödlichen Tätowierung unbotmäßiger Untertanen erteilt hat. Im konkreten Fall geht es um einen renitenten Soldaten, dem in seinem Konflikt mit einem Hauptmann auch noch nachgesagt wird, dass er ihn mit Anthropophagie bedroht habe. Der Antagonist des Reisenden ist ein Offizier der Kolonialarmee, der die Reproduktion von unbedingtem Gehorsam gegenüber der Kolonialmacht im Rahmen einer rigiden Militärgerichtsbarkeit betreibt. Insubordination gilt in der tropischen Ausnahmezone des literarischen Labors von Kafkas Inselnarrativ als Kapitalverbrechen, das mit der Todesstrafe geahndet wird. Der Offizier schildert dem Reisenden die Funktionsweise der Exekutionsmaschine. Es handelt sich um eine Art Tätowierapparat, der die Haut eines Delinquenten mit rätselhaften Schriftzeichen so ornamentieren soll, dass dieser an der Gravur zugrunde geht.3

Ein Berichterstatter der Münchener Neuesten Nachrichten, der 1916 eine Lesung Kafkas besucht hatte, hielt fest, dass die »detaillierte Beschreibung des Folterwerkzeugs und das Psychische des mit pathologischer Liebe um dieses Werkzeug sich mühenden Offiziers« auf die Zuhörer »abstoßend« gewirkt habe ([v.H.] 1916: 3). Diese Reaktion lenkt die Aufmerksamkeit auf die Frage, wie die narrative Strategie der Novelle eine derart massive ästhetische Resonanz hervorrufen kann. Der Münchener Rezensent führt die Abjektion des Publikums auf die sexuelle Perversion des Offiziers zurück. Kurt Tucholsky dagegen erklärt in seiner Rezension für die Weltbühne, dass der Offizier kein Sadist sei, sondern ein Anhänger der Möglichkeit schrankenloser Machtausübung (vgl. Panter 1920: 655f.).

Kafkas Erzählung lässt sich auch als eine Schreibszene lesen, in der ein technischer Apparat buchstäblich einen menschlichen Körper signiert (vgl. Campe 1991: 760). Die Haut des Verurteilten wird zum materiellen Zeichenträger, auf den ein enigmatischer Schuldspruch eingraviert wird. Warnungen vor literaturtheoretischen Spekulationen über ›Unlesbarkeit‹, ›Einschreibung‹, ›Körper‹ und ›Schrift‹ anlässlich der Strafkolonie sind vollkommen berechtigt.4 Gut dokumentiert ist jedoch, dass Kafkas Erzählungen mit dem Chinadiskurs der Jahrhundertwende verflochten sind (vgl. Dirmhirn 2023: 26f. u. 243-291; Goebel 1993; Twellmann 2017). Auf dieser Basis versucht mein Beitrag die Frage nach der unentzifferbaren Schrift, in der die Schuldsprüche der Strafkolonie kodiert sind, neu zu stellen und ihre Funktionsweise im narrativen Diskurs bei Kafka mit der europäischen Rezeption chinesischer Kalligraphie und konfuzianischer Moral um 1900 zu erklären.

Während Tucholsky Kafkas Erzählung eher im Reich literarischer Träume ansiedelt, lässt sich auch nicht in Abrede stellen, dass gerade die europäischen Kolonien realhistorisch Handlungsspielräume für eine unumschränkte Ausübung von Herrschaft geboten haben. Postkolonial informierte Ansätze berücksichtigen diesen Kontext, insbesondere die Tatsache, dass eine »unlesbare Schrift« ein »bewährtes Mittel« kolonialer »Machtausübung« war.5 Kafkas Offizier beruft sich auf das in dem insularen Überseeterritorium geltende Standrecht. Dessen juristischer Staatsapparat bedient sich kodifizierter Edikte, deren vage Form es erlaubt, in der kolonialen Situation eine willkürliche Schreckensherrschaft auszuüben. Kafka dürften die sadistischen Exzesse nervenschwacher deutscher Kolonialherren in den afrikanischen Tropenkolonien bekannt gewesen sein. Sie waren in den Medien unter dem Stichwort ›Tropenkoller‹ ein breit diskutiertes Thema.6

Dieser Beitrag rekonstruiert die komplexe interdiskursive Poetik von Kafkas Erzählung nicht nur als Verarbeitung der zeitgenössischen Diskussionen über die Notwendigkeit von Verbrecherkolonien und das Problem der Tropenneurasthenie, sondern auch als Spiel mit der ästhetischen Resonanz unlesbarer chinesischer Zeichen und des Inselexotismus. Die Präsenz von Kafkas Protagonisten auf der Tropeninsel stellt das Regime des kolonialen Terrors zwar in Frage. Doch reist er am Ende unter dem Eindruck einer bevorstehenden Restauration dieser Verhältnisse fluchtartig aus der Strafkolonie ab. Wenn dieses Narrativ der tropischen Forschungsreise das Verfahren einer kolonialen Strafjustiz für nicht reformierbar erklärt, ergibt sich daraus die Hypothese, dass es damit zugleich auch die Einrichtung europäischer Kolonien insgesamt in Frage stellt.

1. Überseeische Forschungsreisen zu den ›Künstlern‹ der Tortur

Octave Mirbeaus Jardin des Supplices (1899) zählt zu den mutmaßlichen Quellen für Kafkas Strafkolonie. Dass dieses Buch als Pornographie auf dem Index stand, hat zu seiner enormen Verbreitung beigetragen. Eine Rezension erklärt, dass aus diesem Werk »perverser Sinnenlust« eine »erschreckende Phantasie« spreche, mit einem »Henkersknecht« als »Künstler« (St.[über]-Gunther 1901: 1). Mirbeaus Protagonist ist ein falscher Forschungsreisender, der mit einer sinophilen Engländerin namens Clara über Ceylon nach China reist. Alternativ hätte er auch in die Südsee reisen können, um dort diverse »systèmes d’administrations pénitentiaires« (Mirbeau 1899: 54), die »verschiedenen im Gebrauche befindlichen Strafverwaltungssysteme zu studieren« (Mirbeau 1901: 68.). Es ist diese abweichende Route, die Kafkas Forschungsreisender einschlagen wird. Bei Mirbeau animiert Clara den Reisenden schließlich dazu, den »chinesischen Sträflingen« einen Besuch abzustatten (ebd.: 126). Sie erklärt, dass »die Chinesen« ganz »wunderbare Künstler« in der Benutzung der »Folter- und Todesinstrumente« seien (ebd.: 173f.). Ein chinesischer Henker spricht den Engländern geradewegs ab, »Künstler« im Fach der »Qualen« zu sein, denn ihre Kolonialarmee würde lediglich distinktionslos »massenhaft« vernichten (ebd.: 194f.). Die Pointe bei Mirbeau ist ein kolonialismuskritischer Kulturrelativismus. Festhalten lässt sich, dass die literarische Ausgestaltung dieses chinesischen Gartens der Qualen in den zeitgenössischen Chinadiskurs das Versatzstück von der Gefangenenfolter als einer angeblich chinesischen Kunst lanciert hat.

Kafkas Erzählung reagiert schon mit ihrem Titel auf eine im Zeitalter des Imperialismus häufig gestellte Frage: Braucht Europa Strafkolonien? – Als der Kolonialpropagandist Friedrich Fabri das Kaiserreich aufforderte, Kolonien zu erwerben, begründete er seine Auffassung unter anderem mit der Notwendigkeit, »Straf-Colonien« einzurichten. Als »Bestrafung politischer Vergehen« empfiehlt er die »Deportation« (Fabri 1879: 48). Auf diese Weise könnte sich Deutschland seiner »Anarchisten« entledigen, nach dem Vorbild Frankreichs, das die »Communards« nach »Neu-Caledonien« geschickt hat (ebd.: 49f.). Von einer »insularen Lage« verspricht er sich entscheidende Vorteile. Wer die Sträflinge in »tropische Gegenden« sende, gebe sie dort den »aufreibenden Einflüssen des Klimas« preis (ebd.: 67). Das widerspreche zwar dem Gebot der »Humanität«, doch ungeachtet dessen hält er zum Beispiel die »Inselgruppen östlich von Neu-Guinea« oder nördlich von »Neu-Caledonien« für geeignet (ebd.: 67).

Nach der Konsolidierung eines deutschen Kolonialreichs wird die »Frage der Deportation« akut, und Max Treu (1905: 407) erwähnt in einem Beitrag zu dieser Debatte, dass die deutsche Regierung die »Großen Admiralitätsinseln« nordöstlich von Neuguinea für ein solches Projekt ins Auge gefasst habe. Mit der »Verschickung« könne sich eine Nation »von dem Heere der Antisozialen« befreien (ebd.: 420). Auch für Kafkas Lehrer, den Sozialdarwinisten Hans Groß (1905: 281), ist die »Deportationsfrage von unabsehbarer Wichtigkeit«. Lebenslang zu deportieren seien die straffällig gewordenen »Degenerierten« (ebd.). Auf der Liste von Groß stehen soziale Typen wie der »Landstreicher«, der »sexuell Perverse« (ebd.: 282), der »Päderast« und der »Ewigrevolutionäre« (ebd.: 285). Wenn die »Kultur« die Ursache der »Degeneration« sei, dann sei es nur logisch, die »Degenerierten« in »unkultivierte Länder« zu »deportieren«, um dort der »Natur ihren selektionierenden Lauf zu ermöglichen« (ebd.).

Walter Müller-Seidel (1986: 28) hat erklärt, dass es »keine Insel der Welt« gebe, die so sehr »der Strafinsel« von Kafkas Erzählung entspreche, wie die französische Südseekolonie Neukaledonien. Ihm verdankt die Kafka-Forschung den Hinweis auf den Bericht des Juristen Robert Heindl, der im Auftrag des Justiz- und des Kolonialministeriums 1907 zu einer Forschungsreise aufgebrochen war, um die Strafkolonien nicht nur in Neukaledonien zu besichtigen. Ein Mitglied des Reichstags hat dieses Werk der »Deportationsliteratur« auf der Titelseite des Berliner Tageblatts im November 1912 besprochen. Nicht nur aufgrund der »teilweise schauerlich grotesken Reiseerlebnisse« kommt der Rezensent zu dem Schluss, dass Heindl eine »vernichtende Kritik« an der Deportation verfasst habe (Müller-Meiningen 1912: 1). Auch der sozialdemokratische Vorwärts wendet sich unter Berufung auf Heindl gegen »Deportationsschwärmer« und »Deportationsfanatiker« (Wendel 1913).

Bereits im Vorfeld der Publikation seines Reiseberichts in Buchform hat der Medienprofi Heindl seit 1910 mit Reisebriefen eine umfangreiche publizistische Tätigkeit in der Presse entfaltet. Kafka könnte von diesen Feldstudien auch einfach aus der Zeitung erfahren haben. So berichtet Heindl von der britischen »Verbrecherkolonie« der Andamanen, dass dort die »Tropensonne« über »zwölftausend« Sträflingen glühe.7 Nach dem antikolonialen Aufstand von 1857 hatte die britische Regierung hier eine Strafkolonie für indische »Rebellen« eingerichtet (Heindl 1913: 369). Anreisende werden von einem vor der Küste ankernden Dampfer ausgeschifft und mit Ruderbooten an Land gebracht. Heindl wird vom Gouverneur aufgenommen und wohnt in dessen »Tropenpalast«.8 Er erklärt, dass der englische Kolonialbeamte auch hier jeden Nachmittag seinen Tee trinke (vgl. Heindl 1911b: 11). Zum Dinner erscheinen »zahlreiche Beamte und Offiziere der Kolonie mit ihren Damen« (Heindl 1910b: 4; 1913: 365). Wenn es Delinquenten zu bestrafen gilt, werden sie auf einen »Prügelapparat geschnallt« (Heindl 1910b: 4) und in letzter Instanz droht der »Galgen« (Heindl 1913: 383). Gegen die autothalassischen Inselbewohner, die diese Kolonie bedrohen, bietet die britische Verwaltung das Mittel der sogenannten »Strafexpedition« auf (ebd.: 399).

Auch Kafkas Strafkolonie weist die topographische Besonderheit auf, dass Besucher von einem Schiff aus mit Landungsbooten auf sie übersetzen müssen, da der Hafen noch im Bau ist (vgl. 47). Zur Inselgesellschaft gehören auch die »Damen des Kommandanten« (34f.), der Kafkas Forschungsreisenden eingeladen hat, einer Exekution beizuwohnen (vgl. 5). Hier wie dort werden Delinquenten auf einem Apparat »festgeschnallt« (14). Aufgrund solcher Entsprechungen ließen sich auch die Andamanen als Blaupause für Kafkas Strafkolonie in Betracht ziehen. Selbst das »Teehaus« (36, 47f.) auf Kafkas Insel könnte eine britische Institution sein, wäre da nicht das Problem, dass britische Kolonialbeamte wohl kaum wie bei Kafka auf das Französische als Verkehrssprache zurückgreifen würden (vgl. 10). Es liegt daher nahe, Kafkas fiktive Kolonie als poetische Verdichtung zu begreifen, in der Versatzstücke montiert sind, deren offensichtliche Herkunft von verschiedenen Orten es sinnlos macht, eine Inselkolonie allein als Kafkas Vorlage zu privilegieren.

Heindl zählt in seiner Berichterstattung die »deutschen Besitzungen« im Pazifik auf, die für »eine Strafkolonie« geeignet sein könnten, von den Karolinen über die Palauinseln bis hin zu den Marianen. Allerdings nennt er sie »Krematorien«: Eine »Strafkolonie« an einem solchen Ort sei eine »glühende Guillotine«. (Heindl 1910a: 3; 1913: 425) Das Fazit des Forschungsreisenden: »Ein längerer Aufenthalt in den Strafkolonien der Südsee, Indiens und Afrikas hat mich belehrt, daß die Strafvollstreckung in den inländischen Zuchthäusern in jeder Hinsicht der Deportation vorzuziehen ist.« (Heindl 1911c: 2; 1911a: 2) Im Vergleich mit mörderischen »Tropenkrankheiten« sei die »Todesstrafe« nicht nur »menschlicher«, sondern auch »rationeller«. Die Deportation sei als »Strafmittel wie als Kolonisationsmittel wertlos« (Heindl 1911c: 2f.).

Als Heindl 1912 seinen Reisebericht in Buchform vorlegt, berichtet er, wie er auf der Neukaledonien vorgelagerten Insel Nou die »Zellen« für die »zum Tode Verurteilten« und einen »Hinrichtungsplatz« besichtigt. Zwei Häftlinge führen ihm den »ominösen Mechanismus der Guillotine« vor. Vom ehemaligen Henker der Ile Nou erzählt Heindl, dass es sich um einen Sträfling namens Macé gehandelt habe, der sich nach seiner Freilassung auf das Amt des Scharfrichters beworben habe. Er habe sich als »Henker angeboten, um seine Mordgelüste ohne neue Schwierigkeiten mit der Justiz befriedigen zu können«. Macé sei ein »Künstler, der in seine Kunst verliebt ist«. (Heindl 1913: 51) Sein Künstlername ist »Monsieur de Nou«. Heindl hat den 66-Jährigen persönlich interviewt. Er behauptet, dass seine Maschine »göttlich« funktioniere. Daraufhin ergreift Heindl die Flucht, die ihn in die Hütte des Henkersgehilfen führt. Der prahlt damit, dass er eine »Maschine« erfunden habe, »die fünf Personen in drei Minuten enthaupten kann, ohne daß der Henker genötigt ist, eine Sperrklinke zu berühren«:

Man schneidet sich selbst den Kopf ab durch den Betrieb des Schaukelbretts, das automatisch das Fallbeil herabfallen läßt. Wenn mehrere Patienten nacheinander an die Reihe kommen, guillotiniert der zweite den ersten; er braucht nur den Fuß auf die Planke zu setzen und der Apparat beginnt zu arbeiten. (Ebd.: 52)

Auch aus China berichtet Heindl, dass dort »Verbrecher« wegen Delikten wie »Aufruhr« zur »Verbannung« verurteilt werden (ebd.: 343). Heindl informiert über »Exekutionen« in China, die der »Scharfrichter« möglichst »in die Länge ziehen« soll (ebd. 331f.). Er beginnt mit dem »Abschneiden von Nasen, Ohren, Zehen und Fingern«, um den Delinquenten am Ende mit einem »Stich ins Herz« zu töten (ebd.: 332). Im Gefängnis gibt es für »Disziplinarstrafen« verschiedene »Strafapparate«. Heindls Bericht ist an dieser Stelle mit der Fotografie eines »Prügelapparats« illustriert (ebd.: 337f.). Die Ausführungen des Juristen können an die literarischen Schilderungen Mirbeaus anschließen, sie stehen in der Tradition eines Chinadiskurses, in dem dann auch bei Heindl selbstverständlich ein »Teehaus« nicht fehlen darf (ebd.: 330).

In der Diskussion über Strafkolonien während der Jahrhundertwende kreuzen sich der juristische und der koloniale Diskurs. Die Biopolitik der Deportation verspricht die Entfernung ›sexuell perverser, degenerierter Rebellen‹. Kritisiert wird das tropische Archipel der europäischen Strafkolonien aus klimatischen Gründen. Diese Debatte bildet den realhistorischen Hintergrund von Kafkas Erzählung, die sich aber auf keine der referierten Positionen reduzieren lässt, sondern die kolonialen Strafpraktiken aus literarischer Perspektive noch einmal neu beleuchtet. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie diese narrative Strategie das Wissen aufgreift, das im Chinadiskurs und in der Berichterstattung über Europas Strafkolonien zirkuliert.

2. Die Schrift der kolonialen Gewalt

Kafkas Strafkolonie ist auf einer abgeschiedenen Insel in den »Tropen« angesiedelt (7). Die Basisnarration schildert den Tag einer gescheiterten Hinrichtung unter einem mit »Sonnenlicht überschüttetem Himmel« (55). Die Vorgeschichte wird in Analepsen mitgeteilt. Vor zwei Tagen ist ein fremder Reisender angekommen, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. In der Nacht verletzt der »Diener« (18) eines Hauptmanns seine Dienstpflicht, die darin besteht, jede Nacht stündlich vor der Tür seines Vorgesetzten »zu salutieren« (19). Als der Hauptmann seinen Untergebenen um zwei Uhr schlafend vorfindet, macht er von einem ihm wie selbstverständlich zustehenden Züchtigungsrecht Gebrauch – er schlägt den Soldaten mit einer »Reitpeitsche« ins Gesicht (19).

Realhistorisch war die »Peitsche« als Mittel zur Herstellung von Arbeitsdisziplin in der französischen Strafkolonie Neukaledonien zum Zeitpunkt der Reise Heindls bereits »aus philanthropischen Erwägungen abgeschafft« worden (Heindl 1913: 100). Heindls Bericht zufolge haben es die Sträflinge dort aus genau diesem Grund erheblich an »Achtung« für ihre »Aufseher« fehlen lassen (ebd.: 100f.). Während sich Heindl als Anhänger einer Disziplinierung mit der Peitsche zu erkennen gibt, stellt Kafkas narrative Zuspitzung die brutale Überreaktion des Hauptmanns als einen Fall von Tropenneurasthenie kritisch bloß. Die Prager Zeitung Čech hat schon 1906 in einem Leitartikel mit ironischem Unterton auf der Titelseite festgestellt, dass »deutsche Wissenschaft« dieser »komplett neuartigen« Krankheit den sehr speziellen Namen »Tropenkoller« verliehen habe (o.A. 1906c; Übers. T.S.). Für Hans Groß (1914: 237) sind impulsive »Gewalttätigkeiten« auf »degenerativer Basis« charakteristisch für den »Tropenkoller«. Der Tropenmediziner Albert Plehn (1906: 250) erklärt, dass »Aerger über die Untergebenen, deren Sprache und Eigenart unvollkommen verstanden werden«, den Ausbruch begünstige. Die von der »Tropenneurasthenie« befallenen Kolonialherren reagieren auf geringfügiges Fehlverhalten mit sadistischen Gewaltexzessen. Plehn weist darauf hin, dass die Kolonialverwaltung von Kamerun den Europäern bezeichnenderweise das Tragen von »Flusspferdpeitschen« verboten habe (ebd.: 251). Ihre Peitsche ist im kolonialen Diskurs das wichtigste kollektive Symbol der europäischen Gewaltherrschaft (vgl. Honold 2008: 487 u. 489). Die österreichische sozialdemokratische Presse erklärte in einem Leitartikel zur Kolonialdebatte, dass »überall in den deutschen Kolonien Stock und Peitsche ihr Werk verrichten.«9 Nach der Ernennung Bernhard Dernburgs zum Staatssekretär des Reichskolonialamts versuchte der utilitaristisch auf die Reproduktion von Arbeitskräften bedachte Reformer in den deutschen Kolonien gegen Gewaltexzesse, die sich aus dem »Züchtigungsrecht« der Weißen »gegenüber Dienstboten, Arbeitern usw.« (Dernburg 1908: 27) ergeben, mit Verordnungen zur Durchführung der »Prügelstrafe in ordentlicher Weise« vorzugehen, die er jedoch im Allgemeinen für »nicht entbehrlich« hielt (ebd.: 28). Allein das hat Dernburgs Reformprogramm schon den Ruf der »Humanität« eingetragen (Africanus minor 1908: 19).

In Kafkas Erzählung hat sich der Diener des Hauptmanns keineswegs entschuldigt für das Versäumnis seiner Dienstpflicht. Folgt man der Darstellung des Sachverhalts durch den Offizier, dann hat er mit einer Drohung reagiert: »Wirf die Peitsche weg, oder ich fresse dich« (19). Der Offizier bezichtigt den Untergebenen nicht nur der Respektlosigkeit, sondern auch des Kannibalismus. Angebliche Anthropophagie war in der Kolonialzeit ein beliebter Vorwand für sogenannte Strafexpeditionen, militärische Operationen mit fatalen Folgen für die lokale Bevölkerung (vgl. o.A. 1906b). Einschlägige Medienberichte hatten vor allem die Funktion, den kolonialen Terror zu rechtfertigen. Bei Kafka verurteilt der zuständige Offizier den mutmaßlichen Kannibalen wegen seiner Respektlosigkeit zum Tode. Doch zunächst gilt es, dessen Sprechakt in seiner ganzen Tragweite zu begreifen: Ein kolonialer Untertan fordert von seinem Kolonialherrn, das Mittel aus der Hand zu legen, das seiner entwürdigenden Unterwerfung dient, andernfalls werde er ihn töten. Aus postkolonialer Perspektive handelt es sich hier um einen Akt von antikolonialem Widerstand, den Kafkas Erzählung hinreichend legitimiert.

Der Offizier erklärt, dass er das Urteil nach der Anzeige des Hauptmanns am nächsten Morgen unmittelbar nach der Tat aufgeschrieben habe. Der Verurteilte wird angekettet und soll eine Stunde später hingerichtet werden (vgl. 19). Eine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, geschweige denn einen Verteidiger hinzuzuziehen, wird ihm nicht eingeräumt. Der Offizier begründet sein Vorgehen mit der Behauptung, dass der Angeklagte in einem Verhör nur gelogen hätte (vgl. 19f.). Der Reisende betrachtet das »Gerichtsverfahren« zwar skeptisch (20), doch konzediert er, dass für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Strafkolonie »besondere Massregeln notwendig« seien und man hier »bis zum letzten militärisch vorgehen« müsse (20). In dieser insularen Heterotopie ist das moderne europäische Strafrecht außer Kraft gesetzt, und an seine Stelle scheint ein Standrecht gerückt zu sein, das es erlaubt, auch geringfügige Vergehen in einem militärischen Schnellverfahren zu ahnden.

In der Logik der Erzählung ist die Begründung des Offiziers für die Verweigerung einer Befragung des Angeklagten ziemlich suspekt. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass er nicht über hinreichende lokale Sprachkenntnisse verfügt, die er benötigte, um ein Verhör durchzuführen. In der Fremdsprache kann er nur einfache Sätze verwenden (vgl. 24 u. 52f.). Die herrschende Klasse der Kolonie verständigt sich auf Französisch, zumindest der »Offizier« und der »Reisende« sprechen »französisch« miteinander (10). Weder ein »Soldat«, offenbar das Mitglied einer vor Ort rekrutierten Polizeitruppe und der Exekution als Assistent des Henkers zugeteilt, noch der »Verurteilte« selbst verstehen Französisch (10). Dessen »Lippen« werden als »wulstig« (16) bezeichnet. In Kafkas Erzählung taucht das N-Wort an keiner Stelle auf. Doch im System der rassistischen Topoi, das sich im 19. Jahrhundert verfestigt hat, ist die stereotyp vorgetragene Behauptung, dass es die ›Neger‹ seien, die ›wulstige Lippen‹ hätten, fest verankert.10 Zum kollektiven europäischen Phantasma des ›Negers‹ gehörte das Schulbuchwissen, dass er der »Sinnlichkeit ergeben« sei, und die Lippen gelten als deren Ausdruck.11 Die Perfidie der kolonialen Situation, die Kafkas Erzählung nachzeichnet, besteht genau darin, dass der einheimische Polizeisoldat zum Komplizen der Exekution dieses phantasmagorischen Rebellen gemacht wird, den die Kolonialmacht keineswegs verurteilt, sondern zu seinem Los schlicht verdammt hat.

Zur Hinrichtung wird der fremde Reisende vom neuen Kommandanten der Strafkolonie spontan eingeladen (vgl. 5). Der phantastische »Apparat« für die Exekution ist jedoch eine »Erfindung« des »früheren Kommandanten« (8), der für die »Einrichtung der Strafkolonie« verantwortlich ist (9). Der Kommandant, der Hauptmann und der Offizier in seiner Doppelfunktion als Richter und Henker sind Repräsentanten eines kolonialen Disziplinarregimes, das sich mit Hilfe körperlicher Züchtigung durchsetzt.12 Dieses alte Regime ist nach dem Tod des Kommandanten durch eine neue Administration abgelöst worden. Von ihr geht ein vager Rechtfertigungsdruck aus für die disziplinierenden Methoden des Kolonialismus. Der Offizier betrachtet sich inzwischen als einzigen »offenen Anhänger« und »Vertreter« des alten Disziplinarregimes, dem es allerdings an »Macht« zur Durchsetzung seiner Position fehle (35). Während die Exekution in der Kolonie früher als öffentliches Spektakel und peinliches Strafritual vor großem Publikum zelebriert worden ist (vgl. 36), tritt inzwischen als Zuschauer lediglich ein »Fremder« auf (37).

Der Offizier erklärt dem Reisenden detailliert die Funktionsweise des Apparats. Er besteht aus einem »Bett« und einem »Zeichner«, also einer gläsernen »Egge«, aus der Nadeln herausragen (11f.), die als Schreibinstrumente fungieren. Transparenz ist für diese Form des Strafvollzugs das oberste Gebot. Der Offizier erklärt, dass jeder »durch das Glas sehen« könne, »wie sich die Inschrift in den Körper vollzieht« (22). Am Apparat ist auch ein »Filzstumpf« angebracht, der dem Opfer in den Mund gestopft wird, um es »am Schreien und am Zerbeissen der Zunge« zu hindern (12). Der Filz transformiert die phonetische Artikulation von Schmerz zu einem »Seufzen« (37). Früher haben die »schreibenden Nadeln eine beizende Flüssigkeit« ausgetropft (37). Der Offizier spart auch die ästhetische Klangresonanz nicht aus, die diese Foltermethode mit unlesbaren Schriftzeichen beim »Verurteilten« auslöst (37). Es gehe darum, ihm ein »stärkeres Seufzen auszupressen« (37). Kafkas Erzählung legt nahe, dass es dem Regime des neuen Kommandanten zu verdanken ist, wenn die Verwendung von salz- oder säurehaltiger Beize inzwischen verboten ist, allem Anschein nach aus humanitären Erwägungen. Mit dieser Darstellung überzieht die Narration einen Reformkolonialismus, der im Namen der Humanität Gewaltexzessen Einhalt zu gebieten vorgibt, letztlich aber nur kosmetische Änderungen an der Verfahrensweise vornimmt, mit ätzender Kritik.

Das Urteil wird in Form einer »Zeichnung« in den »Zeichner« eingelesen, dessen mechanisches »Räderwerk« die »Bewegung der Egge bestimmt« (23). Es gibt Musterurteile in Form von »Zeichnungen des früheren Kommandanten«, die allerdings nur in einer Form von ›Hieroglyphen‹ vorliegen. Zumindest kann der Reisende das Urteil auf Aufforderung nicht lesen: »[E]r sah nur labyrinthartige, einander vielfach sich kreuzende Linien, die so dicht das Papier bedeckten, dass man nur mit Mühe die weissen Zwischenräume erkannte.« (25) Zwar kann der Reisende die Zeichen nicht »entziffern«, doch bezeichnet er die Form des Urteils als »kunstvoll« (25).

Die ästhetische Resonanz der unlesbaren Zeichen13 bei diesem Exotisten lässt den Schluss zu, dass es sich um chinesische Kalligraphie mit einem erheblichen Konnotationspotential handelt. Der Kunsthistoriker Oskar Münsterberg ist vom »Rhythmus des Liniengefüges« dieser »Schriftmalerei« fasziniert: »Jeder einzelne Pinselstrich konnte ein kleines Kunstwerk in sich sein«, das im Vergleich mit einem »Ornament« in Europa allerdings »bedeutungsvoller« sei (Münsterberg 1910: 209). Die Erklärung von Kafkas Offizier für den exotistischen Forschungsreisenden lautet, dass man es hier nicht mit einer einfachen »Schönschrift für Schulkinder« zu tun habe, sondern mit einer komplexen, von zahlreichen Verzierungen flankierten Schrift, die erst nach zwölf Stunden töten soll (25f.). Nach einer Phase der »Vertiefung der Schrift« beginnt der Todeskandidat in der sechsten Stunde, »die Schrift zu entziffern« (28), allerdings nicht mit seinen Augen, sondern »mit seinen Wunden« (29). Der Offizier verbrämt die ästhetische Resonanz, die von dieser Einschreibung ausgeht. Ein »Ausdruck der Verklärung« mache sich dann auf dem »gemarterten Gesicht« bemerkbar (38). In einer Prolepse auf seinen eigenen Tod erklärt der Offizier, das sei ein »Anblick, der einen verführen könnte, sich mit unter die Egge zu legen« (28). Nach weiteren sechs Stunden spießt die Egge den derart über seine Schuld Aufgeklärten auf (vgl. 29).

Der verurteilte Diener wird nun mit »Riemen« auf dem Apparat festgeschnallt (29, vgl. 12 u. 30). Das »Urteil«, das ihm »mit der Egge auf den Leib geschrieben« (15f.) werden soll, lautet: »Ehre deinen Vorgesetzten« (16). Gesetzt den Fall, dass der alte Kommandant ein sinophiler Gelehrter wäre, der sich von der ›chinesischen Folterkunst‹ hat inspirieren lassen, dann hätte er hier in chinesischer Schrift ein Gebot kodiert, das im zeitgenössischen Chinadiskurs als Kern des Konfuzianismus galt. Ein vor dem Ersten Weltkrieg mehrfach wiederaufgelegtes religionsgeschichtliches Lesebuch von Wilhelm Grube erklärte, dass es zur konfuzianischen Moral gehöre, den »Vorgesetzten zu dienen« (Grube 1911: 60). In Julius Dittmars Reisebericht Im neuen China erklärt die Engländerin Frau Moore, dass Konfuzius die »Pietät, die Ehrfurcht gegen die Älteren oder die Vorgesetzten« zur »Grundlage« aller sozialen »Verhältnisse« gemacht habe.14 Und der chinesische Meister der Folterkunst in Mirbeaus Garten der Qualen beklagt den »Niedergang« Chinas, weil es einfach keine »Hierarchie« mehr gebe (Mirbeau 1902: 192). Eine ästhetisierende Germanistik mag sich mit der Einsicht zufriedengeben, dass sich auch Kafka von den unlesbaren chinesischen Schriftzeichen hat anregen lassen und mit deren affektiver Wirkung auf die Zeitgenossen gespielt hat. Es gilt allerdings, das vulgärkonfuzianische Versatzstück aus dem Chinadiskurs in den kolonialen Diskurs zu übersetzen. Dann entpuppt sich die chinesische Kalligraphie als ideologische Form des Gesetzes, das der Kolonialismus über die Kolonisierten verhängt, und das die totale Submission verlangt. Die Rede vom ›Urteil‹ ist ein ironischer Euphemismus, es geht um eine Verdammung der Kolonisierten (vgl. Fanon 1981: passim).

In Kafkas Erzählung kennt der Verurteilte sein Urteil gar nicht. Die zynische Begründung des Henkers lautet, dass eine Verkündung »nutzlos« wäre: »Er erfährt es ja auf seinem Leib.« (16) In der Tat wäre es sinnlos, den Schuldspruch des Angeklagten mündlich auf Französisch zu verkünden. Der Offizier und der Verurteilte können sich in dieser Sprache weder mündlich noch schriftlich verständigen. Vielmehr geht der Offizier davon aus, dass sich dem Verurteilten das Signifikat des Schuldspruchs performativ erschließt, wenn dieser schriftlich auf seinem Körper fixiert wird. Die universale Schrift der kolonialen Gewalt braucht keine Stimme und keinen Übersetzer. Kafkas Exekutionsmaschine ist einerseits ein repressiver Gewaltapparat, Ausdruck der militärtechnologischen Überlegenheit der Kolonialmacht, die bereit ist, jeglichen Widerstand mit dem kolonialen Terror ihrer Militärmaschine im Keim zu ersticken. Andererseits ist diese Maschine auch ein ideologischer Staatsapparat, der die koloniale Ideologie in der Exekution körperlich erfahrbar macht,15 transparent und nachvollziehbar mit abschreckender Wirkung für alle Renitenten und Rebellen gegen die Kolonialmacht.

3. Die Militärgerichtsbarkeit

Ein »Grundbegriff militärischer Ordnung« ist die »Ehrfurcht«, die vom Soldaten unbedingten »Gehorsam« verlangt: »Der Soldat soll seinen Vorgesetzten ehren« (o.A. 1843: 98). Bei Kafka müsste die vollständige Urteilsformel streng genommen lauten, dass der Angeklagte wegen der Missachtung der Befehlsgewalt seines Vorgesetzten zum Tode verurteilt worden ist. Die Buchstaben des Gesetzes der österreichisch-ungarischen Militärstrafprozessordnung (MStPO) vom Mai 1914 wären hinreichend dehnbar gewesen, um auf irgendeinen Fall von Insubordination angewandt zu werden. Die einschlägigen Paragraphen regelten Fälle »des Verbrechens der Subordinationsverletzung«, der »Störung der Zucht und Ordnung« oder der »Empörung« und des »Aufruhrs«, der »Meuterei« oder »Desertion«. Das Standrecht trete dann in Kraft, wenn es zur Aufrechterhaltung der »Disziplin« ein »abschreckendes Beispiel« zu statuieren gelte. Es soll die »Ausbreitung von strafbaren Handlungen, die die Kriegsmacht bedrohen«, verhindern. Das »Verfahren« kann durch einen zuständigen »Kommandanten« angeordnet werden. Ein »Offizier« leitet die Verhandlung. Der Schuldige soll »mit dem Tode bestraft« werden, wobei die »Art der Todesstrafe zu bezeichnen« sei. Das Standrecht gilt für solche »Personen«, die »auf frischer Tat ergriffen« worden sind oder »deren Schuld sich, allem Erwarten nach, ohne Verzug beweisen lassen wird«. Ein »förmliches Ermittlungsverfahren sowie die Überreichung einer Anklageschrift« sei nicht nötig. Das Standrecht könne »zu jeder Stunde und auch unter freiem Himmel stattfinden«.16 Der Offizier von Kafkas Erzählung folgt diesen Vorschriften cum grano salis.

Allerdings hat der Beschuldigte in dieser MStPO auch das Anrecht auf »einen Verteidiger«. Das Verfahren gesteht ihm das Recht auf eine Stellungnahme zu. Das Todesurteil bedarf der »Einstimmigkeit der Richter«. Schließlich muss das schriftlich abgefasste Urteil vom »zuständigen Kommandanten« bestätigt werden, der den Verurteilten auch begnadigen kann. Das »Urteil« sei dem »Angeklagten unverzüglich öffentlich zu verkünden«. Er sei dann innerhalb von zwei Stunden zu exekutieren (Gesetz vom 9. Mai 1914 über die MStPO für die gemeinsame Wehrmacht, S. 80f.). Aus dem Regularium der MStPO ergibt sich das Dilemma, in das sich Kafkas Reisender gestellt sieht, als er Überlegungen anstellt, ob er die »Exekution« nicht »verurteilen oder gar hintertreiben« sollte (32). Zwar liege die »Ungerechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der Exekution auf der Hand«. Da er jedoch weder »Bürger der Strafkolonie, noch Bürger des Staates« ist, zu dem sie gehört, hat er als »Fremder« (32) lediglich einen Beobachterstatus. Vor diesem Hintergrund scheut er vor einer Intervention zurück, weil er damit rechnen muss, zurechtgewiesen zu werden (vgl. 32). Doch vermutet er, dass ihn der neue Kommandant zur Exekution nicht ohne Hintergedanken eingeladen hat (vgl. 40). Allzu offenkundig ist er »kein Anhänger dieses Verfahrens« und verhält sich gegenüber dem Offizier »fast feindselig« (33). Folgt man dessen Auskunft, dann vertritt der Reformkommandant eine »milde Richtung« (34).17 Die Frage stellt sich dann, warum er den Beschuldigten nicht einfach begnadigt. Es ist evident, dass er genau wie Dernburg von der Notwendigkeit massiver, allerdings regulierter Disziplinarmaßnahmen in der kolonialen Situation überzeugt ist. Nach der Rückkehr von seiner ostafrikanischen Inspektionsreise erklärte der Reformkolonialpolitiker, er habe sich die Exekution einer Prügelstrafe »angesehen«. Das Prozedere sei »natürlich unangenehm«, aber er habe es sich »sehr viel ekelhafter vorgestellt«. (Dernburg 1908: 28) Kafkas Strafkolonie setzt an genau diesem Punkt auf eine radikalisierte Ästhetik der Abjektion, die den kolonialen Terror und die Phrenesie seiner sozialen Träger in der Zuspitzung ein für alle Mal verekelt.

Der Offizier zieht die Möglichkeit in Betracht, dass der Reisende beim neuen Kommandanten das Fehlen eines Verhörs im Gerichtsverfahren monieren, »Folterungen« als mittelalterlich diskreditieren und als »Gegner der Todesstrafe« und einer »maschinellen Hinrichtungsart« auf »andere Strafen als Todesstrafen« verweisen könnte (40f.). Tatsächlich erklärt sich der Reisende unmissverständlich zum »Gegner dieses Verfahrens« (50). Er kündigt dem Offizier an, dass er dem Kommandanten seine Auffassung mitteilen werde (vgl. 51). Daraufhin amnestiert der Offizier den Verurteilten und lässt ihn frei (vgl. 52f.). Der Offizier akzeptiert den Fremden in der kollegialen Funktion des Richters. Die Amnestie ist insofern konsequent, als die MStPO für eine Vollstreckung des Todesurteils Einstimmigkeit voraussetzt.

Dann bittet der Offizier den Reisenden, ein »Blatt« aus der Sammlung von Urteilen des alten Kommandanten zu entziffern. Einmal mehr ist der Fremde nicht in der Lage, die »Blätter« zu »lesen« (54). Der Offizier buchstabiert die »Aufschrift« und liest ihm das auf dem »Papier« vermerkte Urteil vor: »Sei gerecht!« (54) Nachdem der Offizier das Blatt mit der exotischen Kalligraphie in den Zeichner gelegt hat (vgl. 55), übergibt er sich mit suizidaler Absicht der Maschine (vgl. 59). Der Polizeisoldat und der Verurteilte solidarisieren sich indes (vgl. 51). Letzterer vermutet sogar, dass der »fremde Reisende« nicht nur seine Partei ergriffen und die Befehlsgewalt übernommen habe, sondern nun auch »Rache« üben werde für das Unrecht, das ihm widerfahren ist (59). In dieser Situation entwickelt die »Maschine« (59) ein phantastisches Eigenleben. Sie setzt sich von selbst in Bewegung (vgl. 59-61). Einerseits scheint im Apparat ein Selbstzerstörungsmechanismus am Werk zu sein (vgl. 62f.), andererseits läuft der Tötungsprozess beschleunigt ab. Die »Egge« übergeht die »Folter« und sticht direkt zu (63f.). Mit ihrer neu erlangten agency begeht die Maschine geradewegs einen »Mord« am Offizier (64) und durchbohrt seine Stirn schockartig mit der Spitze eines »eisernen Stachels« (65). Es scheint, als ob dem Opfer kolonialer Gewalt tatsächlich Gerechtigkeit widerfahren wäre, Genugtuung für die unwürdige Behandlung, die er als Verdammter dieser Erde zu erdulden hatte. Der überraschende Umsturz der Verhältnisse hat ihn von der Verdammung erlöst: »Ein breites, lautloses Lachen erschien auf seinem Gesicht und verschwand nicht mehr.« (59)

Bei einem anschließenden Besuch des Teehauses fühlt der Reisende einmal mehr auf phantastische Weise »die Macht der früheren Zeiten« (66). Er lässt sich vom Polizeisoldaten das Grab des alten Kommandanten zeigen. Bemerkenswert ist, dass sich der Soldat mit dem welterfahrenen Reisenden verständigen kann, der dessen lokale Sprache also mit anthropologischem Interesse gelernt haben muss. Die »Aufschrift« des Grabsteins erklärt, dass hier »der alte Kommandant« ruhe (67). Eine »Prophezeiung« (67) kündigt an, dass der Kommandant nach einigen Jahren »auferstehen und aus diesem Hause seine Anhänger zur Wiedereroberung der Kolonie führen« werde (68). Die unheimliche Wirkung dieser menetekelhaften Grabinschrift auf den Reisenden ist nicht unbeträchtlich. Er entscheidet sich für eine fluchtartige Abreise. Als er sich im Hafen einschifft, versuchen der Soldat und der Verurteilte, sich ihm anzuschließen. Doch der Reisende hält sie gewaltsam davon ab, ins Boot zu springen. Er benutzt ein »schweres geknotetes Tau«, mit dem er sie bedroht (69).18 Damit greift er selbst auf die vom Hauptmann praktizierte Disziplinierungsmethode zurück, die ›Kolonisierung mit der Peitsche‹. Offenbar hat der Reisende aufgrund seiner Erfahrungen vor Ort den pessimistischen Eindruck gewonnen, dass eine Restauration des alten kolonialen Disziplinarregimes unmittelbar bevorsteht, ohne dass er eine Möglichkeit sähe, hier rettend einzugreifen. Für die kolonialen Untertanen gibt es jedenfalls kein Entkommen aus der Enge des vom Meer begrenzten Inselraums der kolonialen Welt von Kafkas Erzählung.

4. Ein literarisches Laboratorium tropischer Insularität

Die ästhetische Resonanz unlesbarer fremder Zeichen stand während der Jahrhundertwende hoch im Kurs. Kafkas Erzählung allerdings bricht mit dieser ästhetisierenden Tradition der exotistischen Verklärung unverständlicher Fremde. Die europäischen Kolonialherren haben ihr Gesetz in ›unlesbaren‹ Signifikanten kodifiziert, in einer Schriftsprache, die sie kaum selbst in der Lage sind zu verstehen. Doch die abschreckende Botschaft der bei Kafka in kalligraphischer, sprich ideologischer Verklärung präsentierten Schrift für die Kolonisierten ist im Grunde eindeutig: »Unterwerft euch! Widerstand ist zwecklos, und falls ihr es doch wagen solltet, euch zu widersetzen, werden wir euch auf sadistische Weise töten.« Auch die Forderung nach humanitärer Gerechtigkeit im Kolonialismus ist nur eine ideologische Phrase. Ein ›gerechter Kolonialismus‹ ist ein ironisches Oxymoron, es gibt ihn nicht. Das Epitaph verweist als extradiegetische Prolepse auf die Restauration des alten Kolonialregimes mit seinen tropenneurasthenischen Gewaltexzessen. Für den wegen antikolonialer Resistenz Verurteilten wäre es deshalb überlebensnotwendig, von der Inselkolonie zu fliehen. Der Forschungsreisende macht hier keine gute Figur, wenn er die Flucht des Rebellen vereitelt.

Zu den technischen Besonderheiten von Kafkas Folterapparat gehört ein »Filzstumpf«, den der Offizier in den Mund des »Verurteilten« presst und der bei ihm einen akuten »Brechreiz« auslöst (33). Selbst der Offizier kann nachvollziehen, dass man nicht »ohne Ekel diesen Filz in den Mund nehmen« kann, »an dem mehr als hundert Männer im Sterben gesaugt und gebissen haben« (34). Auch die abstoßende Wirkung solcher Passagen auf die Zuhörer, die Kafkas Lesung bis zu diesem Zeitpunkt gefolgt sind, ist unmittelbar nachvollziehbar. Narratologisch sind sie auf eine Abjektion des mörderischen europäischen Kolonialregimes berechnet. Der Boden der Kolonie entpuppt sich hier als Massengrab.

Der koloniale Diskurs kultiviert in der Regel den Ekel vor dem unzivilisierten ›Schmutz‹ der rebellischen Kolonisierten, die sich angeblich der Insubordination schuldig machen. Auf diese Weise lässt sich die ›zivilisatorische Mission‹ Europas ideologisch als pazifizierende Purifikation legitimieren. Gewöhnlich wird die Kolonie dabei mit militärischer Gewalt überzogen, mit dem kolonialen Terror sogenannter Strafexpeditionen. Kafkas Text dagegen kultiviert die Abjektion gegen die Praktiken, mit denen die Kolonialherren die Kolonisierten zu disziplinieren suchen. Unter dem Disziplinarregime von Kafkas Strafkolonie ist und bleibt die Wahrscheinlichkeit, wegen eines geringfügigen Verstoßes gegen die Disziplin standrechtlich unter der Tortur exekutiert zu werden, relativ hoch. Folgt man Kafkas Erzählung, dann sind die Chancen einer Reformierbarkeit dieses Kolonialregimes nach humanitären Grundsätzen ausgeschlossen. Programmatische Vorstellungen dieser Art werden als pseudohumanistische Makulatur der Kritik preisgegeben. Kafkas kolonialer Untertan ist zum Aufenthalt auf der Tropeninsel verdammt. Aus der Perspektive des wegen Renitenz verurteilten Rebellen verhindert die Insularität der Kolonie die Flucht. Nachdem im Labor von Kafkas Inselnarrativ auch diese Möglichkeit als vergeblich durchgespielt worden ist, bleibt am Ende nur noch eine Alternative als Hoffnung – die Abschaffung des Kolonialismus. Ein Umsturz kolonialer Verhältnisse ist weder von Kolonialreformern und schon gar nicht von der literarischen Figur des Reisenden zu erwarten. Diese Aufgabe lässt sich nicht delegieren, sie ist das solidarische Projekt derjenigen, die militarisierte Verhältnisse, wie sie in der Ästhetik der Abjektion von Kafkas Strafkolonie vorgeführt werden, als abstoßend und ekelhaft empfinden.

Anmerkungen

1 So lautete der Titel der Annonce für die Münchener Lesung Kafkas, o.A. 1916: 2.

2 Ich zitiere Kafkas Erzählung nach der Erstausgabe (vgl. Kafka 1919) jeweils in einfachen Klammern.

3 Vgl. zur Einführung Honold 2008 und zum Motiv der Tätowierung Honold 2004.

4 Vgl. Auerochs 2010: 215, davor schon Albert/Disselnkötter 2002: 169.

5 Peters 2002: 72f., vgl. auch 59f.; vgl. weiter Albert/Disselnkötter 2002: 171; Nkouda Sopgui 2021: passim.

6 Zur Kulturgeschichte des Tropenkollers vgl. Besser 2013: 47-74; zum Syndrom bei Kafka Zilcosky 2003: 109.

7 Heindl 1911b: 10. Der Artikel erschien zuvor auch im Grazer Tagblatt. Ein weiterer Abdruck lässt sich in der Prager Tageszeitung Bohemia nachweisen. Kafka hat für diese Zeitung geschrieben. Vgl. Albert/Disselnkötter 2002: 174.

8 Vgl. die Publikation in einer Wiener Zeitung (Heindl 1910b: 4) und im Buch (Heindl 1913: 363).

9 Vgl. o.A. 1906a. Ein britischer Bibliothekar hat die Praktiken der deutschen Kolonialherren als Kolonisierung mit der Peitsche angeprangert: Die »Brutalität der deutschen Herrschaft« zeige sich in der »systematischen Demütigung der Eingeborenen durch exzessives und fortwährendes Peitschen«, so dass man von »Prügelkolonien« sprechen könne (Lewin 1918: 27).

10 Vgl. zum Beispiel den Afrikareisebericht von Rohlfs 1875: 7 oder auch Heiderich 1896: 683 und die Ausführungen zu den »Rassezeichen« des Verurteilten in Peters 2002: 68-70.

11 Egli 1881: 148; vgl. Daniel 1895: 206. Zur postkolonialen Kritik dieses Phantasmas einer animalischen Sinnlichkeit vgl. Mbembe 2015: 41.

12 Vgl. als eine von Foucault inspirierte Lektüre Nkouda Sopgui 2021: passim.

13 Vgl. zur europäischen ästhetischen Resonanz als Reaktion auf die ostasiatische Schriftästhetik die Habilitation von Klawitter 2015: passim.

14 Dittmar 1912: 56. Vgl. zu dessen Rezeption bei Kafka auch Goebel 1993: passim. Vgl. zur konfuzianischen Ethik Weber 1920, mit Texten aus den Jahren 1915 bis 1919: Die chinesische Standesethik verlange »Pietät (hiao) gegen […] Eltern, Lehrer, Vorgesetzte in der Amtshierarchie und Amtsträger überhaupt« (ebd.: 446). Die Ehrfurcht verbietet jeden Gedanken an »Insubordination«. Der »Glaube an die Allmacht der Disziplin auf allen Gebieten« habe die »Zeitgenossen des Konfuzius« beherrscht (ebd.: 447). Vgl. dazu auch Twellmann 2017: 234: Es kommt hier nicht darauf an, ob Kafka Weber rezipiert hat. Entscheidend ist vielmehr, dass sich in Kafkas Vorstellungen von China und in Webers Auseinandersetzung mit dem Konfuzianismus in vergleichbarer Weise derselbe Chinadiskurs eingeschrieben hat. Vgl. dazu auch Herder 1787: 415: »Das ganze Staatsgebäude in allen Verhältnissen und Pflichten der Stände gegen einander ist auf die Ehrerbietung gebauet, die der Sohn dem Vater und alle Unterthanen dem Vater des Landes schuldig sind, der sie durch jede ihrer Obrigkeiten wie Kinder schützt und regieret«. Vgl. auch ebd.: 419, wo Herder von der »Sinesischen Sklavencultur« spricht, deren Grundlage »kindlicher Gehorsam« sei.

15 Vgl. dazu auch die Lektüre von Sela 2015: passim, die Louis Althussers Ideologietheorie auf den Text anwendet.

16 Vgl. das Gesetz vom 9. Mai 1914 über die MStPO für die gemeinsame Wehrmacht, S. 78-80; vgl. auch die Provisorische Vorschrift für die Militärgefangenenhäuser: Die Instruktionen für den Kommandanten verlangen, dass dieser in einem Fall von »Ungehorsam oder Auflehnung« den »schuldigen Sträfling zur Verantwortung« ziehen müsse (Gesetz vom 9. Mai 1914 über die MStPO für die gemeinsame Wehrmacht, S. 79). »Gehorsam« müsse notfalls »mit Gewaltanwendung erzwungen« werden (S. 80). Geregelt ist hier auch der Besuch von »Fremden, welche die Strafanstalt besichtigen« (S. 80).

17 Als früher Repräsentant eines solchen Regimes kann der Reformgouverneur Alexander Maconochie gelten, der seine Erfahrungen auf der britischen Norfolk-Insel, einer Strafkolonie im Pazifik, gesammelt hat. Vgl. Maconochie 1846: passim.

18 Vgl. Albert/Disselnkötter 2002: Die Szene stehe für das Fortbestehen des Gewaltpotentials der »kolonialen Situation« (ebd.: 180).

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